Protocol of the Session on March 23, 2006

Aktuelle Stunde

Konsequenzen aus der geplanten Einrichtung eines „Universitätsrates Schleswig-Holstein“

Antrag der Abgeordneten des SSW

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich deren Vorsitzenden Anke Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass es gelungen ist, eine Debatte über den geplanten Universitätsrat Schleswig-Holstein auch hier im Landtag zu führen. Denn es kann wirklich nicht angehen, dass der Wissenschaftsminister landauf, landab seinen Kompromiss verkauft, ohne dass wir die Möglichkeit haben, uns zu dieser wichtigen Entscheidung zu äußern.

(Jürgen Weber [SPD]: Das ganze Jahr Zeit!)

Ich vermute, lieber Kollege, dass unser Tagesordnungspunkt zu diesem Thema keine Chance durchzukommen hatte, weil die Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen genau wie alle anderen noch nicht richtig wissen, woran sie sind. Darum kann ich Sie nur ermutigen, nicht immer nur daran zu denken, dass Sie regierungstragend sind, sondern dass Sie in erster Linie Parlamentarier sind.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tatsache ist: Die Debatte über eine mögliche Fusion der Universitäten beschäftigt die Betroffenen, die Landesregierung und natürlich auch die Fraktionen schon länger und leider sieht es so aus, als ob diese Sache mit dem angeblichen Kompromiss zwischen Herrn Austermann und den Rektoren der Hochschulen noch lange nicht ausgestanden ist; auf das Wort „angeblich“ komme ich gleich noch zu sprechen. Denn bisher hat die geplante Einrichtung eines Universitätsrates zu viel mehr Fragen als Antworten geführt und das liegt aus der Sicht des SSW nicht zuletzt auch an der Vorgehensweise des Ministers in dieser Angelegenheit.

Neulich konnte man beispielsweise in den „Lübecker Nachrichten“ ein Interview mit dem Minister über die geplante Unireform mit der Überschrift „Saxes Meinung ist uninteressant“ lesen. Gemeint war der Oberbürgermeister der Stadt Lübeck; das brauche ich hier nicht zu wiederholen.

(Hartmut Hamerich [CDU]: Bürgermeister!)

- Entschuldige, er ist der Bürgermeister der Stadt Lübeck und er kommt aus der SPD; das kann ich hinzufügen.

Diese öffentliche Aussage bezog sich auf das Thema Universitätsfusion und Hochschulreform. Ich denke, so eine Überschrift war für die Einstellung des Ministers bezeichnender als für die Einstellung des ehemaligen Kollegen Saxe.

Der Minister vertritt also eine andere Meinung und das Fachwissen der Hochschulen und die Sorgen der Kommunen scheinen keine Rolle gespielt zu haben.

So kommt man nicht weiter, Herr Minister. Es geht nicht darum, dass Sie sich beliebt machen sollen. Vielmehr geht es darum, dass man sich im Rahmen dieses Reformprozesses natürlich mit den Meinungen anderer auseinander setzen muss. Das nennt man übrigens - das kann ich hinzufügen - einen demokratischen Führungsstil. Dazu gibt es Seminare bei der Wirtschaft, habe ich mir erzählen lassen.

(Ursula Sassen)

Der Prozess ist bis jetzt noch nicht so gelungen, wie wir uns das gewünscht haben, auch wenn jetzt mit dem Universitätsrat eine wirkliche Fusion der Universitäten vom Tisch zu sein scheint.

Aus unserer Sicht haben wir es mit einem angeblichen Kompromiss zu tun, denn vieles deutet darauf hin, dass das Treffen mit den Hochschulrektoren ein ganz anderes Thema hatte. So kam es in der Presse wenigstens rüber. Der Minister hat anscheinend ein Stück Papier aus seiner Tasche geholt. Man könnte auch sagen, dass er den Rektoren die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt hat: Wollt ihr keine Fusion, dann müsst ihr zumindest diesem gemeinsamen Rat zustimmen.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hat der Minister eine Pistole?)

- Ich weiß nicht, ob er eine Pistole hat, ich versuche, das bildlich darzustellen. Man könnte auch sagen: Politik mit der Dampfwalze.

(Beifall beim SSW)

Aus Sicht des SSW gibt es noch ganz viele Ungereimtheiten bei dem geplanten Universitätsrat Schleswig-Holstein. Denn am Tag nach der Verkündung des Kompromisses wurde schon deutlich, dass die Rektoren und Hochschulen Bedenken hatten. Die CAU fragte sich, wer im Universitätsrat sitzen soll, und wünschte sich ein paar Plätze mehr als alle anderen Hochschulen. Das nennt man Lobbyismus. Zu überlegen war auch, ob der Präsident des Unternehmensverbandes, Professor Dr. Driftmann, einen Sitz haben sollte. Ich weiß nicht, ob das für die Universitäten gut wäre.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein, ganz be- stimmt nicht! - Weitere Zurufe)

Völlig unklar ist, was die künftige Aufgabe sein und wie die Kompetenzverteilung zwischen Universitätsrat und Hochschulen aussehen soll. Offen ist auch die Frage, ob die Hochschulen mit so einem Universitätsrat künftig überhaupt noch etwas zu sagen haben oder ob alles zentral gesteuert werden soll.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme jetzt zum Schluss. - Über die finanziellen Auswirkungen werden wir später miteinander diskutieren. Das Thema studentische Mitbestimmung ist nicht nur ein weites Feld, sondern es wäre eine echte Katastrophe, wenn wir darangingen.

Sie wollten zum Schluss kommen.

Herr Präsident, ich komme zum Ende. - Daran werden wir die Reform messen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Niclas Herbst das Wort.

(Zuruf: Du hast dein Redemanuskript verges- sen!)

Für die Qualität ist es besser, wenn ich es selbst mache. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir in diesem Raum sind uns wohl einig, dass es besser gewesen wäre, wenn wir gestern über dieses Thema hätten reden können und es den traurigen Grund für die Verschiebung nicht gegeben hätte. Darüber hinaus bin ich aber der Meinung, dass es angemessen gewesen wäre, das Thema zunächst im Ausschuss zu beraten, den Minister oder Staatssekretär einzuladen und fachlich darüber zu reden.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist wieder typisch! Nur nicht das Parlament bemühen!)

- Frau Kollegin, ich habe eben keine konkreten Vorstellungen gehört, Sie haben Fragen aufgeworfen, die offen sind.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

- Als Parlamentarier finde ich, dass man sich zuhören sollte. Wenn Sie immer aufs Parlament verweisen, auf der anderen Seite aber nicht zuhören, ist das unglaubwürdig.

Ich bin der Meinung, wir hätten die offenen Fachfragen besser im Ausschuss klären können, weil wir es an dieser Stelle nicht können, das haben Sie ja gezeigt. Wir sollen ja frei reden, deswegen kann ich hier leider nicht zitieren und vorlesen.

(Beifall bei CDU und FDP)

- Wie gesagt, ich nehme das Parlament ernst.

(Thomas Stritzl [CDU]: Vor allem die Ge- schäftsordnung!)

(Anke Spoorendonk)

Die offenen Fragen sind vom Ministerium selbst angesprochen worden. In der ungefähr zwei Wochen alten Pressemitteilung - wie gesagt, ich kann sie nicht vorlesen - steht, dass über die Detailfragen der Zusammensetzung, der satzungsrechtlichen Auswirkungen, der rechtlichen Auswirkungen geredet werden muss. Das ist Facharbeit, das gehört meines Erachtens in die Ausschüsse. Sich hier hinzustellen und fünf oder sieben Minuten zu reden und zu sagen, es gebe offene Fragen, wir müssten das Parlament beteiligen, der Minister solle einmal berichten, ist nicht wirklich Parlamentsarbeit. Damit machen wir uns unglaubwürdig.

Aber wir sollten vielleicht gar nicht so viel darüber reden, wohin das Ganze gehört, wir können ja einmal etwas zur Sache sagen. Im Koalitionsvertrag haben wir verabredet - das ist ein richtiges Ziel -, dass wir Schleswig-Holstein zu einem gemeinsamen Studien-, Forschungs- und Finanzierungsraum ausbauen wollen. Dieses Ziel war richtig, ist richtig und bleibt richtig.

Eines war auch richtig - das kann man rückwirkend betrachten -, nämlich die Diskussion über eine Landesuniversität anzustoßen. Selbst Leute, auch verantwortliche Leute, mit denen man diskutiert, Leute, die sich öffentlich gegen eine Landesuniversität mit guten oder schlechten Gründen gewehrt haben, sagen einem im Gespräch natürlich auch: Es ist schon gut, dass sich etwas bewegt und dass sich etwas tut. - Insofern ist die Debatte, die angestoßen wurde, richtig. Es tut sich etwas und das ist gut.

Ich glaube, dass wir nicht irgendwelche neuen Ausschüsse oder Räte brauchen, die diskutieren, sondern dass wir Ausschüsse mit Exekutivgewalt brauchen, die dazu führen, dass die verschiedenen Teile der Hochschullandschaft, die einzelnen Universitäten wirklich zueinander finden und zusammenarbeiten. Insofern ist nicht nur der Universitätsrat von entscheidender Bedeutung, mindestens genauso wichtig ist aus meiner persönlichen Sicht der gemeinsame Ausschuss für Forschung und Lehre, wo immerhin 40 % der Fördermittel verwaltet werden.

(Beifall des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Wir müssen dahin kommen, dass dort wirklich Exekutivgewalt herrscht. Auch die angedachten Kompetenzen gehen weiter als bisher. Es ist deshalb ein Fortschritt auf unserem Weg zu einem gemeinsamen Forschungs-, Studien- und Finanzierungsraum.

Wir können an dieser Stelle entweder grundsätzlich Skepsis signalisieren oder wir können grundsätzlich Zustimmung signalisieren. Ich glaube, dass der ein

geschlagene Weg im Grundsatz richtig ist und dass in der Tat noch viele Detailfragen zu klären sind. Denn auch Sie wissen ja, dass eine Universität ein sehr komplexes Gebilde ist. Man kann mit einigen wenigen Stellschrauben viel verändern, man kann aber auch mit großen Schrauben am Ende wenig verändern. Insofern sollten wir in die Detailberatung einsteigen und ich bin der Letzte, der sagt, dass wir uns damit nicht im Detail beschäftigen können.

Ich bin aber schon einmal auf Sie reingefallen. Das war wirklich blöd, das muss ich zugeben. Ich habe Ihnen nämlich geglaubt, als Sie gesagt haben: Wir wollen ergebnisoffen diskutieren. Da ging es um die Landesuniversität. Herr Hentschel, da sind Sie nach vorn gegangen und haben sofort geschrieen: Ah, sehen Sie! Keine hundertprozentige Rückendeckung, so etwas hat es in diesem Parlament noch nie gegeben! - Sie haben gesagt, das hätten Sie noch nie erlebt.

Ich bin ja gern bereit, Parlamentsgeschichte zu schreiben. Historisch war das mit Sicherheit nicht.