Protocol of the Session on February 22, 2006

Herr Minister, es wird von Schnelltests in Schleswig-Holstein gesprochen. Ich möchte wissen, ob die Laborkapazitäten tatsächlich ausreichen und ob Sie meine Auffassung teilen, dass Schnelltests, von denen gesprochen wird und die derzeit vier bis sechs Tage dauern sollen, wirklich Schnelltests sind. Wie ich gehört habe, gibt es Testverfahren, die einen sehr viel schnelleren Befund ermöglichen.

Sie haben das so genannte Wildvogelmonitoring angesprochen. Es ist offensichtlich so, dass derzeit, wenn ich Ihre Pressemeldung richtig verstanden habe, 200 Vögel auf H5N1 beprobt wurden. Die Frage ist: Ab welcher Zahl zeigt eine Beprobung ein aussagekräftiges Bild? Ich glaube, Sie stimmen mit mir darin überein, dass 200 beprobte Vögel noch kein aussagekräftiges Bild liefern können.

Jetzt zu den Pressemeldungen über den TamifluVorrat. Der hier vom Kollegen Höppner vorgetragenen Medienkritik schließe ich mich nur zum Teil an. Ich finde, dass die Pressemitteilungen, wenn man einmal von Boulevardblätter absieht, ein Ausfluss der politischen Kommunikation nach außen sind. Ich halte die Kommunikation darüber, wie viel Therapieeinheiten Tamiflu zur Verfügung stehen und wie viel nicht, für Panikmache. Was sagen denn die 94 % der schleswig-holsteinischen Bevölkerung, die gestern lesen mussten, dass es für sie offensichtlich kein virushemmendes Medikament gibt? Ich finde, das ist eher Panikmache als eine ernsthafte Auseinandersetzung darüber, was virushemmende Wirkstoffe beziehungsweise Medikamente wie Relenza oder Tamiflu tatsächlich leisten können. Ich bin mir nicht sicher, dass die Hoffnungen, die wir daran knüpfen, alle erfüllt werden.

Das Robert-Koch-Institut hat empfohlen, 20 % der Bevölkerung mit entsprechenden Mitteln zu versorgen. Ich glaube aber nicht, dass eine Diskussion über solche Prozentzahlen die Bevölkerung be

(Dr. Heiner Garg)

ruhigen wird. Vielmehr glaube ich: Wenn wir alles, was wir darüber wissen, auf den Tisch legen und ruhig und sachlich diskutieren, kommen wir weiter. Wenn man zum Beispiel sagt, dass man sich nach einem Strandspaziergang mit einfacher Seifenlauge die Schuhe abwischen kann, um Vogelgrippe nicht ins Wohnzimmer zu tragen, dann werden wir viel eher dazu beitragen, Panik zu vermeiden, als wenn über die Presse gesagt wird, wie viel Prozent der schleswig-holsteinischen Bevölkerung mit Tamiflu versorgt werden können und wie viel nicht.

Frau Ministerin, ich hätte es mir an Ihrer Stelle erspart, darauf hinzuweisen, wir hätten nur für 6,2 % Therapiedosen, weil Schleswig-Holstein ein armes Land ist. Ich hätte mir von Ihnen gewünscht, dass Sie die Wirkungsweise dieser Medikamente kritisch beleuchtet hätten. Denn was sollen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner denken, wenn man ihnen sagt, wir seien ein armes Land und deswegen könnten wir uns nicht genug Dosen leisten! Diese Äußerung fand ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Frau Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schlagzeilen in den Zeitungen sind - wie erwähnt worden ist - sehr unterschiedlich. Sie reichen von der Meldung, das Risiko für Menschen sei eher gering, bis zu der Meldung, die Lage der Vogelgrippe sei sehr ernst. Deshalb ist es für die Bevölkerung wichtig, dass die Landesregierung ehrlich und ohne Panik deutlich macht, wie die Gefährdung in Deutschland und Schleswig-Holstein ist, ob wir gut vorbereitet sind und was die Bürgerinnen und Bürger selbst tun können, um sich vor der Vogelgrippe zu schützen und sie nicht weiterzutragen. Herr Garg hat eben Beispiele gebracht.

Genauso falsch wie eine Panikmache ist es aber auch, Herr Bernstein, die Lage zu bagatellisieren. Sie haben zwar gesagt, wir müssten jetzt erst einmal austesten, ob die bestehenden Strukturen ausreichten, aber für ein Austesten ist die Situation zu ernst. Wir müssen uns schon sicher sein, dass unsere Strukturen im Ernstfall greifen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Landwirtschaftsminister, ich war mehr als erstaunt, als Sie vor wenigen Tagen sagten - auch

darauf ist Herr Garg eingegangen -: Wir hatten das Glück, nicht die Ersten zu sein, um aus den Fehlern in Mecklenburg-Vorpommern zu lernen, und wir sind jetzt gut vorbereitet. Herr Minister, ich hätte mir gewünscht, dass Schleswig-Holstein auch dann gut vorbereitet gewesen wäre, wenn wir die Ersten gewesen wären. Dies muss ein Land leisten.

In Mecklenburg-Vorpommern ist viel schief gelaufen, das ist erwähnt worden. Über 100 verseuchte Schwäne und andere Wildvögel wurden inzwischen gefunden. Das Krisenmanagement war denkbar schlecht. Die verspäteten und ungenügenden Reaktionen der zuständigen Behörden vor Ort haben klar aufgezeigt, dass unser Nachbarland offensichtlich mangelhaft auf den Ausbruch der Vogelgrippe vorbereitet war. Es fehlte an der notwendigen Sensibilisierung der Behörden und es wurde deutlich, dass Mecklenburg-Vorpommern den nationalen Pandemieplan offenbar nur unzureichend umsetzt. Eine ähnliche Nachlässigkeit in Schleswig-Holstein wäre fahrlässig und gefährlich. Deshalb ist es richtig, dass die Landesregierung heute deutlich gemacht hat, wie sie vorbereitet ist und dass sie vorbereitet ist.

Wir müssen uns realistischerweise darauf einrichten, dass die Vogelgrippe auch nach SchleswigHolstein kommt, auch wenn es bis heute Morgen noch keinen bestätigten Fall gibt. Inzwischen sind die Bürgerinnen und Bürger verunsichert. Mir erzählte neulich ein Bürgermeister, er habe am Wochenende einen abgegebenen toten Vogel bewacht, weil die Veterinäre erst ab Montag wieder arbeiteten.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Und heute streiken sie!)

Da fragt man sich natürlich, ob diese Strukturen ausreichen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ist Deutschland mit seiner föderalen Struktur des Katastrophenschutzes tatsächlich auf eine bundesweite Seuche gut vorbereitet? Zumindest Mecklenburg-Vorpommern war es nicht. Dort brauchte das Land allein sechs Tage, um die Schwäne zu untersuchen. Herr Minister, es ist wichtig, dass Sie noch einmal deutlich machen, ob sie in Schleswig-Holstein schneller untersucht werden könnten.

Inzwischen hat die zuständige Landrätin vor Ort Mängel eingestanden und - Herr Bernstein! - darauf hingewiesen, dass es zu wenige Schutzanzüge und zu wenige qualifizierte Helferinnen und Helfer gab. Mich wundert Ihre kombinierte Aussage von heute etwas, in der Sie auf der einen Seite sagen: „Glück

(Dr. Heiner Garg)

wunsch dem Ehrenamt, davon brauchen wir mehr!“ und auf der anderen Seite abstreiten, dass die Menschen vor Ort Schutzanzüge anziehen sollen - wenn ich Sie richtig verstanden habe. Herr Bernstein, so geht es nicht. Wir müssen diejenigen, die vor Ort helfen, auch ordentlich ausstatten, damit sie selbst geschützt sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bundesverbraucherschutzminister Seehofer hat am Wochenende zu Recht vor Ort eingefordert, dass jetzt besser gehandelt werden muss. Die Schutzzonen sind eingerichtet und inzwischen ist die gesamte Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns zur Überwachungszone erklärt worden.

Wir brauchen in Schleswig-Holstein eine praktikable Notfallplanung. Außer der erneuten Stallpflicht muss der nationale Pandemieplan sinnvoll umgesetzt werden. Informationen hierüber gibt das Landwirtschaftsministerium auf seiner Internetseite eher sparsam. Erfreulich ist, dass dagegen der Bereich des Verbraucherschutzes und Informationen zur Stallpflicht sehr ausführlich auf der Internetseite für die Bürgerinnen und Bürger nachzulesen sind. Damit kommt die Landesregierung ihrer Verpflichtung nach, alle Informationen zur Vogelgrippe, die heute als relativ sicher eingeschätzt werden, an die Bevölkerung weiterzugeben, auch als Gegenpol zu dem, was in den Medien auftaucht.

Aufklärung ist die beste Vorbedingung für zielgerichtetes Handeln. Inzwischen gelten folgende Fakten als sicher. Die Vogelgrippe macht keinen Unterschied zwischen Nutz- und Wildvögeln. Menschen können sich bei engstem, direkten Kontakt mit infizierten Tieren über eine Tröpfcheninfektion infizieren. Haustiere wie beispielsweise Katzen oder auch Schweine können Überträger der Vogelgrippe sein. Geflügel und Eier sollten vor dem Verzehr gekocht oder gebraten werden. Das müssen wir sehr deutlich sagen und dürfen nicht immer sagen, Hühner und Eier seien sicher. Die Bevölkerung muss wissen, dass es erst sicher ist, wenn man es über 70° C erhitzt. Tote und kranke Tiere sollten nicht angefasst werden. Aktuell sollten keine Federn gesammelt werden.

(Unruhe)

Ein wenig mehr Aufmerksamkeit täte dem Plenum gut.

Jeder verdächtige Fund sollte gemeldet werden. Mangelnde Hygiene ist der Hauptgrund für eine Ansteckung. Herr Garg hat darauf hingewiesen: Wer Kontakt zu Geflügel hat, sollte öfter seine Hände waschen. So einfach ist das. Es muss auch gesagt werden, dass Grippemedikamente, die für Menschen entwickelt wurden, nicht vor dem Vogelgrippevirus schützen. Wir wissen, dass in Asien ein Mädchen gestorben ist, obwohl sie Tamiflu eingenommen hat.

Auch die Bundesregierung hat sich gestern noch einmal eingehend mit den Vorsorgemaßnahmen zur Vogelgrippe beschäftigt und für Donnerstag ist eine Sondersitzung der Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister einberufen. Frau Trauernicht, es würde mich freuen, wenn Sie als Gesundheitsministerin heute sagten, wie Sie unser Land dort vertreten wollen. Der Landwirtschaftsminister hat den Gesundheitsbereich heute Morgen noch nicht so fürchterlich intensiv beleuchtet.

(Zuruf: Das ist auch nicht seine Aufgabe!)

Es wäre mir lieb zu wissen, was die Landesregierung am Donnerstag in Berlin vertritt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich erwarte, dass dort eine enge Kooperation der Bundesländer beschlossen wird und dass die avisierte Pool-Lösung zur Sicherstellung der bedarfsorientierten Versorgung der Bevölkerung mit antiviralen Medikamenten umgesetzt wird. Ich halte diese Pool-Lösung für eine gute Möglichkeit, denn alle Bundesländer müssen davon ausgehen, dass die Vogelgrippe auch zu ihnen kommt.

Wir müssen uns auch intensiv mit der Frage beschäftigen, was getan werden kann und muss, wenn bei einer möglichen Mutation des Virus auch eine Ansteckungsgefahr von Mensch zu Mensch gegeben ist. Anscheinend gehen noch alle bekannten Erkrankungsfälle auf den direkten Kontakt mit einem erkrankten Tier zurück. Ansteckungsfälle von Mensch zu Mensch sind nicht bekannt. Deshalb besteht für die Menschen zurzeit keine akute Gefahr einer Vogelgrippe. Allerdings stellt das RobertKoch-Institut fest, dass jeder neue Fund des Erregers das Risiko einer Mutation erhöht und dass damit eine weltweite Grippewelle nicht ausgeschlossen ist. Ebenfalls bedenklich ist die Aussage seitens der Amtsveterinäre, dass die von einigen Landwirten geforderte vorsorgliche Impfung von Nutzgeflügel das Risiko für eine Mutation des aktuellen Virusstammes deutlich erhöht. Ich fand es sehr gut,

(Monika Heinold)

dass Herr Garg gesagt hat, dass wir, wenn wir von Impfung sprechen, auch darüber nachdenken müssen, womit wir die Tiere impfen, damit wir die richtige Lösung finden.

Zur Panikmache besteht kein Anlass, aber wir sollten diejenigen Stimmen ernst nehmen, die lautstark anmahnen, dass eine gute bundesweite Koordination notwendig ist. Auch wenn Gesundheitsfragen Ländersache sind, darf der Föderalismus - sollte es zu einer Pandemie kommen - nicht dazu führen, dass Kleinstaaterei ausbricht und dass damit eine effektive Seuchenbekämpfung verhindert wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Die ZEIT“ schrieb neulich: „Die Seuche erweist sich nicht als föderalismuskompatibel“.

Sie wies uns darauf hin, dass die nationale Pandemiekommission, die als Mediator für Verteilungsfragen von der Bund-Länder-Kommission im vergangenen Jahr angedacht worden war, schlicht in der Planung abhanden gekommen ist. Das halte ich für schwierig und ich würde mir wünschen, dass sich die Landesregierung hier noch einmal positioniert.

Ich erwarte, dass die Landesregierung gemeinsam mit der Bundesregierung sicherstellt, dass wir auf den Ernstfall vorbereitet sind, dass wir uns abstimmen und dass die Länder kooperieren. Wir dürfen es nicht dem Zufall überlassen, ob wir richtig auf die Seuche, die noch eine Tierseuche ist, reagieren oder nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Herrn Kollegen Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als wir vor etwa drei Monaten im Landtag über die Vorsorgemaßnahmen und gesundheitspolitischen Aktivitäten der Landesregierung gegen die Vogelgrippe debattierten, galt das Gebiet der Europäischen Union noch als H5N1-virusfrei. Mittlerweile müssen wir erkennen, dass sich das Virus innerhalb der letzten Monate schneller ausgebreitet hat, als vielleicht anzunehmen war. Neben Deutschland gibt es nun auch in mehreren anderen EU-Mitgliedstaaten Verdachtsfälle beziehungsweise bestätigte Fälle von Vogelgrippe bei Wildvögeln. Natürlich ist diese Entwicklung entsetzlich, aber sie war trotz aller getroffenen Vorkehrungen und Maßnah

men absehbar. Aufgrund der stetigen Verbreitung des Virus im Süden Europas war nicht davon auszugehen, dass Deutschland hiervon unberührt bleiben würde. Es war aber davon auszugehen, dass das größte Verbreitungsrisiko an die Rückkehr der Zugvögel aus dem Süden in den kommenden Monaten gekoppelt sein würde.

Daher war es überraschend, dass gerade im Norden Deutschlands die ersten Fälle von Vogelgrippe bestätigt wurden. Das zeigt, dass wir immer noch nicht wissen, wie es dazu kommen konnte.

Die Entwicklung macht deutlich, dass die Verbreitung des Erregers nicht vorhersehbar ist. Es ist davon auszugehen, dass die geographische Verbreitung weiter zunehmen wird. Daher gilt es jetzt, kühlen Kopf zu bewahren und dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen und Notfallpläne greifen, um ein Übergreifen der Vogelgrippe auf Hausgeflügel zu verhindern. Wie wir wissen, wurden die ersten Vorkehrungen bereits getroffen. So gibt es seit dem 17. Februar die bundesweite Stallpflicht für Freilandgeflügel, das Verbot von Geflügelmärkten und verstärkte Warenkontrollen im Reiseverkehr. Hier möchte ich deutlich sagen, dass es sich um Präventivmaßnahmen handelt, um unser Hausgeflügel zu schützen, die aber eine weitere Ausbreitung der Vogelgrippe bei Wildvögeln nicht verhindern werden. Dies muss bei allen Maßnahmen, die durchgeführt werden und durchgeführt werden können, klar sein. Daher ist es notwendig, das Monitoring bei Wildvögeln auszubauen, um die Verbreitung der Vogelgrippe zeitnah und umfangreich beobachten zu können.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Nur dann ist die Einrichtung von Schutzzonen und Beobachtungszonen auch sinnvoll, um das Herausbringen von Geflügel aus den betroffenen Zonen verhindern zu können.