Wir haben nun erfahren, dass die EU-Kommission beim Besuch der Delegation der Landesregierung und des Kreises Dithmarschen am 29. Mai durchaus Offenheit gegenüber dem Anliegen gezeigt hat, die Listung des Gebietes in Bezug auf das Vorland St. Margarethen zu überprüfen. Mehr an dieser Stelle zu erwarten, wäre in Kenntnis der komplizierten Verfahren in Brüssel schon sehr blauäugig gewesen. Gegenstand der Überprüfung kann mei
nes Erachtens aber lediglich die naturschutzfachliche Eignung der Vorlandfläche sein. Hier wird die Prüfung in Brüssel und Paris sicherlich noch einige Zeit erfordern und durch detaillierte fachliche Unterlagen aus Schleswig-Holstein ergänzt werden müssen. Für mich ist an dieser Stelle allerdings nicht verständlich und eher politisch zu verstehen, dass bei der Prüfung der naturschutzfachlichen Eignung von EU-Kommissar Dimas zugesagt wurde, auch wirtschaftliche Aspekte einzubeziehen. Das ist zwar lobenswert, aber ich weiß nicht, wie er dazu gekommen ist. Diese im Kern von mir auch gewünschte Aussage sehe ich eher zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Fläche rechtssicher als Schutzgebiet ausgewiesen ist und konkrete Projekte oder Eingriffe auf dieser Fläche vorgesehen und zur Genehmigung vorgelegt werden.
Wir werden das Thema NATURA 2000 heute sicherlich nicht abschließend im Plenum behandeln können. Ich wäre jedoch sehr froh, wenn das Wort NATURA 2000 nicht als Buhmann für eine angeblich schieflastige Naturschutz- und Wirtschaftsblockadepolitik aus Brüssel verwendet würde. NATURA 2000 ist eine große Chance auch in Schleswig-Holstein für die Entwicklung von Natur und Lebensräumen. In und an diesen Räumen wird es dann auch weiterhin bei vernünftiger Politik und Verwaltung wirtschaftliche Entwicklungschancen geben.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank, Herr Buder, für den ausgewogenen Beitrag und Ihre letzten Worte zu NATURA 2000, gerade angesichts der Europadebatte, die wir gestern hatten. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es sehr widersprüchlich ist, wenn man einerseits Europa lobt und andererseits dann, wenn es konkret wird, nichts damit zu tun haben will.
Bezüglich der Situation St. Margarethen und Brunsbüttel habe ich die gleiche Meinung wie der Minister. Es ist mir ein Genuss, von dem Vertreter der CDU aus Dithmarschen hier eine Erläuterung zu bekommen, was NATURA 2000 ist und wie es
funktioniert, so wie wir es jahrelang dargestellt haben, wo dann das Brüllen und Tosen bei der CDU losging. Jetzt wird genau das erklärt, weil man an der Regierung ist und den Realitäten Rechnung tragen muss.
Was mich interessiert, ist etwas ganz anderes. Ich lese in der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ vom 30. Mai: „Im Tauziehen um die Ausweisung von Vogelschutzgebieten auf Eiderstedt bleibt die EU-Kommission hart. Eine Meldung der Flächen von insgesamt 2.780 ha ‚unter Vorbehalt’ werde die Kommission nicht akzeptieren, teilte ein Sprecher des Kieler Umweltministeriums nach Gesprächen mit EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in Brüssel mit.“
- Moment. War der Besuch in Brüssel überhaupt nicht dazu da, um über St. Margarethen und Brunsbüttel zu reden? War es vielleicht so, dass Sie nach Brüssel gefahren sind, um in Wirklichkeit über Eiderstedt zu reden, weil Sie das Problem in Ihrer Ausweisung haben? Meine Damen und Herren, ich würde darauf gern eine Antwort bekommen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuletzt im Zusammenhang mit dem Bericht der Landesregierung zur „Zukunft des Wirtschaftsraumes Brunsbüttel“ haben wir im Landtag die FFH-Gebietsausweisung des Vorlandes von St. Margarethen debattiert. Der Bericht machte auch damals schon deutlich, dass an der Ausweisung kein Weg vorbeiführt. Die FFH-Richtlinie gilt weiterhin und hat auch für das Vorland von St. Margarethen ihre Gültigkeit. Daher war es nur folgerichtig, dass sich die Landesregierung an die Vorgaben der Richtlinie gehalten hat und ihre Auswahl getroffen hat und entsprechend nach Brüssel gemeldet hat, auch wenn dies mit Bauchschmerzen geschehen ist.
Doch welche Alternative hätte die Landesregierung gehabt? Sie hätte natürlich auf eine Meldung verzichten können, aber wir wissen, dass SchleswigHolstein dann Gefahr gelaufen wäre, dass die EU eine Strafzahlung verhängt hätte. Das heißt also, hier hat die Landesregierung verantwortungsvoll im Sinne des Landes gehandelt, anstatt dem Druck der Wirtschaft stattzugeben. Aus Sicht der unmittelbar betroffenen Unternehmen lässt sich emotional nachvollziehen, dass diese sich gegen eine Ausweisung aussprechen. Aber ich meine, dass sie die naturschutzfachliche Bewertung von FFH-Gebieten anderen überlassen sollten. Eine sachliche Begründung, das Gebiet nicht auszuweisen, findet sich indes nicht. Die Ausweisung als FFH-Gebiet wird nicht zu mehr Verwaltungsverfahren führen, weil das betreffende Gebiet zum größten Teil ohnehin schon Vogelschutzgebiet ist und weil der Bereich der Elbe auf niedersächsischer Seite ohnehin schon FFH-Gebiet ist. Wenn es also auf niedersächsischer Seite eine Ausweisung als FFH-Gebiet gibt, gibt es dafür auch eine naturschutzfachliche Begründung. Ebenso wie es sie in Schleswig-Holstein gibt. Damit ist auch klar, dass die Ausweisung nicht mehr zurückgedreht werden kann. Solche Intentionen wären den Aufwand nicht wert. Vielmehr geht es jetzt darum, eine vernünftige Schutzgebietsverordnung zu erlassen.
Es bleibt daher festzuhalten, die Ausweisung ist schadlos, weil sie am Status quo ohnehin nichts ändert. Bei Genehmigungsverfahren zur Neueinrichtung, Änderung oder Erweiterung von Industrieanlagen wird die Gebietsausweisung keine Nachteile haben, da nach der Ausweisung ja wirtschaftliche Belange durchaus berücksichtigt werden können. Im Rahmen dieser Planung wird ein Ausgleich der Interessen durchaus möglich sein. Viel wichtiger ist, dass das Anmeldungsverfahren deshalb so schnell wie möglich abgeschlossen wird, damit man eine rechtliche Grundlage hat, auf der ein Genehmigungsverfahren aufbauen kann. Die schnelle Ausweisung ist somit ein Standortvorteil für den Standort Brunsbüttel. Ein dauerhaftes Problem für den wirtschaftlichen Betrieb von Industrieanlagen kann ich nur darin erkennen, dass auch ein Vogelschutzgebiet ausgewiesen wurde und hier der Schutzstatus automatisch höher ist als bei einem FFH-Gebiet. Das heißt, hier ist die Messlatte, die übersprungen werden muss, ungleich höher. Jetzt kommt es deshalb auf die Umsetzung und auf die Verordnungsgebung an und nicht auf Streitigkeiten, ob das Gebiet als FFH-Gebiet ausgewiesen werden muss oder nicht. Hier ist die Rechtslage klar.
Mich hat der Kollege Hentschel gerade darauf aufmerksam gemacht, dass seine im Redebeitrag gestellten Fragen keineswegs rhetorischer Art gewesen seien. Damit ist die Landesregierung gemäß § 40 verpflichtet, diese Fragen zu beantworten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Hentschel, erst einmal bedanke ich mich ganz herzlich bei Kommissar Dimas, dass wir dieses Gespräch führen konnten.
Ich glaube, es ist einmalig, dass eine Landesregierung in einer solchen Situation ein solches Gespräch bekommt und dann in einer Gesprächsatmosphäre, die außerordentlich aufgeschlossen war. Herr Dimas hat nicht gesagt - ich kann das auch gleich berichtigen, Herr Buder -, dass die wirtschaftlichen Belange mit berücksichtigt werden. Offensichtlich steht das so in einer Zeitung.
- Nein, dort steht es nicht. Das steht in einer Zeitung. - Er hat aber davon gesprochen, dass die wirtschaftlichen Belange in einem solchen Gebiet selbstverständlich auch eine Rolle spielen. Dass wir dort über naturschutzfachliche Stellungnahmen sprechen, ist völlig richtig.
Bei dem Gespräch ging es auch nicht darum - Herr Kollege Hentschel, dies zur Beantwortung Ihrer Frage -, ob in dem angesprochenen Zusammenhang 2.500 oder 2.800 ha eine Rolle spielen. Es war vielmehr die rechtliche Frage zu klären, ob es dann einen Vorbehalt geben kann, wenn deutsche Gerichte bei Klageverfahren einem Einspruch stattgeben. Es ging also überhaupt nicht um die Größenordnung. Es ging vielmehr um das Verfahren und die Frage, ob eine Meldung unter Vorbehalt erfolgen kann.
- Sie haben es doch gerade eben gesagt. Man hat uns gesagt, dass in Deutschland eine Klärung erfolgen muss. Insofern ist dies für uns eine Frage, die vonseiten des Landrates, vonseiten der Eiderstedter als wichtige Frage vorgebracht worden ist, die aber nichts mit der Meldung und der Größenordnung der entsprechenden Flächen zu tun hat, wie Sie es hier vielleicht vermutet haben.
Ich möchte mich noch einmal ganz herzlich bedanken, auch für die Unterstützung durch Landrat Klimant aus Dithmarschen. Ich glaube, die Zusage, dass wir bei dem weiteren Verfahren in enger Abstimmung mit der EU unsere Argumente einbringen können, ist eine Zusage, die dazu angetan ist, auch etwas mehr Verbindung zur EU-Kommission, die wir dringend brauchen, zu halten.
Gestatten Sie mir bitte eine geschäftsleitende Bemerkung. Erstens. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 13 heute nicht mehr aufzurufen, sondern auf die nächste Tagung zu verschieben. Das gibt der Landesregierung Gelegenheit, den Bericht, der bis heute nicht vorliegt, auch noch schriftlich vorzulegen.
Zweitens. Ich erinnere daran, dass wir gleich noch alle Punkte, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist, behandeln werden.
Drittens erteile ich jetzt dem Kollegen Karl-Martin Hentschel nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung zu einem Kurzbeitrag das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache fängt an, spannend zu werden. Die Regierung war offensichtlich in Brüssel. Sie hat dort offensichtlich auch über Brunsbüttel geredet und dabei erfahren, was sie schon immer wusste. Sie hat offensichtlich aber auch über Eiderstedt geredet. Was über Eiderstedt geredet worden ist, kommt in der Pressemitteilung des Ministeriums aber nicht vor. Das ist erstaunlich.
Zweitens. Die Regierung hat in Brüssel nicht über die Größenordnung des Gebietes im Falle von Eiderstedt geredet. Das ist auch logisch. Sie hat darüber geredet, ob eine Meldung unter Vorbehalt erfolgen kann. Man geht also davon aus, dass die eigene Meldung nicht zureichend ist. Man befürchtet - es ist schön, dass der Minister sich jetzt zu Wort meldet - entsprechende Klagen und eventuelle Strafzahlungen. Man möchte sich im Vorwege absichern, indem man einen Vorbehalt formuliert, der verhindert, dass man dann, wenn es nach deutschem Recht zu Klagen wegen eines faktischen Vogelschutzgebietes außerhalb eines ausgewiesenen Vogelschutzgebietes kommt, Probleme bekommt. Herr Minister, die Sache wird immer interessanter.
- Hören Sie einmal zu! - Der Sprecher des Umweltministeriums hat zu jenem Journalisten, der bekannt ist, gesagt, dessen ungeachtet werde eine Landschaftsschutzgebietsverordnung für die Flächen auf Eiderstedt vorbereitet, die beim Verwaltungsgericht beklagt werden könne. - Meine Frage ist nun: Welche Flächen soll diese Landschaftsschutzgebietsverordnung erfassen, die 2.780 ha oder andere Flächen?
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Christian von Boetticher, das Wort.
Da es die Brüssel-Reise betrifft, will ich einmal nicht so sein und die Hirngespinste - so muss man schon sagen - des Kollegen Hentschel wieder auf den rechten Weg führen. Herr Kollege Hentschel, es gab den Wunsch einzelner Grundstückseigentümer, deren Grundstücke auf den jetzt ausgewiesenen Flächen liegen, gegen die Ausweisung zu klagen. Das ist deren gutes Recht. Sie kennen die Fragestellung aus der Vergangenheit: Wie stellt man in diesem Falle Rechtssicherheit her? Nehmen wir einmal an, eine Klage gegen die Landschaftsschutzgebietsverordnung hat Erfolg; ein deutsches Gericht stellt Rechtsfehler bei der Meldung fest. Die Menschen fragen uns dann: Wie könnt ihr sicherstellen, dass nicht entsprechend der Meldung, welche ja schon vorgenommen wurde, ein Vollzug erfolgt? Über diese Frage streiten sich in der Tat große Rechtsgelehrte, übrigens auch solche, die ansonsten BUND und NABU beraten. Diese Rechtsgelehrten streiten sich darüber, wie man dies gewährleisten kann. Es gab ein Urteil gegen Finnland. Darin hieß es: Eine Meldung unter einer aufschiebenden Bedingung wird von der Kommission nicht akzeptiert. - Die Betroffenen haben uns daraufhin vorgeschlagen, Meldungen unter auflösender Bedingung vorzunehmen. Es konnte uns aber auch keiner sagen, ob das etwas anderes ist und ob das möglich ist.
Wir haben deshalb die Kommission gefragt, ob sie überhaupt eine Meldung unter irgendeinem Vorbehalt akzeptieren würde. Die Kommission hat daraufhin gesagt: Nein, eine solche Möglichkeit gibt es nicht. - Wir werden die 2.800 ha deshalb auch nicht unter Vorbehalt, sondern ganz normal
melden. Das hat aber mit all dem, was Sie gerade erzählt haben, Herr Kollege Hentschel, nicht das Geringste zu tun. Es geht um die Frage, ob ich Rechtssicherheit auch dann gewährleisten kann, wenn ein Urteil, das die Grundstückseigentümer in einem Prozess erwirkt haben, mich dazu verpflichtet.
In einem solchen Fall müsste das nationale Gericht das Verfahren wohl aussetzen und den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorlegen. Wenn der Europäische Gerichtshof Europarechtswidrigkeit bescheinigt, ist im Übrigen auch die Kommission an diesen Spruch gebunden. Dann müsste auch die Kommission ein entsprechendes Gebiet aus ihrer Listung zunächst wieder herausnehmen. Das ist die Rechtsfolge, die wir in Brüssel erörtert haben, nicht mehr und nicht weniger. Ich bitte darum, sich über solche Sachverhalte vorher zu informieren und hier am Rednerpult nicht irgendwelche Verschwörungstheorien zu spinnen, denn Letzteres wird der Sache nicht gerecht.
Allen Fraktionen steht nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung erneut eine Redezeit von drei Minuten zu. Im Rahmen dieser Regelung erteile ich der Abgeordneten Ursula Sassen das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Hentschel, ich bitte Sie, endlich damit aufzuhören, an einer Gebietskulisse, deren Festlegung aufgrund einer fachlichen Beurteilung durch das Ministerium erfolgt ist, herumzudeuteln. Ich bin der Landesregierung und vor allen Dingen dem Ministerpräsidenten außerordentlich dankbar, dass sie alles versucht haben, um die Rechtslage abzuklären und im Sinne der Betroffenen den besten Weg zu finden. Es geht hier doch nicht um die Gebietskulisse. Wenn eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, fahre ich doch nicht nach Brüssel und frage: Ist denn alles so richtig, wie wir es gemacht haben? Wie stellen Sie es sich denn vor?