Protocol of the Session on February 23, 2006

Auch wenn die meisten Menschen im Alter ihre vertraute Umgebung eigentlich nicht mehr verlassen möchten, so zieht laut einer Untersuchung der Schader-Stiftung die Hälfte aller 55-jährigen Mieter bis zu ihrem 75. Lebensjahr noch einmal um. Wohnungen werden nach dem Auszug von Kindern oder auch dem Tod des Lebenspartners oder der Lebenspartnerin zu groß, Treppen bilden Barrieren, die nur noch schwer zu überwinden sind, schlechtere individuelle Mobilität erfordert bessere Nahversorgungsangebote.

Das Spektrum an Wohnalternativen fürs Alter ist immer noch relativ beschränkt. Neue, quartiersbezogene Wohnkonzepte stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung. Immer mehr ältere Menschen interessieren sich für gemeinsame Wohnformen, sei es das Zusammenleben mit anderen älteren Menschen oder auch gemeinsames Leben mehrerer Generationen, bei dem die einen von den Fähigkeiten der anderen profitieren, man sich gegenseitig unterstützt und hilft. Aber gibt es genügend Unterstützung, um solche Wünsche auch zu realisieren?

Leider erreichen Informationen über Wohn- und Unterstützungsmöglichkeiten ältere Menschen häufig erst dann, wenn rasch etwas an der Wohn- und Lebenssituation geändert werden muss. Wie kann diese Situation verbessert werden?

Dass das Thema „Wohnen im Alter“ die älteren und alten Menschen in unserem Land beschäftigt, machte auch die Tagung des 17. Altenparlaments im Herbst 2005 deutlich. In vielen Anträgen und Diskussionsbeiträgen setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für alternative Wohnformen zum Wohnen im Heim oder betreutem Wohnen ein. An die Landesregierung wurde die Bitte gerichtet, Informationen über solche alternative Wohnformen zur Verfügung zu stellen, aber auch die Beratung über Angebote des betreuten Wohnens zu verbessern.

Die SPD-Landtagsfraktion hat das Thema aufgenommen und in einem Gespräch mit dem Landesseniorenrat vertieft. Mit dem nun vorliegenden Berichtsantrag möchten wir speziell auf die Gegebenheiten in Schleswig-Holstein bezogen Grundlagen für die weitere Beratung erhalten.

Wir möchten wissen, mit welchen ressortübergreifenden Strategien die Kommunen unterstützt werden, um den Lebens- und Wohnbedürfnissen der wachsenden Zahl älterer Menschen zu begegnen. Hier ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass solche Strategien für den ländlichen Raum andere sein müssen als für innerstädtische Gebiete.

(Siegrid Tenor-Alschausky)

Wir möchten wissen, wie der steigenden Nachfrage nach bezahlbarem altengerechtem Wohnraum nachgekommen werden kann. Wie können gezielt alternative, auch generationsübergreifende Wohnformen entwickelt werden? Wie ist ein möglichst langes selbst bestimmtes Wohnen für ältere Menschen und eine Verbindung von Wohnen und Pflege und Unterstützung im Haushalt zu realisieren? Gibt es in anderen Ländern Konzepte, an denen wir uns orientieren können?

Können gemeinsam mit den Kommunen Initiativen entwickelt werden, mit denen die sozialen Infrastrukturen des Landes angesichts des demographischen Wandels zukunftsfähig gestaltet werden können?

Die demographische Entwicklung, die glücklicherweise ständig steigende Lebenserwartung der Menschen zwingt geradezu zum Umbau unserer Städte und Gemeinden, zur qualitativen Anpassung der Lebensumwelt und der Wohnverhältnisse an die sich wandelnden Bedürfnisse.

Das Interesse an neuen Wohnformen, die einerseits die Nähe von Jung und Alt ermöglichen, andererseits längstmögliche Unabhängigkeit im Alter sichert, steigt.

Wohnen im Alter hat Zukunft. Diese Zukunft möchten wir Sozialdemokraten mitgestalten, zusammen mit anderen Akteuren, vor allem aber mit den älteren Menschen.

Wir freuen uns auf den Bericht der Landesregierung, den wir in der Mai-Tagung des Landtages diskutieren werden und dem sich sicher weitere vertiefende Diskussionen in den Ausschüssen anschließen werden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Frau Tenor-Alschausky. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin Siegrid Tenor-Alschausky, die Einzige, die hier Wohnen, Alter und Pflege auf das Problem Pflege reduziert hat, waren Sie, nämlich mit Ihrem Redebeitrag, ansonsten niemand, weder der Antrag noch die Vorredner. Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie viel Mühe sich der Kollege Torsten Geerdts und die Kollegin Siegrid Tenor-Alschausky gegeben haben, dieses Thema zu trennen, und dann redet Frau Kol

legin Tenor-Alschausky dauernd davon: Wohnen und Pflege so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden. Ja, herzlichen Glückwunsch, das wollen wir auch.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dann sagt der Kollege Geerdts: Serviceleistungen, ambulante, mobile Service-Leistungen wie zum Beispiel Essen auf Rädern nicht immer, aber bei Bedarf. Herzlichen Glückwunsch, das wollen wir auch! Das zeigt, dass man es eben doch nicht so trennen kann, wie Sie das uns hier glauben machen wollen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema „Wohnen im Alter“ hat einen sachlichen Hintergrund, den Sie geschildert haben, nämlich die demographische Entwicklung, und mir ist ganz erschreckend klar geworden, wir reden hier über eine Jahreszahl, zum Beispiel das Jahr 2030, wo dann auch ich zu der Personengruppe gehöre, über die wir heute reden. Das hat aber auch einen ganz emotionalen Hintergrund, lieber Kollege Geerdts, denn es geht um den Wohnraum, es geht um das Zuhause für eine immer größer werdende Bevölkerungsgruppe in unserem Land. Zuhause, das ist Geborgenheit, das ist zu wissen, wo man hingehört, das sind Menschen. Das ist nicht einfach eine kleine Wohnung oder ein Zimmer in einem Altenheim mit mehr oder weniger objektiver Wohnqualität. Genau deswegen waren wir der Meinung, dass man nicht künstlich trennen kann, was bei der Stadtentwicklungsplanung und bei der künftigen Wohnraumplanung von vornherein zusammengedacht werden sollte.

Nicht zufällig gehört daher das „Wohnenbleiben“ in einer angestammten Wohnung zu den am häufigsten geäußerten Wünschen älterer und alter Menschen und ihrer Angehörigen. Gerade wenn der Alltag beschwerlicher wird, sei es, dass die Mobilität nachlässt oder dass die kognitiven Fähigkeiten nachlassen, wird das Wohnen einmal mehr zu einer der mächtigsten Ausdrucksformen überhaupt von Selbstständigkeit und selbst bestimmter Lebensgestaltung.

Lieber Torsten Geerdts, selbstständige Lebensgestaltung, das gilt eben gerade auch für hilfe- und pflegebedürftige Menschen. Ich finde, auch an dieser Stelle wird deutlich, hier wird von Ihrer Seite etwas getrennt, was man in der Planung nicht trennen sollte.

(Siegrid Tenor-Alschausky)

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns mit den Perspektiven für das Wohnen im Alter auseinander setzen, dann ist das vor allem eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie man im Alter wohnen möchte. Das ist eine sehr persönliche Frage. Es geht um die Frage, wie wir bereits heute die Weichen stellen sollten, um zu guten Wohnbedingungen im Alter beizutragen.

Was heißt „Wohnen im Alter“ eigentlich? Heute ist ein Großteil der älteren Menschen zum Glück dank des medizinischen und technischen Fortschrittes sehr viel mobiler, sehr viel agiler, sehr viel fitter, als das noch vor 20 oder 30 Jahren der Fall war. „Alter“ ist heute eine Lebensphase, die gestaltet werden kann und die gestaltet wird und die selbstverständlich in vielfacher Weise durch persönliche Entscheidungen und Lebensbedingungen beeinflusst wird. „Wohnen im Alter“, das Thema zielt heute entscheidend auf ein ganz differenziertes Wohnangebot für unsere - ich formuliere es einmal ganz salopp - fitten Alten. Wenn ich mir meine Großmutter, die über 85 Jahre alt ist und zum Glück immer noch in ihrem Häuschen mit riesengroßem Garten lebt, ansehe, dann glaube ich schon, dass die beruhigt wäre zu wissen, was es für ambulante Strukturen beispielsweise in ihrem Umfeld gibt, um bei Bedarf, wie Sie das so schön formuliert haben, mobile Hilfsdienste in Anspruch nehmen zu können.

Ein differenziertes Altersbild darf aber nicht nur die Stärken des Alters, sondern muss aus unserer Sicht auch die Risiken dieses Lebensabschnitts berücksichtigen. Ich habe das im Ausschuss einmal dargestellt. Natürlich steigt die so genannte Pflegefalleintrittswahrscheinlichkeit exponentiell nach Erreichen des Alters von 80 Jahren an. Jede zweite Frau, die älter als 85 Jahre ist, ist pflegebedürftig, auch nach den Kriterien des SGB XI.

Ich bin damit bei den Stichworten Alter und Pflege, unter denen meine Fraktion ebenso wie die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW das Thema insgesamt, weil man es nicht künstlich trennen soll, beleuchtet wissen will. Ich will noch einmal ganz deutlich sagen, damit wir uns nachher nicht in Kurzbeiträgen wieder etwas vorwerfen müssen, was hier niemand gefordert hat: Wir wollen das nicht, weil FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder SSW das Thema „Wohnen im Alter“ auf Pflegebedürftigkeit reduzieren wollen, wie Union und SPD uns das möglicherweise im Ausschuss unterstellen wollen, nein, Wohnen im Alter und Wohnen bei Pflegebedürftig

keit sind miteinander verflochtene Themen, die es verdient haben, gemeinsam betrachtet zu werden.

Gerade weil Wohnen im Alter so wichtig ist, muss auch der Zusammenhang zwischen Alter und Pflegebedürftigkeit erlaubt sein. Das hat nichts mit politischer Korrektheit zu tun. Es muss meines Erachtens ausdrücklich geklärt sein, welche Unterstützungsmöglichkeiten beispielsweise bestehen, um den Lebens- und Wohnbedürfnissen der steigenden Zahl älterer und pflegebedürftiger Menschen gerecht zu werden. So lässt bislang die Ausstattung von Wohnungen, in denen pflegende Angehörige oder professionelle Helfer zu Hause die Versorgung eines älteren pflegebedürftigen Menschen gewährleisten können, immer noch zu wünschen übrig. Genau das wollen wir doch alle miteinander ändern. Wir können es aber nur ändern, wenn wir das Thema zusammen bearbeiten.

Zu meinem Verständnis von Wohnqualität im Alter gehört es auch, sich zumindest darüber Gedanken zu machen, dass persönliche Wertvorstellungen genauso wie Kostengründe dazu führen können, die private Wohnung als potenziellen Ort auch von Langzeitpflege im Alter, also bei Pflegebedürftigkeit, möglichst lange nutzen zu können, und man kann sie nur nutzen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen in dieser Wohnung geschaffen worden sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch völlig egal, ob für Kinderwagen oder Gehilfe, für gebrochenes Bein oder steifes Knie: Stufenlose Eingänge, breite Türen und bodengleiche Duschen erleichtern das Leben in jeder Lebensphase.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wie oft haben wir fraktionsübergreifend festgestellt, wenn wir über die Planungen für Menschen mit Behinderung geredet haben, dass es sehr viel mehr Sinn macht, sich von Anfang an darüber Gedanken zu machen, wie ich Lebensräume gestalte, wie ich Umwelt gestalte, wie ich unsere Innenstädte gestalte, sodass eine Teilhabe ganz selbstverständlich ist.

Es ist preiswerter, sich während der Planungsphase Gedanken darüber zu machen. Viele Dinge fallen einem dann auf, wenn man darüber nachdenkt. Wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist, muss teuer nachgerüstet werden. Ich finde es schade, dass an der Stelle die Chance verpasst wurde, hier eine Klammer zu machen, möglicherweise aus einem Grund, weil irgendjemand im Altenparlament gesagt hat: Altsein ist nicht gleich Pflegebe

(Dr. Heiner Garg)

dürftigkeit. Natürlich ist Altsein nicht gleich Pflegebedürftigkeit, zum Glück ist das so.

Ich finde schon, wenn wir hier über Fragen der Stadtentwicklungsplanung, wo Sie sich ja schon auf die Rede des Innenministers freuen, wenn wir über Fragen der Wohnraumgestaltung und Fragen, wie wir Schleswig-Holstein als attraktives Land auch für ältere Menschen weiterentwickeln wollen, reden, dann hätte das zusammengehört, dass wir uns insgesamt Gedanken darüber machen, welches Angebot wir älteren Menschen in Schleswig-Holstein für den Fall bieten, dass Pflegebedürftigkeit eintritt.

Es ist nicht so gekommen. Die Oppositionsfraktionen werden weiterhin am Ball bleiben. Wie bereiten wir unsere Innenstädte darauf vor, zum Zentrum von Miteinander, zum Zentrum von Begegnungen von Menschen mit Behinderung, von älteren Menschen, eines generationsübergreifenden Miteinanders zu werden? Wir werden ein Augenmerk darauf haben. Ich bin auch auf den Bericht des Innenministers gespannt, der in der Tat auch der Generation angehört, über die ich am Anfang gesprochen habe.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der demographische Wandel unserer Bevölkerungsstruktur ist in vollem Gange. Zahlen wurden genannt. Dieser Wandel war absehbar. Er wird erhebliche Auswirkungen auf die nächste und die übernächste Generation haben.

Die Bevölkerung in Deutschland schrumpft. Ihre Zusammensetzung verändert sich spürbar. Dass weniger Kinder geboren werden und die Menschen immer älter werden, führt zwangsläufig dazu, dass weniger Kinder und Jugendliche immer mehr älteren Menschen gegenüber stehen und diese irgendwann versorgen müssen.

Die letzten „Babyboomer“ durchlaufen jetzt die Erwerbsphase, um dann in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen. Und dann? Dann beginnt eine neue Lebensphase die jeder und jede von uns positiv gestalten und genießen möchte. Wir alle hoffen, noch einige Jahre bei guter Gesundheit zu sein, die materiellen Verhältnisse gut oder zumindest auskömmlich geregelt zu haben, wieder mehr Zeit für Hob

bys und soziale Kontakte zu haben und vielleicht den einen oder anderen Lebenstraum endlich verwirklichen zu können.

Ich sage sehr deutlich: Gerade die heute schon ältere Generation hat dies mehr als verdient.

Unsere Chancen auf einen langen und gesunden, aktiven Ruhestand stehen dabei gut. Die Lebenserwartung steigt alle zehn Jahre um durchschnittlich zweieinhalb Jahre und liegt aktuell bei circa 75 bis 80 Jahren. Die allgemeine Gesundheitslage ist - das gilt auch für das fortgeschrittene Alter - besser geworden. Die medizinische Versorgung schreitet stetig voran.

Inzwischen gehen Wissenschaftler sogar davon aus, dass in den kommenden 20 Jahren der 100. Geburtstag zur Normalbiografie gehört. Happy Birthday!

Nun bleibt nur noch die Frage, wie unsere Gesellschaft diese Herausforderung der demographischen Veränderung meistern kann. Welche Rahmenbedingungen brauchen wir, damit sich das prognostizierte Szenario positiv umsetzen lässt?

Wer sich mit der demographischen Entwicklung beschäftigt, stellt schnell fest, dass es noch eine Reihe ungelöster Baustellen gibt. Es handelt sich um viele Probleme, die wir abarbeiten und lösen müssen. Die sozialen Sicherungssysteme - ich nenne Rente, Gesundheit und Pflege - gehören ebenso dazu wie Fragen des Arbeitsmarkts und des ehrenamtlichen Engagements.