Der dritte Punkt der Resolution, über den ich jetzt reden will, fordert die Landesregierung auf, ein konkretes Konzept darüber vorzulegen, wie der Abbau der strukturellen Neuverschuldung bis 2020 erfolgen soll. Nur wenn wir das wissen, können wir konkret festlegen, wie eine Schuldenbremse aussehen soll.
Deswegen habe ich im Innen- und Rechtsausschuss beantragt, die Abstimmung über die Verfassungsänderung zu vertagen. Wir brauchen mehr als einen Satz in der Verfassung, der besagt, dass das Land
keine Schulden mehr machen darf. Nachher verstößt die Regierung dagegen, weil sie nicht anders kann. Wir brauchen ein Konzept, wir brauchen eine neue Finanzverfassung. Wahrscheinlich brauchen wir sogar eine Finanzverfassung für Deutschland. Wenn es aber - wie beide großen Parteien es im Ausschuss angestrebt haben - heute schon zu einer Abstimmung über die Verfassungsänderung kommen sollte, dann werden wir aus unserer grundsätzlichen Überzeugung heraus dafür stimmen, weil wir nicht gegen eine solche Änderung stimmen werden. Das gilt auch, wenn wir in einigen Punkten unterschiedliche Auffassungen haben. Ich sage das als eine klare Ankündigung. Ich hoffe, dass wir hier zu einer Einigung kommen.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat in seiner Stellungnahme zur geplanten Schuldenbremse in Schleswig-Holstein dargestellt, wie aussichtslos die finanzielle Lage des Landes ist. Das Institut hat das strukturelle Defizit des Landes auch zu meiner Überraschung mit circa 1,4 Milliarden € bewertet. Zugleich hat es unsere Rechnung bestätigt, dass alle von CDU und SPD in ihrem Konzept im Juli vorgeschlagenen Maßnahmen bis 2020 nur ein Einsparvolumen von circa 300 Millionen € erbringen. Es bleibt also selbst nach dem Abbau von 4.800 Stellen im Bereich der Landesbeschäftigen immer noch ein Defizit von circa 1 Milliarde €. Wollten wir das durch Personalabbau decken, dann müsste fast die Hälfte aller Landesbediensteten entlassen werden. Das ist offensichtlich nicht möglich.
Das ist nicht alles. Deutschland muss in den kommenden Jahren die Bildungsausgaben auf 7 % des Bruttoinlandprodukts steigern, darüber sind sich alle klar. Um das zu realisieren, müsste das Land ungefähr eine weitere Milliarde für Schulen, Kitas, Universitäten, Berufsbildungszentren und Weiterbildungseinrichtungen ausgeben. Außerdem müssen das Land und der Bund in den kommenden Jahren einen gigantischen Ausbau des Pflege- und des Gesundheitssystems stemmen, um der Demografieentwicklung gerecht zu werden. Wer sich das alles klarmacht, der versteht, warum meine Fraktion immer wieder gefordert hat, dass die Landesregierung ein realistisches Konzept darüber vorlegt, wie die Schuldenbremse umgesetzt werden kann.
wie FDP und CDU auf Bundesebene - noch die Steuern senken will, der amputiert sich selbst und hat noch nicht einmal eine Krücke, um sich zukünftig bewegen zu können.
Ich habe mir die Geschichte der Verschuldung Schleswig-Holsteins sehr genau angeschaut. Ich denke, jeder, der darüber redet, sollte sie kennen. Alle sind schuld. In den 70er-Jahren war ein Wachstum der Einnahmen von 10 % jährlich noch normal. Trotzdem wuchs damals die Neuverschuldung in Schleswig-Holstein jährlich im Durchschnitt um über 10 %. Das ist heute nicht mehr vorstellbar.
In den 80er-Jahren lag die Neuverschuldung achtmal über 10 % - und das bei Wachstumsraten, die immer noch durchschnittlich über 3 % lagen. In den 90er-Jahren wurde die Neuverschuldung zwar langsam gesenkt, aber leider sanken auch die Einnahmen. Erst 1999 wurde der bisherige Tiefstand der Neuverschuldung von 5,8 % erreicht. Doch dann sanken sechs Jahre lang die Einnahmen absolut, und die Neuverschuldung wurde wieder zweistellig.
Als dann 2006 und 2007 die Einnahmen wieder sprudelten und wir Wachstumsraten um 7,2 und 8,7 % hatten, war wieder alles vergessen. Die Große Koalition wiegte sich in Sicherheit, glaubte, es ginge so weiter, und die Sparbemühungen wurden wieder einmal eingestellt.
Meine Damen und Herren, wenn jetzt aus den Reihen der Union gesagt wird, man brauchte Wachstum, dann würde das mit der Schuldenbremse schon werden, dann ist das angesichts der Zahlen nur noch lächerlich.
Ich erinnere mich noch, wie wir unter Rot-Grün über Kitakosten gestritten haben. Damals wollten CDU-Opposition und unser Koalitionspartner SPD in der Regierung die Gruppengrößen auf über 20 Kinder erhöhen, damit die Kommunen Geld sparen. Das haben wir Grüne damals verhindert. An kostenlose Kindergärten wagten wir überhaupt nicht zu denken.
Jetzt haben beide großen Parteien beschlossen, ein Jahr kostenlos zu machen, und die SPD will die Gebühren komplett abschaffen.
- Ja, sie ist schlechter geworden, genau. Aber angesichts der schauerlichen Prognosen bei Umfragen ist den Carstensens und Stegners dieser Welt anscheinend alles egal. Zu dieser Vogel-Strauß-Politik gehört auch, wenn CDU und FDP heute über die Schuldenbremse beschließen wollen - Sie haben im Ausschuss zugestimmt, Herr Kollege, das hat sich ja zum Glück geändert - und ihre Bundesparteien zugleich Steuersenkungen in Höhe von 50 Milliarden € versprechen. Wer das beschließt und so in den Wahlkampf geht, den interessiert überhaupt nicht mehr, was aus dem Land wird. Wahlkampf ist alles, und nach Ihnen kommt die Sintflut.
Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Aber ich möchte Ihnen Hoffnung machen, wie es geht. Denn unsere nördlichen Nachbarn Dänemark und Schweden haben in den letzten 15 Jahren genau das bewältigt. Sie waren vor 15 Jahren genau in der Lage, in der wir heute sind, und haben die Kehrtwende hingekriegt. Dort wird das Sozialsystem überwiegend von den Kommunen organisiert. Schulen, Kitas, Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Arztversorgung, Arbeitsvermittlung und öffentlicher Verkehr sind kommunal. Die Kommunen dürfen keine Schulden machen, aber sie dürfen über ihre Einnahmen selbst bestimmen.
Dänemark hat nichts an Ressourcen, was nicht auch wir haben, keine Bodenschätze, aber viel Wind. Und trotzdem: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 4 %, der Staatshaushalt liegt seit Jahren im Plus. Schulen und Pflegeheime sind gut ausgestattet und das Personal gut bezahlt.
Der grundlegende Unterschied zwischen Dänemark und Deutschland drückt sich in zwei Zahlen aus: In Dänemark werden zwei Drittel aller Staatsausgaben von den Kommunen getätigt. In Deutschland sind es 15 %, also ein Sechstel. Das ist der erste Unterschied.
Der zweite Unterschied ist - der hängt damit zusammen - : Die Dänen sind bereit, höhere Steuern zu zahlen.
Ich bin sicher: Wenn unsere Kommunen selbst über ihre Einnahmen bestimmen könnten, dann wären die Menschen viel eher bereit, Steuern zu zahlen, dann hätten wir gut ausgestattete Schulen, Kinder
Wer aber wie Schwarz-Gelb die Steuern senken will, der ruiniert nicht nur den Sozialstaat und das Bildungssystem.
Wer in der größten Finanzkrise des Landes verspricht, 50 Milliarden € an Steuern zu verschenken, der treibt diese Republik noch weiter in den Ruin.
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Schuldenbremse. Aber auch eine Schuldenbremse ohne eine Änderung unserer Finanzverfassung wird die Probleme nicht lösen. Das gilt nicht nur für Schleswig-Holstein.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen in BadenWürttemberg sagte mir neulich, dass die Finanzplanung für sein Land bis 2012 ein Defizit von 7 Milliarden € jährlich vorsieht. Niemand weiß mehr, wie das bewältigt werden soll, und das im reichsten Bundesland.
Noch schlimmer ist es in der Finanzmetropole Hessen. Dort brechen die Steuerzahlungen der Banken weg, auf denen der Wohlstand der Metropole Frankfurt und der gesamten Region begründet war.
Meine Damen und Herren, dies ist meine letzte Landtagstagung. Als scheidender Politiker könnte mir das alles egal sein, aber als Bürger dieses Landes, als Vater von Kindern und Großvater von Enkeln ist es mir nicht egal. Wir brauchen eine neue Finanzverfassung, damit unser Staat endlich wieder handlungsfähig wird, damit Regierungen endlich wieder Politik machen und gestalten können. Unser Präsident Kayenburg hat in der Föderalismuskommission den Mut gehabt, für die Steuerhoheit der Länder und Kommunen zu kämpfen. Aus heutiger Sicht war das geradezu visionär.
Auch wenn wir heute das Problem nicht lösen werden - wir beschließen heute den Start des Klageverfahrens und den Auftrag an die Landesregierung, ein Konzept zu erarbeiten. Wir schaffen Grundlagen, die nötig sind, damit über eine neue Finanzregelung beraten werden kann. Herr Kayenburg und ich werden dem neuen Landtag nicht mehr angehören. Diese Aufgabe zu lösen, hinterlassen wir Ihnen, die hier bleiben, und denen, die neu kommen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat im Frühjahr einstimmig beschlossen, gegen die Grundgesetzänderung zur Einführung einer Schuldenbremse für die Länder vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Obwohl der Beschluss deutlich machte, dass alle Fraktionen an einem Strang ziehen, um sich vom Bund nicht in das Budgetrecht des Parlaments eingreifen zu lassen, kippte die Große Koalition diesen Beschluss Ende Juni. Unser Landtagspräsident brachte daraufhin im Alleingang einen Antrag mit dem Ziel ein, an der Verfassungsklage festzuhalten. Im gleichen Atemzug machte der Kollege Kayenburg mit einem zweiten Antrag deutlich, dass die Schuldenbremse in der schleswig-holsteinischen Verfassung verankert werden muss.
Es spricht für den Schleswig-Holsteinischen Landtag, dass es trotz Wahlkampf-Getöse in den zuständigen Ausschüssen gelungen ist, eine Mehrheit von SPD, Grünen, FDP und SSW zu finden, die an dem einstimmigen Landtagsbeschluss zur Klage gegen die Schuldenregelung des Bundes festhält. Insgesamt hat sich der Landtag aber nicht mit Ruhm bekleckert.
Es bleibt aus meiner Sicht unwürdig, dass die Große Koalition nicht imstande war, zwischen Koalitionsinteressen und Parlamentsinteressen zu unterscheiden. Niemandem ist verständlich zu machen, dass die politischen Aussagen von CDU und SPD im Landtag auf einmal nichts mehr wert waren und derart respektlos mit einem Parlamentsbeschluss umgegangen wurde. Dass sich die SPD von einem Saulus in einen Paulus verwandelt hat, begrüßt der SSW im Interesse der Sache. Die Kuriosität dieser Gemengelage und ein leicht fader Nachgeschmack bleiben jedoch erhalten.
Für den SSW steht fest, dass die Schuldenbremse in unsere Haushaltshoheit eingreift und unsere Landessouveränität verletzt. Liebe Kolleginnen und