Protocol of the Session on September 14, 2006

Hier kommt eine wichtige Aufgabe auf die Kliniken in Schleswig-Holstein zu.

Grundlage einer flächendeckenden Versorgung in Schleswig-Holstein ist deshalb eine hinreichende Anzahl an Kliniken im Land, die eine Grund- und Regelversorgung anbieten können und sich nicht nur auf das Dasein als Portalklinik reduzieren. Das ist ganz, ganz wichtig.

(Beifall beim SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Über die Polikliniken reden wir noch! - Lars Harms [SSW]: Können wir machen!)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Ich bitte um Zustimmung, wer den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/827, an den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung überweisen will. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 32 auf:

Modellversuch Flensburg als Testregion für die Einführung einer Gesundheitskarte

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/829

Ich erteile der Gesundheitsministerin, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nichts hat unser Leben in den letzten Jahrzehnten mehr verändert als die Informationstechnologie. Kennen Sie noch den Euroscheck, die Kugelkopfschreibmaschine oder den Schmalfilmprojektor?

(Martin Kayenburg [CDU]: Kennen wir! - Heiterkeit)

Die Informationstechnologie hat Strukturen verändert, die Effizienz erhöht und neue Qualitäten geschaffen. Das wird auch von der elektronischen Gesundheitskarte erwartet. Daher ist das große öffentliche Interesse am Start des Projektes zu verstehen. Es ist ein außerordentlicher Erfolg für SchleswigHolstein, dass noch in diesem Jahr in Flensburg damit begonnen wird, 10.000 elektronische Gesundheitskarten an die Versicherten auszugeben.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass in Flensburg und in Sachsen der erste Test beginnen soll. Ich denke, das ist ein großer Erfolg.

Dieser Erfolg ist der Erfolg vieler Beteiligten, die seit Jahren mit großer Energie, aber auch mit Zähigkeit am Gelingen arbeiten. Die Landesregierung hat dieses Projekt von Anfang an intensiv unterstützt: mit hohem Einsatz der Gesundheitsabteilung - Herr Schloer ist heute hier und hat auch mit seinem persönlichen Einsatz dazu beigetragen - und mit finanziellen Mitteln. Ich möchte dafür noch ein

(Lars Harms)

mal allen Beteiligten aus dem Gesundheitswesen sehr, sehr herzlich danken.

(Beifall bei der SPD)

Ich betone das. Denn neben der Freude über den Start gibt es auch Frustrationen. Denn dieses Projekt kommt nicht so schnell voran, wie wir uns das wünschen. So beginnt der Test später und auch mit weniger Inhalt als ursprünglich geplant. Wir könnten in Flensburg schon sehr viel mehr Informationen und Dienste mit der Gesundheitskarte realisieren, aber das Tempo bei solchen bundesweiten Vorhaben wird leider nicht von den Schnellsten vorgegeben.

Warum ist nun die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte so schwierig und so langwierig? Ich will darauf zwei Antworten versuchen. Zum einen ist dieses Projekt riesig und technologisch äußerst komplex. Wenn Sie es mit der Einführung der Maut vergleichen, so ging es da um einige Hunderttausend Lkw, hier geht es um 80 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, für die eine elektronische Gesundheitskarte eingeführt werden soll. Es handelt sich also um eine ganz andere Dimension. Die elektronische Gesundheitskarte ist damit das größte aktuelle IT-Projekt überhaupt. Die Zahl der Partner in der Gesundheitsversorgung und damit die unterschiedlichen technischen Anforderungen machen den Prozess der Spezifizierung und der Standardsetzung schwierig und langwierig.

In Flensburg ist in den letzten Jahren schon vieles konkret erprobt worden und wir setzen weiter darauf, dass wir mit diesem Vorsprung die Einführung nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern im ganzen Bundesgebiet voranbringen werden. Elektronisches Rezept, Notfalldaten, Arzneimitteldokumentation und elektronische Patientenakte, all dies muss zügig erprobt werden.

Die zweite Antwort ist die enorme strukturelle und organisatorische Veränderung, die die elektronische Gesundheitskarte im deutschen Gesundheitswesen bedeutet. Es geht um verbindlichen Austausch von vertraulichen Informationen und mehr Transparenz zur Verbesserung von Effizienz und Qualität in der Versorgung. Dies wird in viele Gewohnheiten und eingespielte Pfade eingreifen. Die Partner von Ärzten, Kassen, Krankenhäusern und Apotheken müssen mehr verbindliche Vereinbarungen treffen. Dies setzt Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Technik, aber vor allem auch in eine faire Partnerschaft voraus. Die elektronische Gesundheitskarte ist eben weit mehr als eine technische Lösung. Sie wird auch die Zusammenarbeit in der

Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein schrittweise verändern.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Man braucht nur in andere Länder zu sehen, um die Veränderungen durch IT im Gesundheitswesen zu beobachten. Das Gesundheitsministerium in Schleswig-Holstein ist Partner einer Initiative rund um den Ostseeraum, die gemeinsam das Thema E-Health voranbringen wollen. Gerade für den Bereich der elektronischen Kommunikation können wir von den nordischen Nachbarn noch einiges lernen. Flensburg ist dabei ein Beispiel dafür, wie es auch in Deutschland funktionieren kann. Ich hoffe jedenfalls, dass dies die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland beflügeln wird. In einem können Sie sicher sein, uns wird die Puste nicht ausgehen bei Verfolgung dieses anspruchsvollen Projektes.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke der Ministerin.

Bevor ich das Wort weiter erteile, möchte ich sagen, dass wir Hinweise hatten, dass es manchen Abgeordneten hier zu kalt ist. Wir haben recherchiert, ob wir das ändern können. Die Reaktionszeit unseres Systems ist eine Stunde und dann sind wir hier weg. Das kriegen wir also heute nicht mehr geregelt. Ich will nur sagen, wir bemühen uns um Fürsorglichkeit.

Wir fahren fort in der Debatte. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion der Frau Abgeordneten Ursula Sassen das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Gesundheitsmodernisierungsgesetz - wir haben es heute ein paar Mal gehört - hat die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gesetzlich vorgeschrieben. Für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ist die gemeinsame Selbstverwaltung verantwortlich. Im Januar 2005 wurde zu diesem Zweck eine Betriebsorganisation mit dem Namen gematik mbH gegründet. Neben dem schrittweisen Aufbau der erforderlichen Kommunikations-, Informations- und Sicherheitsinfrastruktur ist es Aufgabe der gematik, einen Kriterienkatalog zur Auswahl der Testregion zu erstellen. Am 2. Februar 2006 legten die an der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte beteiligten Spitzenorganisationen im

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Gesundheitswesen die finanziellen Rahmenbedingungen für die Feldversuche in den Testregionen fest. Schleswig-Holstein hat bereits 2001 im Rahmen der Gesundheitsinitiative einen Praxistest des Prototyps der elektronischen Gesundheitskarte, die elektronische Gesundheitskarte Schleswig-Holstein initiiert. Das Projekt hat die bundesweite Entwicklung wesentlich vorangebracht. Die breite Akzeptanz dieser Karte ist sicher auch auf die Mitwirkung der Fachhochschule Flensburg unter der Leitung von Professor Dr. Roland Trill zurückzuführen. Ihm und allen Akteuren sei an dieser Stelle herzlicher Dank gesagt.

(Beifall im ganzen Haus)

Es war wichtig und richtig, von vornherein den Datenschutzbeauftragten einzubeziehen. So konnten datenschutzrechtliche Fehlentwicklungen vermieden werden. Der erfolgreiche Vorlauf der elektronischen Gesundheitskarte hat sicher mit dazu beigetragen, dass Schleswig-Holstein beziehungsweise Flensburg als eine der acht Testregionen ausgewählt wurde. Die anderen Regionen sind BochumEssen, Bremen, Heilbronn, Ingolstadt, Löbau-Zittau, Trier und Wolfsburg.

Ich kann nicht nachzuvollziehen, warum man acht Testregionen haben musste, zumal damit auch ein hoher Kostenaufwand verbunden ist und die Chancen der Wahl für solch einen guten Vorläufer wie Flensburg auch geringer werden. Die Bundesgesundheitsministerin begründete dies damit, möglichst viele Krankenkassen am Testlauf beteiligen zu wollen. Ich hoffe sehr, dass fair abgewogen wird, wenn es um die Entscheidung für die Modellregion geht, und wünsche, dass Schleswig-Holstein die Nase vorn behält.

Ein Ziel ist allerdings jetzt schon erreicht: Die Erprobung der elektronischen Gesundheitskarte hat in der Region Flensburg eine beispielhafte Kooperation der Partner im Gesundheitswesen ausgelöst, hat Wissenschaft und Wirtschaft in das Projekt eingebunden und Teamgeist und Kreativität gestärkt. Wenn durch die flächendeckende Einführung der elektronischen Gesundheitskarte auch noch die wichtigen Ziele wie verbesserte Behandlungsqualität, Wegfall unnötiger und kostenaufwendiger Doppeluntersuchungen, weniger Bürokratie, transparente Arzneimitteldokumentation, Notfallbehandlung und verbesserte Behandlung chronisch Kranker und Allergiker einhergehen, dann kann die elektronische Gesundheitskarte zur Trumpfkarte werden. So weit mein Redebeitrag für die letzte Landtagssitzung.

Der Tagesordnungspunkt wurde abgesetzt und hier sind wir wieder. Nun muss ich aber sagen, ich bin nicht mehr so ganz begeistert. Ich glaube zwar nach wie vor an die Vorreiterrolle der Testregion Flensburg und an all ihre Akteure, mit dem Start der Region Schleswig-Holstein und Sachsen am 15. November 2006 werden jedoch von der gematik Kriterien abgefragt, die Schleswig-Holstein schon vor vier Jahren hätte erfüllen können. Schleswig-Holstein ist viel weiter, als mit dem Novembertestlauf abgefordert. Es werden weder elektronische Rezepte noch Notfalldaten abgerufen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Know-how Schleswig-Holsteins in den Beratungsgremien zwar gern entgegengenommen wurde, aber zugunsten der großen Bundesländer und deren Testregionen in den Geflechten der gematik versickert.

Noch im Jahr 2005 gab es bei den Ärztinnen und Ärzten in der Testregion Flensburg eine Akzeptanz für diese Karte von 60 % bis 70 %. Diese hat sich zwischenzeitlich halbiert. Es ist inakzeptabel, wenn die erfolgreichen und auch kostenträchtigen Anstrengungen und Ergebnisse des relativ kleinen Bundeslandes Schleswig-Holstein von den großen Ländern mit ihren Testregionen geschluckt und übernommen werden. Ich appelliere daher an die Landesregierung, an die Ministerin Trauernicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Anstrengungen Schleswig-Holsteins als Modellregion zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gewürdigt und berücksichtigt werden. Mit der Aussage „außer Spesen nichts gewesen“ lassen wir uns nicht abspeisen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Sassen. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Wolfgang Baasch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die elektronische Gesundheitskarte soll die Qualität, die Sicherheit und Transparenz der medizinischen Versorgung verbessern. Dass die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Deutschland in der Region Flensburg erprobt wird, ist ein hervorragendes Zeichen für die Vorarbeiten der Gesundheitsinitiative Schleswig-Holstein. Kollegin Sassen hat zum Ende schon ausgeführt, es gibt Schwierigkeiten. Allerdings führen die Schwierigkeiten bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte dazu, dass die Möglichkeiten, die

(Ursula Sassen)

sich in der Testregion Flensburg bieten, nicht voll ausgeschöpft werden können. Notfalldaten und das E-Rezept wären in der Testregion Flensburg bereits heute möglich. Darum ist es schade und es ist bitter, wenn dadurch auch die Akzeptanz sinken sollte. Deshalb sollten wir uns alle bemühen, gemeinsam dazu beizutragen, dass die Motivation zur Einführung der Gesundheitskarte auch in der Testregion weiterhin von großem Erfolg ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Gesundheitskarte soll eine Krankenversicherungskarte mit erweiterter Funktionalität sein. Auf ihr können wichtige medizinische Informationen über den Inhaber gespeichert werden, zum Beispiel Daten zur Blutgruppe, Allergien, Erkrankungen, Operationen, Implantate, zur Tetanusimpfung und zur Arzneiverordnung, die im Notfall vom behandelnden Arzt sofort abgerufen werden können. So können zukünftig auch Apothekerinnen und Apotheker erkennen, wenn ein Patient Arzneimittel einnimmt, die sich nicht miteinander vertragen. Das ist ein entscheidender Fortschritt für Patientinnen und Patienten, denn jährlich sterben mehr Menschen an Arzneimittelunverträglichkeiten als im Straßenverkehr.

Alle Akteure sind sich einig darin, dass der Datenschutz sichergestellt sein muss. Die Gesundheitskarte Schleswig-Holstein ist ein Leitprojekt der Gesundheitsinitiative und wird von Beginn an durch die Landesregierung unterstützt. Begonnen hat es im Oktober 2003 mit dem Gesundheitsnetzwerk Flensburg. Damals waren fünf Praxen und zwei Krankenhäuser beteiligt. Die Fachhochschule Flensburg hat dieses Projekt von Anfang an wissenschaftlich begleitet und diesen Vorsprung nutzt die Testregion Flensburg, damit Anfang 2007 der Feldtest mit 10.000 Beteiligten auch erfolgreich starten kann. Denn die Vorarbeiten mit der elektronischen Gesundheitskarte Schleswig-Holstein in der Region Flensburg haben dazu geführt, dass heute im Gesundheitsnetzwerk Flensburg die beiden Krankenhäuser der Region sowie 180 Ärztinnen und Ärzte mit 130 Praxen und - was entscheidend ist - über 1.000 Patientinnen und Patienten beteiligt sind.

Natürlich ist es notwendig, dass sich auch alle anderen Akteure im Gesundheitswesen in der Testregion beteiligen, und es ist hervorzuheben, dass die AOK Schleswig-Holstein diese Zusammenarbeit nachhaltig begleitet und gefördert hat. Ich darf an dieser Stelle ganz besonders für die stets gute und aktuelle Information danken, die wir über die AOK zur Testregion und zur Umsetzung der elektronischen Gesundheitskarte erhalten haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Die elektronische Gesundheitskarte soll dazu beitragen, die Informations- und Kommunikationsprozesse der Akteure im Gesundheitswesen zu verbessern. Sie soll zu einer Optimierung der Notfallversorgung beitragen und damit die Sicherheit für die Patientinnen und Patienten erhöhen. Die Entwicklung der schleswig-holsteinischen Gesundheitskarte in der Region Flensburg war ein richtiger und innovativer Schritt, der seine Fortsetzung jetzt als Pilotregion für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte auf Bundesebene findet.

Bei aller Verzögerung wird hier ein richtiger und vorausschauender Weg beschritten. Es ist und bleibt ein Grund, stolz auf das zu sein, was dort in der Region Flensburg an Engagement von Ärzten, Apothekern und Krankenhäusern, aber auch unter Beteiligung der Patientinnen und Patienten geleistet worden ist.

(Beifall)

Ich danke Herrn Abgeordneten Baasch. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.