Protocol of the Session on July 15, 2009

Aufgaben und Leistungen des Landes gehören auf den Prüfstand, denn wir müssen uns darüber verständigen, was der Staat zukünftig leisten und bezahlen kann. Es ist auch schon länger in Planung, dass sich der Finanzausschuss beispielsweise nach der Sommerpause ausführlich mit dem Thema der einzelbetrieblichen Förderung auseinandersetzt. Das ist ein Thema, das unsere Fraktion schon lange kritisch betrachtet. Wir werden hier sehr genau hingucken, wie beispielsweise die Zusätzlichkeit von Arbeitsplätzen verlässlich ermittelt werden kann. Wir haben unsere Zweifel an der Effektivität dieser Maßnahmen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und FDP)

Verwaltungsstrukturen müssen überprüft werden. Wir brauchen mehr Flexibilität, um zu strafferen Verwaltungsabläufen zu kommen. Wenn wir uns auf Kürzungen, auf Personalabbau verständigen, muss dies sehr verantwortungsvoll im Einklang mit den Aufgaben passieren. Karl-Martin Hentschel, mit dem Bildungspakt, der mittelfristig erhebliche Reduzierungen beim Lehrerpersonal bedeutet, sind wir bereits einen großen Schritt gemeinsam gegangen, und das ist auch verantwortbar, weil es die demografische Entwicklung flexibel aufgreift und Lehrerkapazitäten den Schülerzahlen anpasst, dabei aber sehr wohl auch neue Aufgaben berücksichtigt.

Eine wichtige Baustelle wird die Diskussion um die Abgrenzung struktureller und konjunktureller Einnahmen, Ausgaben und Kredite sein. Diese Diskussion wird natürlich in erster Linie auf Bundesebene und zwischen den Ländern geführt. Es macht Sinn, dass wir hier zu gemeinsam erarbeiteten einheitlich gestalteten Kriterien kommen. Wir hätten uns als Fraktion gewünscht, dass die Beteiligungsrechte des Parlaments über das hinausgehen, was im Entwurf des Nachtrags vorgesehen ist. Unser Koalitionspartner wollte dies nicht. Das ist schade, aber wir werden die Diskussion aktiv begleiten und erwarten, dass wir zu einvernehmlichen Vorstellungen kommen.

Wir haben einen weiteren Änderungsantrag vorgelegt - er war im Finanzausschuss auch schon angekündigt -, der die Kontinuität der Arbeit der Bürgerbeauftragten verbessert. Ich hoffe hier auch auf Zustimmung des Parlaments und auf Unterstützung der Arbeit der Bürgerbeauftragten.

(Birgit Herdejürgen)

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Für die Fraktion der FDP erhält der Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Krise an den Weltfinanzmärkten und die globale Rezession hinterlassen tiefe Spuren im schleswig-holsteinischen Landeshaushalt. Auch wenn die Nettoneuverschuldung in den vergangenen Jahren aufgrund der extrem positiven Entwicklung der Steuereinnahmen, unter anderem durch die massive Erhöhung der Mehrwertsteuer, reduziert werden konnte, sind die Einnahmeausfälle für unser Land gravierend.

Nach der Steuerschätzung im Mai werden infolge der negativen konjunkturellen Entwicklung die Steuereinnahmen in Schleswig-Holstein im Jahre 2009 um 705 Millionen € und im Jahre 2010 um 1,342 Milliarden € geringer ausfallen, als das Finanzministerium noch bei der Aufstellung des Haushalts im vergangenen Jahr geplant hat. Gegenüber den Erwartungen von November 2008 muss Schleswig-Holstein bis zum Jahre 2012 Mindereinnahmen in Höhe von insgesamt 4 Milliarden € verkraften.

Dramatisch sind diese Ausfälle insbesondere in den Städten und Gemeinden. Nach den Berechnungen des Finanzministeriums werden die Gewerbesteuereinnahmen bis 2012 um 583 Millionen € geringer sein, als noch im November 2008 geplant. Nachdem den Gemeinden in den vergangenen Jahren jedes Jahr 120 Millionen € an Finanzzuweisungen genommen wurden, nachdem der kommunale Finanzausgleichsanteil auf 17,74 % reduziert wurde und nachdem den Gemeinden immer neue Aufgaben übertragen wurden, ohne für die entsprechende Finanzierung zu sorgen, bringt dieser Gewerbesteuerausfall das Fass zum Überlaufen und manche Gemeinde an den Rand der Handlungsfähigkeit. Herr Kollege Sauter, wenn ich mir den Haushalt der Hansestadt Lübeck angucke, muss einem angst und bange werden.

Lediglich 81 Millionen € haben die Ressorts über beide Jahre an Ausgabenreduzierungen zusammenbekommen. Nur zur Erinnerung: Die FDP-Fraktion hat bei den Beratungen zum Haushalt 2009/2010 mit 179 Änderungsanträgen aufgezeigt, wie ein

Konzept für eine Haushaltspolitik ausgestaltet werden kann, die konsequent konsolidiert und zukunftsweisend investiert.

Doch alle Vorschläge der FDP-Fraktion – wie übrigens auch die Vorschläge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, über die man sich ja, wenn auch mit einer anderen Blickrichtung unterhalten kann - wurden abgelehnt. Nun werden allein für die zusätzliche Kreditaufnahme neue Zinszahlungen von 50 Millionen € ausgelöst. Es ist doch kein Erfolg, wenn der Finanzminister erklärt, dass dieser Mehraufwand durch Einsparbeträge aller Ressorts kompensiert wird. Denn er muss auch sagen, wie. Wir sehen im Auftrag nur die Aufstockung der globalen Minderausgaben. Das ist doch keine Einsparung, Herr Minister. Ich verstehe in diesem Zusammenhang auch überhaupt nicht, warum die Haushaltssperre aufgehoben werden soll, die nach Aussage des Finanzministeriums auf Nachfrage der FDPFraktion allein im Jahre 2009 bisher 6,36 Millionen € an Einsparungen erbrachte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch dieser zweite Nachtrag ändert nichts daran, dass der Doppelhaushalt 2009/2010 der Haushalt der verpassten Chancen ist.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein Haushalt gänzlich ohne politische Entscheidungen. Es ist der Haushalt der ruhigen Hand. Statt die Chance zu nutzen, endlich einmal strukturelle politische Entscheidungen zu treffen, die den Haushalt dauerhaft und damit auch die künftigen Generationen entlasten, werden die Schulden weiter erhöht, denn weitreichende Beschlüsse, um gegen die Krise anzugehen, hat auch der Koalitionsausschuss nicht auf den Weg gebracht. Anstatt eine bedingungslose Aufgabenkritik durchzuführen und die Personalpolitik gezielt an den verbleibenden Staatsaufgaben auszurichten, wollen CDU und SPD planlos Stellen in allen Bereichen streichen. Bedauerlicherweise finden wir das im Nachtrag natürlich nicht wieder. Das ist weder zielorientiert noch motivierend für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Die Große Koalition hat es sträflich vernachlässigt, vor der eigenen Tür zu kehren: Keine Aufgabenkritik, kein Abbau von Aufgaben, keine Personalreduzierung, keine Ausgabenreduzierungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den Haushaltsjahren 2005 bis 2008 war das Land finanzpolitisch auf einem guten Weg. Die positive weltwirtschaftli

(Birgit Herdejürgen)

che Entwicklung und massive Steuererhöhungen auf Bundesebene haben es dem Finanzminister ermöglicht, die Neuverschuldung von 1,7 Milliarden € im Jahre 2004 auf unter 300 Millionen € im Jahre 2008 zu senken. Doch genau jetzt rächt sich, dass es der Koalition aus CDU und SPD noch nicht einmal in haushalterisch guten Zeiten gelungen ist, strukturelle Maßnahmen gegen den Abschwung durchzusetzen. Bürokratieabbau: Fehlanzeige! Verwaltungsreform: Fehlanzeige! Personalstrukturreform: Fehlanzeige! Durch diesen finanzpolitischen Stillstand unter CDU und SPD werden nun die Bürgerinnen und Bürger des Landes deutlich mehr zu leiden haben.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Der Landesrechnungshof bringt die Kritik der FDPFraktion zur Haushaltspolitik der Großen Koalition in seinen aktuellen Bemerkungen auf den Punkt: Schleswig-Holstein geht ohne finanzielle Vorsorge, aber mit erheblichen Risiken in den Abschwung.

Die Ausgaben der letzten Jahre waren zu hoch und wuchsen zu schnell.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

So gab das Land von 2005 bis 2008 allein 199 Millionen € mehr aus, als es in den Haushaltsplänen veranschlagt hatte, und das, ohne die Ausgaben kritisch zu prüfen. Sie haben also in haushalterisch guten Zeiten nicht gespart, sondern mehr ausgegeben, als Sie selbst eingeplant haben. Stattdessen haben sich CDU und SPD virtuell reich gerechnet, indem die Einnahmen bei Verabschiedung des Doppelhaushalts 2009/2010 weit überschätzt wurden. Das ist keine gesunde finanzpolitische Konstellation für die kommenden Monate.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch der heute vorliegende zweite Nachtrag zum Haushalt lässt uns nicht beruhigter in die Zukunft gehen. Stattdessen legt das Finanzministerium Gesetzesänderungen vor, von denen ich - freundlich ausgedrückt erheblich überrascht bin. So soll in § 2 des Haushaltsgesetzes ein neuer Absatz 8 angefügt werden. Darin wird festgelegt, dass alle konjunkturabhängigen Steuereinnahmen, die über der langfristigen konjunkturbedingten Steuereinnahmeentwicklung für das Jahr 2010 liegen, zur Tilgung verwendet werden sollen. Auf Nachfrage der FDP-Fraktion, was denn eigentlich konjunkturbereinigte Steuer

einnahmen sind, musste die Landesregierung eingestehen, dass derzeit noch kein abschließend definiertes Verfahren vorliegt und das Finanzministerium erst noch einen entsprechenden Vorschlag erarbeitet.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hört, hört!)

Aber wir sollen dem heute schon zustimmen. Worüber stimmen wir heute eigentlich ab?

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion ist nicht bereit, dem Finanzministerium einen solchen Freibrief zu erteilen. Im Übrigen stellt sich mir die Frage, was der Koalitionsausschuss eigentlich beschlossen hat.

Weiter soll ein neuer § 40 beschlossen werden: Pakt für Beschäftigung, Qualifizierung und Wachstum. Auf Nachfrage der FDP-Fraktion, was konkret dieser Pakt ist und welche Förderinstrumente des Landes betroffen sind, antwortete die Landesregierung, dass es noch keine konkreten Pläne gibt und es überhaupt erst einmal Abstimmungen zwischen den Ressorts geben soll.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Trotzdem sollen wir heute zustimmen, dass das Finanzministerium aus allen Haushaltstiteln Mittel in diesen Pakt umschichten darf, obwohl man uns gar nicht sagen kann, welche.

Worüber stimmen wir hier denn eigentlich ab?

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch hier stellt sich die Frage, was der Koalitionsausschuss eigentlich beschlossen hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend noch kurz auf die personalwirtschaftlichen Maßnahmen eingehen. Denn auch hier frage ich mich, was der Koalitionsausschuss eigentlich beschlossen hat. Ich lese in der Pressemitteilung von Finanzminister Wiegard vom 22. Juni, dass der Stellenbestand des Landes bis 2020 um rund 4.800 Stellen reduziert werden soll, mehr als 2.700 davon bis 2015. Nun kann ich dem Stellenplan entnehmen, dass acht Stellen reduziert werden sollen. Eine kw-Stelle soll übrigens wieder wegfallen. Das heißt, die Stelle bleibt bis 2015. Ziehe ich den Änderungsantrag der SPD-Fraktion hinzu, bleiben sieben Stellen, davon sind sechs Arbeiter im Ressort Wirtschaft. Wenn also in den Jahren 2009 und 2010 sieben Stellen wegfallen sollen, dann müssen in den Jahren 2011 bis 2015 2.693 Stellen wegfallen. Kann mir mal jemand sagen, wie das

(Wolfgang Kubicki)

funktionieren soll, Herr Kollege Ritzek? Wir sollen in vier Jahren 2.693 Stellen ohne Aufgabenkritik abbauen - die haben Sie nicht beschlossen -, ohne eine Verwaltungsstrukturreform - die haben Sie nicht beschlossen -, ohne eine umfassende Deregulierung - die haben Sie nicht beschlossen -, und ohne den massiven Wegfall von Aufgaben, denn die haben Sie auch nicht beschlossen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Manfred Ritzek [CDU]: Das läuft parallel!)

- Herr Kollege Ritzek, Sie sitzen dann bedauerlicherweise nicht mehr im Parlament, weil das der nächste Haushaltsgesetzgeber machen muss. Wie die Wahlen ausgehen und wer welche Mehrheitsverhältnisse zustande bringt, und wie die politischen Gestaltungsräume dann aussehen, dass entscheiden nicht Sie heute, dass entscheiden die Wählerinnen und Wähler spätestens am 9. Mai 2010. Deswegen kann ich sagen, dass Sie mit Ihrem Anspruch, die strukturellen Weichen zu stellen, versagt haben, weil Sie gegenwärtig gar keine Weichen stellen, sondern sagen, Sie sollen künftig gestellt werden.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Nur dadurch, Kollege Ritzek, dass Sie ein zentrales Personalmanagement einrichten - was ich im Übrigen ausdrücklich begrüße -, werden Sie nicht eine Stelle einsparen. Es müssen Strukturen gestrafft und vereinfacht werden, Aufgaben an Private übertragen oder ganz aufgegeben werden. Aber davon findet sich am Haushalt rein gar nichts.

Dieser Nachtrag ist nicht geeignet, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Die FDP-Fraktion hat umfassende, konkrete kurzfristige Einzelmaßnahmen und mittelfristig wirkende Strukturmaßnahmen vorgeschlagen. Auf keine ist die Koalition eingegangen. Deshalb wird die FDPFraktion auch dem 2. Nachtrag zum Haushalt 2009 und 2010 nicht zustimmen.

Lassen Sie uns doch ernsthaft beispielsweise die Frage diskutieren, ob wir uns tatsächlich zwei Universitäten in der jetzigen Form - Lübeck und Kiel leisten können und wollen oder ob es nicht andere Modelle gibt, die wir vorgeschlagen haben, den dauerhaften Bestand der Universitäten zu sichern, ohne dass der Haushaltsgesetzgeber regelmäßig Mittel dazu zuführen muss. Eines ist klar: Je länger wir die Lösung dieser Probleme verschieben, desto schwieriger wird der Prozess für alle politisch Beteiligten werden.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Nachtragshaushalt für die Jahre 2009 und 2010 schlagen die Folgen der Finanzmarktkrise voll zu Buche. Die Nettoneuverschuldung steigt in den Jahren 2009 und 2010 rasant an und überschreitet damit die nach Artikel 53 der Landesverfassung zulässige Grenze.

Angesichts der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise ist es konsequent, dass der Landtag eine ernsthafte und nachhaltige Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes im Sinne der Landesverfassung anerkennt und eine erhöhte Kreditaufnahme zulässt. Dieser Passage haben wir im Finanzausschuss auch zugestimmt.

Auch ist es richtig, dass mit Investitionsmaßnahmen versucht wird, den konjunkturellen Einbrüchen entgegenzuwirken, und dass es falsch wäre, gegen die Krise ansparen zu wollen.