Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/768 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Gottholt Ephraim Lessing nannte die Presse einst die Artillerie der Gedanken. Nun haben die Zeiten sich sicherlich geändert und wir lesen und hören so manche Gedankenlosigkeit. Aber auch heute gilt: Nachrichten sind keine normale Ware wie jede andere. Fernsehen, Rundfunk und Printmedien erfüllen im demokratischen Staat eine öffentliche Aufgabe, auch wenn sie kein Ersatz für öffentliche Institutionen sein können. Dies wird auch an der den Medien vielfach zugeordneten Kompetenz als einer quasi vierten Gewalt im Staate deutlich. Die Medien sind zwar keine verfassungsrechtlich mit öffentlichen oder staatlichen Aufgaben versehenen Aufgabenträger, aber sie haben gleichwohl eine besonde
re gesellschaftliche Verantwortung. Medien leisten Informationsvermittlung und sie bieten ein Forum zum Meinungsaustausch und zur Artikulation. Zudem haben sie als Sprachrohr der öffentlichen Meinung auch die Aufgabe der Kritik und der Kontrolle des politischen Systems.
Sie sind ein Teil der demokratischen Kultur. Eine besondere Rolle kommt ihnen auch im Zusammenhang mit der Fähigkeit zu, Missstände zu erkennen, zu benennen und zu überwinden. Das gehört zum Kern der Überlegenheit demokratischer Systeme gegenüber anderen Staatsformen.
Um Enttäuschungen bei den Antragstellern vorzubeugen, sage ich Folgendes vorweg. Die Landesregierung verfügt sicher nur über wenig eigene datenbasierte Kenntnisse zu der im Antrag zur Situation und Entwicklung der Printmedien in SchleswigHolstein aufgeworfenen Thematik. Gleichwohl ist es der Landesregierung nicht gleichgültig, wie die Pressestruktur in Schleswig-Holstein gestaltet ist. Die thematische Zuständigkeit liegt, wie Sie wissen, innerhalb der Landesregierung im Wesentlichen bei der Staatskanzlei, in Teilen beim Wirtschaftsministerium und zum kleinsten Teil beim Innenministerium. Dennoch spreche ich hier gern für die Landesregierung zu den aufgeworfenen Fragen.
Für die Erarbeitung des erbetenen Berichtes wurden von den relevanten Verbänden und Institutionen Stellungnahmen eingeholt. Stellungnahmen wurden erbeten von den Industrie- und Handelskammern zu Flensburg, Kiel und Lübeck, von der Gewerkschaft ver.di, Landesbezirk Nord, dem Deutschen Journalisten-Verband, Landesverband Schleswig-Holstein, dem Verband der Zeitungsverlage, dem Verband der Zeitschriftenverlage, dem sh:z sowie von der „Dithmarschen Landeszeitung“, den „Kieler Nachrichten“ und den „Lübecker Nachrichten“. Teilweise wurden Stellungnahmen nicht abgegeben, wobei aber hinter den Kulissen heftig am Thema gearbeitet wurde, um diesen Bericht zu beeinflussen. Die Stellungnahmen sind dem Bericht als Anlage beigefügt. Die Lektüre von Anlagen lohnt nicht immer, aber hier durchaus der Fall, wobei sich dies sowohl auf das, was dort steht, als auch auf das, was dort nicht steht, bezieht. Eine Zensur findet nicht statt. Lesen Sie also selbst.
Die Pressefreiheit ist für die moderne Demokratie unentbehrlich und ein wesentlicher Faktor im demokratischen Willensbildungsprozess. Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleistet die Pressefreiheit als subjektives Grundrecht für die im Pressewesen tätigen Personen. In einer Zeit, in der Bespitzelungen von Journalisten im breiten Stil aufgeklärt werden müssen, ist es wichtig, an die Pres
sefreiheit zu erinnern. Ich bekenne mich ausdrücklich dazu. Ich finde übrigens, die angelsächsische Tradition - ich erwähne in diesem Zusammenhang das First Amendment in der amerikanischen Verfassung - ist etwas, was in Deutschland ab und zu durchaus werbend hervorgehoben werden muss, zumal es bei uns in der Vergangenheit um die Pressefreiheit nicht immer gut bestellt war. Artikel 5 des Grundgesetzes gilt aber auch für die Unternehmen und garantiert das Institut der freien Presse. Dieses umfasst einerseits die privatwirtschaftliche Pressestruktur der Presseunternehmen, beinhaltet aber auch die staatliche Verpflichtung, der Gefahr von durch Pressekonzentration entstehenden Meinungs- und Informationsmonopolen entgegenzuwirken. Normalerweise kontrollieren die Medien die Politik. In diesem Punkt - und nur in diesem Punkt muss aber auch die Politik die Medien kontrollieren, wenn man keine italienischen Verhältnisse will.
Für die Landesregierung ist die Bewertung der Printmedien in Schleswig-Holstein natürlich schwierig, weil ein Eingriff in die Pressefreiheit weder riskiert noch auch nur unterstellt werden darf. Vor diesem Hintergrund macht sich die Landesregierung die abgegebenen Stellungnahmen nicht zu Eigen. Ich will sie in dieser Rede auch nicht bewerten. Es muss aber festgestellt werden, dass auf dem Printmedienmarkt in Schleswig-Holstein ein erheblicher Konzentrationsprozess stattgefunden hat. Outsourcing ist nicht eine abstrakte Angelegenheit, die in der Wirtschaftspresse beschrieben wird, sondern ist Teil der Presselandschaft selbst.
Der vorliegende Bericht verdeutlicht, dass sich die Anzahl publizistischer Einheiten, das heißt von Zeitungen mit einer Kernredaktion und einheitlichem Mantel, in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren als stabil erwiesen hat, wenn man 1991 und 2004 vergleicht. Bei einem Vergleich publizistischer Einheiten in anderen Bundesländern ist entweder ein gleich bleibender Bestand oder ein leichter Rückgang zu verzeichnen, wie Sie unserem Bericht entnehmen können. Bundesweit ist insgesamt ein rückläufiger Trend erkennbar. Gab es 1991 noch 158 publizistische Einheiten, so waren es 2004 nur noch 138.
Die Landesregierung verfügt über keine eigenen Erhebungen über die Ausgliederung von Redaktionen in schleswig-holsteinischen Verlagen. Insofern kann sie auch keine empirisch belastbaren und validen Aussagen darüber treffen, ob dies Auswirkungen auf die Berichterstattung hatte. Die Deu
tung allerdings, dass mit diesem Prozess eine qualitative Verbesserung der professionellen Standards in der Berichterstattung einhergegangen sei, habe ich nirgendwo finden können, weder durch Selbstbeobachtung - dies wäre freilich subjektiv - noch unter Zuhilfenahme der wissenschaftlichen Publizistik. Die Stichworte hierfür heißen Boulevardisierung, Trivialisierung und Entpolitisierung. Die vorliegenden Stellungnahmen sind, was dieses Thema angeht, in ihrer Auffassung unterschiedlich.
Rein rechtlich sind Leiharbeit und das Outsourcen von Betriebsteilen der Verlage ebenso legal wie in anderen Branchen. Dass sich ver.di und der Deutsche Journalisten-Verband aus ihrer Verantwortung für die Mitarbeiterschaft und ihrer Sorge um das berufliche Professionalitätsethos gegen diese Praktiken aussprechen, kann niemanden verwundern. Schließlich verringern solche Maßnahmen die Tarifbindung auf der Arbeitgeberseite und führen damit zu einer Schwächung der Flächentarifverträge. Sie gehen tendenziell auch eher zulasten der Beschäftigten. Es ist allerdings Sache der Arbeitnehmerorganisationen, auf die Verlegerverbände als Tarifpartner zuzugehen, um mit diesen zum Beispiel flexible Regelungen in den Tarifverträgen zu vereinbaren, mit denen Tarifflucht und die Umgehung von Tarifverträgen vermieden werden können. Auch in dieser Frage sehen Sie mich als Anhänger von Tarifautonomie und Flächentarifverträgen. Das findet sich übrigens auch in der Koalitionsvereinbarung dieser Regierung wieder.
Nähe und Distanz sind im Journalismus immer wieder neu auszutarieren. Immer dabei sein, nie dazugehören - das war das auch heute noch aktuelle Motto des 1995 verstorbenen renommierten Fernsehjournalisten Hanns-Joachim Friedrichs. Die Messlatte des Sportjournalisten Friedrichs - als solcher hat er ja angefangen - gilt sicherlich auch und gerade vor dem Hintergrund von Ausgliederungen wie der Sport und Event GmbH des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages. Dort ist es so, dass jemand Veranstaltungen selbst organisiert, darüber berichtet und protestiert, wenn die Polizei nicht ausreichend anwesend ist. Dort liegt dann sozusagen alles in einer Hand.
Ich begrüße es, dass der Landtag mit dem vorgelegten Antrag eine Thematik in die Öffentlichkeit bringt, die auch für den demokratischen Willensbildungsprozess in der Gesellschaft von grundlegender Bedeutung ist. Es war im Vorfeld zu hören, dass der vorliegende Bericht nicht umfangreich genug sei, da er zu wenig ins Detail gehe. Dem möch
te ich entgegnen, dass die Landesregierung und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die solche Berichte erstellen, Ihnen gern Informationen zur Verfügung stellen, soweit sie vorliegen. Die Beschaffung einer vielleicht erstrebenswerten ausführlichen Übersicht war in der Kürze der Zeit und aus Kostengründen in dem gewünschten Umfang aber nicht möglich. Ich glaube aber, dass auch ohne das Detailmaterial eine argumentative Debatte sinnvoll und notwendig ist. Ich habe in diesem Zusammenhang ein paar Punkte genannt.
Die aufgeworfenen Fragen zur Printmedienlandschaft in Schleswig-Holstein sind interessant und spannend. Es ist für mich auch spannend zu sehen, ob die Medien in Schleswig-Holstein die heutige Debatte als Chance nutzen, sich in der Berichterstattung in eigener Sache als sachlich-konstruktiv, gegebenenfalls auch selbstkritisch darzustellen.
Missverstehen Sie das bitte nicht. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die im Bereich der Politik sozusagen leichtfertig Medienschelte betreiben. Das ist nicht mein Ansinnen. Ich finde, Politik muss es auch ertragen, gegebenenfalls sehr hart kritisiert zu werden. Das gehört zu unserer freiheitlichen Ordnung. Ich glaube allerdings, dass man auch so argumentieren kann, dass es sich bei dem, was Medien tun, nicht einfach um ein normales Betätigungsfeld wie bei anderen Wirtschaftsunternehmen handelt. Wir haben es hier vielmehr sehr wohl mit einem Prozess zu tun, der uns alle beschäftigen muss, auch was die Qualität dessen, was dort geschieht, angeht, wobei ich hier beispielhaft auf Ausbildung und andere Dinge verweise.
Vielleicht hat aber auch Kurt Tucholsky Recht, bezogen auf die von mir eben ausgesprochene Hoffnung, dass die Medien über diese Debatte berichten mögen. Kurt Tucholsky hat geschrieben - ich zitiere -:
„Der geschickte Journalist hat eine Waffe, das Totschweigen. Von dieser Waffe macht er oft genug Gebrauch.“
Vielleicht müsste man zeitgemäß hier das Wort „Journalist“ durch das Wort „Eigner“ oder das Wort „Verleger“ ersetzen. Die Antwort auf diese Frage werden wir morgen in jedem Falle kennen, schwarz auf weiß oder auch nicht.
Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht und erteile für die antragstellende Fraktion dem Oppositionsführer, Herrn Wolfgang Kubicki, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bericht der großkoalitionären Landesregierung ist in der Tat bemerkenswert. Nach der Lektüre verstehe ich, warum die beiden Regierungspartner sich im letzten Jahr nicht auf einen gemeinsamen Berichtsantrag haben einigen können. CDU und SPD wollten schlicht den Eindruck vermeiden, der sich knapp ein Jahr nach ihrem Regierungsantrag immer weiter verbreitet hat: Diese Regierung hat zu wichtigen Themen und Fragestellungen nichts zu sagen oder beizutragen. Die Tatsache, dass der Bericht von der Tagesordnung der letzten Sitzung des Landtages genommen wurde, verstärkt diesen Eindruck noch.
Ohne Zweifel ist die Situation der Printmedien im Land ein Berichtsgegenstand, der gewichtig genug ist, um von der Landesregierung eine Einschätzung zu diesem Thema zu erhalten. Dass dieser Bericht dies nicht leistet, wird schon in der Vorbemerkung deutlich - ich zitiere -:
„Da die Landesregierung selbst nur über wenige Erkenntnisse zu den aufgeworfenen Fragestellungen verfügt und ihr dazu auch keine fundierten Darstellungen oder Auswertungen durch Dritte vorliegen, hat sich die Landesregierung entschlossen, die von ihr eingeholten Stellungnahmen im Sinne von Primärquellen dem Berichtstext als Anlage beizufügen.“
Ließe man die Anlagen weg und zöge man allein von der Vorbemerkung der Regierung die dort schon umfänglich zitierten Stellungnahmen der Verbände ab, dann umfasste der Bericht gerade einmal fünf Seiten.
Insofern müssen sich die Landesregierung und der Innenminister bei einem Teil der Institutionen, die zumindest noch für etwas Gehalt auf den restlichen 53 Seiten des Berichts gesorgt haben, sehr bedanken. Andernfalls wäre die gähnende Leere - Herr Kollege Wadephul, ich komme gleich noch dazu; oder sollte ich sagen: die geistige Armut dieser Regierung? - noch auffälliger geworden.
Dass es noch dazu fast versäumt wurde, mit der Stellungnahme von ver.di eine Einschätzung der größten Mediengewerkschaft im Lande einzuholen, spricht für sich und gegen diese Regierung. Ich erinnere daran: Der Bericht war am 1. Februar
abgeschlossen, die Stellungnahme von ver.di wurde dann noch - weil es wohl schon aufgefallen ist - Ende April eingeholt. - Von beiden, sowohl vom Minister als auch von seinem Haus, hätte ich mir nicht nur in diesem Zusammenhang etwas mehr erwartet.
In der Tat sind die Strukturen in der schleswigholsteinischen Zeitungslandschaft seit Jahren fest gefügt, was nicht heißt, dass sich innerhalb dieser Eigentümerstrukturen nicht auch einige Veränderungen ergeben haben. Letztlich haben diese Veränderungen aber nur dazu geführt, dass die Verbreitungsgebiete arrondiert worden sind. Das Land ist zwischen den hinlänglich bekannten Spielern aufgeteilt. Die IHK formuliert es in ihrer sehr lesenswerten Stellungnahme wie folgt - ich zitiere -:
„Die Märkte für die Zeitungen des s:hz, der KN, der LN, der Dithmarscher Landeszeitung und des Hamburger Abendblattes … sowie einer Reihe kleinerer unabhängiger regionaler Zeitungen sind im Wesentlichen definiert. Klassischer Wettbewerb findet in den Grenzbereichen statt, wie etwa Eckernförde, Lübeck/Stormarn und im Hamburger Randgebiet zwischen dem Abendblatt und den Zeitungen des s:hz.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn dies nichts wirklich Neues ist, so ist der Umstand, dass wir uns in Schleswig-Holstein in einem solchen „konkurrenzlosen“ Medienumfeld befinden, für einen Liberalen eine Tatsache, die mich sehr beunruhigt. Denn immer dort, wo Wettbewerb fehlt, schaut der Verbraucher, in diesem Fall der Printmediennutzer, in die Röhre. Das ist ein Faktum, das man in diesem Fall sogar wörtlich nehmen kann.
Printmedien sehen sich heute einem immer stärkeren Wettbewerb um ihre Konsumenten ausgesetzt. Einer der Hauptkonkurrenten sind die elektronischen Medien. Dabei werden die Verlage von zwei Seiten in die Zange genommen. Zum einen konkurrieren sie um die Leserinnen und Leser und zum anderen um ihre Anzeigenkunden, die ihnen von TV-, Online- und Direktmarketing streitig gemacht werden. Hinzu tritt die Tatsache, dass die letzten Jahre der wirtschaftlichen Stagnation ein Übriges dazu getan haben, auf die ökonomische Situation der Tageszeitungsverlage einzuwirken.
Für die Erzeugnisse, das heißt die Tageszeitung selbst, hat dies natürlich Auswirkungen. Wurden im Jahre 2000 noch knapp zwei Drittel der Gesamterlöse durch Anzeigen und Beilagen erwirtschaftet, so waren es im Jahr 2004 nur wenig mehr als die Hälfte.
Schrumpft aber der Anzeigenteil, dann zieht das unweigerlich über kurz oder lang auch die Verringerung des redaktionellen Teils nach sich. Die Zeitungen werden schlicht dünner, das Angebot an Inhalten geht zurück, die Vielfalt bleibt auf der Strecke.
Eine solche Entwicklung bleibt dann nicht ohne Folgen für die Redaktionen. Hier sind wir bei einem wesentlichen Punkt der Debatte - Herr Minister, ich hätte mir gewünscht, Sie wären hierauf etwas intensiver eingegangen -, die mit zunehmender Intensität geführt wird, ganz gleich ob die Landesregierung dazu etwas beiträgt oder eben nicht. Hier treten die Berufsverbände auf den Plan, die, wie der Deutsche Journalisten-Verband oder ver.di, die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. In diesem Zusammenhang wirkt einer der wenigen eigenen Hinweise, die die Landesregierung im Bericht formuliert, wie eine schiere Provokation an die Berufsvereinigungen. Ich zitiere: