„Die Landesregierung weist darauf hin, dass Leiharbeit und Outsourcing von Betriebsteilen Praktiken sind, von denen auch in anderen Branchen Gebrauch gemacht wird.“
Die Provokation gilt insbesondere in Kombination mit einer der wenigen eigenen Einschätzungen der Landesregierung, die sich auf Seite 10 des Berichts findet. Ich zitiere:
„Hinsichtlich dieser Aussagen ist aus Sicht der Landesregierung eine differenzierte Betrachtung erforderlich, da nach Beobachtungen der Landesregierung ein großer Teil der freien Journalisten nicht von Autorenhonoraren lebt, sondern die journalistische Tätigkeit als Nebenbeschäftigung betreibt.“
Damit reagiert die Landesregierung auf Aussagen in der Stellungnahme des DJV und der Gewerkschaft ver.di. Der DJV weist darauf hin, dass „viele (Journalisten) lediglich über ein Jahreseinkommen von unter 15.000 € verfügen“. ver.di führt aus: , „Journalisten, die von einem Monatseinkommen von 600 € leben, gibt es neuerdings auch in Schleswig-Holstein“.
Aber es kommt noch besser. Auf diese Aussagen der Berufsverbände reagiert die Landesregierung mit folgender Feststellung - ich zitiere -:
„Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass ein Teil der freien Journalisten ihre Sozialversicherung zu Bedingungen gestalten kann, die sich von denen fest angestellter Arbeitnehmer deutlich unterscheiden.“
Ich wiederhole diesen Satz noch einmal. Man muss ihn sich wirklich vorm geistigen Auge noch einmal Revue passieren lassen - ich sehe hier einige Gewerkschafter -:
„Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass ein Teil der freien Journalisten ihre Sozialversicherung zu Bedingungen gestalten kann, die sich von denen fest angestellter Arbeitnehmer deutlich unterscheiden.“
Will uns der Innenminister und Sozialdemokrat Dr. Ralf Stegner mitteilen, dass wir uns angesichts der Tatsache, dass freie Journalisten in großem Stil nebenberuflich arbeiten und besonders günstig sozialversichert sind und dass wir uns über solche Arbeitsverhältnisse keine Sorgen machen müssen? Oder will uns die Landesregierung auf diesem Weg darüber informieren, dass die ehemaligen Journalistinnen und Journalisten, die inzwischen in Landesdiensten stehen, im Zuge der neuen Hemdsärmlichkeit flächendeckend journalistische Nebentätigkeiten ausüben oder ausüben dürfen?
Scherz beiseite: Mir ist nicht klar, was eine solche Aussage soll, außer dass hier vom sozialdemokratischen Innenminister eine Entwicklung relativiert wird, bei der wir Liberale uns wirklich wundern, dass ausgerechnet Sozialdemokraten dies tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Tatsache ist, dass Verlage Unternehmen sind, die sich am Markt positionieren und den wirtschaftlichen Anforderungen genügen müssen. Die IHK zu Kiel hat dies treffend formuliert, indem sie ausführt - ich zitiere -:
„Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sind ohne Einschränkung oder verfassungsrechtliche Überhöhung zuerst einmal Wirtschaftsunternehmen, die Erträge erwirtschaften müssen, um zu überleben. Sie bedienen Märkte, reagieren auf Marktveränderungen, entwickeln Märkte. Diese Arbeit steht politisch leider selten im Fokus, obwohl auch Zeitungsverlage in Parteieigentum in der jüngeren Vergangenheit auf solche Markterfordernisse reagiert und entsprechende radikale Schritte vollzogen haben.“
Gegen diese Art des Strukturwandels anzukämpfen zu wollen, ist gleichbedeutend mit dem Kampf gegen Windmühlenflügel. Allerdings wird es pro
blematisch - das sage ich ausdrücklich -, wenn der Strukturwandel dazu führt, dass das Produkt leidet und die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit diesem Produkt schlechter wird. In der Tat ist es ein Problem, wenn die - ich will es einmal publizistische Einfalt nennen, dazu führt, dass bestimmte Positionen oder Bereiche nur noch unzureichend gewürdigt werden oder über sie berichtet wird. Wie sonst sollen denn Bürgerinnen und Bürger informiert werden?
Allerdings bietet die moderne Medienwelt einige Möglichkeiten, dem zu begegnen und die Verbraucherinnen und Verbraucher nutzen diese auch. Dies lässt sich an den geänderten Nutzerverhalten hinsichtlich der einzelnen Medienbereiche nachvollziehen.
Tatsache ist, dass die Nutzung der Tageszeitung zurückgegangen ist und auf niedrigem Niveau verharrt, während die Nutzung elektronischer Medien und des Internets stetig weiter zunimmt. Dies ist eine Situation, die sich nach meiner Einschätzung weiterentwickeln wird.
Für mich als Leser und Nutzer ist die Tageszeitung unabdingbar. Aber sie muss sich auch bei mir verstärkter Konkurrenz stellen. Das kann sie allerdings nur, wenn auch in den Redaktionen genug Mittel und vor allem genug Zeit zur Verfügung stehen, damit Journalistinnen und Journalisten ihre Aufgaben gewissenhaft bewältigen können. Die Boulevardisierung, die der Innenminister angesprochen hat, wird über kurz oder lang zum Verlust der Akzeptanz von Tageszeitungen und zum Übergang in elektronische Medien führen. Die eine oder andere Medienpartnerschaft dieses oder jenes Verlages oder auch elektronischer Medien weniger und dafür mehr Mittel für die redaktionelle Arbeit könnten dabei schon etwas bewirken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu all dem hat die Landesregierung recht wenig oder gar nichts gesagt. Dies ist, so glaube ich, auch eine Folge der großen Koalition, die nicht weiß, wie sie angesichts der verschiedenen Positionen, die in ihren Bestandteilen vorherrschen, reagieren soll. Es fehlt auch hier die klare politische Botschaft. CDU und SPD sollten sich vor Augen führen, dass man mit einer solchen Politik Schleswig-Holstein auf Dauer nicht regieren kann. Wir brauchen ein Konzept zur Begleitung der Medienentwicklung in Schleswig-Holstein.
Ich bitte, diesen Bericht an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, in dem wir ihn intensiver diskutieren können.
Ich erteile nun dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine „geschäftsleitende Bemerkung“.
Heute sind zahlreiche Ministerinnen und Minister entschuldigt. Anhand der Abmeldungsliste, die mir vorliegt, gilt das für den Herrn Ministerpräsidenten, den Justizminister, die Kultusministerin sowie den Finanz- und den Landwirtschaftsminister. Seit einiger Zeit können wir die beiden Staatssekretäre Schlie und Maurus und den ganzen Vormittag schon können wir den Herrn Innenminister hier begrüßen und mit ihm gemeinsam debattieren.
Ich finde es nicht angemessen, dass es die Landesregierung bei einer Tagung des Landtages nicht für notwendig hält, personell besser vertreten zu sein. Ich denke, dass müsste an geeignetem Ort einmal miteinander besprochen werden.
Herr Kollege Kubicki, zur Frage dieses Antrages: Wir hätten den in der vergangenen Sitzung gern miteinander diskutiert. Es war aber Ihr Anliegen, ein Anliegen der FDP, das nicht in der vergangenen Sitzung, sondern in dieser Sitzung zu diskutieren. So war es.
Ich stimme Ihnen zu, dass dieser Bericht der Landesregierung zur Situation und Entwicklung der Printmedien in Schleswig-Holstein eine gewisse Hilflosigkeit zeigt. Er ist auch außerordentlich knapp gehalten. Eigenes kann die Exekutive zu diesem Thema nicht oder kaum beitragen. Die wesentlichen Informationen sind von Dritten erhoben worden. Es gibt keinen staatlichen Apparat, der politisch oder verwaltungsmäßig die Thematik behandelt. Das liegt, Herr Kollege Kubicki, aber auch in der Natur der freien und staatsfernen Presse.
Es belegt die Unabhängigkeit der Pressearbeit und ihrer Arbeit vom staatlichen Handeln. Das ist richtig, das ist wichtig und das ist gut.
es sich ja gern zur Regel machen, alles, was in diesem Land beklagenswert ist, darauf zurückzuführen, dass es eine große Koalition gibt. Aber auch wenn es eine kleine Opposition gibt, warten wir auf Vorschläge und einen Vorschlag, wie wir die Entwicklung, die wir hier festgestellt haben und über die ja auch zu diskutieren ist, wirklich nachhaltig ändern könnten, außer als Abonnementwerber selber durch das Land zu gehen und zu versuchen, mehr Abonnenten zu werben, habe ich von Ihnen nichts gehört. Wir müssen in dieser Situation eingestehen, dass auch das Parlament an dieser Stelle kein Patentrezept hat.
Alle Unabhängigkeit der Medien, der Presse kann nicht zur Folge haben, dass das Parlament über Medienkonzentration, ausgedünnte politische Berichterstattung und zunehmende Kommerzialisierung nicht diskutieren könne. Deswegen sind die Ergebnisse der Befragung verschiedener Institutionen und Verbände durch die Landesregierung mit den durchaus unterschiedlichen Bewertungen der Situation interessant. Sie decken sich mit meinen persönlichen Erfahrungen und ich finde, es ist gut, dass wir hier und heute eine Diskussion darüber beginnen. Sie wird, glaube ich, längere Zeit in Anspruch nehmen.
Zunächst gelangen wir zu der schlichten Erkenntnis, dass wie in fast allen wirtschaftlichen Bereichen auch bei den Printmedien in den letzten Jahren ein umfassender Rationalisierungskurs stattgefunden hat. Er führt zu internen Umstrukturierungen und zu einem deutlichen Personalabbau sowohl in den Verlagshäusern als auch in den Redaktionen. Obwohl sich die Anzahl der Lokalredaktionen in den vergangenen Jahren von 52 auf 50 kaum verringert hat, sind heute rund 70 Redakteure und damit 15 % weniger als noch im Jahr 2000 in den Verlagen beschäftigt. Bei diesen Zahlen ist allerdings nicht berücksichtigt, dass redaktionelle Arbeit verstärkt auch durch freie Journalisten mit Auftragsarbeiten durchgeführt wird.
Der Deutsche Journalistenverband Landesverband Schleswig-Holstein weist auf die Problematik der Existenznot vieler dieser freien Journalisten hin. Das Einkommen durch diese Arbeit kann danach oft kaum mehr als Vollerwerb bezeichnet werden. Ich denke, das ist aller Anlass, dass sich das Parlament mit dieser Problematik befasst.
Auch wenn es in den letzten 15 Jahren in Schleswig-Holstein kaum Veränderungen der publizistischen Einheiten - gemeint sind damit die Zeitungen mit eigener Kernredaktion und einheitlichem Man
tel - gegeben hat, findet eine Überschneidung - darauf hat der Kollege Kubicki hingewiesen und der Innenminister ebenso - der Verbreitungsgebiete einzelner Publikationen immer weniger statt. Die Konzentration scheint im Land weitestgehend abgeschlossen zu sein. Es gibt mit den „Kieler Nachrichten“, den „Lübecker Nachrichten“ und den Titeln des „sh:z-Verlages“ drei große regionale Tageszeitungen in Schleswig-Holstein, die bis auf einige wenige räumliche Überschneidungen kaum in Konkurrenz zueinander treten.
Dies ist nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer ökonomischen Betrachtung - wir wünschen uns Wettbewerb -, sondern insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Meinungsvielfalt eine außerordentlich bedauerliche Entwicklung.
Ich selber habe - ich denke, wie viele von uns - zu Beginn meiner politischen Arbeit selbst auf lokaler Ebene noch erlebt, dass zu - Pressekonferenzen ist vielleicht ein großes Wort für etwas, was man auf lokaler Ebene gemacht hat - Pressegesprächen vor Ort Journalisten verschiedener Zeitungen in dem Verbreitungsgebiet gekommen sind, um die beste Berichterstattung gerungen und auch auf kommunaler Ebene zur Meinungsvielfalt beigetragen haben. Auch hier geht in Schleswig-Holstein ein Stück politischer Kultur verloren.
Ich bedauere diesen Rückgang an Vielfalt und Umfang, der sich im Übrigen auch bei den privaten und öffentlich-rechtlichen Funkhäusern wiederfindet, ausdrücklich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man sich heute die entsprechende Berichterstattung - auch im öffentlich-rechtlichen Norddeutschen Rundfunk, aber auch in den privaten Hörfunksendern, die es ja noch nicht so lange gibt, aber auch schon seit 20 Jahren - anhört und man sich vor Augen führt oder noch einmal in Erinnerung ruft, in welchem Umfang es dort vor zehn oder 20 Jahren Sendungen gegeben hat, dann muss man sagen, dass dies auf ein Minimum zusammengeschrumpft ist. Auch hier gilt - wir reden zwar heute über Printmedien, aber nur so viel - offenbar: Es gibt auch in diesem Bereich einen Trend zu „klein, bunt und kurz“, aber auch einen Trend zu einer gewissen Oberflächlichkeit. Das muss schon festgestellt werden.
Der Herr Kollege Kubicki hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in einem Spannungsverhältnis diskutieren. Natürlich sind Zeitungs- und Zeitschriftenverlage Wirtschaftsunternehmen und eben nicht öffentlich-rechtliche oder staatliche Institutionen für die Berichterstattung. Ihre Struktur und ihr Agieren wird natürlich auch durch Marktfaktoren bestimmt. Sie müssen wirtschaftlich arbeiten und sie müssen Gewinne erzielen, wenn sie am Markt überleben wollen. Die Verlage finanzieren sich durchschnittlich zu 45 % aus Anzeigenerlösen, 45 % aus Vertriebserlösen und 10 % aus Fremdbeilagen. Bei den Vertriebserlösen kommen über 90 % von den Abonnenten bei durchgängig leicht rückläufiger Entwicklung der Auflagen.