Protocol of the Session on September 15, 2006

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Matthiessen, ich möchte gern auf das eingehen, was Sie eben gesagt haben. Sie haben etwas gesagt, was Sie eigentlich auch ein bisschen verraten hat, nämlich: Wir müssen mittelfristig raus. Das sehen wir wahrscheinlich alle so. Aber was ist mittelfristig? - Mittelfristig ist nicht zehn Jahre und nicht 20 Jahre, da werden wir wahrscheinlich über 50 oder 60 Jahre reden müssen. Wir sind uns alle einig, dass wir da raus wollen, aber für diese Übergangszeit brauchen wir Energie. Daran werden wir nicht vorbeikommen. Das sehe ich völlig leidenschaftslos. Sie wissen, wir sind in der Energiepolitik nicht weit auseinander, aber ich muss mir Gedanken darüber machen, wie ich im derzeitigen Zustand uns alle mit Energie versorgen kann, wie ich die Wirtschaft mit Energie versorgen kann. Die Verantwortung habe ich als Politiker. Daran kann ich nicht vorbei.

Wir wissen - darauf weist der uns vorliegende Bericht der Landesregierung hin -, dass SchleswigHolstein im Jahre 2002 seinen Primär-Energieverbrauch hauptsächlich mit folgenden Energieträgern abdeckte: Kernenergie, Mineralöl, Gas und Kohle. Eine Fortführung der Kernenergie ist aus unserer Sicht aber keine Alternative in der Stromversorgung, und eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke oder gar neue Atomkraftwerke schaffen keine Versorgungssicherheit. Aber auch diese Strommengen müssen wir irgendwie produzieren. Im Gegenteil, die Atomkraftwerke verhindern Investitionen in moderne, effiziente Kraftwerke sowie in eine wettbewerbsfähige und innovative Energieversorgung. Wenn wir also den Ausstieg

(Detlef Matthiessen)

aus der Atomenergie wollen, und wir wollen das, müssen wir an mehreren Energieschrauben drehen. Das heißt, wir müssen vorhandene Energieeinsparpotenziale mobilisieren, müssen in die Energieeffizienz investieren, der wichtigste Aspekt bleibt aber die kontinuierliche Verbesserung und Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien.

Um die Atomenergie abwickeln zu können, benötigen wir einen Energiemix aus verschiedenen Energieträgern, der die Versorgungssicherheit und die Umweltverträglichkeit gewährleistet. Hierbei wird die Rolle der Kohle aus zweierlei Gründen stärker ins Visier rücken als bisher, zum einen natürlich als Energielieferant. Die Effizienzsteigerung bei den Kohlekraftwerken ist bereits deutlich erkennbar. Der Bericht führt hierzu aus, dass sich der Stand der Wirkungsgrade von Kohlekraftwerken in den letzten Jahren verbessert habe. Bundesweit haben Steinkohlekraftwerke einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von rund 38 %. Dem gegenüber stehen neue Kraftwerke mit Wirkungsgraden von 45 bis hin zu vorstellbaren 50 %.

Zum anderen ist ein verstärkter Einsatz von Kohle nicht unproblematisch - das wissen wir alle - hinsichtlich des CO2-Ausstoßes. Kohlekraftwerke sind im Hinblick auf CO2-Emissionen nicht das Gelbe vom Ei. Dies dürfen wir in der Diskussion nicht verhehlen. Der Bericht weist darauf hin, dass es im Zeitraum von 1990 bis 2005 für den gesamten Kraftwerkspark der deutschen Stromversorger eine Verbesserung von rund 40 % gegeben habe hinsichtlich der spezifischen CO2-Emissionen. Leider macht der Bericht keine genauen Angaben über die Entwicklung bei den Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken.

Mit seinen Klimaschutzzielen ist Deutschland eine Selbstverpflichtung eingegangen, die CO2-Emissionen zu senken. Es ist einerseits eine politische Grundsatzentscheidung, wie die Energieversorgung künftig gestaltet werden soll, wir kommen aber mittelfristig - das sind, wie ich sagte, 50 oder 60 Jahre - um den Einsatz von fossilen Kraftwerken nicht herum. Der Einsatz solcher Kraftwerke stellt für die Zukunft eine wichtige Säule im Energiemix der Zukunft dar. Was wir da benötigen, ist der Einsatz modernster Technologie. Hierzu macht der Bericht deutlich, dass mit der Verbesserung der Kraftwerkswirkungsgrade auch deren CO2-Emissionen gesenkt werden. Darüber gibt der Bericht einen Entwicklungsstand über CO2-arme beziehungsweise CO2-freie Technologien wider und weist darauf hin, dass auch diese Technologien derzeit noch Probleme aufweisen, die es zu lösen gilt und die uns in Zugzwang setzen.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass uns für die Abwicklung der Atomenergie nicht endlos Zeit zur Verfügung steht. Gleiches gilt natürlich auch für schleswig-holsteinische Atommeiler. Der Bericht macht zwar deutlich, dass in nächster Zeit Investitionsentscheidungen für den Bau neuer Steinkohlekraftwerke in Schleswig-Holstein getroffen werden könnten, aber leider geht der Bericht nicht darauf ein, wo und wann diese Kraftwerke gebaut werden. In diesem Zusammenhang hat sich der SSW immer für den Standort Brunsbüttel ausgesprochen. Dort wird der Atommeiler spätestens im März 2009 vom Netz genommen. Das bedeutet, dass dort ein Vakuum entsteht, das ausgefüllt werden muss. Daher werden wir dort Ersatzarbeitsplätze benötigen. Das technische Know-how ist dort in der Region vorhanden. Gleiches gilt für die infrastrukturellen Voraussetzungen. Nicht nur die Stromnetzkapazitäten sind dort vorhanden, auch die Verkehrsverbindung ist dort optimal. Dies gilt insbesondere für den Kohletransport. Anstatt also über Restlaufzeitenverlängerung für den Atommeiler Brunsbüttel zu diskutieren, müssen wir uns damit beschäftigen, was nach dem März 2009 mit dem Wirtschaftsstandort Brunsbüttel geschehen soll.

Hier muss die Landesregierung noch ihre Schularbeiten machen. Denn die Planung, Genehmigung und der Bau eines Kohlekraftwerkes lassen sich nicht innerhalb eines Jahres umsetzen. Dort haben wir ein wenig Zeitdruck, dort müssen wir schnell reagieren. Das ist auch im Sinne des Atomausstieges. Und ich glaube, wenn wir uns vernünftig entscheiden, wenn wir neue, technisch ausgereifte Kohlekraftwerke bauen, sind wir in der Lange, die Überbrückung der nächsten 50 bis 60 Jahre hinzubekommen. Dann, lieber Kollege Matthiessen, bin ich wieder einig mit Ihnen, dann gilt die Zukunft den erneuerbaren Energien.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte die Diskussion hier nicht überspannen. Aber der Kollege Lars Harms hat gefragt, was man sich unter mittelfristig vorzustellen hat. Die Sterbelinie des deutschen Kraftwerkparks zeigt etwa eine Ab

(Lars Harms)

nahme von 40 GW bis 2020 auf. Das muss ersetzt werden. Die zeitlichen Komponenten richten sich nach den technischen Umsetzungsmöglichkeiten für regenerative Erzeugungsanlagen und der Errichtung von Leitungstechnik. Insofern bewege ich mich, wenn ich von mittelfristig rede, in einem Zeitraum der nächsten 15 bis 30 Jahre. Dann ist es aus meiner Sicht realisierbar, erneuerbare Energien im Stromerzeugungsbereich in Europa zu installieren, die etwa 80 % der Gesamterzeugung abdecken können.

Ich bin sehr gern bereit, Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu diesem Thema eine vertiefte Diskussion - zum Beispiel auf Sonderveranstaltungen - zu führen. Wir sind in dieser Diskussion noch am Anfang. Das zeigte diese Debatte auch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Matthiessen, erlauben Sie mir eine Anmerkung, weil Sie das sich in der Planung befindliche Vorhaben in Kiel angesprochen haben. Ich bitte daran zu denken, dass es hier um KraftWärme-Kopplung geht. Es geht nicht nur um die reine Form der Stromerzeugung für Kiel.

Wenn Sie über Stromerzeugung nachdenken, müssen Sie sich natürlich entscheiden, Herr Kollege. Sie können natürlich sagen, Ihrer Meinung nach gehe das alles über regenerative Energien. Sie müssen aber auch akzeptieren, dass es Leute gibt, die diese Ansicht nicht so teilen. Sie müssen sich schon überlegen, wie Sie Grundlast abdecken können. Das können Sie nicht ausschließlich über regenerative Energien tun. Das Wissen ist zurzeit Allgemeingut. Sie können es auch nicht ausschließlich über Kohle machen. Das ist meine feste Überzeugung.

Ich teile Ihre Bedenken, wenn es darum geht, fossile Brennstoffe, fossile Rohstoffe zu verbrennen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das sind wichtige andere Möglichkeiten. Aber Sie können nicht auf der einen Seite sagen: raus aus der Atomenergie, und auf der anderen Seite sagen: keine fossilen Brennstoffe, ausschließlich regenerative Energien. Ich glaube, gemessen an dem, was an Energiebedarf auf uns zukommt, und vor dem Hin

tergrund der Rohstoffknappheit generell, werden Sie sehen, dass das Recycling eine größere Bedeutung bekommt Das sind energetisch betrachtet exogene Prozesse. Das werden Sie nicht ausschließlich mit regenerativen Energien schaffen können. Insofern glaube ich, dass das nicht anders geht. Der Mix ist gefordert. Für Kiel gilt, dass die Kraft-WärmeKopplung auch ein Fortschritt in Sachen CO2-Einsparung ist.

(Vereinzelter Beifall)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, wir müssen Gemeinsamkeiten feststellen, wenn wir diese Diskussion führen. Die Gemeinsamkeit ist doch, dass wir angesichts der Klimaprobleme alle gemeinsam das Maximale dafür tun wollen - davon gehe ich aus -, um möglichst schnell zu einer regenerativen Energieversorgung zu kommen. Die Frage, ob uns das bis zum Jahr 2050 gelingt oder erst bis zum Jahr 2100, ist eine Frage, die von zwei Faktoren abhängt. Das eine ist die Frage der technischen Möglichkeiten und das andere ist die Frage der wirtschaftlichen Möglichkeiten. Das sind die beiden Rahmenbedingungen.

Dazu hat die Universität Flensburg, die hier im Land beheimatet und insofern nicht so weit entfernt ist, in einer Studie einmal durchgerechnet, was es bedeutet, Europa regenerativ zu versorgen. Es gibt mehrere Studien ähnlicher Art, die davon ausgehen, dass es durchaus realistisch ist, eine Umstellung in den nächsten 50 Jahren zu organisieren. Das ist die entscheidende Diskussion, die wir führen müssen. Wenn wir heute in Kraftwerke investieren, die 40 oder 50 Jahre stehen, müssen wir heute schon entscheiden, wo die Zukunft hingeht und was in 40 oder 50 Jahren passieren soll. Es ist völlig richtig, dass wir sowohl die Atomkraft als auch die Kohlekraftwerke ablösen müssen. Das sind entscheidende Dinge.

Alle Szenarien gehen dabei davon aus, dass unser Hauptproblem dabei nicht im Strombereich bestehen wird. Den Strombereich abzulösen, ist nicht das Problem. Wir haben in Schleswig-Holstein schon 30 % regenerative Energien, in einigen Ländern in Europa sogar mehr, vor allen Dingen in den Ländern, die viel Wasserkraft haben. Es wird von

(Detlef Matthiessen)

niemandem bestritten, dass es kein entscheidendes Problem sein wird, den Strombereich in den nächsten 50 Jahren durch regenerative Energien abzudecken.

Das eigentliche Problem besteht im mobilen Kraftfahrzeugbereich und im Heizungsbereich. Im Heizungsbereich wird das im Wesentlichen über Einsparungen gehen, dadurch, dass man Bauqualitäten hat, die nur noch ein Zehntel von dem heutigen Verbrauch erfordern. Da gibt es riesen Möglichkeiten. Dafür sind aber auch riesige Investitionen nötig. Im mobilen Bereich bestehen die größten Probleme. Dort wird die längste Abhängigkeit vom Öl existieren oder man muss auf Biokraftstoffe umsteigen.

Das heißt, wir werden uns konkret mit diesen Szenarien beschäftigen müssen. Es hat keinen Sinn, sich gegenseitig von irgendwelchen Technologien zu überzeugen, sondern wenn wir gemeinsam feststellen, dass wir alle möglichst schnell auf regenerative Energien umsteigen wollen, so schnell, wie es möglich ist - ich gehe davon aus, dass das alle wollen -, dann muss man sich in einer Fachdiskussion darüber Gedanken machen. Dann würde ich in der Tat vorschlagen, dass sich der Ausschuss - wie Detlef Matthiessen angeregt hat - einmal Experten, unterschiedliche Leute einlädt und vortragen lässt

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

und auf der Grundlage dessen tatsächlich zu einer vernünftigen Bewertung kommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, die Drucksache 16/939 federführend dem Wirtschaftsausschuss und mitberatend dem Umwelt- und Agrarausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Dann bitte ich um Zustimmung. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 45 auf:

Angebot an Studienplätzen

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/941

Ich erteile dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Dietrich Austermann, das Wort. - Herr Minister, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bildung ist in aller Munde. Pünktlich zur heutigen Sitzung hat die OECD ihren neuen Bericht, die Bildungsstudie, herausgegeben. Danach sieht es für Deutschland nicht gut aus. Wir stellen fest, dass wir mit einer Hochschulabsolventenquote von 20,6 % weit hinter dem OECD-Durchschnitt rangieren, der bei etwa 35 bis 36 % liegt. Nur die Tchechische Republik, Österreich und die Türkei bilden weniger Akademiker aus als Deutschland. Das ist beunruhigend, wenn man sich vor Augen hält, dass das Potenzial weidlich ausgeschöpft ist und dass nur ein geringer Anteil der Schüler überhaupt nur die Hochschulreife erwirbt.

Klar ist, dass wir mehr Akademiker brauchen, denn weniger Akademiker bedeuten langfristig weniger Wachstum und weniger Arbeitsplätze. Ich möchte deutlich unterstreichen, dass ich davon ausgehe, dass wir bei der Erhöhung der Zahl der Studienplätze ganz selbstverständlich darauf achten müssen, dass wir insbesondere im technologischen Bereich und im Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften Verstärkungen vornehmen müssen.

Es ist erfreulich, dass die Zahl der Bewerber um einen Studienplatz in den meisten schleswig-holsteinischen Hochschulen im Wintersemester 2006/2007 gestiegen ist. Abschließende Zahlen gibt es noch nicht und jeder stellt seine Mutmaßungen an, womit das wohl zusammenhängt. Es gibt mehrere Gründe.

Einer liegt sicherlich in den Studiengebühren, die uns faktisch bereits in eine Insellage gebracht haben. Das ist eine Tendenz, die insbesondere bei Landeskindern zu Schwierigkeiten führt, wenn sie keinen zu anderen vergleichbaren Notendurchschnitt haben und dadurch Schwierigkeiten bekommen, einen Studienplatz vor Ort zu erhalten. Dabei müssen wir wissen, dass wir ohnehin nur etwa 50 % unserer Abiturienten in Schleswig-Holstein selbst ausbilden und dass wir ein Defizit von etwa 10.000 Plätzen im Land haben. Der erste Grund sind also die Studiengebühren.

Der zweite Grund: Aktuell haben wir einen Abschlussjahrgang, der demografisch bedingt besonders groß ist. Wir haben eine Rekordzahl von Schülern mit Hochschulzugangsberechtigung.

Der dritte Grund: Die Zahl von Bewerbungen ist auch deshalb bei uns so hoch, weil Studierwillige sich oft bei verschiedenen Universitäten gleichzeitig bewerben und nicht rechtzeitig mitteilen, für welche Stelle sie sich entscheiden. In dem Bericht,

(Karl-Martin Hentschel)