Protocol of the Session on June 29, 2006

Die Leute, die aus Quickborn zu mir gekommen sind, haben sich bei mir darüber beklagt, dass die Termine ihrer Kommission, in der sie sich treffen wollten, um gemeinsame Interessen abzustimmen, mangels Beteiligung ausgefallen sind. Ich finde, man sollte die Kirche im Dorf lassen und manches nicht weit überzogen darstellen, bloß damit man sagen kann: Ich habe an der einen oder anderen Stelle einen Punkt gemacht.

Natürlich habe ich mich dafür eingesetzt, eine gleichmäßige Verteilung vorzunehmen. Ich werde das auch in Zukunft tun, weil ich der Meinung bin, dass man jeder Region eine Chance geben sollte und ihr nur eine angemessene Belastung zumuten kann. Es darf keine Region zu einseitig belastet werden. Das ist in der Tat der Fall. Mir ist bisher plausibel dargelegt worden, dass das unter anderem mit aerodynamischen, witterungsbedingten und windströmungsabhängigen Umständen zusammenhängt. Ich kann dem aus meiner eigenen Sachkunde heraus nicht widersprechen.

Den letzten Punkt habe ich angesprochen. Die Flughafengesellschaft ist eine selbstständige Gesellschaft. Sie hat ein Interesse daran, dass sich der Flughafen gut entwickelt. Wir haben ein Interesse daran, weil dort viele Menschen Arbeit haben und weil es ein Verkehrszentrum für Norddeutschland ist. Wir haben ein Interesse daran, dass die Belange der benachbarten Regionen geachtet werden. Wir wollen vom Flughafen auch wirtschaftlich etwas haben. Sie können davon ausgehen, dass ich jede Sitzung des Aufsichtsrates dazu nutze, darauf zu achten, dass wir zu einer gleichmäßigen Belastung kommen. Ich denke aber, dass es für den Antrag, so wie er gestellt ist, aus meiner Sicht keine Berechtigung gibt.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Antrag Drucksache 16/849 dem Wirtschaftsausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist das so beschlossen.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, begrüße ich auf der Besuchertribüne Mitglieder des CDURegionalverbandes Wacken sehr herzlich. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe vereinbarungsgemäß Tagesordnungspunkt 23 auf:

Einführung des Faches Wirtschaft und Politik in der Sekundarstufe I

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/852

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abgeordneter Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unstrittig ist, dass junge Leute frühzeitig politische und wirtschaftliche Grundlagen unseres gesellschaftlichen Systems in der Schule erlernen sollen. Umso erstaunlicher ist die Organisation des entsprechenden Unterrichtsfaches in Schleswig-Holstein. In den Gymnasien wird Wirtschaft und Politik erst ab Klasse 11, also in der Oberstufe zum verbindlichen Fach: in der 11. und 12. Klasse jeweils zwei Stunden pro Woche, in der 13. Klasse alternativ zur Erdkunde und - wenn man einen Leistungskurs wählt - fünf Stunden pro Woche.

In der Gesamtschule gibt es das Fach immerhin schon ab Klasse 7, nämlich als Fach Weltkunde, das aus den Elementen Erdkunde, Geschichte, Wirtschaft und Politik besteht. Da gibt es also einen übergreifenden Ansatz.

An den Haupt- und Realschulen ist schon in der Sekundarstufe I das Fach Wirtschaft und Politik verbindlich eingeführt. Dort ist es in den Klassenstufen 8 und 9 Bestandteil des Pflichtunterrichts. Die Stundentafeln des 10. Schuljahres ist ein Kapi

(Minister Dietrich Austermann)

tel für sich. Dort ist der geschichtlich - soziale Lernbereich als spezifisches Lernfeld ausgewiesen. Diesem Lernbereich sind die Fächer Geschichte, Erdkunde, Wirtschaft und Politik zugeordnet. In der Realschule ist Wirtschaft und Politik auch in den Klassen 9 und 10 Pflichtunterricht, mit Wahldifferenzierung, Wahlpflichtfach, und so weiter. Wir haben also eine Verankerung, die aber ganz unterschiedlich ist.

Es macht ja Sinn, dass schon in der Sekundarstufe I das Fach Wirtschaft und Politik verbindlich eingeführt wird. Es ist doch klar, dass während der Pflichtschulzeit Jugendliche eine Grundbildung in wirtschaftlichen Zusammenhängen und in demokratischen Entscheidungsprozessen erwerben müssen. Praktische Erfahrung und kritische Reflexion im Bereich Wirtschaft und Politik sind nicht erst ab dem 16. Lebensjahr unerlässlich, sondern sollten eigentlich in jeder Schulphase Schritt für Schritt erworben werden. Mitbestimmung von der Klassensprechertätigkeit bis hin zur Entscheidung, wohin die Klassenreise gehen soll, sind die ersten ganz praktischen Erfahrungen, dass sich Mitbestimmung lohnt. Die Handy-Rechnung verstehen zu können, ist auch nicht unschädlich als Einführung in wirtschaftliche Zusammenhänge.

Es geht darüber hinaus aber auch um komplexe Zusammenhänge. Es geht darum, was ein Kommunalparlament ist, was ein Gericht ist und wer dafür sorgt, dass es Arbeitsplätze gibt. Das müssen Kinder und Jugendliche jeweils altersgemäß verstehen. Nur so erschließt sich für sie auch die Möglichkeit, sich einzumischen.

Es reicht also nicht, über Politikverdrossenheit, allgemeines Desinteresse an Wahlen und zu wenig gesellschaftliches Engagement zu klagen. Kinder und Jugendliche brauchen das Wissen und die Chance, sich gesellschaftlich zu artikulieren.

Es haben sich nicht nur in Schleswig-Holstein Leute darüber Gedanken gemacht, sondern auch in anderen Bundesländern. Erstaunlich ist nur, welche Rolle Schleswig-Holstein hier einnimmt. Wir sind das einzige Bundesland, in dem Wirtschaft und Politik beziehungsweise ähnlich genannte Fächer Sozialkunde, Gemeinschaftskunde - nicht in Sekundarstufe I unterrichtet werden, jedenfalls nicht überall. Sie können mir jetzt sagen, dass die Gymnasialschüler erst in Klasse 12 oder 13 abgehen. Aber wie viele gehen doch früher ab? Heißt das, dass Jugendliche, die ab 16 wählen dürfen, nicht vorher in einem Pflichtfach gelernt haben müssen, wofür sie sich eigentlich einsetzen sollen, wen sie wählen, was die Leute im Kommunalparlament machen und wie sich das in anderen demokratischen

Institutionen einreiht? Es kann nicht unser Ernst sein, das nicht zu wollen. Ich kenne Fälle, in denen mir am Wahlstand junge Leute gesagt haben, sie könnten jetzt wählen, hätten aber in der Schule noch nie über dieses Thema gesprochen und wüssten gar nicht, was die Leute im Rathaus machten. Das kann nicht die Zukunft sein.

Ähnlich verhält es sich mit wirtschaftlichen Zusammenhängen. Kinder und Jugendlichen werden heute umworben wie nie zuvor. Sie sind zum Teil sehr heimtückischen Werbeversprechen ausgesetzt. Hier muss sich etwas ändern. Das fordern natürlich auch die Berufsschullehrer. Schon 1996 hat es darüber hinaus einen so genannten Darmstädter Appell gegeben, den sich auch viele Professorinnen und Professoren, die das Fach WiPo lehren, angeschlossen haben. Sie haben gesagt, es kann nicht sein, dass die politische Bildung an unseren Schulen erst mit dem Erwachsenwerden einsetzt. Ich hoffe, dass wir hier auf Verständnis stoßen und eine Initiative starten können. Das Fach ist mühelos in den Lehrplänen unterzubringen.

Ein letztes Wort: Sie wissen, dass wir für die Autonomie der Schule sind. Wir sind auch dafür, dass projektorientiert gearbeitet wird, wie es übrigens die vorhandenen Lehrpläne für die Sekundarstufe I hervorragend vorschlagen. Aber angesichts der Tatsache, dass nach PISA vor allem auf die Fächer der Sprachen und der Mathematik großer Wert gelegt wird und die großen internationalen und lokalen Testreihen auch in diesem Bereich stattfinden, drohen andere Fächer unter die Räder zu kommen. Auch der projektübergreifende Unterricht droht wieder unter die Räder zu kommen. Vor diesem Hintergrund halten wir unsere Initiative für angemessen und zeitgemäß und bitten um Unterstützung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Frau Abgeordneter Birk. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Sylvia Eisenberg.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Birk, ich kann ja verstehen, dass Sie - jetzt wieder im Landtag - sich auch an diesem Ort profilieren wollen. Aber ich denke, dass dieser Antrag nun wirklich ein Antrag ist, der - ähnlich wie der FDP-Antrag zur Verbesserung des Schwimmenlernens im Grundschulalters aus der vorletzten Landtagstagung - eher in den Bil

(Angelika Birk)

dungsausschuss als in die Landtagssitzung gehört. Deshalb will ich es kurz machen.

Grundsätzlich ist es natürlich auch für Gymnasiasten wichtig, bereits in der Sekundarstufe I über politische Strukturen so weit Bescheid zu wissen, dass sie unabhängig und in voller Verantwortung die Wahl zu den Kommunalparlamenten mit 16 Jahren wahrnehmen können. In politische Bildung - das ist richtig - darf nicht erst dann investiert werden, wenn sich extremistische Formen etabliert haben.

Es sollte auch bedacht werden, dass ökonomische Bildung durch den zunehmend internationalisierten Handel bedeutender geworden ist. Auch die Gymnasiasten sind gefordert, wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen zu können. Das gilt natürlich auch für die betriebswirtschaftliche Ebene. Gerade wirtschaftspolitische Kompetenz und insbesondere das Fach Wirtschaft werden auch von den Wirtschaftsverbänden immer wieder gefordert. Selbstverständlich wird es auch und berechtigterweise von den WiPo-Lehrerverbänden gefordert. Auch „Jugend im Landtag“ setzt sich für ein mindestens einstündiges Unterrichtsfach Wirtschaft und Politik in den Klassen 7 bis 10 des Gymnasiums ein. Bei der Landesfachtagung der WiPo-Lehrer am 10. Juni 2006, an der ich teilgenommen habe - Frau Birk, ich habe Sie dabei vermisst -, wurde diese Forderung auch wieder deutlich.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber wir hatten trotzdem Spaß!)

- Ja, die Tagung dauerte den ganzen Tag. Ich war von 9 Uhr an bis 15 Uhr da und habe alles mitbekommen.

Von diesen WiPo-Lehrern wurde aber auch die Einsicht vermittelt, dass der Stundenplan eines Mittelstufenschülers nicht beliebig verlängerbar sei, gerade auch unter Berücksichtigung der Schulzeitverkürzung im Gymnasium auf 12 Jahre und der damit verbundenen höheren Wochenstundenzahlbelastung in der Mittelstufe.

Andere Bundesländer - das geht aus meiner Kleinen Anfrage der letzten Wahlperiode hervor; Ihr Vorhaben tatsächlich kein neues Ansinnen, Frau Birk; das Bildungsministerium hat die Antwort zur Kleinen Anfrage im Bildungsausschuss noch ergänzt - unterrichten die Inhalte von Wirtschaft und Politik häufig im Fächerverbund mit Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde, Arbeitslehre, Gemeinschaftskunde, Weltkunde und so weiter. Ein eigenes Unterrichtsfach, genannt Wirtschaftspolitik, gibt es in den anderen Bundesländern nicht.

Wir sollten - das ist unsere Auffassung - im Ausschuss mit dem Bildungsministerium diskutieren, inwiefern die Inhalte von Wirtschaft und Politik in die bestehenden Fächer Geschichte und Erdkunde am Gymnasium in den Klassen sieben bis zehn oder acht bis zehn integriert werden können oder wie anders den meines Erachtens berechtigten Forderungen nach einem Schwerpunkt Wirtschaft und Politik nachgekommen werden kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist nicht so einfach, meine Damen und Herren. Dazu bedarf es auch Veränderungen in den Lehrplänen der anderen Fächer beziehungsweise einer anderen Verteilung der Fachstunden untereinander.

Wir sollten uns auch die Stellungnahmen der jeweiligen Fachverbände einholen, ob und wie sie Möglichkeiten sehen, die Inhalte von Wirtschaft und Politik in ihre Fächer zu integrieren beziehungsweise fächerübergreifend zu unterrichten.

Frau Birk, der Ausschuss ist der richtige Ort, um darüber zu diskutieren und zu Ergebnissen zu kommen.

Einen kleinen Hinweis möchte ich noch gerne loswerden. Die Schelte der Gymnasiallehrer, dass diese zum Beispiel in den Fächern Geschichte oder Erdkunde nicht genügend auf die Kommunalwahl vorbereiteten, weise ich, auch aus persönlicher Erfahrung, aufs Schärfste zurück.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Eisenberg. - Für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Detlef Buder das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielleicht als allgemeiner Hinweis: Eigentlich ist dieser Antrag ein Antrag, der im Ausschuss hätte gestellt werden müssen, zumal wir uns bisher im Wesentlichen über Lehrplaninhalte unterhalten haben.

Das eigenständige Fach Wirtschaft und Politik ist, Frau Kollegin Spoorendonk, laut Lehrplan bisher an den Hauptschulen und den Realschulen vorgesehen. An der Hauptschule wird das Fach in den Klassenstufen acht und neun unterrichtet, an den Realschulen in den Klassenstufen neun und zehn. Das ist in gewisser Weise eine Asymmetrie zur Sekundarstufe I der Gymnasien und hat in der Vergangenheit immer wieder zu Forderungen geführt,

(Sylvia Eisenberg)

auch dort das Fach Wirtschaft und Politik zu verankern.

Das Hauptargument dafür war, dass das vorgezogene kommunale Wahlrecht für 16-Jährige und das allgemeine Wahlrecht mit Erreichen der Volljährigkeit, also mit 18 Jahren, nur dann sinnvoll sein könne, wenn dies durch die nötigen staatsbürgerlichen Kenntnisse vorbereitet sei. Insbesondere haben Kritiker darauf verwiesen, dass das Fach in den meisten anderen Bundesländern auch an den Gymnasien verankert ist.

Hierüber - das muss man dazu wissen - wurde vor kurzer Zeit in diesem Hause mit Schülerinnen und Schülern eines Gymnasiums aus Flensburg im Rahmen einer Eingabe im Petitionsausschuss ausführlich diskutiert. Ich nehme einmal an, dass der Antrag der Grünen aufgrund dieser Diskussion zustande gekommen ist.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

- Ich habe nur darauf hingewiesen. Herr Kollege Klug, das war keine Kritik, sondern lediglich eine Darstellung, wie der Antrag zustande gekommen sein kann; denn ich habe selbst an dieser Veranstaltung teilgenommen.

Das Gegenargument war, dass die Inhalte, die in diesem Fach zu vermitteln sind, am Gymnasium in anderen Fächern vermittelt werden müssten. So hat die Landesregierung im Jahre 2001 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage erklärt, sie beabsichtige die Einführung dieses Faches in der Sekundarstufe I der Gymnasien nicht, weil „die für diese Altersgruppe wichtigen Themenbereiche aus der ökonomischen und politischen Bildung... im Rahmen der Fächer Geschichte, Erdkunde und Deutsch erfolgreich eingebracht“ würden. Auch erfordere die Einführung eines neuen Faches, wenn es additiv sei, einen zusätzlichen Bedarf von etwa 150 ausgebildeten Lehrkräften.