Protocol of the Session on January 25, 2006

(Beifall bei der SPD)

Die Fraktionen von CDU und SPD bereiten in der Tat einen Gesetzentwurf vor, der neben einer Konkretisierung der Parlamentsinformationsrechte exakt auch die beiden genannten Punkte erfasst. Frau Lütkes hat darauf hingewiesen. Wir werden also alle gemeinsam in diesem hohen Hause den Schutz pflegebedürftiger Menschen als verpflichtendes Staatsziel in der Landesverfassung verankern. Ich finde, das ist ein gutes Signal an die auch in Schleswig-Holstein große und zunehmende Anzahl Betroffener, die auf konkrete, ständige und regelmäßige landespolitische Unterstützung angewiesen sind.

Wir werden endlich als letztes Bundesland auch ein eigenes Landesverfassungsgericht bekommen. Über den Standort und über die Frage, ob man es gemeinsam mit Hamburg betreiben sollte, wird öffentlich schon eifrig spekuliert. Für die SPD-Landtagsfraktion darf ich dazu sagen: Erstens. Wir streben kein gemeinsames Landesverfassungsgericht mit Hamburg an.

Zweitens ist aus unserer Sicht der Standort Schleswig möglicherweise kostengünstiger als Lübeck, weil dort beim OVG ein mit Geschäftsstellenunterbau schon vorhandenes Zentrum des öffentlichen Rechts mitgenutzt werden könnte. Darüber wird aber noch zu diskutieren sein.

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich hinzufügen, dass wir als SPD-Fraktion die Bemühungen der Landesregierung, des Justizministers um eine Zusammenlegung anderer Landesobergerichte mit Hamburger Obergerichten begrüßen und unterstützen. Das Landesverfassungsgericht nehmen wir davon - wie gesagt - wegen unterschiedlicher eigenstaatlicher Landes- und Kommunalverfassungen aus. Ein gemeinsames Finanzgericht können wir uns in Hamburg vorstellen. Mit Hamburg gemeinsame Landesarbeits- und Landessozialgerichte wären für uns in Schleswig-Holstein denkbar.

Eines - um auch das klar zu sagen - strebt die SPDLandtagsfraktion mit der Zusammenlegung von Ge

(Thomas Stritzl)

richten allerdings nicht an: den Nordstaat. Wir wollen in allen Bereichen - Wirtschaft, Verkehr, Verwaltung, auch Justiz - die Zusammenarbeit mit Hamburg weiter intensivieren, weil jede engere Form der Kooperation auch über Landesgrenzen hinweg den öffentlichen Dienst für unsere Bürgerinnen und Bürger kundenfreundlicher und kostengünstiger macht. Stärkung der Metropolregion heißt für uns Stärkung der Kooperation und dadurch Stärkung für Hamburg und Schleswig-Holstein gleichermaßen. Metropolregion darf nicht bedeuten, dass wir in Schleswig-Holstein durch eine einseitig gestärkte Metropole Hamburg zur regionalen Walachei werden.

(Vereinzelter Beifall)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Gesetzentwürfe der Oppositions- und Regierungsfraktionen im zuständigen Fachausschuss zusammenführen und dort zusammenfügen, was zusammen passt.

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Puls und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Kollege Puls, ich bin für die Ausführungen außerordentlich dankbar, weil Sie mich veranlassen festzustellen: Wir vollziehen nicht nach, was die große Koalition beschlossen hat, sondern wir bringen im Wesentlichen nur das wieder ein, was wir schon einmal gemeinsam beschlossen haben, ohne Union.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war ja bisher ohne die Union einhellige Auffassung, wenigstens in wesentlichen Punkten so zu verfahren, wie wir es jetzt vorschlagen.

Neben den Haushaltsdebatten gibt es kaum ein Thema, das dieses Haus so regelmäßig beschäftigt wie die Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein. Nichtsdestotrotz unternehmen wir heute gemeinsam mit den Grünen und dem SSW einen erneuten Versuch, endlich die schon lange angestrebten Änderungen nun wirklich ins Werk zu setzen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Denn wir wollen endlich ein Landesverfassungsgericht für Schleswig-Holstein, wir wollen die Staatszielbestimmungen erweitern und wir wollen - das ist dieses Mal neu - die in der Geschäftsordnung inzwischen festgeschriebene Regelung, wie der Oppositionsführer ermittelt wird, formgerecht in unserer Verfassung verankert wissen.

Nachdem Schleswig-Holstein bereits seit einigen Jahren das einzige Bundesland ohne eigenes Landesverfassungsgericht ist, will die FDP diesen Zustand schnellstens ändern. Mir ist bekannt, dass das auch Gegenstand des Koalitionsvertrages ist. Aber wir wollen das jetzt zügig anpacken. Sie wissen schon: Wir haben etwas gegen Stillstand. Geredet wurde bereits genug und die Argumente sind aus diversen Diskussionen in Enquetekommissionen und Ausschusssitzungen bekannt. Wir brauchen zeitnahe, raumnahe und sachnahe Entscheidungen im Land. Wir brauchen sie, wie ich finde, nötiger denn je. Man kann dem zustimmen oder entgegentreten. Viel mehr an Formulierungen hin und her, Kollege Puls, wird es kaum geben, sodass die Argumentation, wir könnten noch abwarten, eigentlich falsch ist.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir brauchen sie zur Beendigung der Insellage Schleswig-Holsteins, aber auch zur Beendigung der bereits aufkeimenden „Tyrannei“ der Mehrheit hierzulande. Die Beispiele Haushalt und Kormoranverordnung machen das deutlich: Nach bisheriger Prüfung hat die FDP in beiden Fällen erhebliche Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit. Nur bislang können wir das kaum überprüfen lassen. Zwar haben uns die großen Koalitionsfraktionen nach ihren bisherigen Absichtserklärungen vollmundig für den Fall der Fälle die erforderlichen Quoren zugesagt. Insofern wäre es wirklich reizvoll, es einmal auf den Ernstfall ankommen zu lassen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Aber im Rechtsstaat bin ich in diesen Fragen nicht gern auf das Wohlwollen einer Mehrheit angewiesen. Dafür gibt es verbindliche Regelungen. Deshalb brauchen wir eine Verfassungsänderung, die es nicht nur der Landesregierung oder einem Drittel der Mitglieder des Landtages ermöglicht, beim Landesverfassungsgericht die Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Verfassung überprüfen zu lassen, sondern dieses Recht muss auch eine Fraktion haben beziehungsweise die Abgeordneten, denen die Rechte einer Fraktion zustehen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Das ist schlicht Be

(Klaus-Peter Puls)

standteil von Minderheitenrechten. Es ist das einzige Mittel, die Regierung gegebenenfalls in die rechtlichen Schranken zu weisen.

Wir wollen deshalb nicht nur zügig ein Landesverfassungsgericht für Schleswig-Holstein, wir brauchen zügig ein Landesverfassungsgericht.

Die besondere Mehrheiten-/Minderheitensituation im Land hat es darüber hinaus erforderlich gemacht, die landesverfassungsrechtlich garantierte Stellung des Oppositionsführers näher zu beleuchten. Nach zugegeben anfänglichen Querelen haben wir uns fraktionsübergreifend bereits auf eine Änderung der Geschäftsordnung einigen können. Die entsprechende Änderung in der Landesverfassung ist deshalb nur konsequent.

Lieber Kollege Stritzl, dies gilt auch für die Frage der Staatszielbestimmungen. Wir haben übrigens auch den Sport als Staatszielbestimmung in der Verfassung verankert. Denn mit der aktuellen Verfassungsänderung bietet sich gleichzeitig die Gelegenheit, die Verfassung konsequent und systematisch auch in den Punkten zu ändern, die den Menschen in Schleswig-Holstein besonders am Herzen liegen: Schutz und Förderung der nationalen dänischen Minderheit, der Minderheit der Sinti und Roma deutscher Staatsangehörigkeit und der friesischen Volksgruppe; Schutz und Förderung sozialer Minderheiten; Schutz und Förderung von Kindern und Jugendlichen; Tierschutz.

Sicherlich kann man darüber streiten, ob es notwendig ist, diesen besonderen Schutz in die Verfassung hineinzuschreiben. Ich persönlich habe da nach wie vor Zweifel. Aber umgekehrt - das sage ich ausdrücklich - schadet diese Auflistung auf jeden Fall auch nicht. Wichtig ist vor allem, dass wir den Schutz und die Förderung, die wir den in der Verfassung Genannten zusagen, auch mit Leben erfüllen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es reicht nicht, Staatszielbestimmungen festzuschreiben und anschließend in einfachgesetzlichen Verfahren stecken zu bleiben. Diese Aufgabe ist weit größer als nur die Verfassungsänderung.

Kollege Puls, erlauben Sie mir, weil Sie diesen Schlenker gemacht haben, eine Ausführung zur Frage gemeinsamer Obergerichte mit Hamburg. Das ist in Bereichen denkbar, in denen es eine einheitliche bundesgesetzliche Regelung gibt: bei Finanzgerichten wahrscheinlich und bei Sozialgerichten. Bei den ordentlichen Gerichten habe ich Schwierigkeiten, bei den Verwaltungsgerichten

auch, und zwar deshalb, weil die landesgesetzlichen Regelungen in Hamburg und Schleswig-Holstein unterschiedlich sind. Wer die Strecken und Wege kennt, sollte sich davor hüten, beispielsweise ein Oberlandesgericht von Schleswig nach Hamburg zu verlegen. Damit würden wir unserem Land keinen Gefallen tun. Das Gegenteil wäre der Fall. Da müssen wir sehr sorgfältig und sorgsam vorgehen.

Wir haben schon in anderen Bereichen die Erkenntnis, dass Fusion nicht unbedingt zu Effizienzsteigerung und kostengünstigen Lösungen führt, sondern das Gegenteil bewirkt werden kann. Gerade bei der Gerichtsbarkeit sollten wir sehr vorsichtig sein.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Kubicki. - Das Wort für den SSW hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung der Landesverfassung greift unterschiedliche rechtliche und gesellschaftliche Sachverhalte und Entwicklungen auf, die der Berücksichtigung bedürfen. Zu den Oppositionsrechten und zur Klärung der Frage, wie die Oppositionsführerschaft künftig festgestellt werden soll, ist von der Kollegin Lütkes und von dem Kollegen Kubicki schon alles gesagt worden. Das lasse ich einmal so stehen. Ich möchte stattdessen ein paar Anmerkungen zu den anderen Punkten des vorliegenden Gesetzentwurfs machen.

CDU und SPD haben in ihrer Koalitionsvereinbarung selbst die Einrichtung eines Landesverfassungsgerichts sowie die Aufnahme des Rechts auf menschenwürdige Pflege und den Schutz von Pflegebedürftigen als Staatsziel in die Landesverfassung festgelegt. Das begrüßen wir. Der SSW hat sich seit langem für ein eigenes Landesverfassungsgericht ausgesprochen, damit unsere Bürger endlich nicht in jeder verfassungsrechtlichen Streitigkeit gleich an das Bundesverfassungsgericht verwiesen werden müssen.

Zu dem Staatsziel der menschenwürdigen Pflege verweise ich auf die Debatten, die wir dazu in der letzten Legislaturperiode geführt haben. Wir finden es richtig, dass das jetzt aufgenommen wird.

Dass der SSW konsequent für die Stärkung der parlamentarischen Rechte eintritt, ist auch eine Selbstverständlichkeit. Deshalb wird es niemanden ver

(Wolfgang Kubicki)

wundern, dass wir uns weiter für das Anrufungsrecht beim Verfassungsgericht für einzelne Fraktionen aussprechen.

Ich will auch nicht verhehlen, dass wir im SSW immer wieder eine Diskussion über Staatszielbestimmungen führen, ob es richtig ist, so viele Staatszielbestimmungen in die Verfassung aufzunehmen. Für uns ist es aber wichtig - wir wissen, dass wir Verfassungsänderungen nur im Paket beschließen können -, dass die alte Kernforderung des SSW, die Aufnahme der deutschen Sinti und Roma in Artikel 5 der Landesverfassung, umgesetzt wird. Das ist für uns der entscheidende Punkt.

Die Entwicklung seit der Verabschiedung der Landesverfassung im Jahre 1990 macht diese Forderung nach Anpassung an die gesellschaftliche Realität ganz einfach aktueller denn je. Mit der Ratifizierung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten durch die Bundesrepublik sind die deutschen Sinti und Roma eine anerkannte autochthone nationale Minderheit in Deutschland und damit auch in Schleswig-Holstein. Es ist nur mehr als konsequent, wenn die europäische und bundesdeutsche Entwicklung in der Minderheitenpolitik in der Landesverfassung des Landes Schleswig-Holstein nachgeholt wird. Der Landesverband der deutschen Sinti und Roma in Schleswig-Holstein ist schon jetzt ein geschätzter und anerkannter Partner in der Minderheitenpolitik. Die Landesregierung hat den Landesverband selbstverständlich auf gleicher Ebene wie die Verbände der dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe behandelt, und das ist gut so. Die Angehörigen der Sinti und Roma in Schleswig-Holstein sind seit Jahrhunderten hier zu Hause, sind Steuer zahlende Bürger dieses Landes. Der Schutz und die Förderung durch dieses Land steht ihnen genauso zu wie uns Dänen und Friesen. Darum hoffe ich sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in der vor uns stehenden Diskussion über die Anpassung der Landesverfassung diesmal weiterkommen als 1998 und 2003. Ich bitte wirklich darum, das so zu sehen. Ich will meine Argumentation nicht wiederholen. Man kann das auch in den vorherigen Debatten nachlesen. Für uns ist das ein ganz entscheidender Punkt.

(Beifall beim SSW)

Ich weiß sehr wohl, dass Verfassungen träge sind und nicht unbedingt ihrer Zeit vorauseilen. In diesem Fall ist es jedoch klar, dass die Landesverfassung eine gesellschaftspolitische Entwicklung aufholen muss. Gehen Sie also bitte mit offenen Augen und vorurteilsfrei an die Änderung der Landesverfassung heran. Sie hat es verdient.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und FDP)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk und erteile das Wort für die Landesregierung dem Innenminister, Herrn Dr. Stegner.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Aktenstudium nimmt inzwischen den Charakter einer wissenschaftlichen Promotion an, wenn man einmal nachzuvollziehen versucht, wie viele Anträge zur Änderung der Landesverfassung in den letzten Jahren gestellt worden sind, wie vielfältig und wie ergebnislos sie waren. Inhaltlich ging es immer um zwei Schwerpunkte, zum einen um die Aufnahme verschiedener Staatsziele, zum anderen um die Errichtung eines eigenen Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts. Darüber ist hier im Plenum mehrfach intensiv diskutiert worden.

Ich möchte mich wie mein Amtsvorgänger an dieser Stelle nicht in die politische Diskussion des Für oder Wider bestimmter Staatsziele einmischen. Der vorliegende Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greift die bekannten Forderungen erneut auf und er greift einem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen vor, den diese gerade vorbereiten, wie Frau Kollegin Lütkes eben auch erwähnt hat. - Warum auch nicht, können doch die Vorschläge wunderbar im Ausschuss beraten werden.

Übereinstimmungen sind heute in der Debatte bereits deutlich geworden. Dies scheint vor allem bei der Aufnahme des Staatsziels Pflege sowie bei der Einrichtung eines eigenen Landesverfassungsgerichts der Fall zu sein und, Herr Oppositionsführer, natürlich auch, was die Stellung des Oppositionsführers angeht, nicht so sehr, was die zusätzlichen Rechte angeht.

Herr Abgeordneter Kubicki, ich habe gehört, Sie bräuchten dringend neue Regelungen, um die Regierung in die Schranken zu weisen. Ich finde das aus Ihrem Munde erstaunlich, wo Sie doch sonst mit solcher Argumentationskraft und Wortmacht die Regierung seit Jahren herausfordern. Warum bedarf es neuer Instrumente, um daran etwas zu verändern?