Protocol of the Session on June 30, 2006

Deswegen will ich in einigen Stichworten noch einmal ganz kurz sagen, was wir in den nächsten Jahren beachten müssen, weil es für uns insoweit eben keine akzeptablen Lösungen gegeben hat. Ich nenne die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“, ich nenne die Begrenzung der Bundeskompetenz im Hochschulbereich auf den Hochschulzugang und auf die Hochschulabschlüsse und schließlich auch den Wegfall der gemeinsamen Bildungsplanung von Bund und Ländern, die es im europäischen Maßstab so auch kein zweites Mal gibt.

Dazu muss man der Ehrlichkeit halber sagen, dass dies die Bundesländer vor drei Jahren unisono gefordert haben. Bedauerlicherweise trägt diese Forderung auch die Unterschrift der damaligen Landesregierung. Aber manche Fehler sind nicht mehr einholbar. Sie bekommen Beine und laufen dann zu Ergebnissen, die problematisch sind.

Wenn wir heute zusammen mit der CDU die Nachbesserungen im Hochschulbereich begrüßen und deutlich machen, dass wir deswegen den Bildungsbereich der Reform so akzeptieren können, muss man dabei auch berücksichtigen, dass es nach vielen langwierigen Verhandlungen das ist, was erreichbar war. Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die große Mehrzahl der Bundesländer und auch die große Mehrheit der Bundestagsabgeordneten nicht bereit war, weiter zu gehen.

Wir haben also künftig Hochschulpolitik unter schwierigeren Rahmenbedingungen, als wir sie jetzt haben, zu gestalten. Das erfordert nicht nur Geld, sondern auch das nötige Selbstbewusstsein. An dem darf es sicherlich nicht mangeln. In diesem Zusammenhang darf ich zum Abschluss aus der heutigen Bundestagsdebatte zitieren, was heute Morgen der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Peter Struck, auf den Vorwurf aus den Reihen der Opposition, der Bund gebe zu viele Kompetenzen an die

(Jürgen Weber)

Länder ab, antwortete: „Landtagsabgeordnete sind vom Prinzip her nicht dümmer als Bundestagsabgeordnete.“ Ich denke, zumindest diesen Satz können wir alle unterstreichen.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Jürgen Weber und erteile für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bildungsbereich ist bei den Beratungen zur Föderalismusreform einer der wesentlichen Bereiche des Streites und der Auseinandersetzung gewesen. Anders als die Landtagsfraktionen von CDU und SPD halten wir Liberale die zuletzt zwischen Union und Sozialdemokraten auf Bundesebene gefundene Kompromisslinie aber nicht für ausreichend.

Sicher: Das starre Kooperationsverbot im Bereich der Hochschulen ist jetzt noch ein wenig aufgeweicht worden. Bund und Länder sollen nunmehr bei Vorhaben der Wissenschaft und der Forschung zusammenwirken können. Der Bund wird also nicht, wie ursprünglich vorgesehen, auf den engen Sektor der Forschungsförderung beschränkt, sondern er kann zum Beispiel auch bei der Schaffung zusätzlicher Studienplätze, etwa durch befristete Sonderprogramme, mit den Ländern zusammenwirken. Das ist ein gewisser Vorteil. Das sei anerkannt. Solches Zusammenwirken von Bund und Ländern setzt aber nach der Einigung von Union und SPD voraus, dass alle Bundesländer zustimmen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Das Einstimmigkeitsprinzip der KMK wird also auf den gesamten Bereich der Bund-Länder-Kooperation in Hochschule und Wissenschaft übertragen. Dies halten wir für ein echtes Problem. Für andere Teile des Bildungswesens bleibt es im Übrigen bei dem generellen Kooperationsverbot. Auch dies kann sich eines Tages als Hindernis für vernünftige Lösungen herausstellen.

Grundsätzlich vermag ich auch nicht einzusehen, weshalb zum Beispiel einerseits Förderprogramme der Europäischen Union im Bildungsbereich allseits begrüßt werden - anderes habe ich jedenfalls noch nicht gehört -, während andererseits entsprechende Angebote des Bundes prinzipiell des Teufels sein sollen.

(Beifall bei FDP, SSW und der Abgeordne- ten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Das ist ein Widerspruch, der von denen, die diese Auffassung auf Bundesebene vertreten, politisch noch nicht aufgeklärt worden ist.

Wenn die Länder - wofür es ja auch gute Argumente gibt - im Rahmen der Föderalismusreform für originäre Aufgaben im Bildungsbereich stärker in die weitgehend exklusive Pflicht genommen werden sollen, so setzt dies zumindest eine auskömmliche Finanzausstattung voraus. Wann die als „Föderalismusreform II“ versprochene Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen folgen wird und wie sie schließlich aussehen wird, steht in den Sternen. Die Mehrzahl der Bundesländer hat heute und auf absehbare Zeit keine verfassungskonformen Haushalte. Wie die Länder angesichts dieser Ausgangslage die im Bildungswesen stetig wachsenden Aufgaben finanzieren sollen, bleibt schleierhaft.

Ich nenne in fünf Punkten die aus meiner Sicht wesentlichen Aufgaben im Bildungswesen, die ohne eine bessere Finanzausstattung nicht zu bewältigen sein werden: erstens mehr Bildung im Vorschulalter, zweitens Ganztagsangebote an Schulen, drittens die Bekämpfung der Bildungsarmut, das heißt die für unser Land wirklich lebenswichtige Verringerung der Problemgruppe gering qualifizierter oder ohne Bildungsabschlüsse aus den Schulen entlassener junger Menschen, viertens die personelle und sächliche Ausstattung der beruflichen Bildung auf einem Niveau, das wachsenden Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht werden kann, und fünftens eine bedarfsgerechte Ausstattung der Hochschulen auf einem Niveau, das mit anderen Staaten, die im internationalen Maßstab unsere Konkurrenten sind, mithalten kann.

Falls sich die Bundesrepublik zu einem Staat entwickeln sollte, in dem nur noch wohlhabende Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg und vielleicht noch zwei oder drei andere diesem von mir soeben beschriebenen Maßstab gerecht werden können, so geriete unser Bundesstaat in eine schwere politische Schieflage.

(Beifall bei der FDP)

Diese Beispiele zeigen, dass Kompetenzzuweisungen zwischen Bund und Ländern und Fragen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eigentlich nicht voneinander getrennt werden können. Genau dies aber wird die große Koalition im Bund mit ihrer Zweidrittelmehrheit voraussichtlich beschließen. Erweiterte Länderaufgaben im Bildungswesen ohne auskömmliche Finanzausstattung führen das

(Jürgen Weber)

Bildungswesen in eine Dauerkrise, jedenfalls in den meisten, in den finanziell schwächeren Ländern.

Ich will die Probleme zum Schluss beispielhaft am Hochschulbau verdeutlichen. Im Durchschnitt der letzten fünf Jahre hat Schleswig-Holstein jährlich vom Bund rund 27,5 Millionen € Hochschulbaumittel erhalten. In entsprechender Höhe musste das Land eigene Mittel komplementär einsetzen. Künftig erhält Schleswig-Holstein bis 2013 jährlich zweckgebunden 17,7 Millionen € Kompensationsmittel für den Hochschulbau.

Eine Ergänzung durch Komplementärmittel des Landes liegt in der Entscheidungsfreiheit des Landtages. Das Wissenschaftsministerium schreibt aber im Umdruck 16/663 - ich zitiere -:

„Die für die alte Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau vorgesehenen 70 % Kompensationsmittel reichen - auch bei gleich hoher Komplementierung durch Landesmittel nicht aus, um die Baubedarfe der Hochschulen und des UK S-H zu decken. Schon die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau war in den letzten Jahren dramatisch unterfinanziert.“

Ich verweise darauf, dass für den 35. Rahmenplan Hochschulbau bundesweit ein Bauvolumen in Kategorie I in Höhe von 2,8 Milliarden € empfohlen worden ist, dass Bund und Länder zusammen aber gerade einmal gut 1,8 Milliarden €, also 1 Milliarde € weniger, eingeplant haben. Daran sieht man, wie dramatisch die Unterfinanzierung des Hochschulbaus ist, und zwar bundesweit.

Wir stimmen dem Antrag des SSW zu.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält die Frau Abgeordnete Angelika Birk.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erinnern wir uns: In der letzten Legislaturperiode hat sich dieser Landtag sehr ausführlich mit der Frage von Bundes- und Länderrechten befasst. Das führte zu einem sehr großen Engagement unter der Federführung unseres ehemaligen Landtagspräsidenten Arens. Diese Debatte können wir hier nicht wieder aufwärmen. Dazu haben wir die Zeit nicht. Ich möchte nur noch einmal daran erinnern, dass auch wir in dieser Frage sehr kontrovers und sehr engagiert diskutiert haben. Wir waren uns

darin einig, dass die Landesparlamente eigentlich mehr Rechte brauchen und dass eine solche Koinzidenz, wie wir sie im Augenblick haben - dadurch kann auch nichts mehr bewegt werden, aber es gibt zumindest eine Maßgabe für die Landesregierung, wie sie sich im Bundesrat verhalten soll -, relativ selten ist.

Ich begrüße es, dass der SSW diesen Antrag so rechtzeitig und vorausschauend gestellt hat. Er hat auch bei uns intern zu kontroversen Debatten geführt.

Ich möchte an dieser Stelle unsere Haltung darlegen, wie wir sie heute mehrheitlich im Bund vorgetragen haben. Es wird Sie nicht überraschen, dass der Antrag des SSW unsere Sympathie hat. Warum? Die Mehrheit der Bevölkerung kritisiert zu Recht, dass wir einerseits europaeinheitliche Hochschulabschlüsse einführen, andererseits sich jedes Bundesland immer noch vorbehalten kann, deutsche Schulzeugnisse oder Hochschulexamina nicht anzuerkennen. Frau Eisenberg, Sie haben gesagt, wir seien mit den Standards ein Stück weitergekommen. Das ist gut so. Trotzdem sind wir von dem, was man sich im Sinne der Kinder und Jugendlichen und ihrer Eltern hier wünschen möchte, noch weit entfernt. Jetzt droht eine neue Kleinstaaterei. Nichts anderes, als dies zu verhindern, ist das Anliegen des SSW, das wir unterstützen.

Sogar einzelnen Kultusministerien und Ministern ist es nicht ganz geheuer, dass die Bundesregierung zukünftig kein Geld mehr für eine Bildungsreform, wie wir sie beispielsweise in Bezug auf die Ganztagsschulen suchen, geben darf. Das wird nur noch dann möglich sein, wenn jedes einzelne Bundesland zustimmt. Auch dann ist es noch schwierig; denn das muss man hier deutlich sagen - Ihre Reform, Herr Weber, die Sie ja auch selbstkritisch als sehr eingeschränkte beschreiben, bezieht sich nur auf die Hochschulen und auch da nur auf einen bestimmten Sektor. Das Anliegen des SSW jedoch ist zu Recht umfassender. Es geht insgesamt um das Kooperationsverbot, das es aufzuheben gilt, und nicht nur um einen kleinen Sektor. Das, was Frau Eisenberg hier goldenen Zügel genannt hat, würde ich völlig anders bezeichnen. Es ist eine Wohltat für viele Eltern und ihre Kinder gewesen. Es ist auch für viele Kommunen mit ihren klammen Investitionshaushalten eine Wohltat gewesen. Nicht umsonst hat das Land noch draufgelegt, damit hier wirklich schnell etwas geschieht. Das als goldenen Zügel zu bezeichnen, finde ich schwierig.

Nun sollten wir aber auch noch einmal einen Blick darauf werfen, in welcher Gemengelage wir uns eigentlich hier im Landtag zu dieser Frage befinden.

(Dr. Ekkehard Klug)

Innenminister Stegner hat sich gegen die Kleinstaaterei im Beamtenrecht stark gemacht, um zu verhindern, dass reiche Bundesländer im öffentlichen Dienst Beschäftigte aus unserem Land mit höheren Gehältern abwerben. Ministerpräsident Carstensen hat sich im Bund in verschiedenen Bereichen für bundeseinheitliche Standards stark gemacht, so natürlich auch in der Bildungspolitik, aber zum Beispiel auch für einheitliche Mindeststandards in Pflegeheimen. Er hat sich dabei sogar mit seinem starken Parteikollegen in Baden-Württemberg angelegt. Tja, und hier im Lande? In den Rücken fällt ihm hier der Fraktionsvorsitzende der CDU. Schon seit Tagen, also auch schon, bevor es zu der endgültigen Einigung kam, souffliert er dem Ministerpräsidenten über die Presse zu: bitte ohne Wenn und Aber zustimmen.

Der nun vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen singt dies nun im Chor und verkauft ein kleines Schlupfloch, das es dem Bund doch noch ermöglicht, bei der Hochschulfinanzierung, in Forschung und Lehre mitzumischen und damit auch den wachsenden Studentenzahlen hoffentlich Rechnung zu tragen, als großen Erfolg für mehr Gerechtigkeit in der Bildung.

Frau Erdsiek-Rave, Sie sind Vorsitzende der Kultusministerkonferenz. Sie können sich, was Ihre dortige Rolle angeht, nun entspannt zurücklehnen. Aber für die Kinder und Jugendlichen in diesem Land, aber auch für den Bildungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland ist die Föderalismusreform kein Schritt nach vorn. Für das finanzknappe Schleswig-Holstein könnte sich die ganze Lösung - das hat Herr Klug schon vorgerechnet als Bumerang erweisen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort nach § 56 Abs. 4 erhält die Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Weber sagte, es sei nicht in Ordnung, eine Debatte unter dem Motto zu führen: Was wäre, wenn? - Ich muss noch einmal sagen: Darum geht es uns nicht. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass heute die Bundestagsdebatte stattfindet, dass sich der Bundesrat aber erst in der nächsten Woche mit der Föderalismusreform befassen wird. Das heißt, wir haben noch Zeit, uns zu überlegen, wie wir in Schleswig-Holstein die Weichen stellen wollen.

Wir haben noch die Möglichkeit, mitzumischen und mitzuentscheiden. Wer meint, alles sei schon gelaufen, der stelle sich bitte hier hin und sage das.

Ich finde, es war gut, das Zitat des Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag zu hören - ich zitiere es gern noch einmal -:

„Landtagsabgeordnete sind vom Prinzip her nicht dümmer als Bundestagsabgeordnete.“

(Peter Eichstädt [SPD]: Im Prinzip!)

- Im Prinzip, ja! Ich weiß nicht, wie ihr dazu steht. Aber für uns kann ich sagen: Wir wollen mitbestimmen und mitentscheiden, und zwar nicht nur im Prinzip, sondern richtig.

(Beifall beim SSW)

Und noch etwas. Bei dem Kooperationsverbot oder bei möglichen Bundeshilfen im Bildungsbereich geht es natürlich nicht darum, dass der Bund hineinregiert. Das ist ja auch in der Vergangenheit nicht geschehen.

Ich muss auch dieses Bild vom goldenen Zügel zurückweisen; denn wir hätten in Schleswig-Holstein ohne dieses Bundesprogramm riesige Probleme weiterzukommen. Wir hatten eine Debatte über Familie und Kinder. Da wurde allgemein gelobt, dass es jetzt vermehrt Ganztagsangebote gibt. Die hätten wir ohne Bundeshilfe nicht gekriegt. Darum ist es wichtig für uns festzuhalten, dass diese Bundeshilfen unter der Überschrift „sozialer Bundesstaat“ auch zukünftig notwendig sind und möglich sein sollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht uns darum, jetzt noch einmal ein Zeichen zu setzen, Stellung zu beziehen und Farbe zu bekennen; denn der zweite Teil der Föderalismusreform wird irgendwann kommen. Wenn wir nicht deutlich machen, wie wir uns die Weiterentwicklung der föderalen Ordnung vorstellen, dann werden wir noch schwächer dastehen, als es derzeit der Fall ist.