Protocol of the Session on February 24, 2006

Dass Fremdsprachenkenntnisse, in der deutsch-dänischen Grenzregion nicht zuletzt Dänischkenntnisse, nach der Schule die Berufschancen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern steigern, dürfte mittlerweile eine Binsenweisheit sein. Ich kann auf die vor kurzem durchgeführte Veranstaltung der IHK Flensburg und auf den Aktionstag Region Schleswig-Sønderjylland zur dänischen Sprache unter der Schirmherrschaft des Landtagspräsidenten verweisen. Der Aktionstag zeigte, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Es gibt noch genug zu tun, erst recht im schulischen Bereich. Dies möchte ich hervorheben. Dazu hatte ich eine Kleine Anfrage gestellt. Auch diese belegt es.

(Anke Spoorendonk)

Fremdsprachenunterricht in der einen oder anderen Form wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen; davon bin ich überzeugt. Es ist besonders wichtig, wie die begrenzten öffentlichen Ressourcen eingesetzt werden. Die Ausweitung bilingualer Bildungsangebote steht für den SSW dabei nicht unbedingt an erster Stelle. Viel wichtiger ist für uns - da bin ich dann doch bei dem Punkt Bildungsgerechtigkeit und PISA angelangt -, wie ein didaktisches Gesamtkonzept aussieht, ein Gesamtkonzept, das auch Antworten auf die schwierigen Fragen hinsichtlich des muttersprachlichen Unterrichts für Kinder mit Migrationshintergrund geben muss.

Nicht hinnehmbar ist für uns ein Modell, das zu einer Reduzierung der Zahl der Deutschstunden führt. Die frühe Begegnung mit einer Fremdsprache ab Klassenstufe drei darf mit anderen Worten nicht mit größeren Niveauunterschieden hinsichtlich des Lesen- und Schreibenlernens in den ersten Klassen erkauft werden. Wir werden also genau hingucken, wenn mit dem neuen Schulgesetz zu Papier gebracht worden ist, wie sich die Landesregierung einen zukunftsweisenden Fremdsprachenunterricht vorstellt.

Zu den vorliegenden Anträgen: Ich gehe davon aus, dass in der Sache entschieden werden soll; ich habe wenigstens nichts anderes vernommen. Wir werden uns bei dem FDP-Antrag der Stimme enthalten, weil wir den Antrag nicht als ein Entweder-oder aufgefasst haben, sondern als eine Ergänzung. Wir werden aber letztlich dem Antrag von CDU und SPD zustimmen.

(Beifall bei SSW, CDU und SPD)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Mir liegen jetzt drei Wortmeldungen für Kurzbeiträge vor. Ich neige aber dazu, zunächst der Ministerin das Wort zu erteilen, dann kann das vielleicht einbezogen werden.

Frau Bildungsministerin, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Ich bitte um Entschuldigung; ich bin nicht besonders gut zu verstehen. Aber ich gebe mir Mühe. Vielleicht kann das Mikrofon etwas hochgefahren werden. Dann kann ich leiser sprechen.

Meine Damen und Herren, ich will einmal das ganze politische Geplänkel weglassen. Ich will auch

die grundsätzlichen Ausführungen über den Wert des frühen Fremdsprachenlernens nicht wiederholen. Das ist hier in guter Weise von allen Vorrednern gesagt worden, und das teile ich auch.

Ich will zunächst noch einmal darauf hinweisen, dass wir jetzt mit der Einführung von EnglischFachunterricht ab Klasse drei mit jeweils zwei Stunden wöchentlich einen großen Qualitätssprung vor uns haben. Schon das bedurfte einer erheblichen Vorlaufphase. Es bedurfte nicht nur der zusätzlichen Stellen, die wir jetzt Gott sei Dank dafür haben, sondern auch einer guten Vorbereitung und sehr viel Behutsamkeit, mehr, als es sich vielleicht diejenigen gedacht haben, die das in den 90er-Jahren vorangebracht haben.

Parallel zu dieser Entwicklung gibt es an etlichen öffentlichen Schulen des Landes seit mehr als zehn Jahren bilingualen Unterricht. Ich will noch einmal definieren, was darunter - bisher jedenfalls verstanden worden ist. Bilingualer Unterricht an unseren Schulen heißt Unterricht in einem Sachfach oder maximal zwei Sachfächern, in der Regel in den Fächern Geografie oder Geschichte. Ich habe mir schon vor zwei, drei Jahren solch einen Unterricht an einer Realschule und auch an einem Gymnasium angeschaut. Das sieht so aus, dass weite Teile des Unterrichts auf Englisch erteilt werden, aber immer wieder ins Deutsche gewechselt werden muss, um den Schülern die Fachbegriffe zu vermitteln. Das ist natürlich unerlässlich. Wenn man Fachbegriffe nur noch auf Englisch vermitteln würde, dann hätten viele Schüler einen Nachteil, wenn sie etwa die Schule wechselten. Das gilt auch für Mathematik. Wenn man sich vorstellt, jemand mit Englisch als Schulfach oder gerade noch als Studienfach sollte jetzt Mathematik unterrichten, ohne deutsche Begriffe zu benutzen, das muss ja schief gehen.

Ich sage das, Herr Hentschel, um klarzumachen, was wir bisher unter bilingualem Unterricht verstanden haben. In der Regel fand das in der Sekundarstufe I statt. 20 Gymnasien, Herr Dr. Klug, sind es inzwischen, ferner zwei Gesamtschulen und acht Realschulen, die über solche bilingualen Angebote in englischer Sprache verfügen. Darüber hinaus gibt es an ungefähr 20 Gymnasien noch bilinguale Unterrichtsmodule, die in den Sekundarstufen I und II eingesetzt werden. Das soll übrigens in der Profiloberstufe verstärkt werden.

Die beiden Varianten haben eine deutliche Dominanz der englischen Sprache. Das Carl-JacobBurckhardt-Gymnasium in Lübeck bietet als einzige Schule französischen Fachunterricht im Rahmen einer Gruppe an, die auf das französische Abitur

(Anke Spoorendonk)

„Abibac“ hinführt. Selbstverständlich gibt es auch bilingualen Unterricht in einem besonderen Sinne an den dänischen Schulen im nördlichen Landesteil.

Gerade weil der Stellenwert von Mehrsprachigkeit erwiesen ist und weil erwiesen ist, dass frühes Fremdsprachenlernen nicht nur die Sprachkompetenz in der anderen Sprache, sondern auch in der Muttersprache fördert, wünschen sich verschiedentlich Eltern und Schulen, dass diese bilingualen Angebote auch jüngeren Schülern zur Verfügung gestellt werden, möglichst schon in der Grundschule, und manche wünschen sich das schon in den Kindertagesstätten. Ich betone aber: Es ist ein Unterschied, ob man in Kindertageseinrichtungen sozusagen den Vormittag mit allem, was da geschieht, bilingual gestaltet, oder ob man in der Schule im Unterricht nach Lehrplan auf Englisch unterrichtet. Das ist ein Unterschied. Das sollten wir uns von den Anforderungen her, die an die Lehrkräfte gestellt werden - nicht nur an die Kinder, sondern auch an die Lehrkräfte -, immer wieder deutlich machen.

Das gibt es also künftig in der Grundschule in einer Form, die es bei uns an den weiterführenden Schulen noch gar nicht gibt. Auch darauf will ich hinweisen.

Was an der Grundschule Altenholz gemacht und erprobt worden ist, auch in Heide, findet bisher noch keine Entsprechung an den weiterführenden Schulen. Wenn wir jetzt in den Grundschulen mit komplett bilingualem Unterricht anfangen, dann müssen wir uns darauf einstellen, dass dies natürlich in irgendeiner Weise auch an den weiterführenden Schulen aufgegriffen werden muss, und zwar nicht nur an den Gymnasien.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Es kann nicht sein, dass wir das nur auf die Gymnasien beziehen.

In Heide - darauf ist hier hingewiesen worden - ist ohne besondere zusätzliche Förderung und Begleitung durch das Land etwas Ähnliches entstanden wie in Altenholz. Dort wird ein Zug komplett bilingual unterrichtet. Das soll auch so bleiben dürfen, solange - das muss ich immer wieder einschränkend sagen - die entsprechenden Voraussetzungen, was die Lehrkräfte dort betrifft, vorhanden sind. Diese Sache hatte ich im Bildungsausschuss nicht präsent. Ich bitte um Entschuldigung; das hätte ich natürlich wissen können. Alles kann man aber nicht immer präsent haben.

Es gibt nun an weiteren Stellen im Land Interesse an derartigen Angeboten an den Schulen. Das ist auch gut so. Eltern haben natürlich genau das erkannt und viele Eltern haben den Ehrgeiz, ihren Kinder möglichst früh Fremdsprachen zu vermitteln. Sie haben gute Angebote in Kindertagesstätten erlebt, wie in Pinneberg. Aber da endet natürlich die Eigenverantwortung der Schulen, Herr Hentschel. Wir sind als Land auch in der Pflicht, die Qualität des Unterrichts an den Schulen sicherzustellen, und zwar an jeder einzelnen Schule.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Da muss auch immer gefragt werden: Was geschieht danach? Wie geht es weiter? Lehrkräfte müssen qualifiziert werden. Es muss Sorge dafür getragen werden, dass die Kinder keine Nachteile haben, und zwar egal welches Kind, ob im Mathematikunterricht, im Heimat- und Sachunterricht, und natürlich erst Recht in der Rückwirkung auf das Fach Deutsch. Das muss auch nicht sein. Deswegen empfehlen wir, bilingualen Unterricht wenn er denn gewünscht wird - vor Ort durchaus schon ab Klasse eins, vorrangig aber in der Form, wie er in der Sekundarstufe I üblich ist, wo wir auch selbstverständlich einen Anschluss haben.

Ein gutes Modell ist das Konzept der MuhliusSchule, wo auch für Anschluss gesorgt ist, wo schon in der ersten Klasse klar ist, dass das nach dem vierten Schuljahr irgendwie weitergeht. Für deren Modell hat sich inzwischen auch die CarlEitz-Schule in Pinneberg entschieden, also Heimatund Sachunterricht bilingual plus zusätzliche Angebote in Englisch. Ein entsprechender Antrag liegt dem Schulamt jetzt vor. Da geht es nicht etwa um Angst oder so etwas - ein solcher Zwischenruf kam ja -, da geht es auch nicht um schlichte Eigenverantwortung. Ich sage noch einmal: Es geht um die Qualität, die dort wirklich gesichert sein muss.

Gute Beispiele machen Schule; das ist klar. Wir haben uns entschlossen, eine Richtlinie für bilingualen Unterricht zu machen, damit die Voraussetzungen für diejenigen klar sind, die solche Überlegungen anstellen.

(Beifall)

Die Grundschule ist und bleibt eine Schule für alle. Das ist der erste Punkt, und das muss auch in einer solchen Richtlinie klar sein. Die Einrichtung von bilingualen Zügen darf keine Vorverlegung der Auslese in die Grundschule zur Folge haben. Dazu habe ich hier nichts gehört; das wundert mich ein bisschen. Wir dürfen nicht schon in der ersten Klas

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

se der Grundschule Angebote machen, die sich exklusiv nur für einen Teil der Kinder eignen.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Die Angebote sollen offen sein, für alle Kinder zugänglich. Modelle, die etwa Englisch in sämtlichen Fächern, natürlich außer in Deutsch, anbieten wollen, erfordern ganz besondere Sorgfalt bei der Planung und bei der Durchführung, damit die Unterrichtsqualität für alle Kinder gesichert ist. Das gilt für diejenigen, die bilingual unterrichtet werden, und auch für die anderen.

Ich halte dieses Modell, sozusagen in allen Fächern außer in Deutsch bilingual zu unterrichten, für den absoluten Ausnahmefall. Das muss ich Ihnen ganz klar sagen, weil dafür im Land in der Regel schlicht die Voraussetzungen fehlen. Wir sollten in dieser Debatte auch nicht den Fehler machen, bei den Betroffenen falsche Erwartungen zu wecken.

Woher sollen wir die Lehrerinnen und Lehrer nehmen, die das in guter Qualität können? Ich möchte nicht, dass unsere Kinder von Lehrerinnen und Lehrern, die vielleicht ein gutes Schulenglisch haben oder Englisch als Fach studiert haben - das soll keine Diskriminierung sein -, plötzlich in den Fächern Mathematik, HSU und anderen auf Englisch unterrichtet werden. Es ist eine hohe Anforderung, das wirklich gut zu leisten.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Zweiter Punkt, der geregelt werden wird, sind die Vernetzung und die Anschlussfähigkeit. Sie müssen mit dem weiterführenden Schulangebot einer Region vernetzt sein, damit die Kontinuität des Fremdsprachenerwerbs gesichert ist. Aus fachlicher und aus pädagogischer Sicht ist es natürlich nicht sinnvoll, wenn ein einmal begonnener Fremdsprachenerwerb nicht fortgesetzt wird. Das ist auch das Argument in Pinneberg. Man sagt, dort ist ein Fremdsprachenerwerb begonnen worden, der soll nicht abreißen. Das Argument teile ich. Deshalb müssen wir eine gute Lösung finden. Ich glaube, wir werden sie jetzt auch finden.

Dritter Punkt: Der bilinguale Unterricht muss auf das Gesamtkonzept der jeweiligen Grundschule, auf den verbindlichen Englischunterricht und auf den integrativen Unterricht abgestimmt werden. Voraussetzung ist eine gute Ausstattung mit qualifizierten Fachkräften, die möglichst über Auslandserfahrung verfügen, jedenfalls deren fließende Sprachkenntnisse außerhalb jeder Kritik stehen müssen. Das ist eine Grundvoraussetzung.

Eine zusätzliche Personalzuweisung zulasten der Kinder, die den normalen Unterricht besuchen,

kann es dafür nicht geben. Ohnehin haben die Lernfortschritte in den Basiskompetenzen Lesen und Rechnen auf jeden Fall oberste Priorität.

(Beifall der Abgeordneten Heike Franzen [CDU] und Anke Spoorendonk [SSW])

Damit wir qualitätvolle und vernetzte bilinguale Angebote im Sinne einer solchen Richtlinie gewährleisten können, müssen solche Konzepte in Zukunft natürlich genehmigt werden und regelmäßig evaluiert werden. Auch das ist wichtig. Welche Erfahrungen machen wir in der Grundschule mit solchen Angeboten? Das soll nicht in dem Maß evaluiert werden, wie dies in Altenholz mit der Evaluation eines Modellversuchs geschehen ist. Aber es soll regelmäßig überprüft werden, was dort geschieht.

Es ist gut, dass wir in Zukunft ab Klasse drei mit einem Englischunterrichtes, der ohnehin darauf aus sein wird, modularisiert zu werden, fächerübergreifende Elemente zu enthalten, ein gutes und verlässliches Angebot haben. Da, wo wir es können und wo es gewollt ist und wo es den Anforderungen entspricht, die ich eben genannt habe, kann es auch weitergehende Möglichkeiten geben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Frau Ministerin. - Ich rufe jetzt die Kurzbeiträge auf. Zu einem Kurzbeitrag hat sich Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will es noch einmal deutlich machen: Natürlich sind wir immer davon ausgegangen, dass das bilinguale Konzept auf längere Sicht ein nur an einigen Standorten bestehendes Angebot bleiben wird, also sozusagen nicht die Standardvariante sein kann. Dazu sind die Ressourcen, was qualifizierte Lehrkräfte anbetrifft, wirklich nicht ausreichend. Aber es muss doch einen vernünftigen Mittelweg geben können. Man kann doch auch nicht behaupten, in Altenholz gebe es an der Claus-Rixen-Schulen so exzeptionelle Voraussetzungen, so außergewöhnliche Rahmenbedingungen, wie sie sonst nirgendwo auf der Welt bestehen, und nur dort könne das gemacht werden. Es muss doch einen vernünftigen Mittelweg geben.

Deshalb finde ich es gut, dass Sie, Frau Ministerin, mit einer Rahmenrichtlinie für bilinguale Konzepte sozusagen eine Basis dafür schaffen, dass wir die Vernetzung vom Elementarbereich Kindergarten über den Primarbereich Grundschule hin in den

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

Bereich der weiterführenden Schulen erreichen können. Das ist genau das, was ich erreichen will. Das steht in unserem Antrag. Wenn man das nicht erreicht, hätte man - Herr Kollege Höppner - den bunten Flickenteppich, von dem ich seinerzeit gesprochen habe, einmal an diesem Standort etwas im Kita-Bereich, hier einmal etwas an jenem Standort nur im Bereich der Sekundarstufe I. Wie gesagt, die Vernetzung ist das Entscheidende. Dann muss man sich vor Ort um die Voraussetzungen bemühen.

Anke Spoorendonk, ich habe nie davon gesprochen, dass das nur auf Englisch geht. Unser Antrag ist in dieser Absicht absolut neutral formuliert