Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will das Bild von der Mutter aller Reformen weglassen. Der Kollege Fischer und ich tauschten uns kurz darüber aus, ob die Reform eventuell zur Stiefmutter oder zur Schwiegermutter mutiert. Das ist ein interessanter Gedankengang. Wichtig ist, daran festzuhalten, dass es bei dieser Föderalismusreform darum geht, dass die Zahl der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze stark reduziert werden soll. Im Gegenzug sollen die Länder in einigen Bereichen mehr Zuständigkeiten erhalten. So weit, so gut, könnte man sagen.
Auch wir sind der Meinung, dass diese Reform nur halb sein wird und halbherzig ist, wenn weiterhin ausgespart wird, wie die künftige Finanzregelung aussehen soll. Es kann nicht angehen, dass man sagt, 44 Punkte des Grundgesetzes sollen geändert werden, aber die eigentliche Finanzreform, die dringend notwendig wäre, steht noch nicht auf der Tagesordnung.
Bei der offiziellen Vorstellung der Föderalismusreform machten einige Ministerpräsidenten - ich denke, Sie alle haben es noch im Ohr - klar, dass aus ihrer Sicht das hinter verschlossenen Türen ausgehandelte Paket auf keinen Fall aufgeschnürt werden darf. Im Klartext heißt das, dass im weiteren parlamentarischen Verfahren keine Änderungen mehr beschlossen werden dürfen oder können. Darum ist es positiv, dass Bundestagsabgeordnete, nicht zuletzt auch Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion, das anders gesehen haben. Auch wenn man das Grundgesetz nur mit Zweidrittelmehrheit ändern kann, wäre es doch wirklich ein Armutszeugnis für unsere Demokratie, wenn die gewählten Volksvertreter in einem parlamentarischen Prozess überhaupt keine Änderungen mehr vornehmen können oder vornehmen wollen. Darum werden wir dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. Darin wird dieses Verfahren nämlich auch zu Recht angeprangert. Es ist völlig unbefriedigend. Das, was bei uns gelaufen ist, will ich gleich noch kurz ansprechen.
Wir begrüßen ausdrücklich - das habe ich schon einmal gesagt -, dass der Ministerpräsident in seiner letzten Rede zu diesem Thema gesagt hat, dass es aus schleswig-holsteinischer Sicht weiterhin Änderungsbedarf gibt, zum Beispiel bei der Beamtenbesoldung, und dass weitere Vorschläge angemeldet worden sind. Ich freue mich darüber, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung auf jeden Fall nicht der Meinung gewesen ist, dass dieses Paket nicht aufzuschnüren sei.
Sieht man sich die Vorschläge noch einmal im Einzelnen an - darüber haben wir uns schon ausgetauscht -, kann man fragen, ob man es hier wirklich mit einem großen Wurf zu tun hat. Vieles spricht dafür, dass es eher ein politischer Kuhhandel gewesen ist, bei dem das Ziel einer Stärkung der bundesdeutschen Ordnung etwas aus den Augen verloren wurde. Somit ist zu Recht der Eindruck entstanden, als habe sich die große Koalition den Verzicht der Länder auf Mitbestimmung bei der Verabschiedung von Bundesgesetzen ziemlich teuer erkauft. Fragen sind weiterhin offen. Das Konnexitätsprinzip, von uns zu Recht immer wieder eingefordert, ist überhaupt nicht Teil der Reform. Auch die Proble
me beim Strafvollzug, die Beamtenbesoldung, der Umweltbereich und der zentrale Politikbereich der Bildungs- und Wissenschaftspolitik sind diskutiert worden. Kurz und gut, wir können nicht einfach so hinnehmen, was in Berlin ausgehandelt worden ist.
Nach der Koalitionsvereinbarung soll die Kompetenz im Bildungsund Wissenschaftsbereich strikt auf die Länder beschränkt werden. Der Bund soll gänzlich aus der Verantwortung gelassen werden. Das können wir nicht akzeptieren. Bildung und Wissenschaft sind Zukunftsfelder. Da hat die Bundesebene eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Es kann nicht angehen, dass künftig keine Finanzhilfen gezahlt werden dürfen, zum Beispiel für die Weiterentwicklung des Ganztagsschulbetriebes oder für den Wissenschaftsbetrieb.
Eines werden wir auch bei dieser Reform nicht erreichen, nämlich eine Stärkung der Landesparlamente, wie sie auf der Agenda der ersten Föderalismuskommission gestanden hat. Auch dazu habe ich mich mehrfach geäußert. Die Lübecker Erklärung der Landesparlamente zur Föderalismusreform ist überhaupt nicht beachtet worden. Wenn wir nicht einmal hier im Landtag und in den Ausschüssen eine ernsthafte Diskussion führen - diese Diskussion hat im Innen- und Rechtsausschuss nicht stattgefunden - und bestätigen, dass wir weiterhin zu der Lübecker Erklärung stehen, dürfen wir uns auch nicht über die gesamte Entwicklung wundern.
Wir hätten uns gewünscht, dass der Landtag seine Position gegenüber der Bundesregierung und dem Bund klargemacht hätte, anstatt es bei einer Aktuellen Stunde oder der heutigen Kenntnisnahme eines mündlichen Berichts zu belassen. Das hätte uns gut zu Gesicht gestanden. Darum werden wir - ich sagte es bereits - dem Antrag der Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich dem Vorsitzenden des Innen- und Rechtsausschusses, dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist seitens der FDP-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Eindruck erweckt worden, als sei im Ausschuss nicht ausführlich und
Wir haben unmittelbar nach der Landtagstagung im Innen- und Rechtsausschuss beraten, also zügig und schnell. Schneller kann man es eigentlich gar nicht machen.
Die Beratungen haben vor der Sitzung der Ministerpräsidenten stattgefunden, in der die entscheidenden Fragestellungen erörtert worden sind. Auch das kann man nicht zügiger und schneller machen.
Im Ausschuss selbst ist jede Frage von Staatssekretär Lorenz umfassend und vollständig beantwortet worden. Zu keinem Punkt ist gesagt worden: „Dazu sage ich nichts“, oder: „Dazu kann ich nichts sagen“. Alle von den Abgeordneten angesprochenen Fragen sind in aller Gründlichkeit erörtert worden.
Wir haben uns dahin verabredet, den politisch-parlamentarischen Prozess weiterhin mit der Landesregierung zu begleiten. Da gibt es überhaupt nichts zu beanstanden.
Ich frage mich, warum einem Antrag mit Enthaltung begegnet worden ist, wenn daran irgendetwas zu kritisieren war. Herr Oppositionsführer, ich mache Ihnen persönlich überhaupt keinen Vorwurf. Man sollte sich vielleicht nicht immer darauf verlassen, was einem erzählt wird; dafür können Sie jetzt bei diesem Punkt nichts.
Der entscheidende Punkt, den ich hier betone, ist allerdings, dass keine einzige Frage nicht ausführlich beantwortet oder ein Diskussionsbeitrag nicht angesprochen worden wäre. Das hätte ich als Ausschussvorsitzender im Übrigen auch nicht akzeptiert und es gibt insofern auch keinen Anlass, das Verfahren und den Inhalt hier zu kritisieren.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auch aus der Sicht der SPD-Landtagsfraktion unterstützen, was der Vorsitzende eben gesagt hat. Insbesondere gilt dies für die Behauptung, den Vorhalt, die Fraktionen der großen Koalition hätten in den zuständigen Fachausschüssen und den dortigen Beratungen Desinteresse hinsichtlich dieser Frage
Frau Kollegin Lütkes, wir haben parlamentarische Verfahrensregeln. Uns lag ein mündlicher Bericht der Landesregierung zur Diskussion in den Fachausschüssen vor. Was nicht vorlag, war irgendein Antrag von Ihrer Seite. Heute, drei Wochen später, kommen Sie mit einem Antrag hier im Plenum. Sie hätten im Ausschuss Zeit gehabt, Ihre Anträge zu stellen.
Sie haben dann, vom Aufruf des Tagesordnungspunktes überrascht - ich schildere das jetzt einmal so -, selbst mit Sprachlosigkeit geglänzt. Was ist denn nun los? - Wir wollten doch eigentlich beraten. Dabei ist dann so ein lockerer Austausch, so ein Hin- und Hergeplausche inhaltsschwerer, aber folgenloser Erklärungen herausgekommen, die keinerlei parlamentarische Konsequenz haben. Sie hätten doch einen Antrag stellen können. Den Antrag, den Sie heute hier gestellt haben, hätten Sie im Ausschuss stellen können. Dann hätten wir möglicherweise einen gemeinsamen Antrag erarbeiten können.
Aus unserer Sicht ist das nicht erforderlich - ich sage das noch einmal -, weil die Positionen der Landesregierung und auch der beiden Fraktionen der großen Koalition klar sind. Mit dieser Position geht die Landesregierung in die Verhandlungen auf Bundesebene. Insofern bitte ich, hier nicht mit falschen Darstellungen aus den Ausschussberatungen aufzuwarten.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich Frau Abgeordneter Anne Lütkes das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren Kollegen! Herr Vorsitzender, Ihre heutige Einlassung erstaunt mich. Im Ausschuss selber habe ich sehr deutlich gemacht, dass ich an Ihrer Verfahrensführung keinerlei Kritik geübt habe. Natürlich haben Sie jede Frage zugelassen und natürlich hat der anwesende Staatssekretär des Inneren, der für Verfassungsangelegenheiten zuständig ist, jede Frage beantwortet.
Ich nehme hier allerdings in keiner Weise die Behauptung zurück, dass die beiden großen Fraktionen sehr deutlich Desinteresse zeigten. Im Parla
ment kann man debattieren und diskutieren. Eine Ausschusssitzung ist allerdings keine Fragestunde. Natürlich können wir unsere Fragen stellen, aber das habe ich auch gesagt - ich wollte nicht durch das Herunterziehen die Tagesordnung stören. - Das habe ich so nicht gesagt; entschuldigen Sie den Ausdruck, Herr Präsident.
Ich kann meine Fragen zum konkreten Vorgehen der Landesregierung auch gern in Form einer Kleinen Anfrage stellen, wenn mein Interesse oder das Interesse meiner Fraktion der allgemeinen Aufklärung dient. Noch verstehe ich es allerdings so, dass es im Parlament um Auseinandersetzung um Positionen geht. Von daher halte ich meine Auffassung beziehungsweise meinen Eindruck aufrecht, dass Sie kein Interesse an eben jener Auseinandersetzung im Detail haben.
Ich greife als Beispiel das Thema Abweichungsrecht auf, also das Abweichungsrecht der Länder von Bundesgesetzen. Dieses Thema, Herr Präsident, könnte man vielleicht in Erweiterung der Redezeit aufgreifen. Aber es ist ein typisches Ausschussdebattenthema: Wie steht die große Koalition im Land Schleswig-Holstein zu dem auf Bundesebene offensichtlich verabredeten Abweichungsrecht von der Bundesgesetzgebung beispielsweise im Umweltrecht? Was sagen Sie dazu? Finden Sie, dass dies eine Stärkung der Landesgesetzgebung mit sich bringt oder halten Sie es für eine überflüssige und die Gesetzgebung sogar störende neue Vorschrift im Gesetz?
Wie finden Sie den Art. 72 Grundgesetz, neue Fassung, wonach die gleichwertigen Lebensverhältnisse nur noch auf einen kleinen Teil des Katalogs der Gesetzgebungskompetenz bei der ehemals konkurrierenden Gesetzgebung angewandt werden sollen? Was meint die Sozialdemokratie dazu? - Sie wollten es nicht besprechen und das hat nichts damit zu tun, dass die Landesregierung, vertreten durch den Innenstaatssekretär, jede Frage beantwortet hat. Wir haben viele Fragen. Die kann ich gern schriftlich stellen, aber darum geht es nicht.
Sie führen eine Landesregierung, die das Land im Bund vertritt und die bei der großen Reform unserer Verfassung dazu verpflichtet ist, diese Verfassung zu reformieren, gleichzeitig aber ihren Kerngehalt zu schützen. Dazu gehört beispielsweise das hohe Gut der gleichwertigen Lebensverhältnisse. Darüber - das wiederhole ich, Herr Präsident - wollten Sie nicht diskutieren und darüber haben wir auch nicht diskutiert. Das lag nicht am Vorsitzenden, der sich zwar gerade etwas sehr für die große Koalition geäußert hat, in der Verhandlung aber seine Neutralitätspflicht erfüllt hat.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Frage der Föderalismusreform ist die Landesregierung zu jeder Antwort bereit. Wenn mir ein Vorhalt gemacht wird, dann kann er nicht beinhalten, dass ich zu wenig über die Position der Landesregierung reden würde. Das gilt auch für Staatssekretär Lorenz.
Ich möchte gern auf die Debatte eingehen und deutlich machen, dass die Föderalismusreform insgesamt gesehen vernünftig und notwendig ist, weil wir eine Entflechtung wollen. Gleichwohl möchte ich daran erinnern, dass ein Großteil der Blockaden durch Personen unterschiedlicher Provenienz eher parteipolitischer und nicht so sehr institutioneller Natur war.
Wir haben auch deutlich gemacht, dass es erhebliche fachliche Bedenken gibt. Diese haben wir etwa bei der Frage des Strafvollzugs vorgetragen. Denn wir reden beim Freiheitsentzug über eine massive Anwendung des staatlichen Gewaltmonopols. Diesen in den Wettbewerb unter den Ländern zu stellen, halten wir nicht für vernünftig.
Das gleiche gilt für den Umgang mit pflegebedürftigen Menschen, wenn wir etwa über Heimrecht reden. Wir haben Bedenken fachlicher Art, was die Regelungen im Umwelt- oder Bildungsbereich angehen. Denn wir glauben, dass dies im Zweifelsfall nachteilige Folgen für unser Land hat.
Wir haben insbesondere - das habe ich hier mehrmals vorgetragen und auch öffentlich gesagt - Bedenken, dass die Übertragung der Besoldung und Versorgung von Beamten dazu beiträgt, dass wir in die Kleinstaaterei zurückfallen, die wir doch eigentlich nicht haben wollen. Wir erschweren die Mobilität, wir bauen neue Bürokratien auf und wir stärken nicht gerade unser Bekenntnis zum Flächentarifvertrag und zur Tarifautonomie im öffentlichen Dienst, wenn wir dieses tun.
nen fachlichen Teilen rüber -, dass wir zu einer Finanzverteilung kommen, die die schwächeren Länder zusätzlich benachteiligt oder - ich denke hier an die EU-Sanktionszahlungen - gar in die Haushaltsnotlage treibt. Wir wollen nicht mehr Bundesländer wie Bremen, Saarland und Berlin. Wir wollen vielmehr aus eigener Kraft mithalten können.