Protocol of the Session on March 22, 2006

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Klaus Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Lieber Kollege Garg! Ich bin nicht sicher, zu welchem Thema Sie gerade gesprochen haben. Eine ganze Menge Ihrer Vorwürfe hat aber mit dem Tariftreuegesetz herzlich wenig zu tun.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das, was Sie uns gerade geboten haben, ist - so glaube ich - mehr eine Lektion in Sachen VoodooÖkonomie. Es trifft aber nicht das Thema, um das es an dieser Stelle geht. Tariftreue ist die Frage, inwieweit wir für Ausschreibungen einen Ordnungsrahmen geben. Es geht um nicht mehr und nicht weniger. Ein Großteil der Kritik, die wir gerade von der FDP gehört haben, geht schlicht fehl. Insbesondere der Vorwurf, dass ein Tariftreuegesetz nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun habe, ist schlicht falsch und verkehrt. Die Frage ist, warum wir keine freie Marktwirtschaft haben. Ich nehme gern in Kauf, dass die FDP eine andere Form der Marktwirtschaft will. Das ist in Ordnung.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die Wirkungen ha- ben nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Ku- bicki [FDP])

- Herr Kubicki, gerade eine soziale Marktwirtschaft setzt sich an dieser Stelle gewisse Regeln. Das ist auch völlig in Ordnung so.

Auf die Geschichte des Gesetzes wurde schon ausführlich hingewiesen. Es gab bereits einen Gesetzentwurf, der das Anliegen des SSW aufgegriffen hat. Es gab damals viele gute Gründe dafür, es drin zu belassen. Es gab damals aber auch ein Problem, an dem wir auch heute nicht ohne weiteres vorbeikommen. Dies führte dazu, dass dieser Punkt herausgenommen wurde. Gerade heute Morgen haben wir uns mit heftigen und lautstarken Worten über

die Frage der kommunalen Finanzen unterhalten. Es ist zweifelsohne richtig, dass ein richtiges Anliegen auch immer die Frage beantworten muss, wie es letztlich finanziert werden wird. Insofern will ich deutlich sagen, dass wir für den Gesetzesvorschlag des SSW sehr viel Sympathie haben. Zu einer ehrlichen Debatte gehört allerdings auch eine Antwort auf die Frage, wer dies bezahlt. Um eine Antwort auf diese Frage wird man sich nicht drücken können.

Ein Stück der Debatte, die wir eben gehört haben, geht insbesondere deshalb an der Realität vorbei, weil wir inzwischen eine andere Situation haben. Die FDP hat noch nicht aufgehört, darüber zu reden. Ich glaube, niemand von uns kann in Ruhe schlafen, arbeiten und leben, wenn er weiß, welche Entwicklung in Stormarn einen Schritt weiter gegangen ist. Wir reden hier über den Busverkehr. Wir reden über den Schülerverkehr und von Gefahr geneigten Tätigkeiten, wenn man weiß, was hinten in einem Bus los ist und welche Straßenverkehrssituationen wir haben. Wenn wir in diesem Bereich inzwischen Bruttolöhne von 8,31 € zahlen und uns leicht ausrechnen können, dass dies nicht der letzte Schritt ist, dann muss ich sagen, dass ich mir eine Debatte der leiseren Töne gewünscht hätte. Ich hätte mir kein so lautstarkes Draufhauen auf eine sicherlich begrüßenswerte Initiative des SSW gewünscht.

Ich glaube, dass ver.di an manchen Stellen Unrecht hat. Wir könnten jetzt lange über die eine oder andere tarifpolitische Auseinandersetzung diskutieren. Dass ver.di in Stormarn aber von einem tarifpolitischen Dammbruch gesprochen hat, ist richtig. Jeder kann sich mit genügend Phantasie ausrechnen, was passiert, wenn diese Entwicklung weitergeht. Die Kommunen machen das ja nicht gern. Sie befinden sich in einer gewissen Notlage. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass trotzdem auch an den Kreis Stormarn die Frage berechtigt ist, warum man dort nicht freiwillig die Kriterien der Tariftreue mit aufgenommen hat. Herr Callsen hat an dieser Stelle zu Recht darauf hingewiesen. Allerdings sage ich auch: Wenn wir uns auf eine freiwillige Tariftreue einigen könnten, dann spricht an dieser Stelle auch nichts gegen eine gesetzliche Grundlage.

Ich glaube, dass ein Punkt dieser Diskussion auch im Wirtschaftsausschuss eine wichtige Rolle spielen wird. Das ist die Frage der Kontrolle und der Effizienz. Gerade als Befürworter des Tariftreuegesetzes gibt es einem sehr stark zu denken, wie weit die Kontrollen bisher wirklich durchgeführt werden, wie weit sie effizient sind und inwieweit sie ineffizient sind. In dem Moment, indem wir aus

weiten, was wir an anderer Stelle schon beantragt haben, glaube ich, das wir mit dem Ministerium auch darüber reden müssen, wie wir die tatsächliche Umsetzung kontrollieren können. Ein stumpfes Schwert wird uns an dieser Stelle nichts nutzen. Insbesondere die Befürworter sollten hieran ein klares Interesse haben.

Als wir uns das letzte Mal hier im Landtag über das Tariftreuegesetz unterhalten haben, hat Herr Austermann unseren Antrag in Grund und Boden geredet. Ich glaube, es fiel das Wort überflüssig oder so ähnlich. Die Zuarbeit des Wissenschaftlichen Dienstes hat, so glaube ich, diese Argumentation etwas vom Tisch gewischt. Nichtsdestotrotz habe ich persönlich mit Schrecken gesehen, dass Herr Austermann sich in Sachen Schlie-Bericht durchzusetzen scheint. Die Vorschläge aus dem Schlie-Bericht, über die wir an anderer Stelle sicherlich noch einmal ausführlicher diskutieren sollten, nämlich das Tariftreuegesetz gänzlich abzuschaffen oder technisch gesprochen auslaufen zu lassen, geben mir zu denken. Ich würde mir wünschen, dass wir darüber im Wirtschaftsausschuss kompakt und offen diskutieren können, um dann zu tatsächlichen Ergebnissen zu kommen, die den realen Lohnentwicklungen in Deutschland und in Schleswig-Holstein gerecht werden können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben bis jetzt vier Wortmeldungen zu Kurzbeiträgen vorliegen. Ich rufe zunächst Herrn Abgeordneten Lars Harms auf.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Nabel, ich möchte die Gelegenheit ntuzen, noch einmal auf das einzugehen, was die Kollegen hier als mögliche Einwände und Bedenken vorgebracht haben. Mir fiel auf, dass Herr Garg davon sprach, dass er kein Tariftreuegesetz haben will, weil er im Niedriglohnbereich für niedrig qualifizierte Arbeitskräfte Arbeitsplätze schaffen will. Ich sage hier ganz deutlich: Bus fahren ist keine niedrig qualifizierte Arbeit!

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das heißt, dass dieser Gedankengang völlig am Thema vorbei geht. Das sei nur so dahingestellt. Mehr möchte ich zum Beitrag der FDP nicht sagen.

Zunächst möchte ich mich bei den Kollegen Callsen und Schröder dafür bedanken, dass sie Offen

heit gezeigt und gesagt haben: Lasst uns im Ausschuss noch einmal offen darüber reden und fachkundige Hilfe dazu holen. Deshalb möchte ich auch im Zusammenhang mit diesem Thema kurz zu einigen Dingen Stellung nehmen. Es wurde gesagt, dies sei möglicherweise verfassungswidrig. Wenn ein Tariftreuegesetz verfassungswidrig ist, dann gilt das automatisch auch für die Tariftreue. Diejenigen, die sich heute für Tariftreue ausgesprochen haben, haben sich dann für etwas Verfassungswidriges ausgesprochen. Um es ganz klar zu sagen: Das eine hängt mit dem anderen zusammen.

Davon abgesehen gibt es seit 1998 in wunderbarer Kontinuität Tariftreuegesetze und noch keines ist wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden. Ich sehe dem entspannt entgegen.

Zweitens zur Konnexität. Ich spreche jetzt nur vom ÖPNV-Bereich. Über alle anderen Bereiche können wir gern reden, aber der ÖPNV liegt mir wirklich am Herzen, weil uns dieses Thema zurzeit kneift. Träger des ÖPNV sind die Kreise. Das derzeitige Tariftreuegesetz überlässt es den Kreisen, Tariftreue auf freiwilliger Basis anzuwenden. Das Gesetz gibt nur die rechtliche Grundlage dafür, freiwillig etwas zu machen. Ob man das in Stormarn, Nordfriesland, Schleswig-Flensburg oder Lauenburg macht, ist eine ganz andere Frage; das muss die Kommunalpolitik selber entscheiden. Man hat dann aber die rechtliche Grundlage dafür und das ist wichtig. Wir haben es freiwillig zu entscheiden, aber wir brauchen eine rechtliche Grundlage, damit Ausschreibungen und Vergaben nicht angreifbar sind. Denn genau das ist das Problem, das die kommunale Ebene auch früher schon im Abfallwirtschaftsbereich und Baubereich gehabt hat, dass man nicht tariftreu ausgeschrieben hat, weil man in Sorge war, dass ein Mitbewerber kommt, dagegen klagt und den ganzen Kram wieder aufrollt. Das war das Problem.

Deswegen ist es wichtig, eine rechtliche Grundlage zu schaffen. Was wir hier für den ÖPNV-Bereich vorschlagen, bedeutet nur, dass wir die rechtliche Grundlage dafür schaffen, dass Kreise freiwillig entscheiden können, ob sie Tariftreue haben wollen oder nicht, und damit freiwillig in Eigenverantwortung entscheiden können, ob sie bereit sind, das Geld, das dafür möglicherweise notwendig ist, zur Verfügung zu stellen. Nichts anderes schlagen wir vor. Auf dieser Basis sollten wir weiter diskutieren.

(Beifall beim SSW)

(Klaus Müller)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Jürgen Weber.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Kollegen Garg und zum Kollegen Harms ein paar Sätze! Zuerst zum sachlicheren Teil, Kollege Harms. Wenn es so wäre, dass man Spielräume der Kommunen im Hinblick auf Freiwilligkeit durch eine gesetzliche Fixierung auf Landesebene so organisieren könnte, dass es in der Tat keine Bindung für das Land gäbe, könnte man darüber nachdenken, aber genau das ist ja nicht der Fall, Kollege Harms. Wenn wir eine landesgesetzliche Bindung machen, formulieren wir damit auch eine landesgesetzliche Verpflichtung mit allen finanziellen Konsequenzen. Genau das ist die schwierige Hürde.

Wir als Sozialdemokraten halten das Instrument der Tariftreue für sinnvoll und vernünftig, aber wir können es natürlich nur da implementieren, wo wir auch die politische und finanzielle Verantwortung haben, und das ist auf Landesebene. Das ist unser Teil. Wir können den Kommunen nicht gesetzlich vorschreiben, was sie tun sollen. Das ist unser politisches Problem in dieser Frage, das wir nicht so lösen können, wie Sie es vorschlagen.

Kollege Schröder hat eine ganze Menge von Beispielen gebracht, wie man jenseits einer gesetzlichen Regelung zu Lösungen kommt. Darüber wollen wir im Ausschuss intensiv beraten.

Kollege Garg, die üblichen neoliberalen Nebelkerzen beim Thema Arbeitsplätze kennen wir zur Genüge. Das ist zur Genüge widerlegt. Man muss nur hinreichend Lohndumping betreiben, man muss nur hinreichend Unternehmensgewinne zulassen und deregulieren, dann entstehen Arbeitsplätze - die Erfahrung lehrt genau das Gegenteil: Durch Lohndumping schaffen Sie keine nachhaltigen Arbeitsplätze und lösen Sie nicht die Probleme, die wir haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie ha- ben über 6 Millionen Minijobs geschaffen!)

- Wir reden hier nicht über Minijobs, wir reden über bestehende sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, die wir auf einem vernünftigen, akzeptablen Niveau für die arbeitenden Menschen erhalten wollen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist doch scheinheilig, was Sie machen!)

Deswegen lassen wir uns Ihre neoliberalen Vorstellungen nicht oktroyieren, sondern bleiben dabei: Was wir als Land lösen können, wollen wir mit Tariftreue lösen, das andere müssen die Kommunen eigenverantwortlich gestalten. Dort können wir appellieren und dafür Sorge tragen, dass durch die entsprechenden politischen Mehrheiten auch auf kommunaler Ebene für Tariftreue gesorgt wird.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Olaf Schulze.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Heiner Garg, freie Marktwirtschaft, soziale Marktwirtschaft - man kann es so oder so sehen, man kann es wenden, wie man will, aber die 5 Millionen Arbeitslosen, die wir im Moment round about haben, mit dem Tariftreuegesetz in Verbindung zu bringen, ist ein bisschen heftig. Denn das Tariftreuegesetz existiert in einigen Ländern und in anderen Ländern nicht und die Arbeitslosenzahlen sind dort ähnlich.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Dann können wir natürlich auch mit dem Mindestlohn kommen, das ist die nächste Debatte, in der ja immer behauptet wird, dass der Mindestlohn dazu führe, dass die Arbeitslosenzahlen steigen. Auch vom Weltwirtschaftsinstitut wurde bei der letzten Anhörung gerade im Zusammenhang mit der Baubranche gesagt, dass das nicht stimmt, sondern dass wir, wenn wir den Mindestlohn nicht hätten, noch mehr Arbeitslose in Deutschland hätten, gerade in der Baubranche.

Wenn man von Tariftreue redet - es waren schöne, nette Statistiken. Mit Statistiken kann man viel machen. Ich hätte gern die Statistik aus Bayern dabei gehabt. Denn Bayern hat ein Tariftreuegesetz,

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

das viel weiter geht als das in Schleswig-Holstein und Bayern wendet dieses Tariftreuegesetz stark an und kontrolliert auch stark. Dort fliegen Firmen aus der Ausschreibung heraus beziehungsweise dürfen

an Ausschreibungen nicht mehr teilnehmen, wenn sie gegen das Tariftreuegesetz verstoßen haben. Jetzt erklären Sie mir bitte, wie die Zahlen, die Sie gerade herangezogen haben, auf Bayern zu übertragen sind! Dann müsste die Arbeitslosigkeit in der Baubranche in Bayern erheblich höher sein als in Schleswig-Holstein oder anderen Ländern. Das ist aber nicht der Fall. Wenn man Statistiken heranzieht, bitte ordentlich recherchieren, ordentlich damit umgehen und nicht einfach etwas herausholen und in die Welt setzen!

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir haben in Schleswig-Holstein ein Tariftreuegesetz wie in Bayern. Dann lassen Sie uns das Tariftreuegesetz hier genauso anwenden wie in Bayern. Dann würden nach Ihrer Logik hier weniger Menschen arbeitslos sein. Ich bin gern bereit dazu. Lassen Sie es uns machen. Lassen Sie uns ein bundesweites Tariftreuegesetz einführen. Dann ist es überall gleich. Dass das Tariftreuegesetz dazu beigetragen hat, dass die Arbeitslosenzahlen in der Baubranche hochgegangen sind, stimmt nicht. Es mag sein, dass Sie in der Baubranche ein bisschen mehr Ahnung haben als ich. Das ist möglich. Das möchte ich zwar einfach erst einmal bezweifeln, vielleicht gehen Sie in die Firmen, vielleicht gehen Sie auf die Baustellen und sprechen mit den Leuten. Dann sehen Sie, dass das Tariftreuegesetz nicht dazu geführt hat, sondern dass das Tariftreuegesetz dazu führen würde, dass wir hier einen fairen Wettbewerb bekommen würden und nicht einen Lohndumpingwettbewerb, der Arbeitsplätze kostet.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

(Thomas Stritzl [CDU]: Aus der Baubran- che!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Stritzl, man kann ja seine Vorurteile immer wieder vor sich hertragen. Im Gegensatz zu vielen anderen, die hier im Saal sitzen, nehme ich an Bauaktivitäten persönlich teil - um es freundlich zu formulieren.

(Zurufe)

Ich sehe die Vielzahl von ökonomisch Tätigen in diesem Landtag, die nicht alle erfolgreich unternehmerisch tätig gewesen sind, und die Erfahrungen,