Protocol of the Session on September 16, 2009

Drittens. Ist es zutreffend, dass Sie im Risikoausschuss der HSH Nordbank gesessen und zugestimmt haben, dass für Geschäfte im Bereich des Kreditersatzes bis zu 100 Millionen € die übliche Risikoprüfung abgeschafft wird - aus diesen Geschäften resultiert mehr als die Hälfte des Verlustes der HSH Nordbank -, obwohl Sie doch keine Gelegenheit auslassen, Manager für die riskanten Bankgeschäfte öffentlich lautstark zu brandmarken?

Viertens. Ist es zutreffend, dass der SPD-Innenminister Lothar Hay, zugleich sozialdemokratischer Vertreter im Aufsichtsrat der HSH Nordbank, gegenüber dem Finanzminister Rainer Wiegard ausdrücklich der Zahlung einer Halteprämie in Höhe von 2,9 Millionen € zugunsten Herrn Nonnemachers zugestimmt hat, obwohl Sie doch nicht müde werden, diese Zahlung als unvertretbar zu bezeichnen und die beteiligten Entscheidungsträger auffordern, persönliche Konsequenzen zu ziehen?

Sie können darauf mit Ja oder Nein antworten. Sie können es vielleicht auch erklären, aber die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie

(Wolfgang Kubicki)

Sie es mit Ihrer neuen Glaubwürdigkeit meinen, Herr Stegner.

(Beifall bei FDP und CDU)

Die Menschen wissen sehr genau, was es bedeutet, wenn Sie darauf nicht eingehen. Die können sich das Ihre schon denken.

Der Prüfbericht der KPMG listet akribisch 321 Einzelpunkte auf, bei denen erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Für diese Fehler der Vergangenheit haben die schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger bis zum heutigen Tag 7,5 Milliarden € zur Stützung der Bank bereitgestellt; mit ungewissem Ausgang. Die auch heute noch sowohl von Finanzminister Wiegard als auch von Bankchef Nonnemacher vorgetragene Behauptung, die Bank habe den Steuerzahler bis heute keinen Cent gekostet, ist schlichtweg falsch und zieht mir langsam die Schuhe aus. Diese Behauptung ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Bürger dieses Landes. Herr Nonnenmacher hat dies in der „Financial Times Deutschland“ vor einigen Tagen wiederholt.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Lars Harms [SSW])

Das Dilemma ist: Die Eigenkapitalerhöhung ist kreditfinanziert. Die Zinsen soll die Bank erwirtschaften. Bis heute hat sie das aber noch nicht getan. Allein für die 1 Milliarde €, die im Juni 2008 an Eigenkapital zugeschossen wurde, hat das Land bislang 40 Millionen € verloren, denn die Kreditzinsen in etwa dieser Höhe sollten über die Dividende bezahlt werden, aber die Dividende fällt aus. Das heißt, wir können allein für die 40 Millionen € feststellen, dass das Land diese Summe aufgebracht hat, ohne dass die Bank einen entsprechenden Ausgleich gegeben hat. Die Erklärung, die Bank habe das Land noch keinen Cent gekostet, sollte man wirklich nicht wiederholen; es sei denn, man möchte sich komplett unglaubwürdig machen.

(Beifall bei FDP, SSW und des Abgeordne- ten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, das Thema HSH Nordbank wird den Landeshaushalt noch auf Jahre beschäftigen. Die FDP sieht es daher als ihre Pflicht an, dass der Untersuchungsausschuss auch in der neuen Legislaturperiode fortgesetzt wird. Wir wollen, dass die Verantwortlichkeiten aufgedeckt werden. Wir wollen, dass die entsprechenden Konsequenzen für die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates gezogen wer

den. Ich erinnere an § 93 des Aktiengesetzes. Dieser nimmt Vorstände auch dann in Haftung, wenn sie fahrlässig handeln. Schuldhaft ist immer fahrlässig oder vorsätzlich. Fahrlässiges Handeln reicht. Es wäre sinnvoll, wenn der Anteilseigner sich einmal Gedanken darüber machen würde, Vorstände, die fahrlässig gehandelt haben, auch zur Verantwortung zu ziehen.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen, dass entsprechende Regularien getroffen werden, um in der Zukunft die Fehler der Vergangenheit zu verhindern. Wir wollen, dass das Land seine Beteiligung an der HSH Nordbank aufgibt, denn es ist nicht Aufgabe des Landes Schleswig-Holstein, weltweite Geschäfte einer privaten Bank zu finanzieren.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Tribüne begrüßen wir ganz herzlich Preisträgerinnen und Preisträger des Schülerkunstwettbewerbs der CDUFraktion. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuss legt dem Landtag heute einen von allen Fraktionen getragenen Zwischenbericht vor. Der Bericht ist knapp und nüchtern und beschreibt den derzeitigen Sachstand der Untersuchung. Wir stehen erst am Anfang der Ermittlungen. Über die Fraktionsgrenzen hinweg haben wir uns darauf verständigt, keinen Abschlussbericht vorzulegen, damit bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Landtags weitergearbeitet werden kann. Wir wollen die Verzögerung, die bereits durch die vorgezogene Neuwahl eingetreten ist, so gering wie möglich halten.

Die Ermittlungen müssen im neuen Landtag zügig fortgesetzt werden, denn schon jetzt zeichnet sich ab, wie schlecht die Bank gemanagt wurde, wie dramatisch der Aufsichtsrat bei der Kontrolle des Vorstands versagt hat und wie dilettantisch die Landesregierung in den letzten Monaten der Krise gehandelt hat.

(Wolfgang Kubicki)

In aller Deutlichkeit hat Herr Gößmann, der Chefjustiziar der HSH Nordbank, letzte Woche vor dem Untersuchungsausschuss in seiner Stellungnahme klargemacht, dass die Bank ihren Geschäften nicht gewachsen war. Das Kreditersatzgeschäft sei zu riskant und zu groß gewesen, in der Geschäftsorganisation, dem Risikomanagement und bei der Rechnungslegung habe es Mängel gegeben, das Risikobewusstsein sei zu wenig ausgeprägt, die Marktfolge personell, organisatorisch und technisch nicht hinreichend ausgestattet gewesen. Im Klartext heißt das: Die Bank hat ohne Netz und doppelten Boden mit dem Geld der schleswig-holsteinischen Steuerzahler auf den Weltmärkten herumgezockt. Das war unverantwortlich, denn die Bank hat hoch verloren. Der Steuerzahler hat verloren, darauf komme ich gleich noch.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

2008 machte die Bank einen Verlust von 2,8 Milliarden €, wobei allein die Spekulationsverluste in den Jahren 2007 und 2008 insgesamt über 2,9 Milliarden € betrugen. Über diese bereits realisierten Spekulationsverluste hinaus schlummern in den Büchern der Bank weitere stille Lasten; wahrscheinlich sind es um die 2 Milliarden €. Ohne die milliardenschwere Hilfe des Steuerzahlers wäre die Bank im November 2008 von der Bankenaufsicht geschlossen worden. Herr Wiegard, da stellen Sie sich öffentlich hin und tönen - gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Nonnenmacher -, es sei doch alles in bester Ordnung, die Bank und das Rettungspaket hätten den Steuerzahler bislang keinen Cent gekostet? - Herr Finanzminister, für wie blöd halten Sie die Wählerinnen und Wähler?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kubicki hat es eben ausgeführt: Sie wissen ganz genau, dass Schleswig-Holstein schon Milliarden Euro an Eigenkapital in die Bank gesteckt hat und dafür zurzeit wegen fehlender Dividenden keine Gegenleistung erhält. Sie wissen, dass durch Spekulationsverluste und durch Investitionen in US-Schrottimmobilien Vermögen der Bank - und damit auch Landesvermögen - vernichtet wurde. Sie wissen ganz genau, dass das jetzige Geschäftsmodell der Bank auf tönernen Füßen steht und dass es noch völlig offen ist, ob Schleswig-Holstein von den investierten Milliarden auch nur einen Cent zurückbekommt.

Nein, Herr Wiegard, es ist nicht die böse Opposition, die die Zukunft der Bank schlechtredet. Es sind

Ihre eigenen ehemaligen Kollegen Herr Döring und Herr Marnette, die schon zum Jahresende hin eine erneute existenzielle Bedrohung der HSH Nordbank zu befürchten. Herr Marnette hat gerade noch ein Gutachten nachgelegt, in dem er deutlich macht, wie risikoreich die Schiffsfinanzierung ist. Kein Verlust für den Steuerzahler? - Herr Wiegard, wer soll Ihnen dieses Märchen eigentlich glauben?

Es ist sicherlich richtig, dass die HSH Nordbank durch die internationalen Marktverwerfungen hart getroffen wurde. Herr Wiegard, es ist aber falsch, wenn behauptet wird, dass vor dem Zusammenbruch von Lehman alles in bester Ordnung gewesen sei.

Es war nicht in Ordnung, dass die chronisch unterkapitalisierte Bank Geschäfte betrieb, als wäre sie hochkapitalisiert, und dass sie daneben sogar noch Zweckgesellschaften im Ausland gründete, nur mit dem Ziel, um außerhalb der Bilanz noch mehr, noch riskantere Geschäfte machen zu können. Es war nicht in Ordnung, dass im Kreditersatzgeschäft immer waghalsiger spekuliert und das Kontrollsystem parallel dazu ausgedünnt wurde.

Während ein Häuslebauer mehrere Wochen warten und bangen muss, ob ihm seine Bank einen kleinen Baukredit gewährt, kaufte die HSH Nordbank unter der Aufsicht, unter der Kontrolle und mit dem Wissen von Finanzminister Wiegard in großem Stile und im Schnellverfahren US-amerikanische „Schrottkredite“ und andere Wertpapiere auf, die der Bank und den Bürgerinnen und Bürgern Schleswig-Holsteins heute um die Ohren fliegen.

Die Bürger erwarten nun zu Recht, dass alle, die für dieses unverantwortliche Handeln der Bank mitverantwortlich sind, zu ihrer Verantwortung stehen, dass sie dazu stehen, warum der Aufsichtsrat derart versagt hat und seiner Kontroll- und Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sind die Vertreter der Sparkassen, aber es sind auch alle Vertreter der Wirtschaft - auch die will ich mit benennen; die sind ja sonst immer so klug -, und es sind alle Minister und Ministerinnen, die im Aufsichtsrat saßen. Alle tragen Verantwortung für das, was in der Bank passiert ist. Es geht nicht an, dass Aufsichtsräte im Nachhinein abtauchen und so tun, als hätten sie mit der Bank nichts zu tun.

Herr Wiegard, es ist eine Unverschämtheit, wenn Sie als verantwortlicher Finanzminister für dieses Schlamassel kurz vor der Wahl noch Unwahrheiten verbreiten und so versuchen, von eigenen Fehlern

(Monika Heinold)

abzulenken. Herr Wiegard, wenn Sie in einer Presseerklärung behaupten, dass Sie bei der HSH Nordbank die ,,nachweislich unter rot-grüner Verantwortung begangenen Fehler bewältigen“ müssten, dann handelt es sich dabei um eine ebenso plumpe wie durchsichtige Wählertäuschung. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Der ehemalige Vorstand der HSH und heutige Vorstandsvorsitzende der Deka-Bank Franz Waas hat im Ausschuss zu Protokoll gegeben, dass die Bank bis Ende 2005 kerngesund war.

(Zurufe)

Das Kreditersatzgeschäft - so hat er gesagt, ich kann das erst einmal nur hinnehmen und zitieren war unter Rot-Grün risikoarm, das Kontrollsystem hat funktioniert. Glaubt man Herrn Waas, so hat der Strategiewechsel der Bank hin zu mehr Risiko, um die Ertragskraft zu optimieren, erst unter Ihrer Verantwortung stattgefunden, Herr Wiegard.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: „2004“ hat er ge- sagt! - Weitere Zurufe)

Er hat gesagt, solange er da war, sei das Ganze relativ risikoarm gewesen. Wir wissen, dass das Kreditersatzportfolio vorher aufgebaut worden ist. Er hat gesagt, die risikoreichen Geschäfte und insbesondere die Entwicklung, dass das Controlling parallel dazu immer mehr abgebaut worden ist, hätten sich in den Jahren ab 2006 massiv verstärkt. Man kann das sicher erst einmal so hinnehmen. Wir stehen ja - wie ich vorhin schon sagte - am Anfang der Ermittlungen.

Herr Wiegard, wussten Sie als Mitglied des Prüfungs- und Risikoausschusses etwa nicht, welche gewaltigen Risiken die Bank unter Ihrer Aufsicht eingegangen ist? Wussten Sie nichts von den hochkomplexen Wertpapieren, von den Schnellankaufverfahren? Wussten Sie als Aufsichtsratsvorsitzender nicht, was in der Bank passiert? Oder andersherum: Haben Sie in Ihrer Verantwortung als Aufsichtsratsvorsitzender denn auch nur an einer einzigen Stelle Einspruch eingelegt, als es um den Ankauf hochriskanter Kredite ging?

Bekennen Sie sich endlich zu Ihrer Verantwortung, wie wir es auch von den anderen Aufsichtsratsmitgliedern erwarten!

Wie formulierte Ihr Parteifreund Marnette doch gleich:

„Spätestens im November 2008 war weitläufig bekannt, dass die Bank am Ende war und ihre Liquidität verbraucht hatte … Dies hielt … Finanzminister Rainer Wiegard nicht davon ab, wider besseren Wissens die Bank weiterhin schönzureden und damit notwendige Lösungskonzepte zu blockieren... Da wird Missmanagement in allerhöchster Perfektion betrieben.“

Herr Ministerpräsident, statt fähige Minister wie Eierdiebe aus dem Amt zu jagen, hätten Sie lieber ihren komplett überforderten Finanzminister nach Hause schicken sollen,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

einen Finanzminister, der sich vom Vorstand der Bank alles in die Feder diktieren lässt und alles abnickt, ohne kritisch nachzufragen, vom neuen Geschäftsmodell der Bank bis zu den unverschämt hohen Sondervergütungen für den Vorstandsvorsitzenden.