Ich kann auch nicht verstehen, warum man nun in der Erkenntnis, dass man über neue Kommunikationsstrategien - Herr Minister Döring - nachdenken muss, dazu übergeht, Auftragsproduktionen, die Fernsehproduktionsfirmen erstellen, über angekaufte Sendezeit auf Privatsendern zu platzieren. Man muss sich das einmal auf die nationale Ebene übertragen vorstellen: Eine Landes- oder Bundesregierung würde sozusagen zur Propagierung der eigenen Politik Fernsehsendungen - halbstündige Features - in Auftrag geben und die entsprechenden Sendezeiten bei Sendern aus Steuermitteln ankaufen. Das ist nicht unsere Vorstellung von Pressefreiheit.
Wenn die zuständige EU-Kommissarin, Frau Wallström, dazu sagt, das sei eine Dienstleistung für die Bürger, dann muss ich antworten: Das real existierende Europa der Brüsseler Ebene ist eben doch weit weg von den Bürgern. Und durch solche Dinge, die durch „Monitor“ an Millionen von Fernsehzuschauern herangetragen werden, wird die EUkritische Haltung in der Bevölkerung stärker gestützt als wir durch alle noch so redlichen Bemühungen hier auf der unteren Ebene ausgleichen können, um mehr Zustimmung und Verständnis für die Politik der europäischen Integration zu erreichen.
Meine Damen und Herren, ich zitiere den Bericht der Landesregierung - eine sehr zutreffende Aussage, gerade in dem Zusammenhang, den ich angesprochen habe. Auf Seite 11 des Berichts der Landesregierung heißt es:
„Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass reine Kommunikationsstrategien und Informationskampagnen ins Leere laufen, solange sie sich letztlich als allein werbendes Element verstehen und die inhaltliche Kritik an der EU-Politik ausblenden.“
Meine Damen und Herren, es geht nicht um eine schönere Verpackung, sondern es muss um bessere und überzeugendere Inhalte gehen. Nur so können wir die Bürger der Europäischen Union für die weitere Entwicklung der europäischen Integration gewinnen.
Ich fürchte, dass dabei die Bundeskanzlerin - dabei bin ich anderer Meinung als Rolf Fischer - eher auch auf eine Politik der Kosmetik als auf eine echte Renovierung in Sachen EU setzt. Ob man die Bevölkerung jener Mitgliedstaaten, die bei den Volksabstimmungen zuletzt der EU-Verfassung eine Absage erteilt haben, wirklich gewinnen kann, wenn man bloß dieser EU-Verfassung eine Deklaration über die soziale Dimension der EU hinzufügt, daran habe ich meine Zweifel. Es gibt gerade in der Europapolitik ohnehin schon viel Papier und der allgemeine Spruch: „Papier ist geduldig“ gilt da ganz besonders. Ich denke, die einzige realistische Strategie, die zur Rettung des EU-Verfassungsvertrages - ich benutze diesen Begriff ausdrücklich - beitragen kann, kann nach meiner Überzeugung nur darin bestehen, dass man die auch von der Landesregierung erwähnten, aber dann nicht näher inhaltlich beschriebenen, Kritikpunkte nachhaltbar ausräumt und auf diese Weise die Zustimmung zur europäischen Integration erhöht. Dazu gehört das Thema Demokratie- und Transparenzdefizit, dazu gehört das Thema Bürokratieabbau, aber auch manches, über das wir hier schon gesprochen haben.
Ein europapolitisches business as usual wird die EU nicht aus dem Dilemma befreien, in das sie durch die gescheiterten Referenden in Frankreich und Holland geraten ist. Und es geht weit darüber hinaus. Wir wissen doch alle, dass beispielsweise die Briten in ihrer distanzierten Haltung zum Thema EU-Verfassungsvertrag seit den Entscheidungen in Holland und in Frankreich eher noch an Vehemenz zugelegt haben. Es ist wirklich die Frage zu stellen, ob nicht eine andere Haltung, als sie bisher von der deutschen Bundesregierung vertreten worden ist, nötig ist, um die Politik der europäischen Integration erfolgreich weiterzuführen.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, Frau Abgeordneter Anne Lütkes, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Identität eines politischen Gemeinwesens findet ihren vornehmsten Ausdruck in seiner inneren Ordnung, dass heißt, in seiner Verfassung. Die Europäische Union ist aber gerade in dieser Hinsicht Not leidend. Nur eine demokratische Ordnung bietet letztlich die Möglichkeit, einerseits die drängenden praktisch-politischen Probleme mit Aussicht
auf Erfolg anzupacken und andererseits einer wirklichen Unionsbürgerschaft einen Sinn zu geben. Nur eine letztlich föderale Ordnung kann das zum Ausdruck bringen, was die Union wesensgemäß sein möchte und sein soll, nämlich die ständige Bemühung um Einheit in der Vielfalt.
Die Frage, wie das Europa dieser Session verfasst sein soll, wird nun intensiv diskutiert. Wir haben es heute schon gehört, auch im Bericht der Landesregierung wird es ausführlich dargestellt, dass die gescheiterten Referenden von Frankreich und Holland auf allen Ebenen - von Brüssel bis hin zu den Landtagen, leider nicht in den Kommunalvertretungen intensiv diskutiert werden. Der Bericht der Landesregierung listet den Stand der Verfassungsdebatte umfassend auf, lässt allerdings erkennen, dass es in den politischen Kreisen - der Minister hat es noch einmal ausgeführt - keine Einigkeit darüber gibt, wie mit diesem vorliegenden Verfassungsvertrag nun weiter verfahren werden soll, ganz zu schweigen von der großen Distanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber diesem Verfassungsvertrag.
Das heißt, es herrscht keine grundsätzliche Einigkeit darüber, wie es weitergehen soll. Es herrscht aber doch eine grundsätzliche Einigkeit darüber, dass der Vertrag von Nizza, also der alte Vertrag, kein geeigneter politischer Rahmen ist, um die Europäische Union der 25 und vielleicht noch mehr Mitgliedstaaten für die Zukunft auf die Herausforderungen vorzubereiten und sie dafür zu wappnen.
Ich möchte noch einmal daran erinnern, was der Verfassungsvertrag uns gebracht hätte. Er hätte die rechtliche Grundlage der EU im Vergleich zum geltenden Vertrag erheblich verbessert. Die Rechte des Europäischen Parlaments und der nationalen Parlamente wären ausgeweitet worden und die Bürgerinnen und Bürger hätten ein Initiativrecht bekommen. Die bislang unverbindliche GrundrechteCharta wäre Teil der Verfassung und damit rechtsverbindlich. Das wäre ein hervorragender menschenrechtlicher Fortschritt, den wir nicht vergessen sollten. Die Entscheidungsprozesse würden effizienter, die Abstimmung im Ministerrat bedeutend zügiger, aber auch transparenter. Einen Effizienzgewinn hätte es auch für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik durch die Schaffung des Amtes eines EU-Außenministers gegeben. Die EU wäre endlich transparenter. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Einführung der Abstimmung mit der so genannten doppelten Mehrheit. Das heißt, die Mehrheit der Staaten und die Bevölkerungszahl wären relevant geworden. Es gab viel, wovon wir gesagt hätten: Das ist ganz hervorragend. Es wäre
Natürlich hätten wir Europa gern noch demokratischer, noch effizienter, noch transparenter gemacht. Dieser Verfassungsprozess war und ist ein hervorragender und historischer Kompromiss. Durch eine Einigung in allen politischen Lagern wäre nichts Besseres möglich gewesen. Das darf man bei der jetzigen Diskussion auf keinen Fall vergessen. Man darf dies auch dann nicht vergessen, wenn man sich vor Augen führt, dass die Bevölkerung in einigen Ländern für die Ablehnung des Vertragswerkes votiert hat.
Ich bin wie meine Vorredner der Auffassung, dass man die Denkpause, die man sich selber verordnet hat, durchaus als notwendig erachten sollte. Die Denkpause darf aber kein Schweigen sein. Wir bemühen uns hier im Landtag immer wieder darum ich finde es auch richtig, dass wir hier darüber diskutieren -, inhaltlich zu der EU-Verfassung Stellung zu nehmen. Ich finde es beispielsweise richtig, dass die Bertelsmann-Stiftung gerade eine Strategiegruppe Europa ins Leben gerufen hat, in deren Rahmen die führenden Köpfe, inklusive beispielsweise des ehemaligen Außenministers der Bundesrepublik Deutschland, Joschka Fischer, darüber nachdenken, wie Europa weiterkommen kann, wie dafür Wege gesucht werden können, um gerade nicht in ein fassungsloses Staunen zu verfallen. Insofern ist es richtig, wenn die Bundeskanzlerin im Blick auf die anstehende deutsche Präsidentschaft ankündigt, dass sie den Vertrag und die Verfassungsfrage gewissermaßen nach vorn schieben will. Natürlich wird dieser Prozess genau zu kontrollieren sein. Natürlich wird man genau darauf schauen, ob es sich um ein soziales Europa handeln wird oder um ein Europa, bei dem vielleicht nur wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen. Man wird darauf genau schauen müssen.
Richtig ist auf jeden Fall, dass man keine Neuverhandlungen über diesen hervorragenden Kompromiss eines Verfassungsvertrages fordern sollte. Man sollte aber dennoch darüber nachdenken - es geht nicht darum, diesen Vertrag zu zerfleddern, sondern darum, seine Kernelemente zu sichern -, ob ein Teil der Verfassung sozusagen als Grundlagenteil über einen Vertrag oder über eine Neuabstimmung vielleicht doch quasi ins Recht gesetzt werden könnte. Das sind die Dinge, über die man nachdenken muss. Man sollte auch darüber nachdenken, ob der umstrittenste Teil, der so genannte Teil III, bei dem es dann sehr konkret wird, nicht sozusagen in einen Ausführungsvertrag geschoben
werden sollte, welcher dann wiederum leichter zu ändern wäre. Es ist ganz wichtig, diesen qualitativen Sprung, das rechtsverbindliche Festhalten an einem Grundgesetz für diese Verfassung, nicht zu zerreden und nicht zu zerfleddern, sondern alles dafür zu tun, dass die Menschen vor Ort auch wissen, was für ein historischer und hervorragender Schritt schon getan worden ist, nämlich ein Schritt, der Europa Frieden, Sicherheit, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit ermöglichen soll. Ich denke, dieser Landtag ist zu Recht aufgerufen, dafür zu kämpfen. Ich wünsche ihm dabei alles Gute und viel Erfolg.
Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Bericht gibt eine gute Übersicht über die aktuelle Situation nach den Referenden zur europäischen Verfassung in Frankreich und Holland. Auch wenn trotz allem viele Länder den Verfassungsvertrag ratifiziert haben, so ist dieser Prozess doch in einer ganzen Reihe von europäischen Ländern gänzlich ins Stocken geraten. Die politische Lage in Frankreich und Holland ist hinsichtlich der Frage, wie man denn mit der EU-Verfassung umgehen will, weiterhin völlig ungeklärt, nachdem die Bevölkerung in beiden Ländern diese Verfassung sicherlich auch aus innenpolitischen Gründen klar abgelehnt hat.
Der Bericht sagt eines leider nicht aus. Er sagt nicht aus, wie es eigentlich in Zukunft mit der europäischen Zusammenarbeit weitergehen soll. Die deutsche Position, die uns Dr. Schönfelder, der deutscher Botschafter bei der Europäischen Union, bei dem Besuch des Europaausschusses in Brüssel in der letzten Woche bei einer Vorschau auf die deutsche Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr erläuterte, ist es ja, zu versuchen, zumindest einen Teil des Vertrages umzusetzen. Das ist, wie ich finde, zwar löblich, könnte aus Sicht des SSW aber doch sehr schwierig werden. Welchen Teil des Verfassungsvertrages haben die Wählerinnen und Wähler in Frankreich und Holland denn eigentlich abgelehnt und welchen befürworten sie? Das vermag sicherlich keiner ganz genau zu sagen. Auch wenn Außenminister Steinmeier eventuell nur vorhat, einen strategischen Plan - also das, was der Kollege Fi
scher als Plan D beschrieb - für die Weiterentwicklung der EU vorzulegen und verabschieden zu lassen, wird er bestimmt erst einmal abwarten, was die Präsidentschaftswahl in Frankreich bringen wird. Das heißt, wir werden überhaupt erst frühestens im Sommer nächsten Jahres wissen, woran wir sind und ob wir einen Schritt weitergekommen sind.
Mit anderen Worten: Ich glaube, man muss hier einfach so realistisch sein wie die neue Vorsitzende der dänischen Sozialdemokraten, Helle ThorningSchmidt, die neulich anlässlich einer EU-Anhörung die EU-Verfassung für tot erklärte. Wir müssen, so schwer es auch ist, wieder ganz von vorn anfangen, denn die Skepsis gegenüber der EU nimmt in fast allen Mitgliedstaaten weiter zu. Auch das können wir dem Bericht entnehmen.
Daher empfehle ich noch einmal den berühmten Blick über den Tellerrand. Seit Anfang des Jahres versucht das dänische Folketing in einer ganzen Reihen von Veranstaltungen, eine von Politikern und Bürgern gemeinsam geführte Debatte über die Zukunft der EU, über die Zukunft Europas in Gang zu setzen. Am letzten Wochenende zum Beispiel führte die Syddansk Universitet Odense eine groß angelegte Volksanhörung durch. Daraus entstanden Empfehlungen, die im Europaausschuss des Parlaments nicht nur debattiert, sondern auch weiter bearbeitet werden. Es reicht also nicht, nur guten Willen zu zeigen, sondern es geht, wie ich denke, auch darum, wirklich ein Konzept vorzulegen. Dies müsste, wie ich meine, auch für uns die Aufgabe sein.
Die zentralen Fragen lauten weiterhin: Was wollen wir eigentlich mit der EU? Welche Ziele haben wir und wie viel soll die EU wirklich bestimmen? Die gescheiterten Volksabstimmungen über die europäische Verfassung und die Vertrauenskrise der EU müssen also zu einer Neubestimmung der europäischen Zusammenarbeit genutzt werden.
Der SSW plädiert dafür, dass man sich von der Idee eines europäischen Bundesstaates verabschiedet. Wir wollen, dass das Projekt Europa neu definiert und mit einer bürgernahen Vision der europäischen Zusammenarbeit verknüpft wird. Die europäischen Staaten und auch die Institutionen in Europa müssen sich vor allem viel stärker darum bemühen, den Menschen den konkreten Nutzen der europäischen Zusammenarbeit zu vermitteln. Es geht nicht darum, die Menschen zu überreden, sondern darum, zu vermitteln, was mit europäischer Zusammenarbeit gemeint ist und was erreicht werden soll.
men Nenners aus. Wir lehnen ein Sozialdumping und ein Wettrennen um die niedrigsten Sozialstandards ab, weil dies zu ungleichen Wettbewerbsdingungen und zur Abschwächung von nationalen Standards im Arbeitsrecht, im Umweltbereich oder in der Daseinsvorsorge führen wird. Nur wenn die Menschen in Europa fühlen, dass sich die EU auch wirklich um ihre Belange kümmert, werden sie die europäische Zusammenarbeit wieder unterstützen und befürworten.
Ich denke, all dies macht deutlich, wie schwierig der Weg auch künftig sein wird. Wir können, wie ich meine, nicht so tun, als könnten wir einfach so weitermachen wie bisher. Es würde uns nicht weiterhelfen, noch ein bisschen mehr Ideologie zu transportieren.
Wir müssen diese Denkpause für das nutzen, für das sie eigentlich gedacht ist, nämlich um neue Visionen zu entwickeln, die dann auch umgesetzt werden können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich schlage vor, den Bericht dem Europaausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Einrichtung von Partnerschaften zur Attraktivierung von City-, Dienstleistungs- und Tourismusbereichen (PACT-Gesetz)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zur Förderung und Belebung unserer Innenstädte liefert die Landesregierung mit dem vorgelegten PACT-Gesetzentwurf ein weiteres Instrument, das vorrangig dem Allgemeinwohl dient. Eben hat mir der Kollege von Bötticher zugerufen: „Machen wir schon wie
der ein neues Gesetz?“ Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir machen ein sehr schlankes Gesetz, das den Kommunen und der Wirtschaft helfen soll nicht mehr und nicht weniger. Ich komme im Detail noch darauf zurück.
Neben unseren langjährigen Aktivitäten im Bereich der Städtebauförderung und der Fortschreibung der raumordnerischen Vorgaben für den Einzelhandel unterstützt das PACT-Gesetz verstärkt privates Engagement. Der Gesetzentwurf leistet vor dem Hintergrund der prognostizierten demographischen, sozialen und wirtschaftsstrukturellen Veränderungsprozesse in Schleswig-Holstein damit einen weiteren Beitrag zur Verbesserung der Zukunftsfähigkeit von Innenstädten und Tourismusbereichen.
Erstens. Private können jetzt in Zusammenarbeit mit den Kommunen Konzepte zur Aufwertung ihrer Stadtquartiere entwickeln und auf einer über die Sonderabgabe gesicherten Finanzierungsbasis umsetzen.
Zweitens. Bundesweit einzigartig entscheidet die Kommune im Vorfeld, wo sie PACT-Maßnahmen im Gemeindegebiet für sinnvoll hält und unterstützen will und kann damit entsprechend ihrer kommunalen Strategien eigene Schwerpunkte setzen.