Wer sich mit der demographischen Entwicklung beschäftigt, stellt schnell fest, dass es noch eine Reihe ungelöster Baustellen gibt. Es handelt sich um viele Probleme, die wir abarbeiten und lösen müssen. Die sozialen Sicherungssysteme - ich nenne Rente, Gesundheit und Pflege - gehören ebenso dazu wie Fragen des Arbeitsmarkts und des ehrenamtlichen Engagements.
Der vom Sozialausschuss beschlossene Antrag von CDU und SPD fordert, dass die Landesregierung einen Bericht zum Thema „Wohnen im Alter“ ausarbeitet. Dabei haben SPD und CDU selbst die Schnittstelle zur Pflege aufgenommen. Denn der von Ihnen, meine Damen und Herren, eingeforderte Bericht soll auch aufzeigen, wie eine Verbindung von Wohnen und Pflege sowie Service für ältere Menschen realisierbar ist. Wo ist der Dissens?
Meine Fraktion wollte gemeinsam mit FDP und SSW, dass der Berichtsantrag in dem von Ihnen angesprochenen und schriftlich niedergelegten Sinne um weitere Fragestellungen ergänzt wird, damit weitere zentrale Bereiche zur Wohn- und Pflegesituation in einem Bericht zusammengefasst werden. SPD und CDU lehnen dies unverständlicherweise ab und stellen stattdessen heute einen weiteren Berichtsantrag zum selben Thema mit der Überschrift: Selbstständiges Leben und Wohnen bei Pflege und Betreuungsbedarf.
Die Landesregierung soll nun zwei Berichte erstellen, einen zur 12. und einen zur 15. Tagung. Welch eine Verwaltungsvereinfachung, welch eine Entbürokratisierung und welche Selbstbeschäftigung des Parlaments, meine Damen und Herren!
Aber deutlich geworden ist auch: Es ist inhaltlich falsch, die Bereiche „Wohnen im Alter“ und „selbstständiges Leben bei Betreuungsbedarf“ derart künstlich voneinander zu trennen. Herr Garg hat darauf hingewiesen. Selbst in Ihren Reden haben Sie es nicht geschafft, die Bereiche zu trennen, sondern Sie haben sie vernetzt abgehandelt. Diese beiden Lebensbereiche gehören zusammen. Sie gehen ineinander über. Sie brauchen ein abgestimmtes und vernetztes Konzept. Schade, dass wir uns darauf nicht haben verständigen können.
Es geht darum, dass zukünftig Wohnen im Alter so organisiert wird, dass Menschen, die in ihrem Haus oder ihrer Wohnung alt werden wollen, dies auch können. Die meisten Menschen möchten auch im hohen Alter und bei Pflegebedürftigkeit in ihrem vertrauten Umfeld, in ihrem Stadtviertel, bei ihren Freunden und der Familie, in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Dafür brauchen wir ein abgestimmtes Konzept, welches es ermöglicht, dass Pflegebedarf und Dienstleistungsbedarf Schritt für Schritt hinzugebucht werden können und, wie Herr Garg so schön sagte, auch nur dann bezahlt werden, wenn sie hinzugebucht werden. Hier geht es also darum, am Lebensort zu bleiben, nicht umziehen zu müssen, sondern das vertraute soziale Umfeld zu behalten.
Aktuelle Umfragen wie der Altenpflegemonitor zeigen uns diesen aktuellen Bedarf auf. Kaum einer will freiwillig in eine traditionelle Pflegeeinrichtung gehen. Pflegebedürftigkeit löst noch immer Ängste aus.
Aber es gibt auch immer mehr Menschen, die sich schon frühzeitig auf ihre veränderte Lebenssituation einstellen, indem sie nach neuen Wohn- und Lebenskonzepten suchen, solange sie selbst noch fit sind und ihre Lebensgestaltung mitbestimmen können. Sie suchen einen Weg, um Eigenständigkeit mit einer neuen Lebensgemeinschaft zu kombinieren, um Aktivität und Hilfebedürftigkeit aufeinander abzustimmen.
Nehmen wir diese Ansprüche und Wünsche ernst, so müssen wir neue Wohnformen mit vorhandenen Hilfsangeboten vernetzen. Wohngemeinschaften für Demente sind ein gutes Beispiel dafür, wie neue
Wir erwarten von den Berichten der Landesregierung, dass sie den aktuellen Bedarf aufzeigen und Vorschläge machen, wie eine vernetzte Planung von Wohnen und Pflege im Alter aussehen kann, wie Wohnen im Alter in Schleswig-Holstein optimal gelöst werden kann.
Ich möchte an dieser Stelle auch noch auf das Heimrecht eingehen. Eine Diskussion an dieser Stelle können wir nicht führen, ohne auf die von der Föderalismuskommission beziehungsweise von CDU und SPD geplanten Veränderungen hinzuweisen.
Wenn das Heimrecht - wie jetzt von CDU und SPD geplant - auf die Länderebene übergeht, droht ein Abbau von Standards. Meine Fraktion hält das für grundverkehrt. Das Heimrecht ist es, welches sichert, dass wir in allen Bundesländern die gleiche Lebensqualität in Bezug auf Heimpflege haben. Das ist richtig und notwendig. Ein Sozialdumping nach unten darf es hier nicht geben.
Pflege darf nicht danach ausgerichtet sein, ob die Landeskasse leer ist oder nicht. Denn die Pflegeversicherung und das selber Ersparte reichen oft nicht aus. Selbst reiche Bundesländer haben bereits angekündigt, die Standards zu reduzieren. Baden-Württemberg will die Fachkraftquote von derzeit 50 auf 33 % senken. Bayern will ebenfalls erhebliche Einschränkungen machen.
Wer aus fachlicher Sicht über Pflegequalität diskutiert, kommt zu komplett anderen Ergebnissen. Er erkennt die Notwendigkeit der Veränderung der Pflegeversicherung. Gerade auch mit geschulten Pflegehelferinnen müssen wir dazu beitragen, dass am Wohnort die Qualität der Pflege gegeben ist. Damit meine ich den hinzugebuchten Service.
Wir haben neulich über die Ausbildung in Altenpflegeschulen diskutiert. Die Landesregierung hatte zugesagt zu versuchen, ein Konzept zu erstellen, damit keine Altenpflegeschule schließen muss. Soeben erreichte mich ein Anruf aus Norderstedt, in dem eine Schule mitteilte: Wenn zwei Drittel der Plätze wegfallen - das ist die aktuelle Zahl -, muss die Schule geschlossen werden. Ich glaube, dass wir damit nicht auf dem richtigen Weg sind, uns auf die demographische Entwicklung einzustellen. Insofern müssen wir das Thema erneut miteinander beraten. Denn qualitativ gute Fachkräfte gewährleisten, dass ein Leben im Alter auch zu Hause mög
Insbesondere neue Wohnformen wie Haus- und Wohngemeinschaften können die gewünschte Eigenständigkeit und die Selbstbestimmung alter Menschen sicherstellen.
Lassen Sie uns vernetzt und ganzheitlich denken und handeln. Was in der Praxis nicht voneinander zu trennen ist, sollten wir auch in der Theorie nicht trennen. Lassen Sie uns einen umfassenden Bericht von der Landesregierung einfordern und nicht zwei Berichte. Lassen Sie uns zu diesem Thema nur eine Debatte führen, nicht eine in der 12. und eine zweite in der 15. Tagung. Mit einer vernetzten Debatte würden wir dem Thema gerecht und den alten Menschen einen guten Orientierungsleitfaden geben, mit dem zusammengefasst wird, was zusammengehört.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie sind alte Menschen? - Einerseits sind sie aktiv, andererseits manchmal auf Hilfe angewiesen. Die bunte Wirklichkeit erkennen auch wir als Politiker meistens erst, wenn wir uns selber der magischen Altersgrenze von 60 Jahren nähern. Warum sollte das anders sein als bei den Vorstellungen, die Jugendliche über Erwachsene haben! Erst wenn man selber zu den früher verhüllten Gruftis gehört, weiß man, wie verkehrt man damals gelegen hat.
Den Selbsterfahrungstrip können wir uns leider nicht leisten. Wir müssen heute Entscheidungen für Strukturen treffen, die mittelfristig Bestand haben. Darum ist es so wichtig, dass wir genau hinschauen und nachfragen, nachfragen vor allen Dingen bei denen, die heute schon betroffen sind und meist aus eigener Erfahrung mehr wissen als der eine oder andere von uns. Im Altenparlament wurden die Zahlen vorgelegt: In den nächsten 40 Jahren wird der Bedarf an speziellen Altenwohnformen um zwei Drittel steigen.
Immer weniger Menschen leben in einem funktionierenden sozialen Netz, das sie im Falle der zunehmenden Pflegebedürftigkeit unterstützen kann. Sie sind auf Hilfe von außen angewiesen. Diese wird
seit Jahren im Land sehr professionell erbracht. Doch der Erfolg hat einen Fluch. Nur noch bei sehr starker Pflegebedürftigkeit zieht ein alter Mensch ins Heim, oft um dort nach wenigen Monaten zu versterben. Kein sehr einladender Ort, auch nicht als Arbeitsplatz für das Pflegepersonal. Die wenigsten Bewohner ziehen gern in ein Pflegeheim. Das hören wir immer wieder, wenn wir das Altenparlament hier zu Gast haben.
Doch wie sehen die Alternativen aus? Darüber ist auch in der Öffentlichkeit nur wenig bekannt. Das Altenparlament fordert seit Jahren mehr Informationen über die Alternativen. Aber vor allem fordert das Altenparlament die Förderung alternativer Wohnangebote. Dazu zählen zum Beispiel genossenschaftliche Modelle des Zusammenlebens oder Alterswohngemeinschaften. Bevor es also richtig zwackt und zwickt, zieht man mit Gleichgesinnten in eine Gemeinschaft.
Das Altenparlament hat hier im Landeshaus vor nicht einmal einem halben Jahr Landesregierung und Wohnungsbauträger aufgefordert, zusammen mit Interessierten das Entstehen von Hausgemeinschaften zu fördern. Es gibt prominente Vorreiter: So wohnen, liebe Sozialdemokraten, der ehemalige Bürgermeister Henning Scherf und seine Frau Luise seit 17 Jahren in einer solchen Hausgemeinschaft. Laut einer Umfrage möchte jeder dritte Deutsche mit gleichaltrigen Freunden alt werden und es ihnen gleich tun. Geben wir ihnen die Chance dazu.
Das bedeutet einen Tabubruch, denn noch immer höre ich in vielen Diskussionen, allerdings vorwiegend von Jüngeren: „Einen alten Baum verpflanzt man nicht.“ Menschen sind aber keine Bäume. Die Realität sieht inzwischen so aus: Jeder zweite Mieter zieht zwischen dem 55. und 75. Lebensjahr noch einmal um, meistens in eine Wohnung, die seinen Bedürfnisse eher entspricht: ebenerdig, kleiner und zentraler gelegen.
Das mittlere Eintrittsalter für das betreute Wohnen liegt bei 78 Jahren. Das ist eine Wohnform, bei der eine selbständige Wohnung erhalten bleibt, aber Betreuung und Unterstützung im Bedarfsfall dazugekauft werden können.
Diese Wohnform wird auch von Häuslebauern zunehmend entdeckt. Denn die Neubaugebiete der 70er- und 80er-Jahre waren auf manches ausgerichtet, aber nicht auf ältere Menschen. Barrierefreiheit und Altengerechtigkeit spielten bisher in der Bauleitplanung keine Rolle und wir haben erst einige zarte Ansätze, was die Erstellung von altengerechten Baugebieten angeht.
Aber auch Eigenheimbesitzer haben beim Neubau kaum an ihre sich wandelnden Bedürfnisse gedacht. Hier brauchen wir noch viel mehr Informationen für Eigenheimbauer, aber gerade auch für unsere Kommunalpolitiker. Wenn sie 70 Jahre alt werden, müssten sie eigentlich das Haus umbauen. Ein barrierefreies Badezimmer und eine bequemere Treppe stehen ganz oben auf der Liste. Man arrangiert sich dann aber mit den Verhältnissen, die man sich selber geschaffen hat. Denn die wenigsten wissen um die vielen Möglichkeiten, die es tatsächlich dann noch gibt: Betreutes Wohnen, Wohnstift, selbst organisierte Wohngemeinschaften, um nur einige zu nennen. Ältere Menschen und ihre Familien denken in der Regel nur dann über Wohnalternativen nach, wenn die Wohn- und Lebenssituation sich rasch geändert hat und das Leben geändert werden muss, also, wenn sich die Hilfebedürftigkeit ankündigt oder schon nach einem häuslichen Sturz oder einem Schlaganfall tatsächlich eingetreten ist. Dann muss alles ganz schnell gehen und man landet unversehens da, wo man eigentlich nie hin wollte. Zeitdruck ist eben ein schlechter Ratgeber.
Das gilt auch für die politischen Entscheider. Wir brauchen solide Informationen über die Strukturen, die Vernetzungen, aber nicht zuletzt auch über die Maßnahmen, die bereits im Bereich des altengerechten Wohnens getroffen wurden. Die Zahl der Alten wächst, und Schleswig-Holstein wird für viele zum Alterswohnsitz. Großstädter zieht es geradezu in den hohen Norden wegen der frischen Luft und der noch relativ entspannten Immobilienpreise. Umgekehrt verheißt das auch gute Geschäfte: Die Sozialimmobilie boomt. Menschen an der Schwelle des Alters werden mit komfortablen Wohnangeboten gelockt, die auch bei Pflegebedürftigkeit einen Rundum-Service versprechen, oftmals allerdings zu einem teuren Module-Preis. Hier gibt es bislang weder eine richtige Kontrolle noch ein Gütesiegel, an dem sich Wohnungskäufer orientieren könnten. Es wird höchste Zeit, dass die Landesregierung so etwas in Angriff nimmt.
Die große Koalition hat sich in einen relativ weichen Berichtsantrag verbissen. Ich verstehe nicht, dass wir so ausgiebig darüber reden. Das Anliegen der Opposition ist doch ohne Zweifel berechtigt, nämlich gerade in diesem Wachstumsmarkt genauer hinzuschauen.
Unser Ansatz geht, wie bei den Grünen und der FDP, weiter. Wir wollen, dass neben den allgemeinen Wohnformen vor allem auch der Bereich der Pflegebedürftigkeit mit abgedeckt wird. Damit wollen wir nicht die ältere Generation stigmatisieren oder das ganze Thema nur einseitig betrachten,
sondern wir wollen, dass die größten Probleme, die zweifellos bestehen, auch gelöst werden können. Die größten Probleme entstehen immer dann, wenn Pflegebedürftigkeit entsteht.
Wenn Pflegebedürftigkeit entsteht, fehlt oft die Zeit, ruhig und abwägend handeln zu können. Wenn Pflegebedürftigkeit entsteht, fällt einem erst auf, dass das eigene Haus und die vielen Baugebiete nicht altengerecht und barrierefrei sind. Wenn Pflegebedürftigkeit entsteht, merkt man erst, wie weit weg oft die Leistungserbringer sind und wie schwierig es ist, die grundlegendsten logistischen Probleme bewältigen zu können. Wenn Pflegebedürftigkeit entsteht, erkennt man erst, welche immensen Belastungen auf die Familie und den Freundeskreis zukommen. Wenn Pflegebedürftigkeit entsteht, haben die Betroffenen Probleme, die so gravierend sind, dass sie einer besonders intensiven Betrachtung bedürfen. Deshalb wollen wir und die Grünen und die FDP hier diesen weitergehenden Ansatz verfolgen.
Gerade weil das Thema mit vielen Politikbereichen stark vernetzt ist, sollten wir anhand solider Daten weiter beraten. Dem SSW geht es eben nicht nur um „Unterstützung“ und „Forderungen“, über die sich die Regierungsfraktionen unterrichten lassen wollen. Es geht um ganz konkrete Maßnahmen und deren zeitliche Festlegung. Erst wenn wir wissen, welche Erfahrungen im stationären Bereich vorliegen, können ergänzende und alternative Wohnformen entwickelt und angeboten werden. Erst wenn wir wissen, wie auch der ländliche Raum in die Konzepte eingebunden werden kann, können wir ein Gesamtkonzept für das Land entwickeln. Wir wollen, dass die Landesregierung konkret handelt und endlich einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der konkret ist und mit den Interessenvertretungen der Betroffenen abgestimmt ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das ist genau das, was wir regelmäßig auch vom Altenparlament hören.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Frau Abgeordnete Jutta Schümann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei aller Einigkeit, die wir sonst bei sehr vielen sozialen und gesundheitspolitischen Themen haben, an dieser Stelle sind wir nicht beieinander; das ist
deutlich geworden. Wir haben schon im Sozialausschuss diese Diskussion geführt. Ich möchte sie hier wiederholen, damit auch die übrigen Kollegen nachvollziehen können, weshalb wir da unterscheiden.
Wir unterscheiden zwischen Wohnen im Alter und einer ambulanten Betreuung deshalb, weil wir sagen: Die demographische Entwicklung führt dazu, dass wir zukünftig zunehmend fitte ältere Menschen haben, die in einer eigenen Wohnung älter werden wollen, die aber durchaus auch möglicherweise Veränderungen in ihrer eigenen Biografie haben, nämlich Tod eines Angehörigen, die auch Umzugswünsche haben.
Wir müssen auf diese neue Situation von älter werdenden Menschen, die noch fit sind, reagieren. Wir sind der Auffassung, dass im Quartier zum Teil Wohnraumanpassungen erfolgen müssen. Wir müssen sehen, ob unsere Innensstädte und die herkömmlichen Wohnstrukturen überhaupt noch geeignet sind, um dem Älterwerden in der Gesellschaft gerecht zu werden.
Gleichermaßen sagen wir: Natürlich brauchen älter werdende Menschen auch Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, aber nur dann, wenn diese Situation auch tatsächlich eintritt, und nicht schon im Vorfeld.