In der Wirtschaftspolitik beobachten wir - zumindest rhetorisch - eine Kehrtwende zu Beton statt Innovation, mit erstaunlichen Ergebnissen. Die Flughafenförderung hat nach dem Stopp des Ausbaus in Kiel mit dem Urteil gegen die Subventionen in Lübeck ihr zweites Waterloo erfahren. Sogar das „Handelsblatt“ meldete, dass Klaus Müller recht hatte: Ryanair ist eine unzuverlässige Gesellschaft und droht nach ihrer bekannten Taktik - das hat sie inzwischen zweimal gemacht - mit dem Weggang nach Bremen. Dann stünde Lübeck vor dem Aus.
Das sind aber Peanuts im Vergleich zu der Fehmarnbelt-Querung; da geht es um ganz andere Dimensionen, nämlich um 5 Milliarden. Und es geht um eine Staatsgarantie, die Gewinne über Jahrzehnte garantieren soll, weil die Privatwirtschaft sonst nicht bereit ist zu investieren. Da hat SchleswigHolstein wirklich Glück, wenn die Kanzlerin jetzt die Notbremse zieht.
7. Februar verkündete er, er wolle nun den Transrapid von Amsterdam über Hamburg nach Warschau bauen, natürlich mit Bundesgeldern. Wi hebbt dat jo!
Die vorgeschlagene Trasse würde übrigens 30 Milliarden € kosten. Dabei war der Bau schon auf der stark frequentierten Strecke Hamburg-Berlin völlig unrentabel. Da bekomme ich den Verdacht: Irgendwann spielen die Dimensionen sowieso keine Rolle mehr.
Herr Carstensen, ich weiß, dass Sie sich die Werte der 50er-Jahre zurückwünschen. Das klingt romantisch und liebenswert.
Damals lag die Abiturientenquote noch weit unter 10 % und ein Drittel der Menschen arbeitete auf dem Land. Da war die Welt noch in Ordnung. Wer gestern die neuesten Zahlen der OECD-Studie gelesen hat, weiß aber: Dieses Land braucht andere Visionen. Die „Frankfurter Allgemeine“ titelte: Deutschland verliert den Anschluss.
Weder Milliarden für Betonpisten noch ein Zurück in die 50er-Jahre werden unsere Probleme lösen. Die Zukunft heißt Wissensgesellschaft. Wir müssen alle möglichen Ressourcen umschichten in das, was Zukunft bedeutet: Wir brauchen Bildung von der Wiege bis zur Bahre.
Wir brauchen viel mehr Studenten. Wir brauchen Wissenschaft, Zukunftstechnologien wie die erneuerbaren Energien, Rohstoffrecycling, Kommunikation, Gesundheitswissenschaft und vieles andere mehr!
Roman Herzog hatte Recht, als er sagte: Ein Ruck muss durch unser Land gehen. - Herr Carstensen, wachen Sie auf! Organisieren Sie sich eine strategische Abteilung in der Staatskanzlei, die die Zukunft ins Auge fasst!
Ich schlage Ihnen vor, jeden Morgen, wenn Sie aufstehen, rufen Sie als Erstes Herrn Maurus an und rufen Sie ihm am Telefon zu: Ruck! Ruck! Ruck! Das kann von mir aus auch auf Plattdeutsch geschehen.
Herr Carstensen, Sie haben falsche Versprechungen gemacht und so das Vertrauen Ihrer Wähler massiv hintergangen. Sie haben keine Vision, kein Konzept und keine Linie. Stattdessen erleben wir täglich Streitereien und Blockade. Diese Art von großer Koalition bewegt nichts außer Stillstand.
- Das ist eine interessante Frage, Herr Kubicki. Die vielen partiellen Wünsche der großen Koalition und ihrer Klientel führen trotz der anerkennenswerten Sparbemühungen von Herrn Wiegard dazu, dass der Haushalt weiter wächst und das Defizit Dimensionen annimmt, die unter Rot-Grün unvorstellbar gewesen wären.
Trotzdem werden wir Grünen der Regierung bei der Konsolidierung nicht in den Rücken fallen, wo Sie es ernst meinen, wie Sie das bei unserer Regierung jahrelang gemacht haben.
Wir wissen aber auch, dass der Haushalt nicht aus eigenen Kräften saniert werden kann. Wir erwarten deshalb, dass sich die Landesregierung auch um die Einnahmeseite bemüht. Vermögen muss wieder in relevantem Umfang besteuert werden, damit die Reichtumsschere nicht weiter auseinandergeht. Das waren einmal 100 Millionen € im Jahr für den Landeshaushalt.
Die Unternehmensteuerreform muss von Anfang an aufkommensneutral sein, da bin ich mit Lothar Hay einig. Firmen mit Milliardengewinnen, zum Beispiel IKEA, die alle Gewinne in die Karibik überweisen, lediglich als Lizenzgebühren für den Elch, müssen wieder Steuern zahlen.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD] und Lars Harms [SSW])
Wir werden wie im letzten Jahr sehr differenziert prüfen, was wir mittragen wollen. Wir werden aber genauso deutlich unsere Alternativen formulieren, aber keine Forderungen aufstellen, ohne realistische Gegenfinanzierungsvorschläge zu machen. Wir werden auch nicht die HSH Nordbank verkaufen, auch nicht virtuell. Ich habe vorhin bei dem Vorschlag geklatscht, die Anteile zu kaufen, weil die Zinsen, die wir im Moment bekommen, viel höher sind als das, was wir an Krediten aufnehmen müssten. Das ist der interessante Gesichtspunkt, den Herr Kubicki dargestellt hat, dass die Gewinnsteigerungen in den nächsten Jahren so hoch sind, dass es ein lohnendes Geschäft ist.
Wer nachhaltige Finanzpolitik machen will, kann nicht an der Zukunft sparen. Weniger Verwaltung, weniger Beton, mehr Bildung, mehr neue Technologien und eine verantwortliche Umweltpolitik, das ist unsere Linie.
Herr Carstensen, immer mehr Menschen im Lande und auch in Ihren Koalitionsparteien sind über diese Koalition beunruhigt. Der Einzige, der das offensichtlich noch normal findet, sind Sie selbst. Aus dem „Gute-Laune-Bär“ ist ein „Problem-Bär“ geworden.
Ich danke Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel. Ich möchte darauf hinweisen, dass Sie am Beginn Ihrer Rede eine Handlung als Betrug bezeichnet haben. Das ist aus meiner Sicht parlamentarisch nicht zulässig.
Ich möchte auf der Tribüne Besuchergruppen begrüßen, und zwar die Landjugend aus dem Kreisverband Steinburg und die Deutsche Auslandsgesellschaft. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Bevor ich das Wort erteile, möchte ich zwei geschäftsleitende Bemerkungen zu unseren Dringlichkeitsanträgen machen. Der TOP 21 b - Sicherheitsmängel im Atomkraftwerk Brunsbüttel? - ist statt Punkt 9, zu dem es keine Aussprache geben wird, auf heute Nachmittag gesetzt worden, wenn wir mit der Haushaltsdebatte fertig sind.
Der Punkt 21 a - Keine Schlechterstellung der schleswig-holsteinischen Kommunen bei Hartz IV ist auf Freitag anstelle von TOP 44 um 15:30 Uhr gesetzt worden.
Nun hat sich die Vorsitzende der Gruppe des SSW im Landtag lange genug geduldet. Das Wort hat Anke Spoorendonk. Wir geben ihr die Möglichkeit, in die Pause hinein zu reden. - Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch uns erreichte Anfang des Monats die freudige Nachricht, dass sich der Arbeitsmarkt im Norden auf dem Weg der Besserung befindet. Die Zeit der Schreckensnachrichten sei endgültig vorbei, hieß es. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein ist sogar besser als im Bundesdurchschnitt. Das ist von allen Vorrednern schon gesagt worden. Gesagt wurde auch, dass es im Juli sogar 14 % weniger Arbeitslose als vor ei
nem Jahr gab. Im Moment liegt die Arbeitslosenquote in Schleswig-Holstein bei 9,6 %. Mehrere Tausend neue Arbeitsplätze sind geschaffen worden. Auch von der NordBau in Neumünster wurde Positives gemeldet, wenngleich es noch zu früh ist, von einer nachhaltigen Trendwende zu sprechen.
Was auffiel, war aber, dass es in der Baubranche bereits erste Anzeichen für Flaschenhalsprobleme gibt und dass die Zahl offener Stellen in SchleswigHolstein stark angestiegen ist. Der SSW will die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt gar nicht schlechtreden. Ich habe auch ein gewisses Verständnis dafür, dass die jetzige Landesregierung und der Vorsitzende der CDU-Fraktion diese positive Entwicklung auf ihr Konto verbuchen.
Aber wie sieht die Realität aus? - Dieser Aufschwung ist einzig und allein das Verdienst der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland und insbesondere in Schleswig-Holstein. Sie haben mit ihrer Lohnzurückhaltung und einem großen Arbeitseinsatz in den Betrieben die Grundlage für die wirtschaftliche Erholung geschaffen.
Denn wegen der Lohnzurückhaltung der Beschäftigten in den vergangenen Jahren steht die deutsche Wirtschaft im EU-Durchschnitt wieder viel besser da. Während die Arbeitskosten im EU-Durchschnitt zwischen 2000 und 2004 um 2,8 % im Jahr gestiegen sind, waren es in Deutschland nur 2 %. In Niedriglohnländern wie Ungarn und Tschechien das haben wir der Presse entnehmen können - gab es Zuwächse von mehr als 10 %. In den vergangenen drei Jahren stieg die Produktivität je Arbeitsstunde um 3,6 %. Deshalb sind die Lohnstückkosten unter dem Strich um über 1 % gesunken. Es ist diese Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die zum jetzigen Wirtschaftsaufschwung entscheidend beigetragen hat. Dazu kommt eine kleine Erholung der Binnenkonjunktur, die allerdings mehr damit zu tun hat, dass viele Bürgerinnen und Bürger angesichts der kommenden Mehrwertsteuererhöhung noch in diesem Jahr Investitionen tätigen, die sie schon lange auf der Liste hatten. Nächstes Jahr sieht es leider wieder anders aus. Interessanterweise weist die Landesregierung im Finanzplan des Landes selber auf diese Problematik hin. So steht im Finanzplan:
„Der private Konsum wird in 2007 in hohem Maße von den bisherigen Entscheidungen der Finanzpolitik belastet. Durch diese Maßnahmen wird den privaten Haushalten Kaufkraft entzogen.“
Merkwürdig ist nur, dass die Landesregierung jene Entscheidungen im Bundesrat mitgetragen hat. Deshalb muss man feststellen, dass der jetzige Aufschwung trotz der Politik der großen Koalitionen in Berlin und Kiel zustande gekommen ist.
Trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen: Jeder Arbeitslose weniger ist ein Grund zur Freude. Denn wer in Arbeit kommt, bringt dem Land auch mehr Einnahmen.
Die positive Entwicklung im August kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeitsagentur noch immer viel zu wenig unternimmt, um Langzeitarbeitslose durch Weiterbildung und Qualifizierung zu fördern. Hier ist also eine aktive Arbeitsmarkpolitik gefordert, gerade auch seitens des Landes, mit Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten für Langzeitarbeitslose und nicht zuletzt für über 50-Jährige. Denn genau das ist das große ungelöste Problem der Landespolitik. Dazu kommt, dass das jetzige Wirtschaftswachstum wieder einmal zwischen dem Hamburger Randgebiet und dem Norden des Landes ungleich verteilt ist. So ist die Arbeitslosigkeit in Nordfriesland im August sogar wieder angestiegen.
Aus Sicht des SSW ist es entscheidend, dass die Landesregierung den Haushalt 2007/2008 nutzt, um den Wirtschaftsaufschwung weiter zu unterstützen und insbesondere durch regionalpolitische Ansätze eine ausgewogene Entwicklung des gesamten Landes voranzubringen, einschließlich des ländlichen Raumes.