Protocol of the Session on December 14, 2005

den und dies zur Gefährdung des Arbeitsplatzes und zur Diskriminierung geführt hat.

Nun wird man sagen können: Für die Sicherheit der Bürger ist uns fast jedes Mittel recht. Es macht aber gerade einen demokratischen Rechtsstaat aus, dass er der Freiheit der Bürger den Vorzug gibt, statt mit imaginären Muskeln zu spielen. Wohin dies führen kann und schon geführt hat, zeigen die aktuellen Medienberichte über die Entführungspraxis des CIA und über die geheimen CIA-Gefängnisse. Damit wird uns ein Bild gezeigt, mit dem wir uns noch lange zu beschäftigen haben. Uns wird ein Spiegel vorgehalten, in den zu schauen wir gezwungen sind. Nur so erkennen wir nämlich, wie es um unseren Rechtsstaat wirklich bestellt ist.

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre es ein wichtiges Signal zu sagen, dass der SchleswigHolsteinische Landtag an der Befristung der Rasterfahndung festhält, damit sie bis zum Ende des Jahres auslaufen kann. Die Rasterfahndung war schon 2001 ein zweifelhaftes Instrument zur Verbesserung der inneren Sicherheit. Heute ist sie überflüssig wie ein Kropf.

Zu einem Kurzbeitrag gemäß § 56 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Thomas Stritzl das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe, dass man über die Frage der Rasterfahndung unterschiedlicher Auffassung sein kann. Ich glaube, dass es zu dem Beitrag von Frau Kollegin Spoorendonk sachlich zu bedenkende Einwände gibt. Auch die Koalition hat sich dazu Gedanken gemacht. Man muss im Ergebnis zu einer Abwägung kommen.

Ich glaube, es war richtig, dass sich der Koalitionsvertrag zur Beibehaltung der Rasterfahndung bekennt, wie es auch Kollege Lehnert hier deutlich gemacht hat. Es ist richtig, die Argumente im Widerstreit der Meinungen abzuwägen.

Erlauben Sie mir, dass ich auch die andere Seite etwas beleuchte. Herr Kollege Kubicki, Sie haben gesagt, die geringe Anwendungsrate habe die Notwendigkeit des Instruments ad absurdum geführt. Frau Kollegin Lütkes, unter ökonomischem Gesichtspunkt müsste man fragen, ob das alles seine Ordnung hat oder ob es nicht vielmehr sinnlos sei. Ich glaube, einerseits kann man daraus, wie Sie es

(Anke Spoorendonk)

gesagt haben, absichtsvoll den Schluss ziehen, es gar nicht erst weiterzuführen. Andererseits zeigt die geringe Anwendungsrate in Schleswig-Holstein, dass nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, sondern mit diesem Instrument sehr wohl verantwortungsbewusst umgegangen wird. Vor dem Hintergrund der Frage nach dem ökonomisch Sinnvollen geht es immer um die Frage, welche Gefahr man abwenden will. Wenn man an die Rechtsgüter denkt, die dahinterstehen und für deren Schutz man Sorge tragen will, erweist sich die Frage nach dem Ökonomischen als relativ.

Ein zweiter Punkt, bei dem wir gemeinsam aufpassen sollten, ist, dass wir die Dinge nicht miteinander vermischen. Die jetzige Situation um die Frage der Verschleppung des deutschen Staatsbürgers El Masri ist aufzuarbeiten. Dessen hat sich zuständigkeitshalber das Bundesparlament angenommen. Sich aufgrund solcher Vorkommnisse, die mit ausländischen Geheimdiensten in Verbindung gebracht werden, gegen das Instrument der Rasterfahndung zu wenden, geht über das Ziel dessen hinaus, um was es hier geht. Wenn es Fehlleistungen von Behörden gegeben haben sollte, was die Weitergabe von Informationen insbesondere im geheimdienstlichen Bereich angeht - das ist nur die eine Seite -, dann hat das nichts damit zu tun, das Instrument der Rasterfahndung als Mittel der Gefahrenabwehr in Schleswig-Holstein diesbezüglich in Misskredit zu bringen. Vor dieser auf der Hand liegenden Versuchung sollte man sich in der Diskussion persönlich bewahren.

Ich mache eine dritte Anmerkung. Es wurde von einer lapidaren Ablehnung eines Antrages der Opposition auf nochmalige Anhörung gesprochen. Wir haben im Ausschuss nicht läppisch argumentiert, sondern uns mit der Frage sehr sorgsam auseinander gesetzt. In den Fraktionen wurde das beraten, insbesondere bei den beiden großen Fraktionen.

Das Problem bei einer Anhörung ist, dass sie eine Frage nicht abschließend klären kann. Die Fragestellung - darauf ist weder Herr Kollege Kubicki noch Frau Kollegin Lütkes eingegangen – besteht doch darin: Ist es angebracht, dass Schleswig-Holstein gegebenenfalls das einzige Bundesland wäre, wo es für eine Rasterfahndung für den Fall, dass sie notwendig werden sollte, einer Rechtsgrundlage ermangeln würde? Dann könnte sich Schleswig-Holstein an einer bundesweit durchzuführenden Rasterfahndung nicht beteiligen.

Herr Kollege, ich bitte Sie, jetzt Ihren letzten Satz zu sprechen.

Ja. - Die Koalition hat es sich nicht leicht gemacht, als sie zwischen den Rechtsgütern abgewogen hat. Aber die Sicherheit und die Gefahrenabwehr sind in diesem Bereich für uns vorrangig. Deshalb entscheiden wir uns für die Beibehaltung der Rasterfahndung.

(Beifall bei der CDU)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag gemäß § 56 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rasterfahndung ist ein unverzichtbares Instrument, gegen das es rechtsstaatliche Bedenken eben nicht gibt.

Die Kollegin Anke Spoorendonk hat eben darauf hingewiesen, dass der damalige Datenschutzbeauftragte nicht nur hier im Lande, sondern auch national und international angesehen ist. Das ist Helmut Bäumler, der seinerzeit genau das unterstrich, als wir den Gesetzentwurf verabschiedeten. Wenn es nach FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW ginge, wären wir in Schleswig-Holstein - Kollege Stritzl hat eben darauf hingewiesen - in der Tat das einzige Bundesland, in dem es keine Rasterfahndung gibt. Wer die Rasterfahndung in SchleswigHolstein nicht will, fördert die Gefahr, dass unser Land nicht nur zum Ruheraum, sondern zum Aktionsraum des internationalen Terrorismus wird.

Wer sagt denn, dass die Ballungsräume, die es auch in Schleswig-Holstein gibt, von terroristischer Gewalt und Zerstörungsakten nicht bedroht seien, Herr Kollege Kubicki! Ich weiß gar nicht, wo Sie alle wohnen, meine Damen und Herren von der Opposition. Treffen Sie bitte mit uns die Gefahrenvorsorge zum Schutze der selbstverständlich auch hier in Schleswig-Holstein bedrohten Bevölkerung!

(Beifall bei SPD und CDU)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Konrad Nabel das Wort.

(Thomas Stritzl)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde bei der gleich folgenden Abstimmung dem Gesetzentwurf zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes nicht zustimmen können,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

unter anderem weil dort die Aufhebung der Befristung der so genannten Rasterfahndung enthalten ist. Zur Begründung verweise ich auf meinen Redebeitrag zur Einführung der befristeten Rasterfahndung in Schleswig-Holstein am 17. Oktober 2001 in diesem Haus.

Ich hatte gefordert, den Zeitraum zur Überprüfung der Geeignetheit des automatischen Datenabgleichs zur Aufdeckung beziehungsweise Verhinderung terroristischer Aktivitäten in der Bundesrepublik erheblich zu verkürzen. Eigentlich wäre dem seinerzeit Gesagten nichts hinzuzufügen. Heute muss ich aber den Eindruck haben, dass die seinerzeit als Begründung angeführte Evaluation des Instruments der Rasterfahndung bis heute nicht stattgefunden hat. Trotz Millionen von erfassten Datensätzen laut „Panorama“ vom 8. April 2004 waren es 8 Millionen - hat es bis heute nur ein einziges eingeleitetes Verfahren gegeben. Es ist inzwischen wieder eingestellt worden.

Dass dennoch der erhebliche Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung unbefristet erfolgen soll, ist daher nicht begründet und deshalb abzulehnen. Denn Eingriffe in Grundrechte müssen, wenn sie überhaupt erfolgen, besonders sorgfältig begründet werden.

Ich kann mich nur dem unabhängigen Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein anschließen, das diesen Vorgang als gewaltigen Schlag ins Wasser bezeichnet hat. Anke Spoorendonk hat darauf hingewiesen. Ich möchte ergänzen: Zigtausende von Datensätzen aus Unternehmen, Hochschulen und Behörden über unbescholtene Menschen wurden ausgewertet. Tausende dieser Menschen wurden als potenzielle Schläfer behandelt. Das hat zur Gefährdung von Arbeitsplätzen und zu Diskriminierungen geführt. Zigtausende von polizeilichen Arbeitsstunden wurden in zig Millionen Euro teure Aktionen hineingesteckt. An verwertbaren polizeilichen Ermittlungsergebnissen zur Aufklärung terroristischer Strukturen ist nichts herausgekommen.

Meine Damen und Herren, ich will nicht so weit gehen wie radikale Kritikerinnen und Kritiker aus dem Bereich der Juristinnen und Juristen, die dar

auf hinweisen, dass die Datensätze nicht aufbewahrt werden können. Man spricht ja davon, dass bei genügender Rasterung irgendetwas gefunden wird. Dies will ich nicht sagen, sondern herausstellen, dass es sich hier um einen unbegründeten Eingriff in die Grundrechte handelt. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Einzelne von uns hier eine Gewissensentscheidung treffen muss. Ich mache davon Gebrauch und lehne die unbefristete Einführung der Rasterfahndung ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag gemäß § 56 der Geschäftsordnung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Wortbeiträge der Kollegen Stritzl und Puls geben Veranlassung, über die Dinge nachzudenken.

Dieses Parlament hat in der letzten Legislaturperiode das Instrument der Rasterfahndung mit Befristung eingeführt, weil es sich dabei etwas gedacht hat. Davon gehe ich aus. Es hat sich dabei gedacht, im Rahmen der Befristung festzustellen, ob das Instrument etwas bringt oder ob es nichts bringt. Damals lautete die unausgesprochene Antwort: Wenn es nichts bringt, dann ist es zu Ende. Jetzt zu erklären, es habe nichts gebracht, doch gerade das sei das Begründungselement dafür, dass wir es weiter behalten müssen, ist ziemlich komisch, Kollege Stritzl.

(Thomas Stritzl [CDU]: Das habe ich auch nicht gesagt!)

Es hat nichts gebracht. Der Kollege Puls hat gesagt: Wir dürfen auf dieses unverzichtbare Instrument zur Terrorismusbekämpfung nicht verzichten. Deshalb wird die Befristung aufgehoben, auch wenn es bisher nichts gebracht hat. Die Evaluierung hat nicht stattgefunden. Das haben wir schon gesagt. Bisher war es doch so, dass Sie jeden Grundrechtseingriff begründen müssen. Vielleicht ist das in dieser großen Koalition oder in der Koalition in Berlin demnächst anders. Wenn wir feststellen, dass wir diese Begründung des Grundrechtseingriffs zur Gefahrenabwehr brauchen und dass wir in fünf Jahren feststellen werden, ob diese Einschätzung zutrifft oder nicht, aber nach fünf Jahren zu der Feststellung kommen, dass wir dieses Instru

ment nicht zur Gefahrenabwehr brauchen, dann müssen Sie sagen: Es gibt keine Begründung für diesen Grundrechtseingriff.

Ich sehe schon die Bilder, die der Kollege Puls an die Wand malt: Wenn Schleswig-Holstein als einziges Bundesland ausschert, dann werden wir Aktionsraum für Terroristen werden. Ich stelle mir gerade vor, dass Bin Laden sich demnächst in Kiel anmeldet, weil er die sichere Erwartung hat, dass er aufgrund der fehlenden Rasterfahndung nicht weiter auffallen wird und seine unsäglichen Taten daher von schleswig-holsteinischem Boden aus geschehen lassen kann. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob Schleswig-Holstein nicht ein leuchtendes Beispiel dafür sein kann, das auch in anderen Bereichen Anlass zum Nachdenken gibt.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Vielleicht gibt es zum Beispiel auch in anderen Bundesländern Kräfte, die - wie ich - erhebliche rechtsstaatliche Bedenken gegen diesen Eingriff haben und sich bemüßigt fühlen, Mehrheiten zu organisieren, um die Regelungen dort anders zu gestalten? Ich hätte mir das von den Sozialdemokraten gewünscht. Früher war das so. Ich habe gar nicht gewusst, dass - seitdem die große Koalition da ist - auch in Schleswig-Holstein Sozialdemokraten bis auf wenige Ausnahmen vom schillschen oder vom Schlie-Geist durchdrungen sind.

(Klaus-Peter Puls [SPD]: 2001!)

- Die amerikanischen Geheimdienste haben ein Rasterungsprogramm. In 2001 haben es die Amerikaner nicht vermocht, die Angriffe auf das World Trade Center zu verhindern. Trotz der erheblichen Anstrengungen im Sicherheitsbereich hat es niemand vermocht, die Anschläge von Madrid, London oder Djerba zu verhindern. Was um alles in der Welt veranlasst uns, Daten über unsere eigenen Bürger zu sammeln, die auf ganz merkwürdigen Wegen wie wir das aus Baden-Württemberg wissen - beispielsweise über die Verbindungsreferenten des FBI Eingang in amerikanische Computer finden? Demnächst will der Kollege Puls - aus welchen Gründen auch immer - in die USA einreisen und wird dort ohne jede Begründung zurückgewiesen, ohne dass er dagegen ein Rechtsmittel hätte. Wollen wir tatsächlich gewährleisten, dass Datensätze in dieser Größenordnung den Weg in andere Bereiche finden, die wir nicht mehr kontrollieren können, und zwar unter der großen Überschrift: Wir sind gemeinsam im Kampf gegen den internationalen Terrorismus verbunden? Das hätte gravierende

Folgen für jeden einzelnen Betroffenen, ohne dass wir eine Begründung dafür hätten, dass wir dieses Instrument tatsächlich zur Gefahrenabwehr bräuchten. Das ist bisher nicht nachgewiesen. Ohne Nachweis wird es von mir und von keinem Liberalen dazu eine Stimme geben, und zwar allen Erklärungen von Liberalen der Bundestagsfraktionen aus den Jahren 2001 und 2002 zum Trotz.

Wir haben uns in der Fraktionsvorsitzendenkonferenz zwischen den innenpolitischen Sprechern verständigt und wir haben festgestellt: Viele der Maßnahmen, die wir nach 2001 ergriffen haben, haben sich im Nachhinein als untauglich oder sogar als schädlich erwiesen. Es ist Aufgabe eines Rechtsstaates, dies im Zweifel zu korrigieren. Es ist jedenfalls nicht seine Aufgabe, die Hand dazu zu reichen, dass aus einer Befristung etwas Unbefristetes wird. Kollege Puls, ich hätte noch Verständnis dafür, wenn man sagen würde: Lasst uns das auf drei weitere Jahre befristen.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

Jedoch zu sagen, wir machen das unbefristet und damit im Zweifel nicht wieder rücknehmbar, halte ich für absurd. Wir kennen das doch alle. Ich halte das in einem demokratischen Gemeinwesen und für Parlamentarier, die auf diesen Rechtsstaat verpflichtet sind, für aberwitzig.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine erste Bemerkung: Die Debatte in 2001 war nicht nur anders als die heutige Debatte, sie war auch ernster und von Respekt gegenüber den anders Denkenden geprägt. Man kann das alles in den Protokollen von damals nachlesen. Der zentrale Punkt in der Debatte von 2001 war die Befristung. Einige von uns sagten damals, die Befristung bis 2005 sei viel zu lang. Wir wollten eine kürzere Befristung. Richtig ist auch, dass der Landesdatenschutzbeauftragte damals unser Partner in der Debatte war. Lieber Kollege Puls, er hat also nicht nur etwas abgenickt, sondern seine Bedenken sind mit in die Bera

(Wolfgang Kubicki)

tungen eingeflossen. Heute sagt das ULD: erst evaluieren, dann novellieren. Davon ist keine Rede. Wir wissen also wirklich nicht, woran wir sind und ob es gute Gründe dafür gibt, diese Rasterfahndung weiterzuführen. Wir wissen es ganz einfach nicht. Wir haben nur die Erkenntnis, dass das, was bisher geleistet wurde, kein Ergebnis gebracht hat.