Protocol of the Session on March 23, 2006

Ich bin ja gern bereit, Parlamentsgeschichte zu schreiben. Historisch war das mit Sicherheit nicht.

(Heiterkeit bei CDU und FDP)

Wir stehen hundertprozentig hinter unserem Minister. Wir glauben, dass der eingeschlagene Weg richtig ist. Wir müssen uns im Ausschuss, wohin es gehört, unterhalten; das werden wir tun.

Einen Punkt möchte ich noch hervorheben. Wir reden über verstärkte Hochschulautonomie. Da muss die Politik ein Stück loslassen. Der Systemwechsel erfordert nicht nur bei der Politik Einsicht die darf nicht zu spät kommen -, sondern er erfordert auch ein Umdenken bei den anderen Verantwortlichen. Wenn man einen Universitätsrat mit weitgehenden Befugnissen einrichtet, müssen die darin vertretenen Personen im Sinne des Ganzen denken. Bei der Debatte um die Landesuniversität hatte ich manchmal den Eindruck, dass das noch nicht so ausgeprägt ist. Das müssen wir einfordern. Dann kann die ganze Geschichte eine Erfolgsstory werden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ein Zwischenruf veranlasst mich zu der Feststellung, dass die Ausschüsse Institutionen dieses Parlaments sind und die Arbeit dort - das gilt auch für die Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - durchaus parlamentarisch ist. - Ich erteile nunmehr für die Fraktion der SPD Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

(Niclas Herbst)

Herr Präsident! Hochgeschätzte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir zu Beginn der Debatte etwas darüber gehört haben, wie Parlamentarismus funktioniert, und dann allgemeine Ausführungen über das, was vielleicht kommen könnte, gehört haben, sowohl im Pro als auch im Kontra, will ich daran erinnern, dass es für Gesetzesänderungen ein geregeltes Verfahren gibt. Der Minister wird nach Abschluss des Meinungsbildungsprozesses in seinem Haus und nach Gesprächen mit allen Beteiligten - an dem Verfahren kann man nichts kritisieren - mit einem Vorschlag ins Kabinett gehen, wir werden einen Referentenentwurf haben, der in die Anhörung geht. Ich gehe davon aus, dass wir im Laufe des Frühjahres einen Gesetzentwurf bekommen, den wir im Landtag in erster Lesung beraten. Dann werden wir ausführliche Anhörungen in den Ausschüssen durchführen und schließlich in zweiter Lesung die Gesetzesänderungen beschließen. Ich dachte, dass alle wussten, dass das so funktioniert. Deswegen kann man das zum jetzigen Zeitpunkt ein wenig entspannt sehen.

Was man nicht so entspannt sehen kann, ist, sich zum jetzigen Zeitpunkt auf Punkte festzulegen, für die es nur eine sehr begrenzte Grundlage gibt. Ich kenne weder einen Referentenentwurf noch einen Gesetzentwurf. Deswegen lehne ich es schlichtweg ab, mich in Detailspekulationen zu ergehen.

Wozu ich allerdings gern etwas sagen möchte, ist das große Oberthema, das hier als ein Teilaspekt der Hochschulreform angesprochen worden ist, nämlich die Frage der verstärkten Kooperation der Universitäten. Sie alle wissen, dass wir zu dieser Frage keine Festlegung im Koalitionsvertrag haben. Das heißt nicht, dass man nicht zu Lösungen kommt, die man neu auf den Weg bringen will.

Herr Austermann hat in seine Eckpunkte vom letzten Herbst das Thema Fusion der Universitäten hineingeschrieben. Es hat danach einen Diskussionsprozess gegeben. Ich will noch einmal sagen, dass die Messlatte, die Maßstäbe, die wir damals angelegt haben, für uns nach wie vor gelten. Egal, wie das Instrument aussieht, ob es Fusion heißt, ob es Holding heißt, ob es Universitätsrat heißt, die Anforderungen gelten allemal. Ich wiederhole sie kurz: Erstens muss es nachweislich tatsächlich Effekte für eine bessere Aufstellung der Universitäten im Hinblick auf Ressourceneinsatz, auf Mitteleinsatz, auf Effizienz, auf Verbesserung von Leistungen in Forschung und Lehre geben. Wenn das nicht der Fall ist, wird man sich das schenken müssen.

Zweitens muss natürlich klar sein, dass alle Hochschulstandorte weiterhin die Möglichkeit haben müssen, ihre Stärken beziehungsweise speziell ihre Stärke weiterzuentwickeln.

Drittens haben wir sehr deutlich gemacht und daran gibt es nichts abzustreichen, dass die Mitwirkung aller Gruppen der Hochschule in vernünftigem Maße in der jetzigen Qualität gesichert werden muss.

Ich füge gerne hinzu: Wir müssen bei der verstärkten Kooperation nicht nur über die Universitäten reden, sondern wir dürfen die Fachhochschulen in dieser Frage nicht außer Acht lassen.

Das sind unsere Maßstäbe, die wir anlegen. Das galt für das Thema Fusion, als es noch ein heißes Thema war, wie es auch für den sich jetzt abzeichnenden Vorschlag eines Universitätsrats gilt.

Ich will hinzufügen, diesen bunten Zettel kennen wir ja auch und darauf sind Vorschläge, die man diskutieren kann. Zwei zentrale Fragen haben wir bei der Ausgestaltung eines Universitätsrates zu überprüfen. Das ist einmal die Frage der Kompetenzen. Welche Kompetenzen sollen ihm zugewiesen werden? Zweitens geht es um die Zusammensetzung. Das sind für mich schon kommunizierende Röhren, das heißt, je stärker und je weitergehender Kompetenzen auf ein Gremium verlagert werden, desto mehr müssen die Mitwirkungsrechte aller Gruppen der Hochschule gesichert sein und übrigens auch eine vernünftige Beteiligung der Standorte.

Diese Frage ist nicht leicht zu lösen. Ich habe jetzt auch kein Patentrezept und will auch nicht sagen, Herr Austermann, das geht so nicht oder es geht so oder so. Wir müssen in diese Richtung diskutieren. Ich warte einen Gesetzentwurf ab und dann werden wir darüber diskutieren, und zwar genau mit den Kriterien, die ich genannt habe und die man nicht unterschätzen darf.

Ich kann gerne ein Beispiel nennen. Wir müssen natürlich, wenn ein solches Gremium Budgetrecht hat, über die Frage nachdenken: Wie weit kann der wissenschaftliche Mittelbau und können Studierende mitreden? Wie ist es mit der Parität von Universitäten bestellt, die sehr unterschiedlich in Größe und Bedeutung im Hinblick auf die Quantität sind?

(Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das muss abgearbeitet, muss abgeschichtet werden. Das werden wir in einem ordentlichen parlamentarischen Beratungsverfahren machen. Wir sind da offen. Wir verschließen uns nicht neuen Instrumen

ten, wenn sie zielführend sind unter den Maßgaben, die ich formuliert habe.

Deswegen kann es nie schaden, das hier im Plenum noch einmal deutlich zu sagen: Ohne Aufgeregtheit erwarten wir die Vorlage des Ministers und werden uns dann damit befassen. Wo wir am Ende landen, könnte man in einen Satz fassen, der im Bundestag geprägt worden ist: Kein Gesetzentwurf geht in den Landtag so hinein, wie er wieder rauskommt. Das wird vermutlich auch beim Hochschulgesetz so sein.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der FDP erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die späte Begeisterung der CDU-Wissenschaftspolitiker für Räte-Organe ist wirklich bizarr.

(Beifall bei der FDP)

„Alle Macht den Räten“, das war anno 1917 im April nach der Rückkehr aus dem Exil die Losung, mit der Lenin den Startschuss zur Oktoberrevolution gegeben hat. Nun möchte CDU-Wissenschaftsminister Austermann einen Universitätsrat in Schleswig-Holstein installieren, dem auch die wesentliche Macht- und Gestaltungskompetenz in diesem Bereich übertragen werden soll. Es geht ja weiß Gott um keinen Kaffeezirkel. Begriffe wie Steuerung, Überwachung, Kontrolle, die in Ihren Papieren auftauchen, zeigen an: Es geht hier um handfeste Entscheidungskompetenzen, und zwar in sehr weitem Umfang. Das Ganze sieht wirklich aus wie das Ergebnis eines Workshops, bei dem sich der alte Wladimir Iljitsch Lenin zusammen mit Professor Driftmann und einem idealtypischen Kultusbürokraten ein Drehbuch zur Abwicklung der Hochschulautonomie und damit zur Hochschuldeformation ausgedacht hat.

Ich will noch einmal deutlich machen, worum es geht, indem ich aus einer Presseerklärung der Landesregierung vom 7. März 2006 zitiere. Da heißt es:

„Neben der Entscheidung über die Vergabe von Finanzmitteln soll der Rat nach den Worten von Minister Austermann auch die Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten überwachen und die Strukturund Wirtschaftspläne beschließen.“

Wohlgemerkt, es geht hier um die Lenkung, die Steuerung eines Finanzvolumens von mehr als einer Viertelmilliarde Euro und um die Gestaltung der dadurch unterfütterten Hochschulinfrastruktur. Das soll wesentlich in die Hand eines Gremiums von sieben Persönlichkeiten gelegt werden, die das nebenbei machen im Ehrenamt oder im Nebenamt. Wir wissen ja noch nicht, wer diese glorreichen Sieben sein sollen. In der Presse wird gesprochen von den drei Oberbürgermeistern der Universitätsstädte oder von den drei IHK-Präsidenten. Man kann fast sagen, die üblichen Verdächtigen tauchen zunächst einmal auf. Das sind natürlich allesamt hochrespektable Persönlichkeiten, aber keiner von denen hat auch nur einen blassen Schimmer von der Materie, über die sie entscheiden sollen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Von Hochschulmanagement und Hochschulgestaltung haben die so viel Ahnung wie Minister Austermann von der Konstruktion einer Weltraumrakete.

(Zurufe: Wer weiß!)

- Vermute ich zumindest. Er kann ja in seinem Redebeitrag nachlegen.

Das könnte anders sein, wenn man diese sieben Personen aus dem Kreise externer Wissenschaftler beruft. Darüber ist in der Presse spekuliert worden. Die hätten zumindest Sachverstand von der Materie, um die es geht, aber die haben einen Hauptberuf und auch die würden das nur nebenbei machen. Das heißt, in Wirklichkeit käme die entscheidende Rolle den Schattenmännern und Schattenfrauen im Hintergrund zu, das heißt Leuten, die in irgendwelchen Apparaten oder Bürokratien sitzen, sei es, dass man nun einen neuen Stab diesem Universitätsrat sozusagen beiordnet, sei es, dass man auf vorhandene Stäbe und Bürokratien zugreift. Das sind die, die die eigentliche Macht haben werden.

Damit sieht man ganz klar: Es geht um Abwicklung von Hochschulautonomie und es geht wirklich auch - das ist ganz wichtig - um die Demontage eines professionellen Hochschulmanagements.

Meine Damen und Herren, getoppt wird die ganze Sache dadurch, dass man auch noch die Präsidialverfassung an den Universitäten einführen will in Verbindung mit dem Universitätsrat. Nachdem Sie vorher wesentliche Kompetenzen auf den Universitätsrat übertragen haben, glauben Sie, kompetente Persönlichkeiten von außen für das Amt des Universitätspräsidenten gewinnen zu können. Wer lässt sich denn - jemand, der wirklich Ahnung, Sta

(Jürgen Weber)

tur und Kompetenz hat - auf so ein Spiel überhaupt ein, nachdem entscheidende Kompetenzen zuvor auf den Universitätsrat verlagert worden sind? Da sitzt doch der künftige Universitätspräsident eingeklemmt zwischen Universitätsrat auf der einen Seite und einer Hochschule, die ihm völlig unbekannt und fremd ist, auf der anderen Seite. Das ist dann nur noch ein hochbezahlter Frühstücksdirektor, mehr nicht, mehr bleibt nicht übrig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man das sieht, kann man nur zu dem Ergebnis kommen: Wir brauchen keine Präsidialverfassung. Es gibt nicht die geringste sachliche Begründung in all den Papieren, die das Ministerium von Herrn Austermann bisher vorgelegt hat, für den Wechsel von einer Rektorats- zu einer Präsidialverfassung. Was wir schon lange für unsere Hochschulen nicht brauchen, das ist so ein Hochschulsowjet, wie Sie ihn hier an den Universitäten installieren wollen. Meine Damen und Herren, mit dieser Materie werden wir uns heute nicht zum letzten Mal befasst haben.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat richtig, was der Abgeordnete Weber gesagt hat: Es liegt kein Referentenentwurf vor, es liegt im Grunde gar nichts vor außer einem Zettel. Der sieht so aus. Trotzdem ist verkündet worden und wurde allgemein in der Presse der Eindruck erweckt, es sei jetzt alles geregelt, es sei ein Kompromiss gefunden worden zwischen Hochschulen und Ministerium und die Sache sei entschieden. Ich finde, das ist schon ein Anlass, dass man im Parlament darüber redet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich finde auch die Methode des Ministers ausgesprochen bemerkenswert. Jemand sagte, Hochschulen seien ein sehr komplexes Gebilde. Ich glaube, es war der Abgeordnete Herbst. Der Minister stellt im Herbst letzten Jahres eine Maximalforderung: Fusion aller drei Universitäten in Schleswig-Holstein. Es gibt heftigste Proteste an den Universitä

ten. Das hätte ihn vermutlich nicht gestört, aber es gab auch noch Proteste aus den Städten und es gab Proteste aus der Wirtschaft. Das hat ihn als Wirtschaftsminister schon ein bisschen gestört. Also rudert der Minister zurück, kommt schließlich zu einem so genannten Kompromiss, der völlig, aber auch völlig anders aussieht als das, was er vorher vorgeschlagen hat, und sagt, jetzt habe er etwas erreicht, man habe sich geeinigt.

Wenn man bei den Hochschulen nachfragt, stellt man fest, dass diese zur Kenntnis genommen haben, dass sie nicht aufgelöst und zusammengelegt werden. Was aber die Details angeht, darüber gibt es keine Einigkeit. Es ist hier öffentlich signalisiert worden, mit den Hochschulen sei alles abgestimmt. Das ist mitnichten so. Die Diskussion wird erst beginnen. Auch das ist ein Anlass, im Parlament darüber zu reden.

Wenn man sich das Papier anguckt - bis auf den Ausschuss für Forschung und Lehre in der Medizin, über den man reden kann, um das Erichsen-Gutachten umzusetzen -, stelle ich fest, dass der Universitätsrat - hier ist schon gesagt worden: Alle Macht den Räten! - über Finanzmittel, über Ressourcen, über die Überwachung von Ziel- und Leistungsvereinbarungen und auch über die Strukturen in der Hochschule entscheidet. Er entscheidet über alles. Konsequenterweise wird das Konsistorium - auf diesem Zettel steht es - abgeschafft, der Senat darf noch Vorschläge machen. Dann kommt der Präsident, der ebenfalls Vorschläge machen und die Dinge exekutiv umsetzen darf. Das heißt, die Entscheidungsmöglichkeiten in den Hochschulen werden auf null gefahren. Praktisch wird die Hochschuldemokratie damit überflüssig.

Die Drittelparität, die wir in Schleswig-Holstein eingeführt haben und die einmal ein Markenzeichen sozialdemokratischer Politik in Schleswig-Holstein war, ist schlicht verschwunden. Alle drittelparitätischen Gremien existieren nach diesem Vorschlag nicht mehr. Die Studenten sind lediglich mit zwei oder vier Vertretern im Senat vertreten, die nichtwissenschaftlichen und die wissenschaftlichen Mitarbeiter auch. Das heißt, wir haben noch ein Gremium an der Hochschule, den Senat, und dieses Gremium hat eine absolute Professorenmehrheit. Dieses Gremium hat aber nichts zu entscheiden. In dem Hochschulrat sind weder die Studenten noch die anderen Gruppen der Hochschule irgendwie vertreten. Es ist eine Absurdität, die gesamte Hochschulautonomie zu zerschlagen und uns dann, ohne dass ein Referentenentwurf vorliegt oder eine Debatte im Parlament stattgefunden hat, zu erzählen und öffentlich zu verkünden - alle Zeitungen haben es

(Dr. Ekkehard Klug)