Protocol of the Session on May 31, 2006

Für die Fraktion der SPD erteile ich Frau Abgeordneter Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Gemeinsam gegen Kinderarmut“ ist der Titel des der Beschlussempfehlung zugrunde liegenden Ursprungsantrages. Der Kampf gegen Kinderarmut und die Sorge um unterversorgte, vernachlässigte, materiell und sozial verarmte Kinder und Jugendliche ist notwendig und ist eine immer währende Aufgabe aller politisch Handelnden.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch deutlich machen: Von den etwa 530.000 Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein wachsen die meisten gut und behütet heran. Ihre Familien schützen und stützen sie. Folglich sind ihre Zukunftsperspektiven gut.

Wir können aber nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die Lebenslage vieler Kinder und Jugendlicher problematischer wird. Zunehmend mehr Kinder sind von staatlichen Transferleistungen abhängig. Gesundheitliche und psychosoziale Belastungen nehmen zu. Armut lässt sich aber nicht dauerhaft durch Transferleistungen bekämpfen. Armutsbekämpfung heißt vor allem Bekämpfung von Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordne- ten Torsten Geerdts [CDU])

Kinder und Jugendliche dürfen nicht Verhältnissen ausgeliefert sein, die dazu führen, dass ihre Zukunft verspielt ist, bevor sie richtig begonnen hat. Der Sozialausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags hat deshalb einstimmig beschlossen, Kinderarmut aktiv zu bekämpfen, die Betreuung von Kindern bedarfsgerecht fortzuentwickeln und Familien zu unterstützen.

Leider ist es unmöglich, die erkannten Defizite durch einen Beschluss einfach abzustellen. Deshalb ist es unumgänglich, dass Politikerinnen und Politiker auf Bundes- und Landesebene sowie in den Kommunen mit den Trägern der freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeiten, um das Ziel zu erreichen, die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu verbessern. Die lokalen Bündnisse für Familien arbeiten häufig sehr erfolgreich. Positive Arbeitsansätze und Erfahrungen sollen deshalb mit Unterstützung der Landesregierung kommuniziert werden. Auch der Sozialausschuss will die lokalen Bündnisse anhören. Beratungs- und

Hilfsangebote für Familien müssen gesichert und fortentwickelt werden. Kindern und Jugendlichen müssen in Krisensituationen Hilfsangebote zur Verfügung stehen.

Ein besonderer Schwerpunkt ist für uns auch der bedarfsgerechte Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulangeboten. Ich freue mich, dass wir uns gemeinsam darauf verständigt haben, trotz der dramatischen Haushaltslage an dem Ziel festzuhalten, durch Verschiebungen und Einsparungen mittelfristig zu einem beitragsfreien letzten Kindergartenjahr zu kommen. Meine Vorredner haben dies auch schon betont.

Auch ich habe heute Morgen Zeitung gelesen. Ich habe der Presse entnommen, dass man in Rheinland-Pfalz im Jahr 2010 so weit sein kann. Ich denke, das ist eine Perspektive, die wir uns für Schleswig-Holstein als durchaus realistisch vornehmen können.

(Beifall bei SPD und SSW)

Die Sprachförderung für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund - aber auch aus bildungsfernen Schichten - wurde sehr erfolgreich begonnen und muss unbedingt fortgeführt werden. Die Verbesserung der Gesundheitsvorsorge darf nicht vernachlässigt werden. Kinderschutzzentren sind in ihrer Existenz zu sichern. Fachberatungsstellen für Kinder, die Opfer sexueller Gewalt wurden, sind gemeinsam mit den Kommunen abzusichern. Ich habe es heute Morgen im Rahmen der Debatte über den Verbraucherschutzbericht schon angesprochen: Es ist notwendig zu verhindern, dass Jugendliche verschuldet in ihr Erwachsenenleben starten. Deshalb müssen wir entsprechende Angebote von Schuldnerberatungen vorhalten.

Kinder müssen in unserem Land eine ausreichende Förderung ihrer sozialen und persönlichen Kompetenzen und Begabungen erhalten, damit sie gut auf die Herausforderungen einer selbstständigen Lebensgestaltung vorbereitet sind. Alle Kinder haben ein Recht darauf, dass unsere Gesellschaft ihnen unabhängig vom sozialen Status ihrer Eltern gleichberechtigte Chancen für eine gesicherte Lebensgestaltung gibt und ihnen eine frühzeitige und verlässliche Unterstützung in Notlagen gewährt. Ein guter und viel versprechender Ansatz einer Politik für Kinder und Jugendliche in unserem Land ist der vom Sozialministerium initiierte Kinder- und Jugendaktionsplan. Ich freue mich darüber, dass über diese Feststellung im Haus offensichtlich Einigkeit herrscht.

Landesweit beteiligen sich bereits viele Einrichtungen, Initiativen, Organisationen, Vereine und Ver

bände an den Projekten der verschiedenen Handlungsfelder. Wir Sozialdemokraten halten diesen Ansatz für gut und Erfolg versprechend, um dem Ziel, gemeinsam gegen Kinderarmut, näher zu kommen. Deshalb wünsche ich mir, dass sich viele auch von dieser Debatte aufgefordert fühlen, aktiv an einem lebenswerten Schleswig-Holstein für alle Kinder und Jugendlichen mitzuarbeiten.

(Beifall bei SPD, SSW und der Abgeordne- ten Dr. Heiner Garg [FDP] und Frauke Teng- ler [CDU])

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal wollte ich sagen, ich habe mich gefreut, dass Herr Austermann der Debatte zumindest in Teilen lauschen konnte. So konnte er im Anschluss an die vorangegangene Debatte sehen, was ein Ausschuss, wenn er ordentlich arbeitet, hinbekommt, nämlich in diesem wichtigen Thema einen einstimmigen Beschluss. Deswegen einen herzlichen Dank an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Heinold, Sie waren ja sogar bereit, den Änderungsantrag von CDU und SPD zu übernehmen. Wir haben es gemeinsam hinbekommen, einen interfraktionellen Antrag zu diesem Thema zu beschließen, deswegen herzlichen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, die daran mitgearbeitet haben. So kann es also auch gehen.

Kinderarmut heißt, dass Kinder und Jugendliche häufig in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens benachteiligt und ausgegrenzt werden. Neben dem Mangel an materiellen Dingen haben sie oft überhaupt keine Chance, von entsprechenden Bildungsangeboten zu profitieren. Es wird diesen Kindern von vornherein die Chance genommen, sich einen Platz in dieser Gesellschaft zu erarbeiten oder zu erobern. Wenn Bildungsteilhabe und Sprachförderung nicht im Kindergarten, sondern vor dem Fernseher stattfinden und falsche Ernährung und Bewegungsmangel dazu führen, dass sie sich im Unterricht nicht ausreichend konzentrieren können und deshalb womöglich ohne Abschluss die Schule verlassen, dann werden ihnen von vornherein Chancen für Ausbildung und Beruf verbaut und genommen. Das ist dann der Stoff, aus dem die Armutsbiographien tatsächlich entstehen. Dass dieser Teufelskreislauf durchbrochen werden kann und muss, ist deshalb Konsens aller hier im Hause vertretenen Fraktionen.

Wir haben festgestellt, dass wir nicht ein Erkenntnisdefizit haben, sondern dass wir ein Handlungsdefizit haben. Das heißt, wir müssen - und der interfraktionelle Beschluss beweist dies - und wir

wollen aktiv werden, um Maßnahmen zur Bekämpfung der Ursachen der Kinderarmut zu ergreifen. Der einstimmig vom Ausschuss verabschiedete Katalog von 14 Maßnahmen ist auch aus Sicht unserer Fraktion der richtige Schritt in die Richtung, vorhandene Erkenntnisse durch ganz konkrete Maßnahmen umzusetzen. Dabei bildet dieser Maßnahmenkatalog eine entsprechende Ausgestaltung und Ergänzung des Kinder- und Jugendaktionsplans der Landesregierung, der bereits seit November 2005 vorliegt. Diese Maßnahmen müssen mit Leben erfüllt werden und müssen mit den zum Teil schon vorhandenen Angeboten zu einem Netzwerk verknüpft werden. Der gemeinsame Beschluss ist aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt dahin, die Zukunfts- und Startchancen von Kindern und Jugendlichen zu verbessern und ihnen dadurch eine Perspektive zu geben.

Der Beschluss muss jetzt - und da sind wir alle, jeder Einzelne, in den Fraktionen gefordert - landesweit umgesetzt werden, denn die Kinder von heute übernehmen gerade in einer älter werdenden Gesellschaft von morgen eine tragende Rolle. Damit sie ein starkes Rückgrat dafür bekommen, ist es unsere Aufgabe, dafür mit einer ordentlichen Politik zu sorgen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland hängen die Entwicklungschancen eines Kindes vom Geldbeutel ab, und zwar dem der Eltern. Alle Kinder haben zwar einen Zugang zum Gesundheitswesen, ihre Eltern werden gegebenenfalls unterstützt, wenn es um den Besuch des Kindergartens geht, und natürlich können auch arme Kinder zur Schule gehen. Aber arme Kinder sind häufiger krank, haben schlechte Zähne, besuchen nicht immer den Kindergarten und brechen überproportional oft die Schule ab. Sie werden als Erwachsene nur angelernte oder ungelernte Jobs ergattern, wenn überhaupt, und so setzt sich für deren Kinder der Lebensweg unter den gleichen schlechten Bedingungen fort wie bisher. Das zeigen zumindest internationale Studien. Hier muss etwas getan werden, damit diese Spirale nach unten gestoppt werden kann.

(Siegrid Tenor-Alschausky)

Aber gerade die Einkommen in den unteren 10 % der Einkommensskala sind seit 1990 um 22,7 % gesunken. Wenn man die Debatten zu Mindestlöhnen, Tariflöhnen und Hartz IV verfolgt, nimmt man immer noch unterschwellig wahr, dass es viele gibt, die weiter an der Spirale nach unten drehen wollen. Wer das tut, darf sich dann aber über soziale Verwerfungen, die damit einhergehen, und Effekte auch für Kinder nicht wundern und später sagen, das habe man so nicht gewollt.

Wir dürfen angesichts der entmutigenden Zahlen hinsichtlich der Abwärtsspirale bei armen Bevölkerungsgruppen nicht vor dem komplexen Phänomen Armut und Kinderarmut kapitulieren. In anderen Ländern geht man nämlich sehr erfolgreich gegen Kinderarmut vor. Das Kinderhilfswerk Unicef wies in seiner großen Kinderarmutsstudie aus dem Jahr 2005 darauf hin, dass im Nachbarland Dänemark nur 2,4 % der Kinder in Armut aufwachsen. Bei uns ist es schätzungsweise jedes zehnte Kind. In den 90er-Jahren ist laut Unicef der Anteil armer Kinder in Deutschland stark gewachsen, stärker als in den anderen Industrienationen. Mit einer Zunahme der Kinderarmut um 2,7 % liegt Deutschland im internationalen Vergleich ganz hinten auf Platz 18 von 24 Industriestaaten. Was ist der Unterschied? Neben sicheren Arbeitsverhältnissen und ordentlichen Löhnen entscheidet auch die Höhe der Sozialleistungen über die Entwicklung der Kinderarmut. Staaten, die wie Dänemark, Schweden, Finnland oder Belgien mehr als 10 % ihres Bruttosozialprodukts in Sozialleistungen investieren, schaffen es durchweg, Kinderarmut unter 10 % zu drücken. Es geht dabei nicht um reine Transferzahlungen, sondern auch um weitere Angebote. Großbritannien unterstützt arme Familien überproportional mit Transferzahlungen und beklagt trotzdem ein hohes Armutsrisiko. Das Geld wird zwar in den Familien dringend gebraucht, es besteht aber die Gefahr, dass die Unterstützungszahlungen im Budget der Familie quasi untergehen und nicht ausschließlich für die Kinder genutzt werden.

Geld allein löst das Problem also nicht. Das sage ich insbesondere nach dem Beschluss, 4 Milliarden € in das neue Elterngeld zu stecken. Niemand kann mit Sicherheit sagen, welche Handlungsfolgen diese ungeheure Summe erzielen wird. Nur eines ist sicher, der Mittelstand wird davon profitieren. Elterngeld schützt aber nicht vor Kinderarmut. Wer Kinderarmut nur am Einkommen misst, wird diese immer mit Transferzahlungen lösen wollen. Was wir aber brauchen sind Indikatoren und klare Ziele. Die Indikatoren würden uns zeigen, welche Bedürfnisse zum Beispiel hinsichtlich Bildung und Gesundheitsfürsorge erfüllt werden müssen, damit

Kinder nicht ausgegrenzt werden, sondern einen Platz in der Gesellschaft finden. Was PISA für die Schulen geleistet hat, brauchen wir auch in anderen Bereichen, damit wir wissen, wo wir ansetzen müssen.

Ebenso wichtig sind klare Ziele zur Reduzierung der Kinderarmut. Ich möchte ein Beispiel nennen. Ein realistisches Ziel ist die Teilnahme aller Kinder an den kostenlosen gesundheitlichen Vorsorgeuntersuchungen. Kinder, die nicht zum Kinderarzt kommen, werden zu Hause besucht. Es geht hier nicht um Kontrolle, sondern um Unterstützung der Eltern. Für dieses Ziel brauchen wir klare Zeit- und Zielvorgaben. Dies gilt ebenso für den Ausbau der qualifizierten Ganztagsbetreuung für Kinder. Kinder aus allein erziehenden Haushalten sind überproportional von Armut betroffen, weil das allein erziehende Elternteil keine existenzsichernde Beschäftigung findet. Darum muss die Betreuungssituation umgehend verbessert werden, und die Arbeitsverhältnisse müssen flexibler gestaltet werden.

Momentan werden allerdings Maßnahmen ergriffen, die Kinderarmut weiter verschärfen. In Berlin kritisiert die große Koalition die Zahlungen an ALG II-Empfänger als zu hoch. Wenn dieser Weg konsequent zu Ende gedacht wird, wird die Kinderarmut zunehmen. Da helfen dann auch keine Landtagsbeschlüsse wie heute. Letztendlich kommt es darauf an, dass die Eltern vernünftige sichere Löhne erhalten und wir Gesundheitsleistungen ohne Hindernisse anbieten sowie eine gute flächendeckende Betreuung der Kinder und Jugendlichen gewährleisten. In dem Sinne verstehe ich den Antrag. Ich freue mich, dass wir alle zusammen trotz einiger parteimäßiger Unterschiede einen gemeinsamen Beschluss im Sinne der Kinder hingekriegt haben, und dafür sage ich vielen Dank.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der Landesregierung das Wort erteile, will ich noch einmal - jetzt, nachdem das Plenum einigermaßen ordentlich besetzt ist - darauf hinweisen, dass ich mich bei den Besuchern für die schlechte Präsenz zu Beginn dieser Tagung um 15:00 Uhr entschuldigt habe. Mir liegt aber vor allem auch daran zu erklären, dass Minister Austermann als Wissenschaftsminister wegen der Demonstration draußen kurzfristig verhindert war und dass die stellvertretende Ministerpräsidentin Ute Erdsiek-Rave und Minister Uwe Döring durch die Demonstration gehindert waren, pünktlich hier zu sein.

(Lars Harms)

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ich denke, nicht alle Abgeordneten waren draußen, Herr Kollege Kubicki. Ich glaube aber, jetzt ist das hinreichend klargestellt. Die Regierung wäre sonst pünktlich vertreten gewesen.

Für die Landesregierung erteile ich nunmehr das Wort in Vertretung der Sozialministerin der Ministerin für Bildung und Frauen, der Frau Abgeordneten Ute Erdsiek-Rave. - Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, ich bitte auch noch einmal um Entschuldigung. Ich hatte zudem auch nicht mitbekommen, dass dieser Tagesordnungspunkt bereits um 15 Uhr aufgerufen werden sollte. Ich hatte mich allerdings dennoch bemüht, um 15 Uhr hier zu sein. Ich bitte um Entschuldigung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es lässt sich auf einen schlichten Satz bringen: Kinderarmut ist in einer hochentwickelten Industriegesellschaft wie Deutschland ein gesellschaftlicher Skandal.

(Beifall im ganzen Haus)

Kinderarmut geht - leider, muss man sagen - oft mit schlechtem Gesundheitszustand von Kindern einher, geht einher mit Phänomenen wie Vernachlässigung, auch Gewalt in der Familie, falscher Ernährung und Bildungsferne. Kindertageseinrichtungen und Schulen bekommen dies am stärksten zu spüren. Sie sind an vielen Stellen so etwas wie Reparaturbetriebe der Gesellschaft. Natürlich kann man jetzt kritisieren, Herr Abgeordneter Harms, dass hier zu wenig über die Ursachen geredet wird, aber ich glaube, wir sind denjenigen, die in einer solchen Situation sind, schuldig, dass wir nicht nur von den Ursachen sprechen und sagen, ansonsten sei für uns nichts zu tun, sondern dass wir natürlich die Auswirkungen von Armut auch bekämpfen. Dazu gibt es auch eine Verpflichtung für uns.

Das ist eine umfassende Aufgabe: Hilfe, Unterstützung, Betreuung, Bildung, Krisenintervention bei Gewalt in der Familie, Ganztagsangebote, Ferienund Freizeitangebote und nicht zuletzt - das ist hier zu Recht in allen Reden betont worden - eine intensive Sprachförderung vor der Schule, elementare Bildung in den Kindertageseinrichtungen.

Ich will ein Beispiel nennen. Von den etwa 2.100 Kindern, die im letzten Jahr bei den Untersuchungen als sprachförderbedürftig erkannt wurden, stammen viele - das muss man wohl so sagen bezie

hungsweise annehmen - aus prekären Familienverhältnissen. Immerhin ein Drittel dieser Kinder hat keinen Migrationshintergrund. Das heißt, sie wachsen auf und bringen Defizite im Hinblick auf ihre Sprachentwicklung mit, vermutlich verursacht durch mangelnde sprachliche Kommunikation in der Familie. Es wird nicht vorgelesen, dafür wird umso mehr ferngesehen und vor Medien gesessen. Diese Kinder brauchen Unterstützung. Sie brauchen insofern einen Ausgleich in der Kindertageseinrichtung. Sie brauchen möglichst früh - eben vor der Schule - einen Ausgleich für die Benachteiligung, die sie im Grunde genommen von Beginn ihres Lebensweges an mitbringen. Anders gesagt: Gerade Kinder und Eltern in schwierigen oder auch prekären Beschäftigungsverhältnissen sind auf qualitativ hochwertige Bildungseinrichtungen angewiesen. Sie sind auf Krippen, auf Kindertageseinrichtungen, auf Ganztagsschulen angewiesen, die allen Kindern die Chance geben, ihre Talente auch wirklich zu entwickeln.

Eltern brauchen Hilfe, Beratung und Aufklärung. Sie brauchen in Deutschland endlich auch eine familiengerechte Struktur des Arbeitslebens und der Kinderbetreuung.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Dass dies in Zukunft übrigens zugleich ein zentraler Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist, beginnt sich zum Glück langsam herumzusprechen. Ich bin froh, dass in dieser Hinsicht hier in diesem Hause wirklich Konsens zwischen allen Parteien besteht. Das ist ein gewaltiger gesellschaftlicher Fortschritt, der sich hier abzeichnet.

Herr Abgeordneter Harms, das Elterngeld ist kein Instrument zur Bekämpfung von Kinderarmut. Damit haben Sie natürlich Recht. Als solches ist das Elterngeld aber auch nicht auf den Weg gebracht worden. Das Elterngeld ist für mich vielmehr ein zentrales Element - für mich ist dies gewissermaßen der Anfang -, um wirklich für Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen. Es ist ein unschätzbarer Beitrag zu einem Rollenwandel in dieser Gesellschaft, zur Gleichstellung von Männern und Frauen. Sie haben an dem Widerstand aus manchen Reihen ja gemerkt, was für eine Umwälzung dies eigentlich bedeutet. Die Männer haben inzwischen gemerkt, dass sie in Zukunft eben auch für Erziehung mit in die Verantwortung genommen werden. Erziehung darf einfach nicht mehr allein Frauensache bleiben.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich hatte gesagt, dass Eltern und Kinder Betreuungsangebote brauchen. Eltern brauchen aber nicht