Aus Sicht des SSW ist es entscheidend, dass die Landesregierung den Haushalt 2007/2008 nutzt, um den Wirtschaftsaufschwung weiter zu unterstützen und insbesondere durch regionalpolitische Ansätze eine ausgewogene Entwicklung des gesamten Landes voranzubringen, einschließlich des ländlichen Raumes.
Natürlich ist dies vor dem Hintergrund der katastrophalen Haushaltslage des Landes eine äußerst schwierige Aufgabe. Das wissen wir auch.
Die finanzielle Ausgangslage Schleswig-Holsteins könnte sehr viel schlechter nicht sein. Wir haben die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Flächenländer und 2006 betragen die Zinsausgaben bereits 1 % des Haushalts. 67 % aller Nettoausgaben sind bereits gebunden und mit 19 % liegt die Kreditfinanzierungsquote Schleswig-Holsteins im Ländervergleich sehr hoch. Obwohl die Steuerschätzung für 2007 und 2008 mit über 800 Millionen € zusätzlichen Einnahmen rechnet, weist Finanzminister Wiegard in der „sh:z“ vom 11. September zu Recht darauf hin, dass die Steuereinnahmen dennoch nur auf dem Niveau des Jahres 2000 liegen werden.
Aber der Einbruch bei den Steuereinnahmen seit dem Jahre 2000 ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ist Folge der großen Steuerreformen der rot-grünen Bundesregierung, die zu über 50 Milliarden € Mindereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen geführt haben, unter anderem durch die Senkung der Körperschaftsteuer für Unternehmen. Von daher ist es schon ein bisschen merkwürdig, wenn sich unser Finanzminister vor der Sommerpause öffentlich für eine weitere Senkung der Unternehmensteuern einsetzt, die natürlich zu weiteren Einnahmeverlusten für das Land führen würde. Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat zu Recht darauf hingewiesen, was im Bundesfinanzministerium derzeit gesagt wird. Hier kann ich dem Kollegen Wiegard - den ich wirklich sehr schätze und dem ich für seine Ausführungen danken möchte nur empfehlen, auf seinen Parteifreund Ministerpräsident Rüttgers zu hören, der sich dazu bereit erklärt hat, sich von Lebenslügen zu verabschieden,
nämlich von der Vorstellung, dass eine Senkung der Unternehmensteuern zu mehr Arbeitsplätzen führt. Die bitteren Erfahrungen haben uns gelehrt, dass dies nun wirklich nicht der Fall ist.
Nicht zuletzt also die steuerpolitischen Entscheidungen der letzten Jahre auf Bundesebene haben Schleswig-Holstein ein großes strukturelles Defizit in seinem Haushalt beschert. Obwohl die Landesregierung 2007 und 2008 jeweils 300 Millionen € sparen will, werden wir wie in den letzten Jahren nicht in der Lage sein, einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen. Auch das wissen wir. Die Landesregierung hat gesagt, dass sie bis 2010 die Nettokreditaufnahme halbieren will. Damit wird die Kreditfinanzierungsquote langsam gesenkt. Erst ab 2009 rechnet die Landesregierung mit einem positiven Primärsaldo des Haushalts.
Im Prinzip kann der SSW von daher die Eckpunkte des Haushaltes für 2007/2008 und den Finanzplan bis 2010 unterstützen. Denn ein noch radikalerer Sparkurs hätte verheerende Folgen für SchleswigHolstein. Wir dürfen nicht vergessen, dass außer Bayern oder Baden-Württemberg kaum ein Land einen verfassungsgemäßen Haushalt aufstellen kann.
Allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir im Detail mit vielen Einzelmaßnahmen der Landesregierung gar nicht einverstanden. Die kommenden Auseinandersetzungen werden genau das beinhalten. Wir werden uns um diese Einzelmaßnahmen streiten. Wir werden die Einzelpläne miteinander debattieren. Denn diese Maßnahmen ha
ben dazu geführt, dass die Erwartungen an eine Regierung in so kurzer Zeit wie selten enttäuscht worden sind. Sowohl die große Koalition in Berlin als auch die Landesregierung in Kiel haben es geschafft, innerhalb von weniger als einem Jahr viele Hoffnungen zu zerstören. Die Ursachen für diese Enttäuschung sind nicht nur politische Fehlentscheidungen oder krumme Kompromisse, sondern vor allem das ewigen Hickhack zwischen den Regierungsparteien, egal ob es jetzt um das neue Schulgesetz in Schleswig-Holstein geht, um Studiengebühren, um das Kopftuchverbot in Schulen oder um die Gesundheitsreform. Die Bürger stehen verwirrt da und wissen nicht mehr, wo es langgeht. Das Allerschlimmste ist aber, dass die großen Koalitionen gerade den letzten Rest an Vertrauen in die Politik verspielen.
So hat die große Koalition in Kiel im Mai letzten Jahres einen Koalitionsvertrag beschlossen, in dem sie die Politik der Landesregierung festlegte. Es hat aber nicht viel mehr als ein halbes Jahr gedauert, bis sie diese Zusagen, ohne zu zucken auf den Scheiterhaufen der Geschichte geworfen hat. Noch im Dezember hat unser Ministerpräsident den Polizisten versprochen, dass bei ihnen nicht gespart wird. Zwölf Wochen später, im März, legt seine Landesregierung einen Haushaltsentwurf vor, in dem das Weihnachtsgeld von Beamten, Polizisten und Lehrern stark gekürzt wird. Wen wundert es da, dass selbst die Staatsdiener sich im Zorn von der Regierung abwenden? Die heutige Demonstration wird dies noch einmal bestätigen.
Der SSW kritisiert weiter, dass der Haushaltsentwurf zu wenig soziale Rücksichten nimmt und den ländlichen Raum unverhältnismäßig hart trifft. So stehen zum Beispiel die Senkung der Personalstandards für die Kindertagesstätten in zwei Kreisen und die Kürzungen bei den Beratungsstellen für Frauen im Widerspruch zu der Bildungs- und Familienpolitik, die sowohl SPD als auch CDU derzeit propagieren.
Besonders hart wird es auch den ländlichen Raum treffen. Die Kürzung bei der Dorfentwicklung und bei den erneuerbaren Energien und der geplante Verkauf des Landeswaldes vertiefen die Spaltung zwischen den wenigen Wirtschaftszentren Schleswig-Holsteins und dem Rest des Landes. Auch die Kürzung der Ausgaben für die Schülerbeförderung wird die Familien im ländlichen Raum besonders hart treffen.
schon im Februar geäußert hat: Die Landesregierung konzentriert ihre Förderpolitik auf die Metropolregion und die städtischen Zentren und steht mit leeren Händen bei der Förderung des ländlichen Raumes da.
So standen für die Integrierte Ländliche Entwicklung in den Gemeinden - zum Beispiel für die Dorfentwicklung - von 2000 bis 2006 fast 66 Millionen € zur Verfügung. Laut Haushaltsentwurf wird es künftig im Rahmen des ELER-Programms im Zeitraum 2007 bis 2013 nur noch 38 Millionen € für diese Maßnahmen geben. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil es damit faktisch nicht möglich ist, die vielfältigen Ergebnisse aus rund 100 ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen umzusetzen. Denn bisher wurden mit der Schwerpunktachse „Lebensqualität im ländlichen Raum und Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft“ vielfältige Projekte gefördert und auch viele neue Arbeitsplätze geschaffen.
In dieses Bild hinein passt dann auch, dass das Nachfolgeprogramm des „Regionalprogramm 2000“ nicht mehr nur für die strukturschwachen Regionen gelten soll. Die EU-Förderung für die regionale Entwicklung soll mit dem „Zukunftsprogramm Wirtschaft“ künftig ganz Schleswig-Holstein umfassen. Man kann sich leicht vorstellen, welche Regionen in diesem Wettbewerb die Verlierer sein werden.
Durch die massive Mittelkürzung werden also wichtige Investitionen zur Aufrechterhaltung von Lebensqualität und Wirtschaftsentwicklung auf dem Lande nicht mehr getätigt werden. Die Wirtschafts- und Investitionskraft der privaten und der öffentlichen Haushalte werden in der Fläche allein nicht ausreichen, um die Attraktivität zu erhalten und den Auswirkungen des demografischen Wandels und der wegbrechenden Infrastruktur entgegenzuwirken.
Die Einrichtung von Aktiv-Regionen im Rahmen des Zukunftsprogramms zur Förderung des ländlichen Raumes darf nicht zu einem K.-o.-Wettbewerb zwischen den einzelnen Regionen führen. Die Landesregierung hat weiterhin eine Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in allen Ecken Schleswig-Holsteins.
Der Gipfel des Vertrauensbruchs - auch das muss ich noch einmal sagen - ist aber der geplante Eingriff in die kommunalen Finanzen, der nicht nur Verwaltungsleute, sondern auch Politiker auf die Palme bringt. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben vor dem Landtag demonstriert. Das
war wirklich etwas Einmaliges. Wir wissen, dass sie das nicht taten, weil ihnen in die privaten Taschen gegriffen wird, sondern weil sie zu Recht um die Handlungsfähigkeit und die finanzielle Existenz ihrer Städte und Gemeinden fürchten. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Haushaltslage der Kreise, Städte und Gemeinden wird der Eingriff in die kommunalen Finanzen wirklich weitreichende Folgen für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort haben. Wenn man sagt, das sei ein Spiel, „rechte Tasche, linke Tasche“, so muss ich sagen: Das ist so.
Die Landesregierung hält aber leider unverändert an ihren Plänen fest. Dabei hat die große Koalition noch vor einem Jahr in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben - auch das möchte ich noch einmal zitieren -, dass „das Land seinen Haushalt nicht zulasten der Kommunen sanieren will und darf“. Recht hatte sie. Dabei bleiben wir.
Die von CDU und SPD vorgeschlagenen Kompensationen für die Kommunen sind entweder also völlig inakzeptabel oder unseriös. Am Ende wird die ganze kommunale Familie als Verliererin dastehen.
Denn auch das Konstrukt der Verwaltungsregionen ist an sich eine Totgeburt und wird entgegen den Aussagen der Landesregierung keine Einsparungen erbringen. Der Verwaltungsstrukturreform liegt keine grundlegende Analyse der gegenwärtigen Situation sowie der daraus folgenden Herausforderungen zugrunde. Die neue Verwaltungsebene kostet - da gehe ich jede Wette ein - zusätzliches Geld und zusätzliches Personal, sie erweitert die Bürokratie, verschlechtert die demokratischen Kontrollmöglichkeiten der gewählten Gremien auf kommunaler Ebene und bringt auch nicht mehr Bürgernähe.
Die neuen Verwaltungsregionen machen nur Sinn, wenn das Ziel eine Kreisgebietsreform ist, bei der längerfristig die Zahl der Kreise in Schleswig-Holstein auf vier oder fünf reduziert wird. Wenn die Landesregierung die heutigen Kreise abschaffen will, dann soll sie es aber sagen, dann soll sie keine Salamitaktik betreiben.
Ich fasse zusammen: Trotz der großen finanziellen Probleme darf das Land seinen Haushalt nicht auf Kosten anderer sanieren. Nur wenn es gelingt, ein
Sanierungskonzept zu beschließen, das über eine Wahlperiode hinaus reicht, kommen wir wirklich weiter. Aber ich habe noch im Kopf, wie diese Diskussionen in der Vergangenheit geführt wurden. Darum sage ich noch einmal: Allein durch Kürzungen schaffen wir es nicht, einen ausgeglichenen Landeshaushalt zu bekommen. Wir brauchen ganz einfach mehr Einnahmen.
Die Landesregierung begründet ihre Einsparziele von über 300 Millionen € pro Jahr unter anderem damit, dass es ihrer Meinung nach nicht möglich ist, die Einnahmen des Landes zu erhöhen. Das sehen der SSW und auch viele Finanzexperten anders. Zum einen sind die Möglichkeiten einer besseren Steuerkontrolle durch die Finanzbehörden überhaupt noch nicht ausgeschöpft; denn immer noch entgehen dem Staat zum Beispiel durch Mehrwertsteuerbetrug jedes Jahr Milliardeneurobeträge an Steuereinnahmen. Zum anderen gibt es immer noch das ungelöste Problem einer Erbschaft- und Vermögenbesteuerung, bei der die Bundesrepublik im internationalen Vergleich hinterherhinkt.
Diesbezüglich sollte die Landesregierung auf Bundesebene aktiv werden. Drittens bleibt es eine entscheidende Aufgabe des Landes, mehr Arbeitsplätze zu schaffen; denn dadurch bekommen wir mehr Steuereinnahmen.
Im nördlichen Landesteil, wo es große Jobchancen auf dem grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt gibt, muss die Landesregierung aus Sicht des SSW weit mehr für die Vermittlung der dänischen Sprache tun, und sie muss das bisherige Angebot an Sprachkursen deutlich ausweiten. Die Zweisprachigkeit und damit das Erlernen der dänischen Sprache ist ein entscheidender Baustein in der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des nördlichen Landesteils.
Wir brauchen also mehr Dänischkurse und wir brauchen eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Die Landesregierung muss sich wirklich das Ziel setzen, das, was sie in eigener Zuständigkeit tun kann, auch umzusetzen.
Das gilt auch in der Minderheitenpolitik des Landes. Der SSW begrüßt, dass die Landesregierung im Haushaltsentwurf keine Kürzungen bei den Organisationen der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe vorgenommen hat. Dass der Dänische Schulverein ab 2008 endlich die finanzielle Gleichstellung erhält, sehen wir als einen weiteren Ausdruck dafür, dass sich diese Landesregierung zu dem hohen Stellenwert der Minderheiten
politik für Schleswig-Holstein bekennt. Wir wissen also zu würdigen, dass der Minderheitenbereich einer der wenigen Bereiche ist, der nicht von Einsparungen betroffen wird.
Allerdings muss es erlaubt sein darauf hinzuweisen, dass diese finanzielle Gleichstellung natürlich nicht zu einer neuen Grundsatzdiskussion darüber führen darf, wer denn nun für die Minderheiten die Verantwortung trägt. Denn die gleichzeitig von der Landesregierung beabsichtigte Erhöhung des Schullastenausgleiches für die Kommunen für Schülerinnen und Schüler der dänischen Minderheit hat, zum Beispiel in Nordfriesland, bereits zu einer unerquicklichen Diskussion geführt. Durch die Erhöhung von 25 % auf 100 %, die der SSW aus Gleichheitsgrundsätzen durchaus befürwortet, kommen auf die Kommunen im nördlichen Landesteil Mehrbelastungen von bis zu 3,3 Millionen € zu.
Ich habe Verständnis dafür, dass die Kommunen von diesem Vorschlag vor dem Hintergrund des Eingriffs in die kommunalen Haushalte nicht begeistert sind. Allerdings kann es nicht sein, dass man die dänische Minderheit quasi zum Spielball im Clinch zwischen den Kommunen und dem Land macht. Das muss aufhören. Denn am Ende sind laut Landesverfassung sowohl Land als auch Kommunen für die Minderheiten zuständig.
Im Übrigen weise ich auch darauf hin, dass die Zuschüsse an die dänische Minderheit keine Almosen sind. Wir sind Bürgerinnen und Bürger dieses Landes und fordern die finanzielle Gleichstellung ein. Das heißt, wir wollen die gleiche finanzielle Förderung wie unsere Nachbarn von der Mehrheitsbevölkerung.
Dazu kommt, dass die dänischen Organisationen und Institutionen mit einem Staatszuschuss von über 60 Millionen € aus Dänemark und mit über 1.800 Arbeitsplätzen volkswirtschaftlich betrachtet für einen erheblichen positiven Effekt im Landesteil Schleswig verantwortlich sind. Diese Fakten werden in den Diskussionen um die freiwilligen Leistungen an die dänische Minderheit leider zu oft vergessen.
Das Stichwort „freiwillige Leistung“ bringt mich dazu, darauf hinzuweisen, dass der SSW beim neuen Schulgesetz die Notwendigkeit sieht, endlich die Schülerbeförderung für die dänische Minderheit gesetzlich abzusichern. Aber darauf werden wir noch eingehen, wenn wir hoffentlich im Oktober zu einer ersten Lesung des Schulgesetzes kommen.
Spätestens im Oktober werden wir auch eine Antwort auf die Frage haben, ob Schleswig-Holstein nun endlich Gemeinschaftsschulen bekommt. Vorsorglich weise ich noch mal darauf hin, dass es im Landtag eine Mehrheit für die Einführung von Gemeinschaftsschulen gibt.