Ich danke dem Kollegen Döring und erteile jetzt das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung dem Vorsitzenden der
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Herrn Minister Döring ausdrücklich für den sachlichen Beitrag. Ich meine, wir beide kennen uns gut genug, um zu wissen, dass es tatsächlich darum geht, genau bei der Gratwanderung zwischen Sicherung der Freiheit und der Sicherheit der Bürger das notwendige Maß zu finden.
Ich möchte mit einigen Unklarheiten aufräumen. Herr Kollege Puls, wir haben den Antrag zu einem Zeitpunkt gestellt, als es noch modern war. Wir haben übereinstimmend mit der SPD-Fraktion, mit Holger Astrup, darauf verzichtet, den Antrag neu zu formulieren, weil wir nicht in der Sache abstimmen lassen wollten, sondern im Ausschuss beraten lassen wollten wegen der neuen Entwicklung, um dann möglicherweise zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen.
Ich möchte des Weiteren mit falschen Argumenten aufräumen. Die Vorratsdatenspeicherung dient nicht der Strafverfolgung, weil sie zur Strafverfolgung untauglich ist. Sie kann keine wesentlichen Beiträge dazu leisten, einen Täter einer Tat zu überführen, weil die Inhalte nicht gespeichert werden. Das können Sie nur mit Telefonüberwachung feststellen. Sie können nur feststellen, dass ein Anschluss zu einem bestimmten Zeitpunkt angewählt worden ist. Sie können weder sagen, wer es gewesen ist noch was Gegenstand der jeweiligen Erörterung gewesen ist.
Das, was Sie machen können, ist, dass sie Kommunikationsbewegungsbilder erstellen. Ich sage noch einmal: Herr Kollege, es gibt übrigens bisher keine einzige Aufklärung von Straftaten nur aufgrund von Verbindungsdaten. Das war eine Chimäre.
Das, was Sie damit nicht erfassen können, ist die Kinderpornographie, ausdrücklich dieser Bereich der Kinderpornographie, und zwar deshalb, weil Kinderpornographie nicht zu den schweren Straftaten gehört, die davon erfasst werden. Das sind Straftaten mit einer Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren und das ist bei Kinderpornographie nicht der Fall. Das heißt also, Ihre Argumentation, was Sie damit eigentlich wollen, taugt nicht zur Begründung dieses Vorhabens.
Was aber insgesamt passieren kann - ich sage es noch einmal; Sie sind doch lange genug im Geschäft -, ist, dass damit tatsächlich Schindluder getrieben werden kann, dass man tatsächlich feststellen kann, mit wem Fischer oder Kubicki oder Peter
Harry Carstensen telefoniert hat. Wo ist da ein Netzwerk? Deshalb tun das die Behörden gelegentlich auch so.
Das können wir durch eine Mitteilung des Bundesdatenschützers zur Kontenabfrage feststellen. In neun von zehn Fällen waren Kontoabfragen von Finanz- und Sozialämtern rechtswidrig, weil die Voraussetzungen dafür nicht gestimmt haben, weil man einfach ohne Begründung und ohne jeweils die Betroffenen vorher zu fragen gesagt hat: Wir wollen mal gucken, wo der jeweils Betroffene seine Konten hat und was im Zweifel darauf ist.
Die spannende Frage ist doch: Bringt diese Vorratsspeicherung der Daten von mehr als 400 Millionen Menschen tatsächlich ein Mehr an Sicherheit? Kann es das? Oder aber erhöhen sich die Risiken, dass mit diesen Daten, die gespeichert werden, beispielsweise im terroristischen Bereich, beispielsweise im Bereich der Abgeordneten Schindluder getrieben wird?
„Cicero“ ist ein Beispiel dafür, was man mit Daten machen kann. BKA und BND kommen irgendwann auf die Idee, da sind geheime Berichte herausgegangen. Es ist eine schwere Straftat, strenge Geheimnisse der Bundesrepublik Deutschland öffentlich zu machen, Landesverrat, Geheimnisverrat. Schon sind wir genau da, wohin wir nicht kommen wollen, nämlich bei der Unkultur des Misstrauens.
Ich komme zu meinem letzten Satz, Frau Präsidentin! - Das ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Wir brauchen Vertrauen der Menschen in die staatlichen Organe im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und den Terrorismus und kein Misstrauen.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/472 dem Innen- und Rechtsausschuss, mitberatend dem Europaausschuss zu überweisen. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Es ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Bundespartei und der neue Generalsekretär Ronald Pofalla haben Anfang des Jahres das Thema Kombilöhne im Niedriglohnsektor geschickt auf die mediale Tagesordnung gesetzt. Leider vermisst man bei diesem Thema aber die nötige Seriosität einer Regierungspartei.
Denn wer den Menschen vormacht, dass man mit dem Kombilohnmodell der viel zu hohen Arbeitslosigkeit der geringer qualifizierten Arbeitslosen beikommen kann, der streut den Menschen Sand in die Augen.
Zum einen hat Deutschland bereits einen umfangreichen Niedriglohnsektor, der durch staatliche Eingriffe nicht erst geschaffen werden muss. Der Anteil der Niedriglohnbeschäftigung liegt in Deutschland heute über dem EU-Durchschnitt. Nach aktuellen Berechnungen des IAT arbeiten fast 22 % der Beschäftigten für einen niedrigen Lohn im Sinne der OECD-Definition. Das heißt, sie verdienen weniger als zwei Drittel des Durchschnittslohnes. In einigen Branchen - wie bei den Frisören oder beim Wachpersonal - kann man selbst durch Tarifverträge nicht immer Niedriglöhne verhindern. Fast sieben Millionen Menschen arbeiten in Deutschland im Niedriglohnsektor. Dazu hat auch der Boom bei den Minijobs beigetragen, die seit 1999 mit über 30 % angestiegen sind.
Die einfache Formel ,,Es gibt genug Arbeit, sie ist aber nur zu teuer" stimmt so nicht mehr. Im Gegenteil, wegen der ansteigenden Arbeitslosigkeit können sich viele Unternehmen kaum noch vor der Bewerberflut bei einfachen Tätigkeiten schützen. Wir
können also feststellen, dass es den riesigen Niedriglohnsektor schon gibt und dass dieser nicht noch flächendeckend erweitert werden muss. Dafür Steuermittel auszugeben wäre nicht nur fahrlässig, sondern würde der Staatsverschuldung Vorschub leisten und der wirtschaftlichen Entwicklung und der Binnenkonjunktur erheblich schaden.
Zum Zweiten sind die bisherigen Modellversuche bei den Kombilöhnen - zum Beispiel das Elmshorner Modell oder das Mainzer Modell - zwar in Teilbereichen sehr erfolgreich gewesen. Allerdings sind die Wirkungen einer flächendeckenden Einführung des Kombilohnmodells sehr umstritten. Das liegt natürlich auch an den enormen Kosten, die das zur Folge haben würde. Denn schließlich muss der Staat ja bei den Kombilöhnen einen hohen Zuschuss an die Firmen für den einzelnen Beschäftigen geben. Das eingesparte Arbeitslosengeld würde dafür bei weitem nicht ausreichen.
Aber viel schlimmer sind die Folgen für die Löhne und Gehälter. Denn bei einer flächendeckenden Einführung der Kombilöhne besteht die große Gefahr, dass das allgemeine Lohnniveau dadurch gesenkt würde oder dass es sogar zu Lohndumping kommen könnte. Schließlich wird jedes Unternehmen die Lohnzuschüsse mit einplanen und natürlich wird der Druck auf die Arbeitnehmer noch erhöht werden. Deshalb lehnt der SSW eine flächendeckende Einführung von Kombilöhnen ab.
Allerdings können wir uns schon vorstellen, dass man in einzelnen Bereichen den Kombilohn sinnvoll einsetzen kann. Allerdings nur, wenn es um Modelle geht, die zeitlich begrenzt sind und bei denen die Arbeitslosen gezielt an den Arbeitsmarkt herangeführt werden und entsprechende ergänzende Module, wie zum Beispiel den Erwerb von Zusatzqualifikationen oder die Schaffung von neuen Berufsbildern, beinhalten. Bei einer solchen Abgrenzung können wir sogar die Forderung von Arbeitsminister Döring nach der Modellregion SchleswigHolstein unterstützen.
Ziel muss es also sein, die Menschen besser zu qualifizieren. Wenn dies mit einem zeitlich begrenzten Kombilohn kombiniert wird, dann kann das durchaus in Ordnung sein. Aber auf jeden Fall müssen wir Mitnahmeeffekte bei den Unternehmen und Lohndumping verhindern. Doch auch bei der Erfüllung aller von uns vorgeschlagenen Kriterien werden die Kombilöhne niemals mehr als eine Ergänzung der bereits vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumentarien sein können. Sie werden nie dazu beitragen können, die Arbeitslosigkeit in der Breite markant zu senken.
Wenn man die Arbeitslosigkeit der geringer Qualifizierten wirklich senken will, muss man aus Sicht des SSW einen ganz anderen Ansatz verfolgen. Zum einen sollte man die Arbeitskosten für alle Lohnempfänger mit einer steuerfinanzierten Senkung der Lohnnebenkosten massiv senken. Eine Senkung der Lohnnebenkosten um 1 % bringt 100.000 Menschen mehr in Arbeit. Wenn also jetzt die Mehrwertsteuer erhöht wird und die daraus entstehenden Mehreinnahmen nicht vollständig zur Senkung der Lohnnebenkosten genutzt werden, dann schadet die Bundesregierung der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Land. Auch das möchte ich hier ganz deutlich sagen.
Zum anderen geht es entscheidend darum, die Arbeitslosen zu qualifizieren. Während in Westdeutschland in 2004 circa 22 % der Arbeitslosen noch ohne Berufsabschluss waren und in Ostdeutschland sogar 51 %, waren bei den Personen mit Lehre oder Fachhochschul- oder Hochschulabschluss in Westdeutschland nur zwischen 3 % und 7 % und in Ostdeutschland zwischen 6 und 19 % arbeitslos.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, eine Initiative nach skandinavischem Vorbild mit dem Ziel zu starten, genau dort anzusetzen. Sie können das in unserem Antrag am Ende nachlesen. Für uns ist es wichtig, dass wir in Bildung investieren. Wenn wir wirklich Arbeitsplätze schaffen wollen, müssen wir in das investieren, was wir anderen voraus haben.
(Claus Ehlers [CDU]: Das passt ja nun! Wol- len wir mal sehen, wie das Stimmergebnis nachher aussieht!)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In unserem Bundesland wird das Kombilohnmodell bereits genutzt. Seit dem November 2004 wurden 680 Bewilligungsbescheide erteilt. Das ist eine erfreuliche Zahl, aber sie ist aus Sicht unserer Fraktion noch nicht ausreichend. Wir haben in Schleswig-Holstein erfolgreiche Modelle durchgeführt. Ich nenne hier nur das Stichwort Elmshorner Modell.