Protocol of the Session on June 1, 2006

Sie müssen ihre Leser also täglich überzeugen und versuchen, sie an ihr Produkt zu binden, und sie müssen für Anzeigenkunden attraktiv sein und bleiben. Ein Rückzug aus Gebieten, in denen man relativ wenig Abonnenten hat und damit auch kaum lokale Anzeigenkunden gewinnen kann, liegt unter wirtschaftlicher Betrachtung vordergründig auf der Hand. Interessant bleiben dann nur die Vertriebsgebiete, in denen reale Chancen bestehen, einen großen Leserstamm zu halten oder diesen gar zu vergrößern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage ist an dieser Stelle: Gibt es ein Patentrezept, gibt es eine Möglichkeit, dies zu ändern? Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich an dieser Stelle auf die einzige bundesweit erkennbare Anstrengung kurz zu sprechen komme, die sich bemüht, Zeitungen und Zeitungsverlage am Leben zu erhalten. Meinen Koalitionspartner wird es nicht freuen, aber es ist immerhin die von der SPD gehaltene Verlagsholding DDVG, die Anteile an über 70 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von über 6 Millionen Exemplaren und 12 Millionen Lesern hält. Sie ist an 30 Radiosendern beteiligt mit über 10 Millionen Hörern, an zwei Fernsehsendern mit über 1 Million Zuschauern und an einem Kinderbuchverlag.

Auch wenn diese Beteiligungen für Schleswig-Holstein bisher nur eine untergeordnete Rolle spielen, muss ich in aller Offenheit sagen: Bei aller Kritik an der bisherigen Entwicklung, die wir hier im Lande feststellen, ist die Medienholding einer politischen Partei in einer pluralistischen Gesellschaft keine Lösung; sie trägt nicht zu mehr Meinungsvielfalt bei und deswegen kann das natürlich nicht die Lösung sein.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Deswegen bleibt es dabei, dass wir mit diesem Bericht eine Diskussion beginnen und die Diskussion fortführen sollten, und zwar nicht nur im Ausschuss, sondern insbesondere auch in der Öffentlichkeit. Ich könnte mir hierzu auch öffentliche Diskussionen vorstellen. Wir brauchen überall in der Unternehmerschaft, auch bei Medienunternehmern eine ethische Verantwortung für Meinungsvielfalt in diesem Land und dafür sollten wir appellieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weder Exekutive noch Legislative sind dazu berufen, im klassischen Sinne eingreifend, also durch Gesetze oder unmittelbares politisches Handeln, tätig zu werden. Wir müssen die Unabhängigkeit der Medien wahren. Aber auch die vierte Gewalt - das gilt für Journalisten wie für Medienunternehmer - muss sich einer kritischen Diskussion stellen. Ich rufe uns alle auf, uns daran zu beteiligen.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Wadephul und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Wortbeitrag des Innenministers war eine, wie ich meine, wichtige Ergänzung zum vorliegenden Bericht der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Fast alles, was Sie, Herr Minister, hier vorgetragen haben, hätte den Bericht selbst entscheidend bereichert.

(Zurufe von der SPD)

Die von Ihnen erwähnten Versuche der Einflussnahme auf die Gestaltung dieses Berichts bedürfen vielleicht an anderer Stelle noch einmal einer Erläuterung. Ich gehe hier nicht darauf ein.

Im Jahr 2004 hat es in Nordrhein-Westfalen eine ähnliche Anfrage zur Situation und Entwicklung der Printmedien gegeben. Die Antwort der dortigen Landesregierung umfasste 220 Seiten und enthielt umfängliche Bewertungen. Der uns vorliegende Bericht kommt mit zehn Seiten neben einer Vielzahl von Anlagen aus, die aber mit wenigen Ausnahmen im Bericht nicht bewertet werden. So

(Dr. Johann Wadephul)

mit enthält sich der Bericht auch weitgehend einer medienpolitischen Betrachtung.

Nun will ich nicht behaupten, dass es eine Frage des Umfangs ist, ob ein Bericht informativ und gut ist. Aber wenn die Landesregierung in diesem Bericht mehrfach sagt, dass sie über keine eigenen Erkenntnisse zur Situation der Printmedien verfügt und es auch nicht für notwendig einstuft, dass sie sich diese besorgt, ist das ein wichtiger Ansatz für die heutige Diskussion.

Die Landesregierung bezieht sich in ihrem Bericht zutreffend auf Artikel 5 Grundgesetz, der die Basis allen medienpolitischen Handelns darstellt. Sie kommt zu dem Schluss, dass dieser Artikel ausdrücklich die staatliche Verpflichtung einschließt, die Gefahr von durch Pressekonzentration entstehenden Meinungs- und Informationsmonopolen abzuwehren. Es bleibt die Frage, wie die Regierung dieser Verpflichtung nachkommen will, wenn sie, wie in diesem Bericht, gleichzeitig erklärt, dass sie bar jeder Kenntnis in dieser Frage ist und dass auch keine fundierten Darstellungen oder Auswertungen Dritter vorliegen.

Bleibt die Erkenntnis, dass es sich bei diesem Bericht - mit Ausnahme des hier heute Morgen Nachgetragenen - um eine Datensammlung handelt, dass diese aber nicht erkennen lässt, wie die Situation der Printmedien im Lande unter Berücksichtigung des Auftrages aus Artikel 5 des Grundgesetzes möglicherweise zu bewerten ist.

Die Menschen im Lande sind in ihrem Informationsbedürfnis davon abhängig, was von den Vorgängen berichtet und damit öffentlich zugänglich gemacht wird. Auch deshalb werden die Medien oft als vierte Gewalt im Staat bezeichnet.

Wenn dem so ist, dann kommt den Medienmachern eine besondere Verantwortung zu. Denn was und wie berichtet wird, hat Einfluss auf alle Bereiche und stellt daher ein Stück Gesellschaftspolitik dar. Medien stehen nicht außerhalb der Kritik der Gesellschaft und ihrer staatlichen Organe. Sie sind mittendrin und sind damit auch Gegenstand von Politik.

Die SPD-Landtagsfraktion kann sich nicht der Meinung der IHK in dem Bericht der Landesregierung anschließen, dass es sich bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen ohne Einschränkung zuerst einmal um Wirtschaftsunternehmen handelt, die Erträge erwirtschaften müssen, um zu überleben. Es ist etwas anderes, ob man mit Brötchen handelt oder ob man Nachrichten verbreitet.

(Beifall)

Natürlich sind Zeitungsverlage keine Non-ProfitUnternehmen und müssen sich am Markt behaupten. Umso wichtiger ist aber die Transparenz für die Bürger und Bürgerinnen: Wer steckt hinter der Zeitung? Wie kommen die Artikel zustande? Welchen Zwängen und Einflussnahmen unterliegen die Redakteure? Oder - positiv gesehen - wie groß ist die Unabhängigkeit der Journalisten? Kommt der Artikel überhaupt aus der Redaktion dieses Zeitungshauses? Oder kommt er vielleicht von einer EventAgentur?

Praktisch haben wir fünf Verlage in Schleswig-Holstein, die sich den Markt teilen. Der „sh:z“ im Norden, die „Kieler Nachrichten“ und die „Lübecker Nachrichten“ im Osten, am Hamburger Rand das „Hamburger Abendblatt“ und im Westen den Verlag Boyens mit der „Dithmarscher Landeszeitung“. Auf den ersten Blick kann man da von einer gewissen Vielfalt sprechen; bei näherem Hinsehen gibt es diese Vielfalt aber nicht.

Zum einen gibt es eine scharfe Abgrenzung der Verbreitungsgebiete unter den Blättern, sodass ein Wettbewerb praktisch nicht stattfindet. Wir haben also regionale Monopole. Zum anderen ist der Springer-Verlag an den „Kieler Nachrichten“ - und damit auch an der „Segeberger Zeitung“ - und an den „Lübecker Nachrichten“ beteiligt. Das „Hamburger Abendblatt“ ist eine alte Springer-Zeitung. Keine Springer-Beteiligung gibt es beim „sh:z“, der aber wiederum mit dem Verlag Boyens in Heide verbunden ist. Die vermeintliche Pressevielfalt im Kreis Pinneberg teilen sich Springer und der „sh:z“.

Auch die überregionalen Zeitungen können nicht mit in die Diskussion einbezogen werden, da sie keine Konkurrenz für die regionale Berichterstattung bedeuten. Eine Ausnahme macht hier die „BILD“-Zeitung mit einer Regionalseite.

Die regionalen Monopolisten in den „Ein-ZeitungsKreisen“ können also schalten und walten, ohne auf Mitbewerber Rücksicht nehmen zu müssen.

(Vereinzelter Beifall)

Das führt zum Abbau von Arbeitsplätzen in den Redaktionen oder - wie beim „sh:z“ - zum Ausgliedern ganzer Redaktionen, etwa beim Sport. Eine Sport-Event-GmbH übernimmt dort die Berichterstattung mit weniger Redakteuren, niedrigeren Gehältern und ohne Tarifbindung. Wirtschaftlich wirkt sich das auf den Verlag positiv aus. Wenn sich das neue Unternehmen dann auch noch seine Events selber schafft und dann darüber berichtet, kommt es zusätzlich zu einer Verquickung von Nachricht und Werbung, die problematisch ist.

(Peter Eichstädt)

(Beifall)

Wenn jetzt auch noch andere Redaktionsbereiche, wie die Nachrichtenredaktion, ausgegliedert würden, wäre der größte Zeitungsverlag im Lande ohne eine Vollredaktion im klassischen Sinne. Ob die neu gegründeten GmbHs noch Redaktionen im journalistischen Sinne sind, muss hinterfragt werden.

Meine Damen und Herren, Konkurrenz fördert die Aktualität. Wo Monopole sind, ist Aktualität nicht zwingend. Mit dem drastischen Abbau von Stellen in den Redaktionen und dem verstärkten Einsatz von so genannten freien Mitarbeitern sinkt auch die Qualität der Berichterstattung, da die Mitarbeiter oft über keine journalistische Ausbildung verfügen und aufgrund der Arbeitsverdichtung in den Redaktionen auch keine Zeit bleibt, das, was die Mitarbeiter liefern, ordentlich zu redigieren.

Es ist aber nicht das Gleiche, ob ein Unternehmen Zeitung produziert oder Schmierseife. Zeitungen zu machen und über politische oder gesamtgesellschaftliche Ereignisse zu berichten, bedeutet für die Verlage ein hohes Maß an Verantwortung gegenüber der ganzen Gesellschaft.

(Beifall)

Auch das Weglassen einer Information ist eine Form der Manipulation.

(Beifall)

Aber wer merkt das schon, wenn keine Vergleichsmöglichkeiten vorhanden sind? Ich verkneife mir hier Kommentare angesichts der Berichterstattung in den letzten Tagen auch über uns.

Die Landesregierung weist in ihrem Bericht darauf hin, dass Leiharbeit und Outsourcing von Betriebsteilen Praktiken seien, von denen auch in anderen Branchen Gebrauch gemacht werde. Auch böten Arbeitgeberverbände vermehrt Mitgliedschaften ohne Tarifbindung an. Dies seien keine Besonderheiten des Verlagsgewerbes. So heißt es im Bericht.

Damit konstatiert die Landesregierung zwar eine Schwächung des Flächentarifvertrages, nimmt aber die Folgen der Ausgliederung hin, als wenn es sich bei einem Zeitungsverlag um eine Würstchenfabrik handelt. Sie betrachtet dabei kaum die Situation der Journalisten, für die die grundgesetzlich verankerte Presse- und Meinungsfreiheit nach unserer Ansicht auch gilt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir nun feststellen, dass die Meinungsvielfalt durch die faktische Monopolisierung in der Au

ßenpluralität zumindest bedroht ist und sie auch durch Vorgänge wie die Ausgliederung bedeutender Ressorts im Inneren nicht mehr sichergestellt ist, muss über mehr Mitbestimmung in den Redaktionen bis hin zu einem Redaktionsstatut nachgedacht werden. Wir werden rechtlich prüfen lassen, ob eine solche Verpflichtung im Landespressegesetz möglich ist,

(Beifall)

auch wenn die Landesregierung im Bericht die Auffassung vertritt, dass dies in einem Tendenzunternehmen nicht möglich ist. Ich halte dem entgegen: Wenn ein Zeitungsverlag nach Meinung der IHK und der Landesregierung ausschließlich ein am Markt orientiertes Wirtschaftsunternehmen ist, kann er nicht gleichzeitig hauptsächlich Tendenzbetrieb sein.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir legen Wert auf eine unabhängige, kritische Berichterstattung, die allen Bürgerinnen und Bürgern zugute kommt. Das ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer Redaktion oder eines Verlages. Es ist vielmehr Aufgabe der Politik, über die Durchsetzung der Grundfreiheiten in unserem Lande zu wachen. Es geht nicht um die redaktionelle Grundeinstellung und die Tendenz einer Zeitung. Darin sind die Verleger frei in ihrer Entscheidung im Rahmen der geltenden Gesetze. Wir möchten aber in einer öffentlichen Diskussion auf eventuell bestehende Missstände oder Entwicklungen hinweisen und damit zu mehr Transparenz beitragen.

Meine Damen und Herren, viele von uns wissen es noch: Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat das Landespressegesetz das letzte Mal im Jahr 2003 geändert mit dem Ziel, zumindest Transparenz für die Leser darüber herzustellen, wie die jeweiligen Eigentumsverhältnisse sind.