Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich mit dem dramatischen Anstieg des internationalen Energiebedarfs im neuen Grünbuch der EU-Kommission vom Frühjahr 2006 keine negativen Aussagen mehr über die Kohle befinden. Vielmehr wird die unverändert tragende Bedeutung der Kohle für die Stromerzeugung der Europäischen Union herausgestellt. Es heißt aber auch, dass die Kohleverwendung im Einklang mit der Klimavorsorge genutzt werden soll, indem Clean Coal Technology zur industriellen Realität gebracht werden soll.
Der Bericht der Landesregierung verweist darauf, dass in Schleswig-Holstein der Anteil der Kohle am Primärenergieverbrauch mit nur etwa 11 % -bundesweit sind es etwa 25 % - relativ niedrig ist. Dies ist sicherlich auch ein Verdienst der Entwicklung der regenerativen Energien in unserem Land.
Der Bericht sagt ferner aus, dass aus Gründen der langfristigen Versorgungssicherheit die Kohle auch weiterhin eine Bedeutung haben wird. Dies gilt insbesondere für die Entwicklung und Fortführung der Fördertechnik, damit unsere Exportwirtschaft Vorteile daraus zieht. Es geht also nicht um eine Einstellung der Kohleförderung; dies erwähnte auch der Minister.
Obwohl China nicht zu den Lieferländern nach Deutschland - so steht es im Bericht - gehört und immerhin eine jährliche Förderung von etwa
1,4 Milliarden t aufweist, ist China heute kein Exportland mehr, sondern ein Importland. Bis vor einigen Jahren hat China von diesen 1,4 Milliarden t Eigenförderung etwa die Hälfte exportiert. China ist mittlerweile ein Importland geworden und das bedeutet, dass dies Auswirkungen auf das Preisverhalten der wichtigsten Lieferländer nach Deutschland haben wird.
Entscheidend ist - das hatte ich anfangs bereits erwähnt - eine moderne zukünftige Technologie, die den CO2-Ausstoß drastisch reduziert und die Effizienz der Kohlekraftwerke erhöht. Wirkungsgrade von 34 % darf es nicht mehr geben. CO2-arme Kohlekraftwerke müssen her - auch in Schleswig-Holstein. Die Technik auf Basis mehrerer möglicher Verfahren steht jedoch erst am Anfang der Entwicklung. Die CO2-Abspaltung kostet viel Geld.
Wir müssen die Entwicklung der Technologie auch in Schleswig-Holstein begleiten. Vattenfall und RWE haben sich auf den anspruchsvollen Weg der CO2-armen Kraftwerkstechnik gemacht. Ich plädiere dafür, auch unsere Forschungs- und Entwicklungskompetenz gerade unter dem Aspekt anzubieten, dass auch wir in naher Zukunft zumindest ein Kohlekraftwerk haben werden.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Ritzek und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Olaf Schulze das Wort.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kann man nur Kohletechnik beklatschen! Die Welt geht am Klima kaputt und ihr klatscht! Das ist so was von rück- wärts gewandt! Unglaublich!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem wir am Mittwoch bereits über die Energiethemen Atomkraft und Öl diskutieren durften, steht heute nun die Zukunft der Kohle zur Debatte. Manche behaupten ja, das sei ein staubtrockenes Thema, aber angesichts dieser Reaktionen hier scheint das meinem Empfinden nach nicht der Fall zu sein.
dere Themen, wie die seit 100 Jahren bekannte und wirtschaftlicher werdende Umwandlung von Kohle in Öl, sollten wir zu einem anderen Zeitpunkt aufrufen.
Auf unsere Bitte hin hat die Landesregierung den Bericht zur Zukunft der Kohle in Deutschland und Schleswig-Holstein vorgelegt; ich bedanke mich für den informativen Bericht und die Arbeit des Wirtschaftsministeriums.
Die zentrale Bedeutung von Stein- und Braunkohle mit zusammen fast 50 % Anteil an der Bruttostromerzeugung in Deutschland ist im Bericht belegt. In Schleswig-Holstein liegt der Anteil der Steinkohle nur bei 15 %. Braunkohle wird in Schleswig-Holstein nicht eingesetzt.
Meine Damen und Herren, die SPD bekennt sich auf allen Ebenen klar zur Zukunft der Kohle: Wir wollen einen breiten Energiemix. Unsere Energieversorgung muss auf eine breite Basis aller Energieträger gestellt werden - von der heimischen Stein- und Braunkohle bis hin zu erneuerbaren Energien; dies haben wir am Mittwoch bereits beim Thema „Weg vom Öl“ diskutiert.
Genauso brauchen wir ein breites Spektrum der Lieferländer, um einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Der Erhalt der Kohlenutzungs-, -verbrennungs- und -fördertechnologie in Deutschland muss gesichert bleiben. Der Steinkohlebergbau in Deutschland darf nicht eingestellt werden. Dazu sind auf absehbare Frist - anders als bei der wettbewerbsfähigen heimischen Braunkohle - staatliche Subventionen unumgänglich. Trotz steigender Weltmarktpreise wird zurzeit jede Tonne Steinkohle in Deutschland mit etwa 100 € unterstützt.
Energieeffizienz ist ein wichtiger Bestandteil unserer Energiepolitik. Daher stellt der Wirkungsgrad einen wichtigen Indikator dar. Der Stand der Wirkungsgrade von Kohlekraftwerken wird durch technische Innovationen ständig erhöht. Wirkungsgrade von 50 % sind vorstellbar. Gleichzeitig ist es gelungen, die CO2-Emissionen pro Kilowattstunde seit 1990 um gut 14 % zu senken. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen. Moderne Kohlekraftwerke werden ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Energiepolitik bleiben.
Damit sollte aus meiner Sicht möglichst schnell grünes Licht für neue Kohlekraftwerke in Schleswig-Holstein gegeben werden; für mich ist hierbei vor allem der Standort Brunsbüttel besonders geeignet.
Dass hierbei die effektivste und umweltschonendste Technik eingesetzt werden muss, ist für mich selbstverständlich. Zweifel habe ich allerdings an der momentanen Diskussion um CO2-freie Kohlekraftwerke, wie sie Vattenfall bis 2008 im Industriegebiet Schwarze Pumpe in Brandenburg realisieren will. Mit gewaltigem Aufwand soll das CO2 vom Rauchgas getrennt und unter Druck verflüssigt werden.
So weit, so gut. Aber es dann unterirdisch in ehemaligen Gasspeichern oder am Meeresboden zu lagern, überzeugt mich nicht. Letztlich befürchte ich, dass das CO2 entweichen kann und so nur ein zeitlich verschobenes Freisetzen in die Atmosphäre mit großen Kosten entsteht
oder dass wir eine Entsorgung auf spätere Generationen verlagern. Da diese Technik für den kommerziellen Einsatz wohl erst ab 2020 zur Verfügung stehen wird, sollten wir in Schleswig-Holstein zurzeit darauf verzichten und uns für die effektivsten und umweltschonendsten Techniken für eine sichere Energieversorgung in Schleswig-Holstein einsetzen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zum Kollegen Matthiessen werde ich keine Regieanweisungen geben, wann Sie klatschen können oder nicht.
Ich denke, die beiden Vorredner haben die Bedeutung der Kohle für Schleswig-Holstein hinreichend gewürdigt. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Minister Austermann, ausdrücklich für den Bericht und insbesondere dafür, dass auch technisch schwierige Details sehr anschaulich dargestellt wurden. Ich freue mich auf die Ausschussberatungen.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Kohle gehört neben geringen Mengen Öl und circa 15 % Erdgas aus inländischer Produktion zu den überwiegend heimischen Energiequellen. Wir decken unseren Primärenergiebedarf zu 11 % aus Braunkohle und zu 14 % aus Steinkohle. 23,62 Milliarden € sind in den letzten acht Jahren an Subventionen in den Bereich Kohle geflossen.
Aus grüner Sicht ist schon der Titel des Berichtes falsch. Die Energiegewinnung aus Kohle darf keine Zukunft haben. Wir müssen aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern mittelfristig aussteigen. Der Klimawandel der Erde ist dramatisch und er verläuft schneller als erwartet. Es gibt zu diesem Thema keinerlei beruhigende Nachrichten, sondern immer nur Verschärfungen der Auswirkungen.
Der Nordpol wird im Sommer eisfrei. Der Eispanzer auf Grönland schmilzt immer schneller. Die Bauern dort freuen sich über neue Ackerflächen.
Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein wird vom Klimawandel besonders betroffen sein, denn wir sind das Land zwischen den Meeren. Der Meeresspiegel steigt und steigt. Das komplette Abschmelzen des Grönland-Eises wird den Meeresspiegel um 7 m erhöhen. Damit ist die westliche Hälfte von Schleswig-Holstein vom Meer zurückgeholt und unbewohnbar.
- Ich bin ein optimistischer Mensch und ein netter Kerl und so weiter, ich neige nicht zu Horrorszenarien. Es sind Zahlen der Wissenschaft. Das sind Tatsachen. Daher ist der Kollege Matthiessen bei diesem Applaus für Kohle vielleicht ein bisschen zu emotional, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es ist unbestreitbar, dass die Technologie der Kohlekraftwerke verbessert wurde mit einer deutlichen Erhöhung der Wirkungsgrade. Kondensationskraftwerke erreichen heute einen Wirkungsgrad von 43 %, jedenfalls die neu gebauten, nicht die alten. In zehn Jahren will E.ON mit der sogenannten 700-Grad-Technologie auf 50 % kommen. Das wird dann als Klimaprojekt verkauft, wenn solche Kraftwerke in China Kraftwerke mit 33 % oder 35 % ersetzen. Was heißt das eigentlich? - Das heißt, ein Kraftwerk, das bisher eine Riesenmenge CO2 in vier Tagen emittiert hat, wird ersetzt durch ein Kraftwerk, das dieselbe Menge in fünf Tagen in den Himmel schickt. Das ist die Wahrheit.
Es gibt konkrete Pläne in Schleswig-Holstein und Hamburg zum Neubau von Kohlekraftwerken. Es ist schon gesagt worden, ein 800-Megawatt-Kraftwerk in Brunsbüttel, ein 1.200-Megawatt-Kraftwerk auf dem Kieler Ostufer als GKK-Ersatz, ein Kraftwerk in Hamburg-Moorburg: Wir lehnen jede Unterstützung solcher Projekte ab. Kohle muss weg, die macht nur Dreck!
In der Diskussion um die zukünftige Kohlenutzung haben die Stromindustrie und ihre Lobbyisten - ich nenne ganz vorneweg den Ex-SPD-Wirtschaftsminister Clement; man könnte auch den Vorgänger Müller nennen, alles Kohle-Lobbyisten - eine vermeintliche Trumpfkarte gezogen, nämlich das CO2freie Kohlekraftwerk, das hier schon von verschiedener Seite angesprochen wurde. Das ist die sogenannten Clean-Coal-Technologie, die durch ein CO2-Abtrennung diese Schmutztechnologie offenbar klimaneutral machen will. Vattenfall investiert in eine 30-Megawatt-Anlage. Das sind zehn moderne Windkraftanlagen. Diese 30-Megawatt-Pilotanlage soll 2008 in Betrieb gehen und liefert vielleicht in 15 Jahren Ergebnisse.
Alle Kalkulationen gehen von geringeren Wirkungsgraden aus und von hohen Kosten für diese Carbon-Sequestierung. Das abgeschiedene CO2 soll in ehemaligen Kohlegruben injiziert werden oder in die von Kollegen schon erwähnten salinen Aquiferen unter dem Meer. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung - das ist interessant fordert in diesem Zusammenhang, dass das nur dann akzeptiert werden könne, wenn das CO2 mindestens 10.000 Jahre in diesen Lagern verbleibt. Ich sehe im Moment nicht die Möglichkeit, diese Lager überhaupt rein quantitativ zur Verfügung zu stellen.
Eines ist klar, die CCS-Technik, also Carbon-Sequestration-Technik steht nicht zur Verfügung. Ob sie jemals zur Verfügung stehen wird, steht völlig in den Sternen. Angesichts dieser Diskussion zur Wiederbelebung konventioneller Kohletechnik lautet unsere Forderung: Keinen Cent für sogenannte Übergangstechnologien, keine Garantie für harte Energietechnik. Wir haben Energie ohne Ende, nämlich erneuerbare Energie. Kohle bleibt am besten im Boden. Brechen wir auf in das solare Zeitalter!
Herr Minister, eine kurze Bemerkung noch. Es gibt Szenarien zur Versorgung Westeuropas nur aus regenerativen Energiequellen. Diese Stromversorgung ist voll durchgerechnet, was die Erzeugungsund Übertragungstechnik anbelangt mit dem Ergeb
nis, dass wir in Zukunft Strompreise aus rein regenerativen Energiequellen in Europa von unter 5 ct realisieren können. Wenn es diese Szenarien gibt, die durchgerechnet sind auf hohem Niveau, dann müssen wir doch alles dafür tun, unsere Industrie, unsere Stromindustrie, die ganze Leitungstechnik für solche Szenarien auszurichten und nicht nach rückwärts gewandten Technologien die Zukunft predigen.