Sie werden allerdings ein Problem haben, auch wenn die Regelungen einer künftigen Europäischen Verfassung in Kraft treten würden: Es sind in jedem Fall sehr sportliche Zeitpläne einzuhalten. Ich vermute einmal, dass alle diese Sachen keine Rücksicht auf die Tagungsintensität oder die Daten nehmen werden, zu denen der Landtag beziehungsweise der Europaausschuss planmäßig zusammenkommt. Das heißt - das ist meine Überlegung -, man wird miteinander vereinbaren müssen, dass der Europaausschuss eine besondere Funktion bekommt.
Ich weiß nicht, wie weit die Beratungen in den einzelnen Fraktionen sind. In der letzten Legislaturperiode gab es die Überlegung, ein Parlamentsinformationsgesetz zu beschließen. Falls Sie das wieder aufleben lassen sollten, was ich nicht weiß - das liegt in Ihrer Hand -, dann wäre es sinnvoll, an dieser Stelle so etwas einzubauen. Falls das nicht der Fall ist, müssen wir das auf andere Weise regeln. Es muss dann geregelt werden, dass der Europaausschuss dann, wenn der Landtag nicht zusammentreten kann, Entscheidungen treffen kann, die einer Landtagsentscheidung entsprechen. Ob man das dann Europakammer nennt, wie man es im Bundesrat macht, oder ob man besondere Regelungen über die Geschäftsordnung trifft, haben wiederum Sie zu entscheiden. Wenn Sie rechtzeitig Informationen von uns bekommen und kurze Zeiträume haben, dann müssen Sie Regelungen treffen, durch die sichergestellt ist, dass Sie innerhalb dieser Zeiträume auch Entscheidungen treffen. Sonst nützt uns das Frühwarnsystem alles nichts.
(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Anke Spoorendonk [SSW])
Das heißt, Sie werden die Rolle der einzelnen Ausschüsse noch einmal überdenken müssen. Das ist ein Vorschlag, über den zu entscheiden Ihnen obliegt. Wir werden als Regierung dafür sorgen, dass Sie alle notwendigen Informationen so zeitnah bekommen, dass Sie darüber entscheiden können.
Zu dem zweiten Punkt, den Sie angeführt haben, nämlich wie es auf Parlamentsebene aussieht, kann ich nur sagen: Ich biete Ihnen die Zusammenarbeit an. Ich habe vom Herrn Präsidenten gehört, dass sich die Landtagspräsidenten in Kürze zusammenfinden werden, um darüber zu beraten, wie andere Parlamente damit umgehen. Dem will ich nicht vorgreifen. Es wird sicherlich in der Landtagspräsidentenkonferenz demnächst eine entsprechende Abstimmung und Vorschläge dazu geben, wie man das macht. Da können wir Sie nur unterstützen. Das ist eine Sache, die letztlich das Parlament selbst regeln muss.
Zu dem dritten Punkt, was die Funktionsfähigkeit eines Frühwarnsystems auf nationaler Ebene angeht, so können wir auch hierfür noch keine belastbaren Erkenntnisse anbieten. Aber es gibt konzeptionelle Überlegungen, die heißen: Vereinbarung der Länder mit der Bundesregierung hinsichtlich ausreichender Informationen im Rahmen des Subsidiaritätsfrühwarnsystems, Zusicherung der Bundesregierung - das ist der zweite Punkt -, entsprechende Subsidiaritätsklagen der Länder unverändert und unverzüglich weiterzuleiten. Damit wird eine direkte Klagebefugnis der Länder ohne Einmischung der Bundesregierung beim Europäischen Gerichtshof auf Einhaltung der EU-Kompetenzordnung geschaffen. Als Drittes ist die Verständigung der Länder im Bundesrat zu nennen, das Klagebegehren auch nur eines Landes wechselseitig zu unterstützen, sodass es dort zu entsprechenden Entscheidungen kommen kann, und eine Reihe weiterer in Vorbereitung befindlicher Punkte, die die aktive Beteiligung der Länder am europäischen Gesetzgebungsprozess ermöglichen.
Allerdings bleibt die Frage nach der Funktionsfähigkeit dieses Systems. Da kann ich auch keine sicheren Voraussagen treffen. Wir werden das erproben müssen. Wir werden auch in Kauf nehmen müssen, dass wir vielleicht das eine oder andere hinterher noch einmal korrigieren müssen, dass wir nachsteuern müssen. Dass wir aber eine solche Regelung für die Zukunft brauchen, ist unbestritten.
Ich kann dem Landtag nur empfehlen, sich sehr zügig und rechtzeitig mit diesen Dingen auseinander zu setzen. Die entsprechende Unterstützung und Beratung durch die Landesregierung bekommen Sie. Ich halte es für ganz wichtig, dass wir an dieser Stelle, an der es um die Interessen des Landes geht, an einem Strang ziehen und mit Nachdruck versuchen, unseren Interessen sowohl in Berlin als auch in Brüssel Geltung zu verschaffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ich weiß, dass einige der Kollegen um 13 Uhr Termine haben, bitte ich zu prüfen, ob die nachfolgenden Redner mit etwa der Hälfte ihrer Redezeit zurechtkommen; sonst habe ich Sorge wegen der Beschlussfähigkeit ab 13 Uhr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In fünf Minuten werde ich es nicht ganz schaffen. Aber ich werde versuchen, die zehn Minuten nicht voll auszuschöpfen. Ich überschlage gleich einmal die ersten Seiten. Es gibt - wie wir alle wissen - unsinnige Regelungen und es gibt einige gravierende Entscheidungen in den EU-Gesetzgebungsverfahren, die uns sehr belasten.
Zu den unsinnigen Regelungen gehört die Richtlinie zur Menge des Pökelsalzes im schleswig-holsteinischen Katenschinken oder die Verabschiedung des Seilbahngesetzes in Schleswig-Holstein vor etwa zwei Jahren oder die Regelung zur Krümmung der Gurken. Es gibt aber auch schwierige Entscheidungen, die uns wehtun. Dazu gehören zum Beispiel die Chemikalienrichtlinie und die Dienstleistungsrichtlinie. Deshalb ist das Thema Subsidiarität und Frühwarnsystem heute und für die Zukunft so wichtig. Das ist wichtig, weil wir Möglichkeiten haben, auf den Entscheidungsprozess der EU einzuwirken. Deshalb begrüße ich ausdrücklich, dass sich die Landesregierung und besonders Sie, Herr Minister, soeben eindringlich und überzeugend zu diesem Thema geäußert haben.
Misstrauen und Verunsicherung gegenüber Europa wachsen, wenn Entscheidungen der EU über den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger hinweg ausgetragen werden. Der Eindruck einer Regulierungswut schafft keine Begeisterung, was die Zustimmung zur Europäischen Union angeht. Die Bürger brauchen den Sichtkontakt. Um diesen herzustellen, steht unser Antrag zur Mitwirkung bei der Subsidiaritätskontrolle und zum Aufbau eines Frühwarnsystems durch unser Parlament. Wir haben die Chance, daran teilzunehmen - das hat der Minister vorhin gesagt -, auch wenn es schwierig ist, sich zeitgerecht in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum von nur sechs Wochen dazu zu äußern.
Kernstück des Entwurfs einer Europäischen Verfassung ist die erstmalige Einführung einer europäischen
Kompetenzordnung, die die Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten klar abgrenzen soll. Die Grundprinzipien der Zuständigkeiten gliedern sich in ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union, in geteilte Zuständigkeiten und in ergänzende Zuständigkeiten. Nur bei den ausschließlichen Zuständigkeiten hat die EU ein ausschließliches Recht, diese per Gesetz zu gestalten. Allerdings ist in Artikel 9 des Verfassungsentwurfs, in dem der Grundsatz der Subsidiarität festgelegt wird, trotz des Zugestehens des Subsidiaritätsrechts ein Eingriffsrecht verankert, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch regionaler noch lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können. An dieser Stelle müssen wir aufpassen. Die EU hat nach dieser Formulierung ausdrücklich die Möglichkeit, einen Sachbereich vollständig an sich zu ziehen. Um das zu verhindern, müssen wir beweisen, dass die lokale und regionale Ebene einen Sachverhalt genauso gut oder besser regeln kann. Das können wir, wenn wir rechtzeitig von den Gesetzesvorhaben Kenntnis haben.
Diese Möglichkeit der Einflussnahme wird uns durch das im Verfassungsentwurf und in den Protokollen vorgesehene zweistufige Kontrollsystem gegeben. Es dient dazu, dem Unterlaufen des Subsidiaritätsprinzips in der Praxis entgegenzutreten, also nicht alles in der Entscheidung der EU zu belassen.
In der ersten Stufe dieses Kontrollsystems wird im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens ein so genanntes Frühwarnsystem eingeführt, mit dem die nationalen und regionalen Parlamente, also auch unser Parlament, über einen „Subsidiaritätsbogen“ von der Kommission über ein neues Rechtsetzungsverfahren informiert werden. Der Bogen, uns von der EU gegeben, muss ein neues Vorhaben begründen und gleichzeitig erläutern, dass die Einhaltung der Subsidiaritätskriterien gewährleistet ist. Damit können sich die nationalen und regionalen Parlamente ein Bild über die mögliche Beschneidung ihrer Kompetenzen machen.
Innerhalb von sechs Wochen - das ist sehr kurz, wie vorhin vom Minister schon ausgeführt - können die nationalen und die regionalen Parlamente die neuen Gesetzgebungsvorschläge rügen. Entsprechende Rügen sind von der Union zu ,,berücksichtigen". Im Falle der Rüge durch mehr als ein Drittel aller Mitgliedstaaten muss die Kommission den Gesetzgebungsvorschlag nochmals prüfen. Sie kann jedoch nach der Überprüfung an ihrem Vorschlag festhalten.
Üben wir doch schon einmal das neue Verfahren. Fordern wir doch - das sollte der Europausschuss tun - schon einmal einen ,,Subsidiaritätsbogen" an. Vielleicht gibt es ihn ja schon oder er ist in Vorbereitung. Es sind ja genug Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren in der Pipeline, mehr als 900, wie wir wissen.
Auf alle Fälle haben wir als Parlament hiermit eine starke Kontrollfunktion. Es ist ja ein erheblicher Unterschied, ob wir über europäische Gesetzgebungsverfahren nur informiert werden oder ob das Parlament offizielle Stellungnahmen mit Rechtswirkungen abgeben kann.
Verstärkt wird die Kontrollfunktion auch unseres Parlaments durch Einführung eines eigenen Klagerechts, das wir über den Bundesrat einbringen müssen.
Das Frühwarnsystem - darauf weise ich ausdrücklich hin - müssen wir in erster Linie als Gestaltungsinstrument betrachten, nicht als Blockade- oder Verhinderungsinstrument. Aber schnelles Handeln zur Gestaltung ist notwendig. Denn Bundestag und Bundesrat erhalten nach dem Subsidiaritätskontrollmechanismus die Vorschläge der Gesetzgebungsakte. Von dort müssen sofort landesrelevante Vorgänge an die Landesparlamente gegeben werden.
Es kommt zusätzlich darauf an, innerhalb dieser Sechs-Wochen-Frist auch andere Mitgliedstaaten von den Gründen einer Subsidiaritätsrüge zu überzeugen, um eine entsprechende Wirkungsrelevanz von mehr als einem Drittel der Mitglieder zu erhalten.
Eine bedeutende organisatorische Aufgabe liegt vor uns, um unseren Einfluss aktiv zu gestalten. Wenn wir aber schon zu 80 % von der Gesetzgebung der Union betroffen oder tangiert sind, dann müssen wir unseren Handlungs- und Gestaltungsspielraum gegenüber der EU auch ausreichend wahrnehmen und sichern.
Ich bin überzeugt, dass wir mit unseren Ausschüssen unter Federführung des Europaausschusses, mit unserer Verwaltung, mit unserem Hanse-Office, unseren EU-Abgeordneten und anderen Landesparlamenten das richtige Gestaltungssystem entwickeln können. Wir sollten auch gleich Mitstreiter ins Boot nehmen, so die norddeutschen Landesparlamente und die Mitglieder im „Parlamentsforum Südliche Ostsee“. Dieses Thema könnte dort zu einem Schwerpunktthema werden.
Unsere Mitwirkung im europäischen Entscheidungsprozess bleibt immer aktuell. Packen wir es an! - Ich bitte um Überweisung an den Europaausschuss.
Ich erteile nunmehr für die Fraktion der SPD der Vorsitzenden des Europaausschusses, der Kollegin Astrid Höfs, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir schon gedacht, dass es um diese Zeit ganz wichtig ist, nicht unendlich lange Beiträge zu leisten, und habe deshalb meinen Beitrag schon etwas gekürzt.
Herzlichen Dank, Herr Minister Döring, für den ausführlichen Bericht. Ich bedanke mich auch ausdrücklich für die angebotene Unterstützung für die weiteren Beratungen.
Die Subsidiaritätskontrollen und das Frühwarnsystem sind für uns wichtige Instrumente, um das europäische Gesetzgebungsverfahren schneller erkennbar und nutzbar zu machen.
Europapolitik ist auch Landespolitik, denn die zunehmenden Verpflechtungen zwischen den europäischen, den nationalen und den regionalen Entscheidungen und Politiken erfordern zur Wahrnehmung unserer Landesinteressen eine frühzeitige und die Politikbereiche übergreifende Bewertung und Positionierung bei europäischen Entscheidungen. Es ist in der Realität so, dass die Bevölkerung es so wahrnimmt: Entscheidungen werden über die Köpfe der Bevölkerung hinweg getroffen. In der Tat, die europäischen Verfahren empfinden wir alle als sehr undurchsichtig.
Wir, die Politiker, möchten natürlich auch nicht, dass die Entscheidungen auf europäischer Ebene über die Köpfe der Landesparlamente getroffen werden. Entscheidungen sollen auf einer möglichst bürgernahen Ebene getroffen werden. Wir benötigen also ein Frühwarnsystem, das Recht, Planungen der EUKommission daraufhin zu überprüfen, ob sie dem Subsidiaritätsprinzip entsprechen. Europäischer Zentralismus ist nicht gefragt. Alle Aufgaben, die auf Landesebene wahrgenommen werden können, müssen auch auf dieser Landesebene geregelt werden.
Der Ausschuss der Regionen denkt über ein elektronisches Kontrollsystem nach. Wenn ein Subsidiaritätsvorstoß vorliegt, soll ein Hinweis ins Netz gestellt werden. Die Landtagspräsidenten haben hierzu erste Kontakte aufgenommen. Ein Landesparlament könnte auch an einem Probelauf teilnehmen. Vielleicht macht es auch Sinn, dass sich die Kommunen beteiligen.
Ein großes Problem stellt in der Tat - wie der Minister es angesprochen hat - die Sechs-Wochen-Frist dar. In kurzer Zeit sind eine Information von Brüssel in die Landtage und eine Rückäußerung zur EU kaum möglich. Auch die Frage der Selektion der Information ist zu klären. Eine Europakammer des Landtages als Beschlussorgan, wie der Europaminister vorgeschlagen hat, würde die Entscheidungsprozesse beschleunigen.
Wenn ich die kurzfristigen Informationen an unserem Europaministerium bezüglich der Finanziellen Vorausschauungen über die Strukturmittel bewerte, frage ich mich, ob dies vielleicht ein Vorläufer eines Frühwarnsystems ist. Ein Problem zeichnet sich ab, wenn sich Tony Blair tatsächlich, wie angekündigt, durchsetzt und die Ziel-2-Förderung auflöst. Dann werden die bisherigen Fördergelder nicht mehr fließen. Diese Fördergelder werden nicht irgendwo fehlen. Die Entscheidung würde uns in Schleswig-Holstein in ganz erheblichem Maße treffen, wenn die bisherige regionale und nationale Förderung wegfällt und stattdessen - wie angekündigt - ein rein Brüsseler Fördertopf entsteht. Dann werden wir nur noch die so genannten Starken Mittel abgreifen können. Das würde in jedem Fall dazu führen, dass das Europa der Bürger wieder in weite Ferne rückt.
Wie der Kollege Rolf Fischer bereits betont hat, würden die Bürger dieses Erleben am konkreten Projekt nicht haben. Es wäre völlig daneben. Ein sichtbares Projekt würde total fehlen. Wir beschweren uns sowieso schon immer darüber, dass die Projekte nicht so sichtbar sind. In diesem Fall würde es total wegfallen. Gut, dass der Europaminister und der Wirtschaftsminister sofort darauf reagiert haben.