Protocol of the Session on September 13, 2006

Wichtig ist, dass der Fonds auf alle Fälle 100 % der Ausgaben abdecken muss und dass, bevor er in Kraft tritt, die Kassen durch Entschuldung gleiche Startbedingungen haben. Das bedeutet auch, dass beim Inkrafttreten des Fonds auch die unterschiedlichen Risiken der Krankenkassen bedacht werden müssen. Ohne einen morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich wird es kaum möglich sein, Kassen gleiche Startchancen zu ermöglichen.

Problematisch ist auch die geplante einprozentige Budgetabsenkung in der Krankenhausfinanzierung. Hier gibt es - da sind wir uns zum Glück alle einig - für die schleswig-holsteinischen Krankenhäuser in der Tat einen weiteren wettbewerbsbedingten Nachteil, wenn nicht vorab der Nachteil aufgrund der unterschiedlichen Basisfallwerte bundesweit behoben wird. Eine weitere einprozentige Budgetabsenkung der schleswig-holsteinischen Krankenhäuser würde zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil führen. Das ist für uns inakzeptabel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt viele Aspekte, die im Detail noch einer genaueren Überarbeitung bedürfen, jedoch muss auch klar sein, dass ein Aussetzen des gesamten Reformpaketes in vielen Bereichen Nachteile in der gesundheitlichen Versorgung weiter verstärken beziehungsweise erst hervorrufen würde. Insofern halten wir es für dringend erforderlich, die Diskussion mit allen Beteiligten zu suchen. Die Devise muss jetzt heißen: nicht pauschal ablehnen, sondern in den einzelnen Bereichen korrigieren beziehungsweise nachbessern. Wir wollen dies tun.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Jutta Schümann und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gesundheitsreform der Bundesregierung vergrößert die Intransparenz der Geldströme, schafft neue bürokratische Strukturen und Verluste und sie ist ineffizient, sie ist unsolidarisch und ungerecht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit konterkariert die Finanzierung der Gesundheitsreform all die positiven Dinge, die Sie, Frau Trauernicht, aufgezählt haben und die im Detail durchaus zu begrüßen wären. Aber wenn die Grundfinanzierung nicht stimmt, werden all die verabredeten Verbesserungen in der konkreten Versorgung nicht klappen. Das ist die Krux, vor der wir stehen.

Am Dramatischsten sind die geplanten Verschlechterungen für die Versicherten, die alt, krank oder einkommensschwach sind - diejenigen, die ein Solidarsystem eigentlich stützen soll.

Die Gesundheitsreform der großen Koalition erreicht keines der angestrebten Ziele. Die Entsolidarisierungspolitik der CDU hat sich durchgesetzt.

(Lars Harms [SSW]: Wohl wahr!)

Die Privatpatientinnen und Privatpatienten bleiben weiterhin privilegiert, deren Kassen müssen sich überhaupt nicht bewegen.

(Ursula Sassen [CDU]: Das stimmt nicht!)

In der öffentlichen Debatte bisher zu wenig beachtet ist die drastische Kürzung der Finanzierung der sogenannten versicherungsfremden Leistungen. Sie trifft Frauen. Versicherungsfremde Leistungen, dieser scheinneutrale Begriff, meint alle Leistungen rund um die Schwangerschaft, Mutterschaftsgeld und die Betreuung eines kranken Kindes. Die hierfür vorgesehenen Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt, also Steuermittel, werden drastisch gestrichen. Auf diesen Sachverhalt machen aktuell auch die Schreiben der Kassen und der Wohlfahrtsverbände, die wir alle erhalten haben, aufmerksam.

Das heißt im Klartext: Die Gesundheitsversorgung in der Schwangerschaft und Mutterschaft ist nicht mehr sicher finanziert. Das zum Thema Familienfreundlichkeit der Bundesregierung. Wo bleibt da Ihre Aufklärung, Frau Trauernicht? Wo bleibt da Ihr Veto?

Der betont sachliche Bericht von Ihnen kann es nicht verhehlen: Die Gesundheitsreform schadet insbesondere dem Gesundheitsstandort SchleswigHolstein und seinen Patienten. Da bin ich auch

(Jutta Schümann)

dankbar für Ihre klaren Worte. Die Krankenhäuser zwischen den Meeren gehören bundesweit zu den wirtschaftlichsten und werden hierfür zukünftig durch vom Bund verordnete Finanzeinbußen bestraft und in ihrer Existenz gefährdet. Herr Garg, Sie nannten die Summe von 80 Millionen €. Ich will mich da um 5 Millionen € hin oder her nicht streiten. In der Größenordnung werden Sie recht haben. Es ist ganz klar: Auch dieser Sachverhalt macht deutlich: Wir brauchen endlich einheitliche Preise für Krankenhausleistungen in ganz Deutschland. Es kann doch nicht sein, dass hier für eine Blinddarmoperation von den Krankenkassen sehr viel weniger vergütet wird als beispielsweise in NRW und dadurch unsere Krankenhäuser in den Bankrott getrieben werden.

Die Beschleunigung der Konvergenzphase - das ist der Fachbegriff für die Erreichung des einheitlichen Preissystems wird von den Bundesländern blockiert, deren Krankenhäuser eben noch nicht effizient sind. Hier müssen wir mehr Druck machen. Hierzu hatten wir uns in der Vergangenheit auch schon verständigt.

Die Modellvorhaben, die für die Gesundheitsversorgung für die Patientinnen und Patienten aus einer Hand und nach besten Methoden bundesweit in Schleswig-Holstein erstmalig auf den Weg gebracht wurden, wie zum Beispiel zur Brustkrebsbekämpfung nach einer vereinheitlichten Diagnosemethode - Stichwort QuaMaDi - werden durch die Gesundheitsreform gefährdet. Zu Recht weisen uns die Krankenkassen darauf hin, dass solche Vereinbarungen, die weitgehend auf freiwilliger Basis erfolgen, zukünftig nicht mehr finanzierbar sind.

Durch die Neuregelung wird der Eindruck erweckt, als würde jede Patientin, jeder Patient, egal ob gesund oder dauerkrank, in der gesetzlichen Krankenkasse gleich viel kosten. Als hätten alle Krankenkassen gleich viel gesunde und kranke Patienten. Genau das ist nicht der Fall. Deshalb ist das System ungerecht und wird dafür sorgen, dass die jetzt festgesetzte „kleine Kopfpauschale“, die die Krankenkassen zusätzlich erheben können, um sich zu finanzieren, sehr schnell anwachsen wird. Krankenkassen mit überwiegend älteren und ärmeren Patienten werden die höchsten Beiträge fordern müssen, sehr viel mehr als jetzt. Genau diesen Sachverhalt wollten wir aber doch beseitigen. Jetzt wird er noch verstärkt.

Die Patienten werden also nur noch mit Kassenwechsel reagieren können und den Kostensteigerungen auch auf diesem Wege nicht entgehen. Krankenkassen sollen aber doch ein verlässlicher und vertrauensvoller Partner mit Serviceangeboten

in der Fläche für ihre Versicherten sein. Es macht doch keinen Sinn, börsenähnliche Strukturen zu schaffen, die zu einem Krankenkassenhopping verleiten. Krankenkassen werden auf diese Weise versuchen, die Aufnahme von Schwerkranken zu vermeiden. Auch das ist in höchstem Grade unsozial.

Ich fasse zusammen: Statt weniger Bürokratie wird durch den Gesundheitsfonds mehr Bürokratie aufgebaut. Statt Stärkung der Solidargemeinschaft und der Finanzen wird der Einbezug der privaten Kassen versäumt. Statt Beitragssenkungen werden die Versicherten steigende Beitragsanteile haben und durch die „kleine Kopfpauschale“ zusätzlich belastet. Statt fairen Wettbewerbsbedingungen wird es den gesetzlichen Krankenkassen allein überlassen bleiben, wie sie mit dem Morbiditätsrisiko umgehen. Es gibt keinen Hebel, der mehr Gerechtigkeit schafft. Anstelle einer Ausweitung präventiver und qualitätsgesicherter Angebote wird es zum Ausverkauf freiwilliger Satzungsleistungen kommen.

Ich kann nur sagen: ineffizient, intransparent, ungerecht, unsolidarisch!

Frau Trauernichts, machen Sie sich stark dafür, dass diese Gesundheitsreform in dieser Form nicht kommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Jutta Schümann [SPD]: Was ist die Alternative? - Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Bürgerversiche- rung!)

Das Wort für den SSW im Landtag erteile ich dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Ich wäre dem Hohen Haus sehr dankbar, wenn die Dialoge, die hier geführt werden, etwas unaufdringlicher geführt werden könnten.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man bedenkt, dass Bundeskanzlerin Merkel die Gesundheitsreform zu einem der wichtigsten Reformprojekte der neuen Bundesregierung auserkoren hat, dann sagt der bisherige Verlauf dieser Bemühung sehr viel über den aktuellen Zustand der großen Koalition in Berlin aus. Quasi in letzter Minute haben die Koalitionsspitzen in der letzten Woche die Notbremse gezogen und die Verabschiedung der unsinnigen Gesundheitsreform auf April 2007 verschoben.

Die Kritik an den Plänen von SPD und CDU war ja auch geradezu vernichtend. Sowohl die Gewerk

(Angelika Birk)

schaften als auch die Unternehmensverbände, die Krankenkassen und die Opposition waren über die im Juli beschlossenen Eckpunkte der großen Koalition entsetzt. Insbesondere wurde die geplante Erhöhung der Krankenkassenbeiträge stark kritisiert. Das darf keinen verwundern, denn die letzte Gesundheitsreform aus dem Jahren 2003, die unter anderem die Einführung von Praxisgebühren von 10 € pro Patienten zur Folge hatte, wurde mit einer Senkung der Krankenkassenbeiträge begründet. Das sollte der Effekt sein.

Angesichts der hohen Lohnnebenkosten war das Ziel der Senkung von Krankenkassenbeiträgen äußerst vernünftig. Nun soll plötzlich genau das Gegenteil passieren, weil sich die Koalition nicht auf eine vernünftige Finanzierung des Gesundheitswesens einigen kann. Eine Erhöhung der Lohnnebenkosten führt automatisch zu weiteren Arbeitslosen und belastet die Konjunktur.

Völlig abstrus ist dabei der Streit zwischen CDU und SPD um den Steueranteil im Gesundheitswesen. Denn wenn der Bundesfinanzminister erst 4,5 Milliarden € aus dem Tabaksteueraufkommen aus dem Gesundheitswesen heraus nimmt und danach die große Koalition freudig erzählt, dass in Zukunft die Beitragsfreiheit für die Kinder mit 1,5 Milliarden € Steuergeldern finanziert werden soll, hängt das hinten und vorn nicht zusammen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Da fällt mir nur ei- ne Handbewegung ein!)

Hier ist dem Gesundheitssystem trotz des Zuschusses für die Beitragfreiheit der Kinder massiv Geld entzogen worden und die Beitragzahler sollen nun dafür bluten.

Dazu kommt, dass eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge wieder nur die abhängig Lohnbeschäftigten einseitig belastet und die Nutznießer von Kapitalerträgen außen vor lässt. Natürlich ist angesichts von steigenden Gesundheitskosten eine Reform der Finanzierung dringend notwendig. Allerdings hätte sich der SSW dann gewünscht, dass man das Konzept einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen sollen, ernst nimmt und nicht eine Missgeburt mit dem Namen „Gesundheitsfonds“ gebärt. Der Gesundheitsfonds ist nach Ansicht aller Experten völlig überflüssig und schafft nur zusätzliche Bürokratie - wie im Übrigen auch Verwaltungsregionen.

Ein anderer Kritikpunkt ist, dass man eine echte Strukturreform, die Wirtschaftsreserven erschließt, überhaupt nicht in Angriff nehmen will. Warum haben wir in Deutschland zum Beispiel die höchsten Arzneikosten Europas? Warum brauchen

wir so viele Krankenkassen mit entsprechend aufgeblähter Verwaltung? Ich will nur einige der Punkte aufzuzählen. Hier haben SPD und CDU nicht die Kraft aufgebracht, um sich zum Beispiel wirklich mit der Pharmalobby anzulegen. Auch, dass die große Koalition die privaten Krankenkassen überhaupt nicht in ihr Reformkonzept einbeziehen wollen, ist ein entscheidender Webfehler dieser Gesundheitsreform.

Neben diesen Aspekten, die natürlich alle Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein betreffen werden, sieht der SSW auch große Probleme für unsere Krankenhäuser. Denn die vorgelegten Eckpunkte der Gesundheitsreform sehen vor, dass die Krankenhäuser pauschal einen Sanierungsbetrag in Höhe von 1 % des Budgets auf der Grundlage der Landesbasisfallwerte erbringen sollen. Dies bedeutet für ganz Schleswig-Holstein Mindereinnahmen von knapp 15 Millionen €. Vor dem Hintergrund, dass die schleswig-holsteinischen Krankenhäuser schon bei den Landesbasisfallwerten grundsätzlich ungerecht behandelt werden, ist diese Kürzung äußerst ungerecht.

Die Landesregierung ist in der Antwort auf eine Kleine Anfrage meines Kollegen Garg der Meinung, dass dieser Sanierungsbeitrag keine Auswirkungen auf die stationäre Versorgung, die Bettenzahlen oder die Krankenhausträger haben wird. Dennoch kann dieser Beschluss nach Ansicht der Landesregierung möglicherweise die Tendenz zu Zusammenschlüssen und Verbünden verstärken. Ich sage hier ganz deutlich: Vor allem aber wird die Konkurrenzfähigkeit unserer Krankenhäuser dadurch gefährden. Hier haben wir eigene schleswigholsteinische Interessen und hier muss deshalb die Schleswig-Holsteinische Landesregierung ein Veto einlegen. Solchem Unsinn kann man nicht zustimmen.

Deshalb fordert der SSW die Landesregierung dazu auf, die Verschiebung der Gesundheitsreform zu nutzen, um diesen Abzug für die schleswig-holsteinischen Krankenhäuser zu verhindern.

Dazu muss die große Koalition die Gunst der Stunde ergreifen und die geplante Gesundheitsreform völlig überarbeiten. Sowohl bei der Finanzierung als auch bei der Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen muss diese Reform dringend nachgebessert werden oder man sollte es ganz sein lassen. Stillstand ist immer noch besser als großkoalitionärer Rückschritt.

(Lars Harms)

Für die Landesregierung erhält noch einmal Frau Ministerin Dr. Trauernicht das Wort.

Sehr geehrter Herr Garg, in Respekt vor diesem Haus habe ich in fünf Minuten auf Ihre sehr dezidierten Sachfragen auch sehr sachliche Antworten gegeben. Es war mir klar, dass es für Sie nur eine Steilvorlage sein sollte, um mit Fingern auf jemanden zu zeigen. Ich finde, es hätte sich gehört, dass Sie auf diese sachliche Debatte auch sachlich eingegangen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Offensichtlich führt bei Ihnen Liebesentzug von Frauen - wie ich auch bei Frau Sassen feststellen darf - zu bemerkenswerten Folgeerscheinungen wie Aggression und Übererregungspegel, vor allen Dingen aber auch zu falschen Sachverhaltsdarstellungen. Versuchen Sie es einmal mit Liebesperlen. Das soll helfen, Herr Garg. Ich helfe Ihnen jetzt bei Ihren sachlichen Fragen etwas auf die Sprünge.

(Thomas Stritzl [CDU]: Ist das ein Erfah- rungsbericht?)

Zum Stichwort Krankenhäuser. Sie behaupten hier, dass durch meine Beteiligung an dieser Arbeitsgruppe ein Schaden von 80 Millionen € für die Krankenhäuser in Schleswig-Holstein entstanden sei. Dazu stelle ich fest: