Protocol of the Session on September 13, 2006

Ich komme jetzt zum Oberreformer Klaus Schlie. Das, was er bisher produziert hat, ist viel Papier. Er hat jetzt sein erstes Reformgesetz vorgelegt, das sich überwiegend mit dem Jagdrecht beschäftigt. Ansonsten kommt es nach Begründung des Gesetzes zu Einsparungen von sage und schreibe 0,4 Stellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Carstensen, der Schlie-Prozess wird nirgends in der Verwaltung ernst genommen. Ich spreche noch nicht einmal von den vermeintlichen Ökos aus der Umweltverwaltung. Stockkonservative Bereiche Ihrer Verwaltung und die Leitungsebenen gewinnen dem zeitraubenden Prozess maximal ein Grinsen ab. Vielleicht verfährt Herr Wiegard hier in seiner Schläue aber auch wieder nach dem Strategietrick 17: Erst einmal ein bisschen Bürokratie aufbauen. Wenn Herr Schlie dann mit seiner Abteilung von 50 Mitarbeitern gehen muss, dann sehe ich schon die Schlagzeile vor meinen Augen: Landesregierung macht ernst mit Bürokratieabbau, Schlie eingespart!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Herr Carstensen, einen Tag vor dem legendären 17. März im letzten Jahr haben Sie sich ausführlich geäußert:

„Ich kandidiere morgen, weil unser Land eine stabile Regierung braucht, die die Kraft hat, etwas zu bewegen.“

Na denn man tau! Dpa meldete letzte Woche:

„Zoff in der Schulpolitik, Streit um Naturschutz, Uneinigkeit beim Nichtraucherschutz, Dauerkonflikt um Studiengebühren in Schleswig-Holsteins großer Koalition haben sich viele Fronten verhärtet.“

Der Vortrag von Lothar Hay hatte eher wenig mit dem Haushalt zu tun. Er hat aber sehr deutlich gemacht: In allem, was er angesprochen hat, war er uneins mit der Koalition.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ähnlich wie in Berlin verhakeln sich auch in Kiel die beiden Koalitionspartner und sind nicht mehr in der Lage, die Zukunftsaufgaben anzupacken. Die dringende Modernisierung des Schulsystems wird zwischen den Fronten dieser Koalition zerrieben. Am Schluss wird das Schulsystem nicht einfacher, günstiger oder besser, sondern es gibt dann neben Förderschule, Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule auch noch eine Gemeinschaftsschule, also eine zusätzliche Schulart. Alles wird teurer. Eltern, Lehrer und Schüler sind verzweifelt, aber der Koalitionsfrieden ist gerettet.

Bei der Verwaltungsreform schlägt Justizminister Döring der CDU ihre Bewegungsunfähigkeit um die Ohren: Die heutige Kleinteiligkeit sei nicht mehr haltbar und auf die Verwaltungsstruktur müsse die Gebietsreform folgen. - Danke, Herr Döring, gut gebrüllt! Dazu sagt der Abgeordnete Hamerich - ist er hier?

(Zuruf: „Ja, der ist hier!)

Der Abgeordnete Hamerich sagt: Die CDU-Landtagsfraktion wird eine Verwaltungsreform - wie Stegner sie will - nicht mittragen. Eines ist sicher: Die Fraktion lässt sich nicht alles gefallen. - Herr Hamerich, da bin ich richtig gespannt. Die beiden Regierungsfraktionen hier im Haus lassen sich bisher wirklich jeden Unsinn gefallen; Hauptsache, der Unsinn ist parteipolitisch ausgewogen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

(Karl-Martin Hentschel)

Was im Kabinett sonst so gedacht wird, gab Innenminister Stegner am Aschermittwoch zum Besten:

„La, le, li, auch in Kiel stimmt die Chemie. Vize-Ute streitet nie, Peter-Harry führt die Regie. Nur der Mann im Mond schaut zu, wenn der Kieler Landtag schlafen geht.“

So denkt also der künftige SPD-Vorsitzende über die Abgeordneten der großen Koalition!

Herr Abgeordneter Hentschel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stegner?

Dr. Ralf Stegner [SPD] : Lieber Herr Abgeordneter Hentschel, ist Ihnen der Brauch vertraut, sich am Aschermittwoch karnevalistisch zu betätigen?

- Der Brauch ist mir bekannt. Ich bin drei Jahre lang in Köln zur Schule gegangen. Ich habe aber auch gelernt, dass die Späße, die man dann macht, manchmal durchaus einen ernsten Hintergrund haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eins ist allerdings auffällig: Die Puppen können tanzen unser Regierungschef schweigt. Er wünscht sich wahrscheinlich heimlich, er dürfte mittanzen. Er ist aber in allen Themen drin, meint dazu sein Fraktionsvorsitzender Wadephul. „Er wird auch weiterhin nicht nur moderieren, sondern auch führen. Da bin ich mir ganz sicher.“ - Das sagt Herr Wadephul. Lieber Herr Wadephul, mir hat Selbsthypnose auch schon viermal geholfen, das Rauchen aufzugeben. Ich wünsche der Union viel Glück!

Herr Wadephul sagt: Studiengebühren wird es in Schleswig-Holstein geben. Studiengebühren gibt es nicht mit der SPD, sagt sein Kollege Hay. Der Koalitionsausschuss tagt am 24. September 2006 in Kiel. Wird die Koalition dann wieder durchstarten? Wir sind gespannt.

Peter-Harry Carstensen erinnert derweil an einen Zirkusdirektor, der mit Stolz geschwellter Brust in der Manege herumspaziert, während sich hinter der Tribüne Raubtiere und Dompteure ein wenig zerfleischen. Wie sagte doch der Nordfriesische Landrat Bastian am 24. März 2006?

„Die schwarz-rote Regierung ist schlimmer als die rot-grüne.“

Ich kann ihm nicht widersprechen. Bastian steht nicht im Verdacht, ein grüner Sympathisant zu sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Kommen wir zu den Einzelplänen: 80 Millionen € wollte Finanzminister Wiegard in den einzelnen Geschäftsbereichen einsammeln. Nichts davon ist geschehen. Das ist immerhin 1 % des Gesamtvolumens. Wenn man sich die Einzelpläne anschaut, dann reibt man sich die Augen.

Der einzige Haushalt mit relevanten Einsparungen ist nämlich der Umwelt- und Agrarhaushalt. Jung Siegfried, der auszog, Krähen, Knicks und Umweltausgaben zu reduzieren, will 8,7 % einsparen. Das hilft aber dem Haushalt nicht, da der Umwelthaushalt fast ausschließlich durch EU-, GA-Mittel und Abgaben finanziert ist.

Herr von Boetticher, viel interessanter ist aber ein anderer Punkt: Bislang bekommen die Landwirte Direktzahlungen überwiegend aus Brüssel. Die tauchen im Landeshaushalt nicht auf. Die Summe dieser Mittel wird in den nächsten Jahren erheblich steigen. Die EU hat den Ländern die Möglichkeit gegeben, die steigenden Mittel entweder direkt auszuzahlen oder aber über den Umweg der Landeshaushalte unter Auflagen auszuzahlen, um Agrarumweltprogramme zu finanzieren. Dies nennt sich Modulation. Die grüne Landtagsfraktion hatte dazu mit der Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft, dem BUND und Bioland ein gemeinsames Konzept erstellt. Herr Minister, Sie verzichten völlig auf diese Möglichkeiten, obwohl Sie damit Geld einsparen können. Dafür werden Ökolandbau, Vertragsnaturschutz und die Förderung der Milchbauern zusammengestrichen. Als Höhepunkt soll der Landeswald, unser gemeinsames Erbe von Generationen, auch noch verscherbelt werden. Wenn ich Lothar richtig verstanden habe, dann ruft die SPD: Bitte nicht alles!

Herr von Boetticher, Länder wie Dänemark, Österreich, Polen und Bayern machen längst eine andere Politik und begreifen Ökoprodukte, grüne Wiesen, Vertragsnaturschutz und regionale Qualitätsprodukte als Chance, Geld zu verdienen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Bei uns sind die Regale voll mit Qualitätsprodukten, aber nicht aus Schleswig-Holstein. Das ist eine kurzsichtige Politik.

(Karl-Martin Hentschel)

Ich komme zum Arbeitsmarkt: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, zunächst sollten wir die plumpen Versuche des Ministerpräsidenten, den sanften Aufschwung auf seine Fahne zu schreiben, ruhig, aber sachlich zurückweisen. Jeder Wirtschaftswissenschaftler weiß, dass Strukturmaßnahmen nur mittelfristig wirken. Wenn es stimmt, dass Steuer- und Abgabensenkungen entscheidend für den Wirtschaftsaufschwung sind, dann ist das ein rot-grüner Erfolg. Wenn es stimmt, dass die Arbeitsmarktreformen entscheidend für das Entstehen von neuen Arbeitsplätzen sind, dann ist das unser Erfolg, denn Rot-Grün hat diese Reform gemacht. Die CDU hat bisher nur Steuern und Abgaben erhöht. Arbeitsmarktreformen hat sie auch noch nicht gemacht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen ist die von Carstensen als sein Verdienst gefeierte überproportionale Abnahme der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein nach Auskunft des Nordchefs der Bundesagentur für Arbeit, Jürgen Goecke, überwiegend durch Arbeitsplätze in Hamburg verursacht: Einen Carstensen-Effekt vermochte der BA-Chef auch auf Nachfrage nicht zu erkennen.

(Johannes Callsen [CDU]: Aber der IHK- Präsident!)

Schwamm drüber - jeder lobt sich gern selbst! Herr Carstensen, was mich aber ärgert, ist, dass diese Regierung auf die sich weiter zuspitzende Lehrstellenknappheit einfach nicht reagiert. Vor zwei Jahren hatten wir noch genauso viele Lehrstellen wie Nachfrage. Heute fehlen bereits mehrere Tausend Lehrstellen in Schleswig-Holstein. Die Zahl der ausländischen Azubis hat sich sogar halbiert. Hamburg, Berlin, Niedersachsen und Baden-Württemberg haben Sonderprogramme gestartet, die von den Grünen dort explizit unterstützt werden. Diese Regierung tut nichts und der Ministerpräsident paddelt lieber in seinem Drachenboot. Ich gönne Ihnen den Spaß, sonst sagen Sie noch, ich sei miesepetrig, Herr Carstensen, auch wenn Sie gerade wieder wegrennen. Aber bitte Spaß erst nach der Arbeit!

Meine Damen und Herren, der zweite Bereich im Haushalt, der 2007 - wenn auch minimal - sinkt, ist der Schulbereich. An dieser Stelle möchte ich mich bei Frau Erdsiek-Rave ausdrücklich bedanken und sie loben. Sie hat als Präsidentin der Kultusministerkonferenz einsam das Banner der Gemeinschaftsschule hochgehalten. Das hat offensichtlich auch Herrn Schlie am 10. März überzeugt. Er sagt:

,,Unser System ist in der gegenwärtigen Form nicht zukunftsfähig."

Dafür wurden er von seinem Kreisverband allerdings als „Umfaller“ und seine Pläne als „Osterhasen-Pädagogik“ beschimpft. Das Ergebnis ist Stillstand.

Von dem Versprechen im Wahlkampf, tausend neue Lehrerstellen zu schaffen, ist längst nicht mehr die Rede. Das großspurige Versprechen, ein kostenloses Kita-Jahr einzuführen, wurde klammheimlich wieder eingesammelt. Fazit: Auf die Bildungsoffensive wartet man vergebens. Denn bilden muss sich erstmal eines: eine Linie der Landesregierung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ähnlich ist die Situation an den Hochschulen, Herr Austermann. Ein Konzept zur Modernisierung der Ausbildung - nichts da! Ein Konzept zur Schaffung der benötigten zusätzlichen Studienplätze - Fehlanzeige! Ein Konzept, wie die Konzentration der Forschung auf die strategischen Projekte durchgesetzt werden kann, gibt es nicht. Stattdessen stiften Sie ein permanentes Chaos, indem Sie immer neue, mit niemandem abgestimmte Vorschläge absondern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ein produktives Chaos!)

Allein gegen alle Rektorate und ASten in kaum mehr als einem Jahr! Das soll Ihnen einmal einer nachmachen!