Protocol of the Session on September 16, 2009

Ich zitiere aus der Stellungnahme des Lorenz-vonStein-Instituts, interessanterweise unterschrieben von - ich darf das zitieren - Professor Dr. Utz Schliesky. Wörtlich:

„Art. 109 Abs. 3 S. 1, 5 GG n. F. verstößt gegen die über Artikel 79 Abs. 3 GG geschützten ‚Grundsätze’ des Demokratie- und Bundesstaatsprinzips sowie die ‚Gliederung des Bundes in Länder’. Er ist daher verfassungswidrig. Die Einleitung eines Bund-LänderStreit-Verfahrens durch den Schleswig-Holsteinischen Landtag ist daher zu begrüßen.“

Ich frage mich, warum Sie das nicht genauso sehen, Herr Dr. Wadephul, dass die Einleitung eines entsprechenden Bund-Länder-Streit-Verfahrens zu begrüßen ist.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Kollege Kayenburg - ich hoffe, er nimmt noch einmal Gelegenheit, selbst zu reden - hat in einer Pressemitteilung vom 22. Juni 2009 Folgendes erklärt - das ist mein Appell an die CDU-Fraktion -:

„Kayenburg zeigte sich abschließend besorgt, dass die Glaubwürdigkeit des Parlaments leide durch die geplante Aufgabe parlamentarischer ‚Grundrechte’ (Budget- und Haushaltsrecht) zugunsten materieller Vorteile und einer zweifelhaften Parteiräson.“

In Grundsatzfragen wie diesen sollte man nach seinem Gewissen entscheiden und nicht nach seiner Parteiräson oder weil gerade Wahlkampf ist.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Herr Kollege Wadephul, wir wissen doch nicht, wie die Wahl ausgeht. Wir gehen davon aus, dass es eine Mehrheit von FDP und CDU geben wird.

(Holger Astrup [SPD]: In dieser Reihenfol- ge!)

Ich gehe davon aus, dass Sie auch davon ausgehen. Der Zwangslächler, Kollege Dr. Stegner, lacht schon wieder. Wir wissen doch gar nicht, ob wir nach der Wahl die Sozialdemokraten mit 24 oder 25 % für eine Verfassungsänderung überhaupt noch brauchen.

(Lachen bei der SPD)

Also lassen Sie uns die Sache doch ruhig und gelassen angehen, und lassen Sie uns feststellen: Wenn die Sozialdemokraten in einem Jahr aus dem parlamentarisch gegebenen Wort aussteigen, an einer sinnvollen parlamentarischen Regelung mitzuwirken, dann haben wir immer noch die Möglichkeit, die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zurückzuziehen. Etwas, was die Unionsfraktion übrigens schon einmal getan hat. Sie haben schon einmal geklagt, um die Frage klären zu lassen, ob der Haushalt im Vollzug verfassungsgemäß sein muss. Als Sie die Regierungsverantwortung übernommen haben, haben Sie die Klage zurückgezogen. Es geht also auch so. Das Drohmittel hat man im Hintergrund.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich gestatte ich die.

Herr Kollege Kubicki, ich habe zur Kenntnis genommen, dass Sie versucht haben, mich milde zu stimmen, während ich aufstand.

Dennoch habe ich zwei Fragen. Die erste Frage lautet: Räumen Sie ein, dass Sie bisher in diesem Hause eine andere Auffassung zur Frage der Klageerhebung vertreten haben,

nämlich dass zunächst eine Verfassungsänderung durchzuführen ist und dass dann eine Klage zu erfolgen hat?

Meine zweite Frage lautet: Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass die Klagerücknahme der CDU-Fraktion eine Folge geänderter politischer Verhältnisse und eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag gewesen ist und dass sie insofern mit der aktuellen Situation nicht vergleichbar ist?

- Herr Kollege Wadephul, zum ersten Punkt sage ich Nein, weil meine Aussage immer die war, dass das Verfahren auf den Weg gebracht werden muss.

Wir können gern zitieren, es ist alles dokumentiert. Ich sage noch einmal: Wir haben bis zur Einreichung der Klage - das dauert noch ein bisschen ausreichend Gelegenheit, in der nächsten Legislaturperiode das auf den Weg zu bringen, was wir so unterstelle ich es einmal - alle gemeinsam wollen. Zu Ihrer zweiten Frage sage ich: Herr Kollege Wadephul, auch die Frage der Klagerücknahme kann in einem Koalitionsvertrag zwischen uns beiden vereinbart werden. Dem steht nichts entgegen.

(Heiterkeit)

Ich gehe davon aus, dass wir im Haus die einfache Mehrheit erhalten werden, wenn nicht sogar die Zweidrittelmehrheit. Das würde ausreichen. Ich hoffe, Sie sehen das nach wie vor so. Sie müssen der deutschen Öffentlichkeit - den Schleswig-Holsteinern - erklären, warum Sie jetzt von einem einstimmigen Beschluss des Landtags Abstand nehmen wollen, eine Klage zu erheben, um unser Recht als Landtag gegenüber dem Bund zu verteidigen. Das müssen Sie erklären. Wahrscheinlich hat Ihre Bundeskanzlerin gesagt, sie sei not amused, wenn unmittelbar vor der Wahl das Signal aus Schleswig-Holstein kommt, dass man rechtlich gegen eine Bundesregelung vorgeht, die dort alle begrüßt haben.

(Wolfgang Kubicki)

Der Gesetzentwurf des Landtagspräsidenten, dem wir zustimmen werden, ist aus unserer Sicht derzeit das Beste, was als Kompromisslösung vorhanden ist. Deshalb stimmen wir dem zu. Wir tun dies auch, um zu dokumentieren, dass es uns darum geht, etwas Vernünftiges in der Verfassung zu verankern. Die Sozialdemokraten haben erklärt, sie stellen hierzu die Zweidrittelmehrheit nicht her. Ich glaube, dass wir in der nächsten Legislaturperiode sehr zeitnah zu einer Regelung kommen können, die in diesem Haus eine Zweidrittelmehrheit findet.

Ich sage noch einmal: Sonst wird die FDP alles daransetzen, um sicherzustellen, dass wir die bundesrechtliche Regelung, die wir für verfassungswidrig halten, behalten. Das wäre bedauerlich, aber es wäre ein Signal dahin gehend nach außen, dass wir nicht wollen -

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Kollege Dr. Stegner, Ihr Rechtsverständnis ist in der Vergangenheit ordentlich dokumentiert worden. So viele Verfassungsbrüche, wie Sie sie auf den Weg gebracht haben, hat keiner vor Ihnen geschafft.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Die Rede wird besser!)

(Wolfgang Baasch [SPD]: Wer ist jetzt Ti- ger, und wer ist Ente?)

Wir sagen auch vor der Wahl noch einmal ausdrücklich: Wir werden uns von den Sozialdemokraten nicht hinter die Fichte führen lassen, denn wenn die Zusagen, die im Innen- und Rechtsausschuss und heute im Plenum gegeben wurden, wenn die Zusagen, die der Kollege Weber im Innen- und Rechtsausschuss persönlich abgegeben hat, nicht eingehalten werden, dann werden wir entsprechende Maßnahmen und Wege finden, das durchzusetzen, was wir für sinnvoll halten. Es kann nicht sein, dass man weiterhin auf Kosten der nächsten Generation Champagnerpartys feiert. Das wäre politisch wirklich veranwortungslos.

Herr Kollege Dr. Wadephul, die CDU-Landesregierung hätte es in den letzten Wochen auch in der Hand gehabt, durch einen entsprechenden Gesetzentwurf vielleicht dazu beizutragen, eine sinnvolle Lösung zu finden. Das hätte man bei den Aussagen, die Sie gemacht haben, erwarten können. Sie hatten seit dem 15. Juli genauso viel Zeit wie alle anderen auch, eine sinnvolle Lösung auf den Weg zu bringen. Dem haben Sie sich -

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Die liegt doch vor!)

- Ich kann mich daran erinnern, wie sehr Sie über den Kollegen Kayenburg hergefallen sind. Das kann ich dokumentieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])

Ich finde es beachtlich. Ich habe großen Respekt davor, dass der Landtagspräsident als einzelner Abgeordneter den Mut aufbringen muss, eine entsprechende Regelung einzubringen, weil Sie als Fraktion den Mut oder die Möglichkeit nicht hatten. Darunter steht nicht die Unterschrift der CDU-Fraktion, sondern dort steht nur Martin Kayenburg

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Johann Wade- phul [CDU])

- Ich hätte erwartet, dass die CDU-Fraktion eine entsprechende Regelung einbringt und dass nicht der Herr Landtagspräsident als Einzelperson aufgrund seiner persönlichen Überzeugung, die er dokumentiert hat, so in Vorleistung treten muss. Dazu werden aber sicher Sie oder der Herr Landtagspräsident noch Stellung nehmen. Jedenfalls den anderen vorzuwerfen, sie hätten die Zeit nicht genutzt, ist merkwürdig. Wir sind genauso wie Sie und viele andere aus diesem Hohen Haus auch am 15. Juli von der Auflösung dieser Großen Koalition überrascht worden. Der Kollege Astrup hat die Ewigkeitsgarantie für die Große Koalition im Kopf gehabt. Das ist bedauerlicherweise oder Gott sei Dank aufgelöst worden.

Ich sage auch hier: Dokumentieren wir, dass wir zu dem stehen, was wir bisher gesagt haben. Dokumentieren wir, dass wir ernst meinen, was wir gesagt haben, und dass wir das tun. Nehmen wir in der nächsten Legislaturperiode zügig eine Verfassungsänderung in Angriff, die das Wort auch verdient. Tun wir dies für die Landesverfassung Schleswig-Holsteins. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Als kleine Drohung an die Sozialdemokraten, falls wir sie überhaupt brauchen, sage ich: Sollten Sie sich verweigern, dann wird es mit unserer Unterstützung keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zulasten der Bundesregelung geben.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

(Wolfgang Kubicki)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Fraktionsvorsitzende Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die finanzielle Lage des Landes ist schlimmer als je zuvor. SPD, FDP und Grüne haben im Innen- und Rechtsausschuss gemeinsam den jetzt vorliegenden Antrag verabschiedet. Die CDU war dagegen. Herr Wadephul hat eben versucht zu erklären, warum er eventuell doch dafür ist. Ich kenne die Tänze Tango, Cha-cha-cha und Walzer. Diese Art von Eiertanz war mir neu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der vorliegende Antrag hat drei Teile. Erstens wollen wir beschließen, dass das Land Klage gegen die Schuldenregelung in Artikel 109 Grundgesetz erhebt. Zweitens erklären wird unmissverständlich, dass wir statt der Bundesregelung eine Schuldenbremse in die Verfassung des Landes SchleswigHolstein aufnehmen wollen.

Da meine Vorredner die Notwendigkeit dieser beiden Punkte ausführlich begründet haben, werde ich auf diese Punkte jetzt nicht weiter eingehen. Wir Grünen haben in diesem Landtag als Erste eine Verfassungsänderung vorgelegt, die nach unserer Auffassung noch deutlicher ist als das, was der Kollege Kayenburg vorgelegt hat. Darüber kann man in der nächsten Legislaturperiode diskutieren. Wir haben ohne Zweifel klargemacht, dass wir eine Schuldenbremse für notwendig halten. Dazu stehen wir.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])