Der ökologische Wert dieses Teils des Elb-Ästuars ist gering, es wird landwirtschaftlich genutzt und Teile des Gebietes werden zudem durch bestehende Ver- und Entsorgungsleitungen industriell genutzt. Darum haben wir diese Zweifel bei der Meldung mit aufgenommen.
Am 29. Mai war eine schleswig-holsteinische Delegation unter Leitung unseres Ministerpräsidenten zu einem Gespräch in Brüssel mit dem EU-Umweltkommissar Dimas und der Vertreterin der Generaldirektion Umwelt. Das ist deswegen nun möglich, weil die Kommission beziehungsweise ein von ihr eingeschaltetes Institut im Augenblick über die Vorschläge, die jetzt aus der Bundesrepublik Deutschland gekommen sind, berät, sich diese anguckt und qualifiziert, ob diese ausreichend sind.
Wir konnten dort noch einmal die Bedenken vortragen, die wir im Hinterkopf hatten, als wir die Meldung abgegeben haben. Kommissar Dimas hat uns zugesichert, trotz der laufenden Beratungen über die deutschen Nachmeldungen weitere Unterlagen an das beauftragte Fachinstitut weiterzureichen und diese dort einzuspeisen.
Wer die Kommission kennt, wer Brüssel kennt, weiß, dass das an dieser Stelle das Maximum dessen ist, was wir erreichen konnten. Denn die Bewertung selber führt nicht die Kommission durch, sondern das Fachinstitut. Es ist schon eine bemerkenswerte Leistung, dass wir an dieser Stelle noch einmal mit Zusatzinformationen auftreten können.
Die Bewertung darüber erfolgt durch das entsprechende Fachinstitut. Die Kommission wird sich nach meiner Kenntnis an die Bewertung halten und es wird eine fachliche sein. Dann werden wir wissen, ob das Bütteler Vorland, ob St. Margarethen wirklich ein Ästuar ist, wie es sich die Kommission vorgestellt hat, oder nicht. Wenn es kein Ästuar ist, wird es sicherlich nicht in die entsprechenden Listungen der Europäischen Kommission aufge
Für uns war wichtig, dass wir an dieser Stelle die Gelegenheit wahrgenommen haben, im Übrigen zusammen mit dem örtlichen Landrat, Herrn Dr. Klimant, noch einmal unsere Bedenken vorzutragen. Der Ablauf rechtfertigt das Verfahren, wie wir es angewandt haben. Wir standen nach vielen Jahren möglicher Umsetzung von FFH, die verflossen und nicht genutzt worden sind, die Debatten bezüglich St. Margarethen zu führen, unter Zeitdruck, unter der Zwangsgeldandrohung. Darum halte ich unser Vorgehen nach wie vor für gerechtfertigt. Wir haben für den Standort das Möglichste getan.
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der FDP Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Landesregierung hat das Vorland von St. Margarethen bei Brunsbüttel als FFH-Gebiet gemeldet, obwohl sie überzeugt ist, dass es die naturschutzfachlichen Anforderungen an ein FFH-Gebiet mindestens teilweise nicht erfüllt. Die Landesregierung hat gemeldet, weil die EU-Kommission sie dazu aufforderte und die Landesregierung angeblich das Risiko von Strafzahlungen als zu hoch einschätzt. Gleichzeitig hat die Landesregierung angekündigt, sie werde der EU-Kommission ihre Bedenken zur naturschutzfachlichen Eignung des Vorlandes von St. Margarethen vortragen.
Offensichtlich hofft sie, dass die EU-Kommission ihre Meldung dann als rechtsfehlerhaft zurückweist, weil das Vorland von St. Margarethen doch nicht die naturschutzfachlichen Anforderungen an ein FFH-Gebiet erfüllt.
Wenn Sie meinen, das klinge alles sehr verworren, dann gebe ich Ihnen Recht: Das ist es. Wollen wir hoffen, dass die Landesregierung den größten Industriestandort unseres Landes nicht so in ihr Strategieknäuel eingewickelt hat, dass dessen Zukunft darin abgeschnürt wird.
Meine Damen und Herren, denn das Vorland von St. Margarethen ist zwar ein unscheinbares, künstliches Stück Land vor dem Elbdeich, aber hindurch führen wichtige Abwasser- und Stromleitungen der örtlich ansässigen Industriebetriebe. Würde es als
FFH-Gebiet ausgewiesen, entstünden dem Standort Brunsbüttel Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Standorten. Denn Genehmigungen für Erneuerungs- und oder Erweiterungsinvestitionen wären nicht mehr so einfach zu erhalten. Zwar könnten bei Vorhaben von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung Ausnahmen genehmigt werden, aber Ausnahmen sind eben nicht die Regel. Betroffene Unternehmen müssen in ihren Investitionskalkulationen die Möglichkeit berücksichtigen, dass Ihnen keine Ausnahme genehmigt wird. Wenn doch, dann müssen Sie damit rechnen, hierfür an anderer Stelle Kompensation leisten zu müssen. Beides erhöht die zu erwartenden Kosten eines Investitionsprojekts und senkt damit dessen Rentabilität. Im Zweifel beantragen betroffene Unternehmen erst gar keine Ausnahmegenehmigung, sondern investieren gleich woanders.
Die in Brunsbüttel ansässigen international tätigen Konzerne sind nicht darauf angewiesen, am Standort Brunsbüttel zu investieren. Heutzutage ist es üblich, dass sich die verschiedenen Unternehmensstandorte um Investitionsprojekte des Konzerns bewerben. Für die Chancen des Industriestandortes Brunsbüttel in diesen konzerninternen Standortwettbewerben wären die genehmigungsrechtlichen Risiken, die mit einer Ausweitung des Vorlandes von St. Margarethen verbunden sind, ein erheblicher Nachteil.
Die Landesregierung rühmt sich, Arbeit Vorrang einzuräumen. Sie will Schleswig-Holstein zum Bundesland mit dem höchsten Wirtschaftswachstum in Deutschland machen. Vorrang für Arbeit und Wachstum? Wovor eigentlich? Offensichtlich nicht vor naturschutzfachlich unbegründeten Meldungen von FFH-Gebieten, es sei denn, die Landesregierung wäre sich bereits sicher, dass ihre Meldung des Vorlandes von St. Margarethen von der EU-Kommission zurückgewiesen wird. Nur unter diesen Umständen wäre es verständlich, dass die Landesregierung vordergründig das Risiko eingeht, zunächst zu melden.
Angesichts dessen ist das, was die Landesregierung am Montag als Ergebnis ihres Gesprächs mit der EU-Kommission - ebenso wie der Minister eben in seiner Rede - bekannt gab, sehr dürftig. Der zuständige EU-Kommissar Dimas soll zugesichert haben, dass seine Behörde rechtzeitig und vollständig eingereichte Unterlagen pflichtgemäß prüfen und die naturschutzfachlichen Bedenken der Landesregierung in den Entscheidungsprozess einfließen lassen werde. Nebenbei: Das gebietet jedes rechtsstaatliche Genehmigungsverfahren, und zwar unabhängig von den Erfolgsaussichten.
Viel weniger Zustimmung zu ihrem Anliegen konnte die Landesregierung kaum erhalten. Hieraus eine Vorhersage ableiten zu wollen, die naturschutzfachlichen Bedenken der Landesregierung würden sich durchsetzen, ist genauso spekulativ wie Lottospielen. Verantwortungsvolle Politik mit Vorrang für Arbeit und Wachstum sieht anders aus!
„Der Schleswig-Holsteinische Landtag fordert die Landesregierung auf, in der 13. Tagung mündlich darüber zu berichten, wie sie am 29. Mai 2006 die EU-Kommission davon überzeugte, dass das Vorland von St. Margarethen nicht als FFH-Gebiet ausgewiesen werden muss - oder wie und warum sie mit diesem Anliegen scheiterte.“
Wenn wir dies zusammenfassen, dann haben wir mitbekommen: Die Reise nach Brüssel war möglicherweise eine Lustreise. Sie war aber keine Reise, die uns in diesem Punkt weitergeführt hat.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Kollegen von der FDP-Fraktion, ich bin davon ausgegangen, dass Sie mit Ihrem Antrag ausschließlich einem Informationsbedürfnis nachgekommen sind. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie auf einen negativen Bescheid aus Brüssel gehofft haben, um der Landesregierung ein wirtschaftsfeindliches Handeln anhängen zu können.
- Herr Hildebrand, ich habe nach Ihrem Bericht meine Zweifel daran. Einer den Standort Brunsbüttel belastenden Debatte um den Verlust von Arbeitsplätzen muss endlich Einhalt geboten werden. Die aufgekommene emotionale Diskussion um den Abgang von Arbeitsplätzen ist für jeden nachvollziehbar und verständlich. Weitere öffentliche Diskussionen sind der Sache nicht dienlich. Ich möchte das hier noch einmal für alle verständlich machen, wobei ich hoffe, dass auch der Letzte begreift, dass hier ausschließlich nach naturschutzfachlichen Gründen durch die EU-Kommission geprüft und gehandelt wurde.
- Herr Hentschel, als positives Signal konnte nun nach dem Gespräch in Brüssel vernommen werden, dass auch wirtschaftliche Aspekte nicht völlig ignoriert werden. Wir alle sollten nicht mit propagandistischen Sprechblasen durchs Land ziehen.
Wir alle sollten und jeder Einzelne sollte, wenn er denn überhaupt ein wirkliches Interesse an einer sachlichen Lösung verfolgt, inhaltlich und sachund fachbezogen nach naturschutzfachlichen und wissenschaftlich hinterlegten Argumenten suchen.
Jeder sollte dies so tun, wie der Umweltminister, der dies im Interesse der Sache, im Interesse der in der Region lebenden Menschen getan hat, um das zu korrigieren, was über die Jahre nicht getan wurde, nämlich die FFH-Ausweisung vor St. Margarethen fachlich abzuwenden. So handelt man verantwortungsvoll im Umgang mit Interessen, die Menschen betreffen.
Nach mir aus dem Bundesamt für Seeschifffahrt vorliegenden Wasserstandsdaten für Brunsbüttel ergeben sich folgende Messwerte für Überflutungen, und zwar bezogen auf die letzten sechs Jahre: + 2,5 m üNN, 1,92 %, das entspricht einer Überflutung von dreizehnmal. Auf einer Höhe von über 3 m üNN, 0,56 %, was einer Überflutung von viermal pro Jahr entspricht. Wenn wir nun davon ausgehen, dass sogar Geländehöhen von 4 m gemessen worden sind, dann ergibt sich daraus, dass die Überflutungen völlig vernachlässigbar sind. Daraus ergibt sich für mich, dass ständige Überflutungen nicht gegeben sind. Somit bestehen an der Qualität eines Ästuars erhebliche Zweifel.
Doch nun noch einmal in Kurzform zur Historie der jüngsten Diskussion um die FFH-Ausweisung vor St. Margarethen! Was war der Anlass für die Ausweisung? - Mit der Forderung der EU-Kommission aus ihrer Stellungnahme vom 13. Dezember 2005 mündete ein zwölf Jahre andauerndes Verfahren in eine Entscheidung. Bereits Ende September 2001 wurde die Bundesrepublik Deutschland durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft zur Durchführung der Ausweisung von FFHVorschlagsgebieten aufgefordert. Warum musste so kurz nach der Regierungsübernahme durch Schwarz-Rot ausgewiesen werden? - Ich zitiere aus
„Die anlässlich der Übermittlung der Nachmeldungen für Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen vorgetragenen Argumente gegen eine Meldung der Ästuare sind entweder von vornherein nicht wissenschaftlicher Art oder nicht hinreichend fundiert, um die wissenschaftlich mehrfach bestätigte Überzeugung der Kommission von der Meldepflichtigkeit der Ästuare erschüttern zu können… Die Kommission geht nach wie vor davon aus, dass alle vier Ästuare (Elbe, Weser, Ems, Trave) vollständig als FFHVorschlagsgebiet zu melden sind.“
Seitens der alten Landesregierung hat der ehemalige grüne Umweltminister nichts unternommen, um die Meldepflicht des St. Margarethener Vorlandes als FFH-Gebiet abzuwenden.
In einem Schreiben vom 3. Februar 2004 bestätigt dieser gar, dass in vielen Fällen über bestehende und vorgeschlagene Naturschutzgebiete hinaus tatsächlich über die Flächen von FFH-Gebieten hinaus gemeldet worden ist.
In der heutigen Zeit muss Natur- und Umweltschutz mit Augenmaß angewandt werden. Er muss vor allen Dingen bezahlt werden können. Nicht Effekthascherei und nicht die populistische Thematisierung, sondern die fundierte Darlegung von naturschutzfachlichen und wissenschaftlichen Argumenten ist in der Debatte zielführend, um die FFH-Ausweisung am größten Industriestandort Schleswig-Holsteins abzumildern. Die positiven Signale in der Entwicklung zur Ansiedlung eines Kohlekraftwerkes trotz Diskussion um FFH spricht für den Standort Brunsbüttel.
Herr Minister, ich danke Ihnen, dem Herrn Ministerpräsident und dem Landrat des Kreises Dithmarschen für den besonnenen Umgang mit diesem Thema.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag der FDP haben wir erneut Gelegenheit, über das Verfahren von Gebietsmeldungen für das europäische NATURA-2000-Netz zu diskutieren. Auch wenn wir die von der FDP er
betenen Informationen bereits in vielfältiger Art aus den Zeitungen entnehmen konnten, macht es sicherlich Sinn, dieses Thema auch im Plenum zu diskutieren. Es eignet sich allerdings nicht für ein Schwarzer-Peter-Spiel der heutigen und der vorangegangenen Landesregierung. Es eignet sich auch nicht zu einem solchen Spiel zwischen Land, Bund und Europäischer Union. Wir haben uns - ebenso wie alle Länder - dazu verpflichtet, zum Schutz von Natur- und bedrohten Artengebiete ein kohärentes europäisches Netz von Naturschutzgebieten zu melden.
Dabei gibt es unterschiedliche Gebiete und Ausweisungsverfahren. Für alle Gebiete gilt aus Sicht meiner Fraktion allerdings gleichermaßen: Sie sind nach fundierter, ausschließlich naturschutzfachlicher Prüfung über den Bund an die EU zu melden. Nach oder parallel zur konkreten Schutzgebietsausweisung können dann für konkrete Projekte zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung der Regionen Ausnahmeanträge von den Schutzzielen gestellt werden. Diese Auffassung hat die SPD-Landtagsfraktion stets vertreten und dabei bleibt sie auch.
Im Februar, nach Abschluss des Anhörungsverfahrens, ist das Vorland St. Margarethen zusammen mit anderen FFH-Gebietsvorschlägen vom Kabinett in das Meldeverfahren gegeben worden. Hier bestand für St. Margarethen eine besonders enge Terminlage, denn ein drohendes Zwangsgeldverfahren war schon weit fortgeschritten. Um drohenden finanziellen Schaden von unserem Land abzuwehren, bestand zu diesem Zeitpunkt keine Alternative zur Meldung. Leider ist diese Sachlage nicht bei allen Beteiligten vor Ort fest im Bewusstsein angekommen. Viele Vorwürfe und Befürchtungen waren aus meiner Sicht nicht angebracht.
So ist es meine feste Überzeugung, dass nach rechtssicherer Ausweisung des Gebietsvorschlags durchaus die Möglichkeit besteht, dann unter Abwägung auch wirtschaftlicher und sozialer Aspekte gegenüber den naturschutzfachlichen Zielen, auch im Vorland St. Margarethen noch Eingriffe gestattet zu bekommen, um die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen und somit der Region zu ermöglichen.