Protocol of the Session on September 17, 2009

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer das Ziel ausgibt, den Stromverbrauch des Landes mittelfristig aus 100 % erneuerbaren Energien zu decken, der muss natürlich auch sagen, wie das erreicht werden soll. Schaut man sich die natürlichen Gegebenheiten in Schleswig-Holstein an, dann liegt der Schwerpunkt der zukünftigen Energieversorgung naturgegeben auf Windenergie und Erdwärme.

Bei der Windenergie müssen die planungsrechtlichen Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass sowohl dem weiteren Ausbau der Windkraft an Land als auch der Neuentwicklung von Windparks auf dem Wasser so viel Rückenwind wie nur möglich zuteil wird.

(Beifall bei der FDP)

Auch wollen wir den Bürgern verstärkt die Möglichkeit einräumen, in Form von Kleinwindanlagen an der Nutzung der Windenergie teilzuhaben.

Die FDP wird zudem die derzeitige Regelung aufheben, lediglich 1 % der Landesfläche als Nutzungsfläche für Windenergieanlagen auszuweisen. Das ist im Übrigen ein Punkt, den ich bei Ihrer Entscheidung auf Ihrem Landesparteitag nicht ganz nachvollziehen kann, Kollege Matthiessen. Warum wollen Sie an der starren 1-%-Regelung festhalten?

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Doch, wollen Sie, das haben Sie auf Ihrem Landesparteitag ganz klar beschlossen.

(Dr. Heiner Garg)

Auch die ökonomisch und ökologisch sinnvolle Strom- und Wärmeerzeugung aus pflanzlichen Stoffen, Gülle, organischen Reststoffen aus der Land- und Ernährungswirtschaft sowie aus Restholz ist weiterzuentwickeln. Im Hinblick auf die Flächenkonkurrenz der Lebensmittel- und Energiepflanzen ist allerdings stets ein ausgewogenes Verhältnis zu beachten. Das ist ein Punkt, der im landwirtschaftlich geprägten Schleswig-Holstein nicht vernachlässigt werden darf.

Um erneuerbare Energien zu einer jederzeit verfügbaren Energiequelle zu machen, brauchen wir eine völlig neue Form der Energiespeicherung. Dringend notwendig ist deshalb, die technischen Möglichkeiten zu schaffen, den Strom aus den regenerativen Energiequellen zu speichern und damit grundlastfähig zu machen. Die Forschung zur Speicherung der in ihrer Intensität schwankenden erneuerbaren Energien muss mit allem Nachdruck intensiviert werden. Es ist eben kein Argument für längere Restlaufzeiten von Kernkraftwerken, dass man sagt, erneuerbare Energien seien nicht grundlastfähig. Dann muss man alles daran setzen, erneuerbare Energien grundlastfähig zu machen, und zwar so schnell wie nur irgend möglich.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für uns, für die FDP, bedeutet es deswegen ganz konkret, dass die Fördermittel für die regenerativen Energien verstärkt in Forschung und Entwicklung der Speichertechnologien umgeleitet werden müssen.

Eine Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien und eine verstärkte Entwicklung von Speichertechnologien sind so lange wirkungslos wie die Stromnetze nicht in der Lage sind, die produzierten Energiemengen ausreichend zu transportieren. Ich sage das hier ganz deutlich: Die FDP wird jede weitere planerische Verschleppung des Netzausbaus nicht nur nicht dulden, sondern auf die Beschleunigung zum Auffangen bisheriger Versäumnisse hinwirken.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf: Sehr gut!)

Dabei ist grundsätzlich dort - und an dem „grundsätzlich“ habe ich mich ein bisschen gestört, deswegen füge ich ein „volkswirtschaftlich“ ein -, wo es volkswirtschaftlich günstiger ist und die Unterstützung der örtlichen Bevölkerung findet, die Verlegung von Erdkabeln anstelle von überirdischen Stromleitungen zu bevorzugen.

Noch ein weiterer Punkt ist wichtig. Die Energienetze müssen mit intelligenter Technik ausgerüstet werden, sodass in naher Zukunft ein Energiemanagement mit vielen kleinen dezentralen Stromerzeugern bis hin zu virtuellen Kraftwerken realisiert werden kann.

Das alles - das wissen wir - passiert nicht von heute auf morgen. Daher brauchen wir natürlich auf absehbare Zeit einen Energiemix aus konventionellen Kraftwerken und erneuerbarer Energie, der Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit vereint. Bei den konventionellen Kraftwerken ist jedoch aus unserer Sicht stets eine gleichzeitige Nutzung von Strom und Wärme anzustreben, um die hohen Energieverluste der konventionellen Kraftwerke abzumildern. Generell kann Kohlestrom aus Gründen der Versorgungssicherheit und der preisgünstigen Grundlastversorgung auf absehbare Zeit ein Teil des Energiemixes sein, allerdings - das will ich ganz deutlich sagen - nur als Übergangstechnologie.

Deswegen lassen Sie mich an dieser Stelle klipp und klar sagen: Wir lehnen den Zubau weiterer Kohlekraftwerke neben den bislang in Planung befindlichen in Schleswig-Holstein ab. Ebenso lehnt die FDP den Bau einer CO2-Pipeline zum Transport von CO2 von Kraftwerken außerhalb Schleswig-Holsteins zu Lagerstätten im nördlichsten Bundesland entschieden ab - auch wenn hier immer das Gegenteil behauptet wird. Ich sage an der Stelle ganz deutlich: Das unterscheidet uns von den Sozialdemokraten. Denn die schleswig-holsteinischen SPD-Delegierten haben auf dem vergangenen Bundesparteitag Folgendes beschlossen:

,,Wir wollen deshalb, dass die Revisionsklausel für den deutschen Steinkohlebergbau schon rechtzeitig vor 2012 wirksam gemacht und so das faktische Auslaufen des Steinkohlebergbaus verhindert wird.“

Das unterscheidet uns ganz massiv von der SPD. Wir wollen weg von der Steinkohle und die CO2Emissionen reduzieren. Die SPD will den Wiedereinstieg in die Steinkohle. Und da Steinkohle ja auch irgendwo hin muss, heißt das logischerweise auch: Die SPD will - jedenfalls auf Bundesebene ganz offensichtlich den Bau von neuen Kohlekraftwerken. Die FDP will das nicht.

Auch eine unterirdische Speicherung von CO2 aus Kohlekraftwerken in Schleswig-Holstein lehnen wir entschieden ab. SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel tut das offensichtlich nicht - nein, nicht nur offensichtlich nicht, er tut es nicht. Denn er

(Dr. Heiner Garg)

weiß genau: Der Wiedereinstieg in die Steinkohleförderung bei gleichzeitigem Erreichen der Auflagen des Kyoto-Protokolls in Sachen CO2-Reduzierung geht natürlich nur, wenn die CCS-Technologie zur Abscheidung und Einlagerung von CO2 aus Kohlekraftwerken angewandt wird. Und dann ist es natürlich als Niedersachse auch ganz einfach zu sagen: Dann soll der Dreck eben in Schleswig-Holstein verbuddelt werden. Das wollen wir definitiv nicht.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kommen wir noch einmal zum Thema Atomkraft. Ich bin der Auffassung, dass auch die Kernenergie in Schleswig-Holstein nur eine Übergangstechnologie sein kann, und zwar auch nur so lange, bis erneuerbare Energien in ausreichendem Umfang grundlastfähigen Strom erzeugen können.

Die FDP in Schleswig-Holstein bekennt sich - im Übrigen auch wider allen anderen Behauptungen, die man dieser Tage immer wieder hört - eindeutig, unmissverständlich und einstimmig zu den mit den Kraftwerksbetreibern vereinbarten Reststrommengen. Ich sage aber auch ganz deutlich: Eine Reduzierung der produzierten Strommengen aus Kernenergie lehnen wir ab. Da unterscheiden wir uns von den Grünen. Sie wollen diese Möglichkeit auch nutzen, im Zweifel über den von Ihnen vereinbarten Energiekonsens hinaus, die Reststrommengen zu reduzieren.

Herr Dr. Garg, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Astrup?

Ja, selbstverständlich, immer gern.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei mir war er nicht so nett!)

- Du bist ja auch wieder da.

Herr Dr. Garg, wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie in Ihrem Redebeitrag sehr sorgfältig zwischen der Position der SPD Schleswig-Holstein und der SPD-Position im Bund unterschieden. Das ist in Ordnung und legitim. Darf ich Sie einfach fragen, weil ich bekanntermaßen kein Fachmann auf dem Gebiet bin: Wie verhält es sich mit der Auffassung der FDP Schleswig-Holstein zum Thema Atom und mit der

Auffassung der Bundes-FDP zum selben Thema? Sind Sie so nett, mir das zu erklären?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Da können wir aus dem Wahlprogramm vorlesen!)

- Herr Kollege Astrup, ich freue mich sehr über die Möglichkeit klarzumachen, dass wir offensichtlich deutlich weiter sind als der Kollege Stegner bei der Bundes-SPD. Die Bundes-FDP nähert sich unserem Kernenergiekurs immer weiter an.

(Lachen bei der SPD)

Die Bundes-FDP hat beispielsweise in ihrem Präsidium ganz klar beschlossen, dass Reststrommengen von älteren auf neuere Kernkraftwerke übertragen werden können. Das ist die Position der FDP Schleswig-Holstein. So weit sind Sie noch lange nicht.

(Konrad Nabel [SPD]: Das ist doch nichts Neues!)

Ich bin bei der Kerntechnologie: Von großer Bedeutung bei dieser Technologie neben der bisher weiter ungeklärten politischen Frage der Endlagerung des radioaktiven Abfalls ist stets die Sicherheit der Anlagen. Das hat die leidige und oft geführte Diskussion um das Kernkraftwerk Krümmel gezeigt. Lieber Kollege Hentschel, an der Stelle sage ich Ihnen zu der Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle ganz deutlich: Da hat sich die rot-grüne Bundesregierung nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Sie haben recht, dass es ein Riesenproblem ist, nuklearen Abfall für Hunderttausende von Jahren lagern zu müssen. Sie müssen aber auch nicht so tun, als ob Sie die Lagerung verhindern könnten. Es gibt ja schon jede Menge hochradioaktiven Abfall. Wir müssen alle - jede politische Kraft, die in Zukunft Verantwortung trägt - dafür sorgen, dass wir ein sicheres Endlager für diesen hochradioaktiven Abfall finden.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur hat noch nie jemand eins gefunden!)

- Aber Sie haben während Ihrer Regierungszeit nichts dafür getan, dass die Klärung der Frage der Endlagerung weiter vorangekommen ist.

Die Sicherheit der schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke muss auf höchstem Niveau gewährleistet werden. Dies gilt insbesondere für das Sicherheitsmanagement und die Sicherheitskultur in den Anlagen. Da will ich ganz deutlich sagen - auch nach dem letzten Auftritt der Vertreter von Vatten

(Dr. Heiner Garg)

fall im zuständigen Sozialausschuss -: Hier hat der Staatskonzern Vattenfall kläglich und erbärmlich versagt. Dies ist kein Umgang mit Parlamentariern, die ein Recht darauf haben, nicht nur wahrhaftig informiert zu werden, sondern vor allem ein Recht darauf haben, dass die Auflagen, die vor zwei Jahren dem Kraftwerksbetreiber gemacht wurden, auch erfüllt werden. Nichts ist passiert! Bis heute weigert sich beispielsweise Vattenfall, die Einführung der Audioüberwachung in dem Kraftwerk zu installieren. Da sage ich ganz deutlich: So darf man sich das nicht gefallen lassen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ein solcher Betreiber darf in Zukunft ein Kraftwerk nicht mehr betreiben.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der logischen Konsequenz heißt das dann, wenn die Sicherheit einzelner Anlagen nicht gewährleistet werden kann, müssen die entsprechenden Anlagen endgültig vom Netz gehen und die noch bestehenden Reststrommengen auf jüngere Meiler übertragen werden. Dies hat dann natürlich automatisch eine Verlängerung der Laufzeit desjenigen Atomkraftwerks zur Folge, welches die zusätzliche Strommenge produzieren darf.

Ich habe für meine Fraktion bereits am 16. Juli 2008 im Plenum des Landtags gefordert, mit der Bundesregierung und mit den Kernkraftwerksbetreibern Vattenfall und E.ON in konkrete Verhandlungen einzusteigen, um ein angemessenes Verfahren zu finden, mit dem gewährleistet ist, die Reststrommengen von älteren Reaktoren wie Krümmel und Brunsbüttel auf neuere Anlagen - beispielsweise Brokdorf - zu übertragen. Nach dem Atomgesetz ist das möglich, setzt allerdings den Konsens aller Beteiligten voraus.

Dieser Ernergiekonsens II - so habe ich ihn genannt - muss herbeigeführt werden, und zwar in einem unideologischen, unaufgeregten und stattdessen sachlichen Verfahren. Sie finden genau diesen Vorschlag in unserem heutigen Änderungsantrag wieder. Der ist klipp und klar und wiederholt meine Forderungen von damals. Ich sage auch: Wir müssen den Gemeinden - in diesem Fall der Gemeinde Geesthacht - natürlich einen finanziellen Ausgleich dafür bieten, dass sie in Zukunft auf Steuereinnahmen verzichten müssen. Das hat bei der Fusionierung von Sparkassen geklappt. Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum es in diesem Fall nicht auch funktionieren sollte. Aber es gehört auch zur Ehr

lichkeit dazu, dass man einen fairen Ausgleich für diese Gemeinden finden muss.