Protocol of the Session on November 9, 2005

- Zwei Minuten, Herr Ritzek! - Der Kollege Hentschel hat sich bereits gemeldet. Ich hoffe, die Ihnen zur Verfügung gestellten zwei Minuten reichen.

Ich hätte lieber drei Minuten Redezeit nach § XYZ.

Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe nur eine Anmerkung zu dem, was Sie gesagt haben, Herr Minister Austermann. Der Baufortschritt von Verkehrsmaßnahmen in Schleswig-Holstein hängt - wie übrigens überall im Bund - im Wesentlichen vom Umfang der verfügbaren Mittel ab. Die Planungsfragen haben dabei noch nie als Bremse gewirkt. Die Frage, was in Schleswig

Holstein gebaut wird - siehe A 20 -, war immer eine Frage der Bereitstellung der Mittel und nie eine Frage der Planung.

Es gibt übrigens ein Land, das schneller geplant als gebaut hat. Das ist Baden-Württemberg. BadenWürttemberg hat in erheblichem Umfang beschleunigt Maßnahmen geplant, für die kein Geld zur Verfügung stand. Da trat in der Tat das auf, was Sie beschrieben haben, nämlich dass die Planfeststellungsverfahren nach fünf Jahren ungültig wurden und man durfte mit der Planung von neuem anfangen. Das allerdings ist ziemlicher Unsinn. Außerdem ist es natürlich immer sinnvoll, dann zu planen, wenn etwas aktuell ansteht, und nicht irgendwie für die Zukunft zu planen, wenn man gar kein Geld hat.

Herr Abgeordneter Hentschel, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Auch in Dänemark ist für den Bau der Belt-Querung entscheidend gewesen, dass sie finanziert worden ist, und nicht, dass man sie geplant hat.

Herr Abgeordneter Hentschel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Aber doch nicht bei einem Beitrag von eineinhalb Minuten. Das ist, finde ich, übertrieben.

Ich warne Sie nur deshalb, weil Sie gesagt haben, Sie wollten bis 2009 fertig sein. Ich kenne zufällig die Anmeldungen Schleswig-Holsteins zum Bundesverkehrswegeplan, weil ich das mit diskutiert habe. Bei dem, was Schleswig-Holstein an Finanzmittel zusteht und was angemeldet ist, gibt es eine Überzeichnung von 30 %. Da der Plan bis 2015 reicht und wir eine Überzeichnung von 30 % haben, bedeutet die Aussage, dass wir bis 2009 fertig sind, dass dann 30 % aller Planungen in den Papierkorb geworfen werden können. Davor will ich warnen. Das ist eine Verschwendung von Staatsmitteln. Ich glaube also, wir sollten mit dieser Debatte sehr vorsichtig sein und uns auf das konzentrieren, was tatsächlich notwendig ist, nämlich dass es bei einer Investition vor allem darum geht, sie zu bezahlen, Herr Austermann. - Viel Spaß!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Ich lasse daher über den Antrag Drucksache 16/297 in der Sache abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen?

(Martin Kayenburg [CDU]: Wir wollen Aus- schussüberweisung! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie bitte?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist 17:27 Uhr. Dem Präsidium liegt ein Antrag auf Abstimmung in der Sache vor. Kann es sein, dass wir die Abstimmung aufgrund der späten Stunde wiederholen müssen?

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir beantragen, dass das in den Ausschuss geht, damit das noch einmal dis- kutiert wird! - Weitere Zurufe)

Es ist Abstimmung in der Sache beantragt worden. Da bei der Abstimmung einige Irritationen herrschten, die leicht erklärbar sind, werden wir sie wiederholen.

Damit lasse ich über die Drucksache 16/297 in der Sache abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Drucksache 16/297 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW angenommen. - Wir bedanken uns dafür, dass wir das hinbekommen haben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Keine Privatisierung des deutschen Autobahnnetzes

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/305

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/358

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwei Jahren hat der große Privatisierer und Liberalisierer Wolfgang Clement gefordert, die deutschen Autobahnen an private Investoren zu verkaufen, um Haushaltslöcher zu stopfen. Damals ging

ein Sturm der Entrüstung durch das Land. Natürlich wurde dieser Vorschlag weit und breit abgelehnt. Aber er diente seinerzeit eigentlich auch nur dazu auszuloten, wie weit man wohl gehen könnte. Clement wusste genau, was er tat. Auch Peer Steinbrück als neuer Finanzminister weiß genau, was er tut, wenn er den gleichen Vorschlag wieder vorbringt. Wieder soll ausgelotet werden, ob die Ablehnungsfront inzwischen etwas bröckelt, und sie bröckelt.

Die Landesverkehrsminister waren sich uneinig. Nur eine knappe Mehrheit, darunter Verkehrsminister Austermann, wandte sich gegen eine Privatisierung der Autobahnen. Das unterstützen wir voll uns ganz. Aber warum kommt eigentlich immer wieder dieser unsinnige Vorschlag aus den Reihen der SPD? Wenn das so weitergeht, liebe Kolleginnen und Kollegen, rennen die Menschen weiter scharenweise zu den Sozialisten über. Eigentlich sollte sich die sozialdemokratische Seele bei solchen Privatisierungen sträuben.

Die staatliche Infrastruktur gehört in staatliche Hände. So wie wir mit Recht immer wieder in diesem Parlament gemeinsam gefordert haben, dass der Staat die Bahninfrastruktur betreiben sollte, um einen diskriminierungsfreien und gleichen Zugang für die Bahnunternehmen zu den Strecken zu ermöglichen, so muss auch die Straßeninfrastruktur in staatlichen Händen bleiben. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn Tunnel oder Brücken bei Großprojekten von privaten Anbietern erstellt werden und die Unternehmen das volle Risiko tragen. Aber wenn man Staatsgelder benutzt, um Strecken zu bauen, und dann über Jahre und Jahrzehnte die Unterhaltung der Strecken vom Steuerzahler finanzieren lässt, dann ist es nicht zu rechtfertigen, wenn diese Strecken dann flächendeckend an Private verkauft werden und die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes mehrfach draufzahlen.

Auch ein Vergleich mit Frankreich zeigt hier deutliche Unterschiede. In Frankreich werden zwar die Autobahnen durch Privatunternehmen gebaut, aber es gibt hierfür kein Staatsgeld. Das heißt, die Unternehmen tragen das alleinige unternehmerische Risiko. Entsprechend dünn ist das Autobahnnetz in Frankreich. Unser Autobahnnetz ist nur deshalb so gut ausgebaut, weil wir es als staatliches Autobahnnetz betreiben.

Ein Verkauf der Autobahnen wäre eigentlich nur die Einführung einer PKW-Maut durch die Hintertür. Die Renditeerwartung dürfte sich dann bei den üblichen 15 % bewegen. Das hieße bei einem Verkaufspreis von 127 Milliarden €, die genannt wurden, dass rund 20 Milliarden € jährlich eingespielt werden

(Lars Harms)

müssten. Wenn man dann noch die Unterhaltungs- und Reparaturkosten einrechnet, würde die Summe noch viel höher liegen. Das alles wäre durch den deutschen Steuerbürger zu zahlen.

Es trifft dann die, die regelmäßig zur Arbeit fahren müssen, die, die oft weite Strecken fahren müssen, und die, die sich nicht dagegen wehren können und auf die Autobahnen angewiesen sind. Die Autofahrer finanzieren über Steuern und Abgaben schon heute das gesamte Straßennetz und dessen Unterhaltung.

Was aber eigentlich noch viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass aufgrund der hohen Preise für Öl auch die Mineralölsteuereinnahmen gestiegen sind. Der Staat hat wesentlich höhere Einnahmen aus dieser Steuer erhalten. Trotzdem fällt dem sozialdemokratischen Führungspersonal nur ein, den einfachen Bürger noch extra zu schröpfen. Das ist Politik, die sich vom Bürger abwendet und die die Probleme der Menschen eben nicht ernst nimmt.

Nun hat auch Finanzminister Wiegard mitgeteilt, er sei für die Einführung einer Autobahnvignette für PKWs. Damit ist das Durcheinander in der Landesregierung wieder einmal perfekt. Austermann sagt Nein, Wiegard sagt Ja. Die Sozialdemokraten auf Bundesebene verkaufen am liebsten gleich alles. Auf Landesebene scheint man noch darüber zu diskutieren. Was wir jetzt brauchen, ist eine deutliche Aussage, dass Privatisierungen keine Lösung sind und dass unser Parlament klar Nein zu einer Privatisierung der Autobahnen und damit zur PKW-Maut sagt.

Wenn man wirklich ehrlich an die Frage herantreten will, inwieweit sich Autofahrer auch in Zukunft an den Kosten der Infrastruktur beteiligen sollen, dann muss der Weg ausschließlich über die Mineralölsteuer gehen. Wer viel Benzin verbraucht und dadurch die Umwelt und die Infrastruktur stark belastet, muss auch viel zahlen. Gleichzeitig hat man aber die Chance, wenn man Benzin sparende Fahrzeuge kauft oder sogar mit alternativen Antriebssystemen ausgerüstete Autos fährt, jede Menge Steuern zu sparen. So hätte man einen Anreiz, wirklich ökologisches und ökonomisches Handeln miteinander zu verbinden, und man würde sich einen riesigen bürokratischen Aufwand ersparen.

Der Staat hat hier eine Verantwortung gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Er muss dafür sorgen, dass eine Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt wird, die sich an den wirtschaftlichen Kriterien genauso messen lässt wie an ökologischen Kriterien und die sozialen Belange nicht außer Acht lässt. Dies gewährleisten wir nur, wenn die Verkehrsinfrastruktur und damit die Autobahnen weiterhin in öffentlicher Hand bleiben.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. - Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erstaunt über diesen Antrag des SSW, des Kollegen Lars Harms, und über seine Beiträge umso mehr. Ich meine, dieses wäre einer Diskussion im Wirtschaftsausschuss würdig gewesen. Dort sollte man darüber diskutieren, wie wir damit verfahren wollen, nicht hier im Plenum, wenn wir ernst genommen werden wollen. Niemand hat bisher ernsthaft einen Gesamtverkauf des deutschen Autobahnnetzes diskutiert, außer Peer Steinbrück. Das haben Sie gesagt. Es ist sicherlich sein gutes Recht als designierter Finanzminister, über alle Steuereinnahmen nachzudenken. Deshalb hat er von seinem Kollegen Rainer Wiegard die Unterstützung bekommen, nur mit dem Unterscheid - das haben Sie nicht erwähnt -, dass nach dem Vorschlag von Wiegard die Mineralölsteuer gesenkt werden soll. Es wäre insofern ein Nullsummenspiel. Es wäre richtig und vernünftig gewesen, das hier anzusprechen.

Aber - ich denke, das ist entscheidend und darüber müsste auch der SSW einmal nachdenken - wir müssten zunächst einmal vernünftig und sachgerecht über das gesamte Für und Wider eines Verkaufs des Straßennetzes diskutieren, ergebnisoffen, und dann sagen, was wir wollen. Zurzeit ist es für uns überhaupt keine Diskussion, das Straßennetz zu verkaufen, weil wir noch gar nicht über das gesamte Ausmaß eines solchen Verkaufs und die Folgen für Schleswig-Holstein informiert sind.

Wir haben eben darüber diskutiert, dass wir ein Planungsbeschleunigungsgesetz haben wollen. Wir brauchen in Schleswig-Holstein eine bessere Infrastruktur, nicht nur den zügigen Ausbau der A 20 mit dem Anschluss an das niedersächsische Fernstraßennetz, sondern auch den sechsstreifigen Ausbau der A 7 vom Hamburger Kreuz Nordwest bis Bordesholm sowie den Ausbau der A 21.

Das, meine Damen und Herren, sind die entscheiden Infrastrukturprojekte, die wir in den nächsten Jahren für unser Land anschieben wollen. Ich bin mir sicher, dass es unserem fleißigen Wirtschaftsminister mit seinen Mitarbeitern außerdem gelingen wird, diese Projekte zügig umzusetzen.

(Hans-Jörn Arp)

Natürlich - dessen bin ich mir bewusst - hängt die Umsetzung maßgeblich von den finanziellen Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland ab. Wie wir alle wissen, ist der finanzielle Spielraum zurzeit sehr begrenzt. Um die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen auf der Straße zügig umzusetzen, müssen wir über mögliche alternative und kreative Finanzierungsformen nachdenken - auch das war heute hier im Hause schon ein Thema -, über die Frage der PPPModelle. Aber eines muss hier auch klar sein: Eine Maut in Schleswig-Holstein ist für SchleswigHolsteiner als ein Land der Pendler sehr schwierig. Viele fahren jeden Tag mit dem Auto zur Arbeit. Die Entfernungspauschale wird gekürzt. Ein Weiteres: Wir liegen an der Peripherie. Alle Waren, die nach Schleswig-Holstein gebracht werden, werden dadurch nicht billiger.

Wir sind also in einem Spagat. Für SchleswigHolstein und den Bau der A 20 bedeutet dies konkret: Es muss eine schnelle, verlässliche Planung auf niedersächsischer Seite erfolgen. Denn auch das muss klar sein: Wenn es dort über die A 22 und die A 26 nicht weitergeht, wird die Privatfinanzierung nicht einfacher sein.

Lassen Sie mich noch einige Anmerkungen zu der möglichen Privatisierung machen. Sie muss sorgfältig geprüft werden. Andere Länder wie Frankreich oder Italien - Kollege Harms sprach das an - haben das. Dort habe ich als Autofahrer einen anderen Anspruch. Wenn ich bezahlt habe, will ich auf freien Straßen fahren und nicht wie in Hamburg oder NordrheinWestfalen im Stau stehen. Das mache ich nicht mehr mit, wenn ich bezahlt habe. Übrigens - das muss man zu dem dänischen Modell sagen - werden die BeltQuerungen alle privat finanziert. Auch da zahle ich eine Maut. Aber auch das ist nicht ganz unproblematisch.

Ich denke, wir werden das Für und Wider im Wirtschaftsausschuss vernünftig und sachgerecht diskutieren. Dorthin gehört das Thema. Ich freue mich auf die Beiträge, die dann hoffentlich nicht so populistisch sind wie die, die wir hier gehört haben. Kollege Harms, Sie sind eingeladen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp. - Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Bernd Schröder.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mitte Oktober rauschte es gewaltig im bundesdeutschen Blätterwald: „Steinbrück schließt Autobahnverkauf nicht aus“, war eine Schlagzeile. Der designierte Bundesfinanzminister - es ist schon gesagt worden, dass Finanzminister es so an sich haben, nach Geldeinnahmequellen und Verringerung der Ausgaben zu gucken - sagte: „Wir müssen das sorgfältig abwägen. Die Diskussion darüber beginnt gerade und ich bin in keiner Weise festgelegt.“