Protocol of the Session on April 27, 2005

Änderung der Geschäftsordnung des SchleswigHolsteinischen Landtages

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/37

(Präsident Martin Kayenburg)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich der Frau Abgeordneten Schwalm das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück zur Normalität der vergangenen Jahre! Dieses Ziel verfolgt der von CDU und SPD vorgelegte Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung. Mit ihm wollen wir das erst in der vergangenen Plenartagung eingeführte Grundmandat für den SSW zurücknehmen und auf das seit Jahren in diesem Hause bewährte System zurückkommen. Wir alle wissen doch, dass die Einführung des Grundmandats lediglich dazu dienen sollte, die Mehrheitsverhältnisse der beabsichtigten rot-grünen Koalition - toleriert durch den SSW - in den Ausschüssen sicherzustellen.

Die Ausschüsse waren in der Vergangenheit auch ohne Stimmrecht der SSW-Kolleginnen und -Kollegen sehr wohl arbeitsfähig. Der politische Wille des SSW wurde durch seine Mitgliedschaft in die Ausschussarbeit eingebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen vom SSW, dieser Antrag hilft Ihnen auch, Ihre parlamentarische Arbeit einfacher zu gestalten.

(Vereinzelte Heiterkeit bei CDU und FDP - Lachen beim SSW)

Wir freuen uns auf Ihre Mitarbeit in den Ausschüssen in der bewährten Art und Weise der Vergangenheit und bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schwalm. - Das Wort erhält Herr Kollege Astrup.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich einer fürsorglichen Bemerkung in Richtung SSW enthalten.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich will noch einmal an das erinnern, was wir am 17. März dieses Jahres beschlossen haben, und auch sagen, warum wir es taten. Wir haben - so ist es nachzulesen - dem hohen Haus vorgeschlagen, die Deckungsgleichheit der Plenarmehrheit mit der Ausschussmehrheit herzustellen. Das ging, wie Sie wissen, auf zwei Wegen. Wir haben einen vorgeschlagen, nämlich, dies durch die Einführung des Grundmandats für den SSW widerzuspiegeln, um einerseits die

Effektivität der Parlamentsarbeit und andererseits die Verfassungsmäßigkeit der Abfolgen zu gewährleisten.

Kollege Kubicki hat damals wörtlich geäußert, er halte das, was wir am 17. März eingebracht und beschlossen haben, für konsequent. - Das war es auch - auf der Grundlage einer zu sichernden Ausschussmehrheit, die einer Parlamentsmehrheit entsprach. Aber - das ist der entscheidende Punkt - diese Ausgangsgrundlage, diese Basis für die Entscheidung am 17. März, ist entfallen. Weil sie entfallen ist, haben wir der Bitte, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, entsprochen, indem wir den betreffenden Halbsatz in § 13 Abs. 3 der Geschäftsordnung wieder herstellen.

Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments ist gesichert, wenn wir auf den Ursprungszustand zurückgehen, wie die Kollegin Schwalm formulierte. Natürlich bleibt bestehen, was der SSW selbst an der Stelle gesagt hat - ich zitiere Kollegin Spoorendonk wörtlich -:

„Es ist natürlich richtig, dass wir in unserer SSW-Arbeit auch ohne dieses Stimmrecht klargekommen sind, weil wir als Abgeordnete letztlich alles zurück in den Landtag holen können. Das ist unser Recht als Abgeordnete in diesem Haus.“

Meine Damen und Herren, dabei bleibt es natürlich auch. Ich denke, dass man unter diesem Blickwinkel der beantragten Änderung der Geschäftsordnung - back to the roots, Frau Kollegin Schwalm - zustimmen kann.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Astrup. - Das Wort hat der Herr Kollege Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist doch wirklich erstaunlich, in welch kurzer Zeit man mit interessanten Begründungen unterschiedliche Ergebnisse herbeiführen kann.

Die Union ist bei der Schaffung oder Abschaffung des Grundmandats konsequent geblieben.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

(Wolfgang Kubicki)

- Herr Kollege Nabel, ich begrüße Sie in dieser wunderbaren neuen Konstellation als Teil der Arbeiterklasse in Zusammenarbeit mit dem Bauernstand.

(Heiterkeit)

Was die Sozialdemokraten dieses Hauses hier vollbringen, Herr Kollege Astrup, ist wirklich mehr als eine Pirouette.

Zunächst einmal: Anke Spoorendonk, wir waren gegen die Schaffung dieses Grundmandats. Wir haben gesagt, es sei verfassungsrechtlich nicht geboten, aber zulässig, auch konsequent. Der Kollege Astrup war es, der unter Berufung auf einen völlig unbekannten Verfassungsrechtler, dessen Namen er bedauerlicherweise nicht mitteilte, erklärte, es sei sozusagen nicht nur die Ausformung des Minderheitsrechtes, sondern von Verfassung wegen geboten, die Mehrheitsverhältnisse des Parlamentes in den Ausschüssen abzubilden.

Ich will dazu nur sagen: Die Mehrheitsverhältnisse haben sich nicht geändert. Nur die Bündnisse haben sich geändert. Nach wie vor gäbe es eine Mehrheit Rot-Grün-SSW offen im Parlament.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das heißt, dieses Begründungselement kann nicht ziehen.

Ich habe, unabhängig davon, vernommen, dass diese große Koalition möglicherweise aus Sorge, dass viel zu viel Abweichler da wären, ihre doch dominante Parlamentsmehrheit in den Ausschüssen dadurch festigen muss, dass sie dem SSW das Grundmandat wieder entzieht.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das ist der wahre Grund! - Heiterkeit)

- Das ist wahrscheinlich der wahre Hintergrund. - In allem Ernst - das sage ich auch in Richtung Union -: Es wäre ein Zeichen von Größe

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

und auch von Unterlegung des erklärten Willens, Minderheitsrechte zu schützen und zu akzeptieren, gewesen, wenn man - jedenfalls in dieser Phase - dem SSW das Grundmandat nicht wieder weggenommen hätte. Wir werden das nicht verhindern können. Aber vier Wochen später, in dieser Konstellation, auch noch von den Sozialdemokraten dieses Landes getragen, denen nichts Besseres einfällt, als dauernd die Minderheitsrechte im Mund zu führen, ist das schon

ein starkes Stück. Deshalb wird die FDP-Fraktion diesem Antrag selbstverständlich nicht zustimmen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kubicki. - Das Wort hat die Frau Kollegin Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im März hat sich der Landtag in seiner ersten Sitzung dieser Legislaturperiode eine neue Geschäftsordnung gegeben. Mit dieser Geschäftsordnung haben wir beschlossen, dass der SSW künftig in allen Ausschüssen ein Grundmandat erhält. Grundlage für unsere Entscheidung war die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, dass sich die Mehrheitsverhältnisse des Parlamentes in allen Ausschüssen widerspiegeln müssen.

Nachdem es nun die Entscheidung für eine große Koalition gibt, ist das Argument, nur über ein Grundmandat für den SSW könne die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes sichergestellt werden, weggefallen. Aber was bleibt, ist die Rechtsprechung, dass die Ausschüsse grundsätzlich ein verkleinertes Abbild des Plenums sein müssen.

CDU und SPD beantragen heute, diese Spiegelbildlichkeit wieder aufzuheben und einen Zustand herzustellen, der - zumindest rechnerisch - CDU und FDP im Ausschuss zu einer eigenen Mehrheit verhilft.

Meine Fraktion wird gegen diese Änderung stimmen. Zum einen entspricht es nicht dem Wahlergebnis, dass CDU und FDP im Ausschuss eine Mehrheit haben. Es entspricht auch nicht den Mehrheitsverhältnissen im Parlament.

Zum anderen sind Minderheitsrechte kein Spielball. Die Landesverfassung schreibt uns vor, dass wir uns eine Geschäftsordnung geben, welche einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang des Parlamentes sicherstellt. Mit der in der letzten Sitzung verabschiedeten Geschäftsordnung ist ein ordnungsgemäßer Geschäftsgang des Parlamentes sichergestellt. Es bedarf also keiner erneuten Änderung der Geschäftsordnung an dieser Stelle.

Es gibt auch keinen Grund dafür, dem SSW das Grundmandat wieder zu entziehen. Gerade in einer Konstellation, in der zehn Oppositionsabgeordnete 59 Abgeordneten einer großen Koalition entgegenstehen, ist es geradezu unverschämt, der kleinsten Oppositionspartei ihre Mitwirkungsmöglichkeiten im Aus

(Monika Heinold)

schuss wieder wegzunehmen und sie damit in ihren parlamentarischen Rechten, die sie bisher hatte, zu beschneiden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Die hatten sie nie! Die hatten sie noch nie!)

Gerade die SPD-Fraktion, die den SSW noch vor wenigen Wochen zur Annahme des Grundmandats motiviert hat, sollte zu ihrem gegebenen Versprechen stehen.

Minderheitsrechte können doch nicht daran gebunden sein, ob es einem gerade in den Kram passt, frei nach dem Motto: Toleriert ihr uns, bekommt ihr ein Grundmandat, seid ihr Opposition, nehmen wir es euch wieder weg. - So geht es nicht, meine Damen und Herren. Welch ein Verständnis von demokratischer Teilhabe!