Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen sie mich mit etwas ganz Aktuellem beginnen. Ich habe in meiner schleswig-holsteinischen Lieblingszeitung heute folgendes Zitat gelesen: Hinter Ihrem Rücken wird getratscht und gestichelt, zeigen Sie, dass Sie über den Dingen stehen. - Das ist das Waage-Horoskop dieser schönen Zeitung. Ich finde, das ist prima.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht über den Dingen stehend, aber überparteilich war lange der Konsens hinsichtlich der Folgen eines Schuldenverbots ohne ausreichende Hilfen. So darf ich sicherlich mit Ihrer aller Zustimmung daran erinnern, dass von dieser Stelle aus der Herr Ministerpräsident, der Herr Finanzminister, der Kollege Wadephul, Frau Herdejürgen, der Landtagspräsident und ich selbst in vielen Reden deutlich gemacht haben, warum das jetzt von Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit verabschiedete totale Schuldenverbot in dieser Form falsch ist, schwierige Folgen für Schleswig-Holstein hätte und verfassungsrechtlich mehr als problematisch ist. Dieser Meinung ist die SPD-Landtagsfraktion auch weiterhin.
Wir haben eine deutlich schlechtere finanzielle Ausgangslage als viele andere Länder, wir haben ein strukturelles Defizit von 500 bis 600 Millionen € - ohne mehr Lehrer, Einnahmen oder Polizisten als andere zu haben.
Eigentlich brauchten wir deutlich mehr finanzielle Unterstützung. Deshalb werden wir uns weiterhin für eine vernünftige und faire Altschuldenregelung von Bund, Ländern und Kommunen einsetzen, wie sie Uwe Döring und ich in der letzten Legislaturperiode entwickelt haben und wie sie noch vor wenigen Monaten gemeinsam von Ministerpräsident Carstensen und Herrn Döring auch in Berlin vertreten worden ist.
Deshalb wollten wir auch gegen diese Änderung des Grundgesetzes vor dem Verfassungsgericht klagen, mussten feststellen, dass es nach unseren Verhandlungen für diesen Weg keine gemeinsame Mehrheit mehr gibt. Ich sagte, es ist ein Kompromiss, weil wir unsererseits einer Änderung der Lan
desverfassung im Schnellverfahren nicht zugestimmt hätten. Zu dem Kompromiss, zu dem wir stehen, wird sich Frau Herdejürgen in der Debatte auch noch äußern.
Allerdings sage ich auch: So falsch ich die Grundgesetzänderung in dieser Form auch finde, sie gilt. Gesetze gelten für alle, sie gelten auch für uns. Wir haben uns darauf einzustellen, und wir haben die Nettoneuverschuldung bis zum Jahr 2020 auf null € herunterzufahren.
Im Übrigen bekenne ich mich für meine Fraktion ohne Wenn und Aber zur Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung. Dies ist auch wichtig, denn die Notwendigkeit der Konsolidierung ist keineswegs vom Himmel gefallen. Es ist schon lange klar, dass wir die Last der Zinszahlungen eindämmen und Ausgaben kürzen müssen. Dazu gab es Budgets, Verkäufe von Landesvermögen, Überrollung, Strukturreformen, Eingriffe in den kommunalen Finanzausgleich und vieles andere mehr. Ich selbst habe dazu als Finanzminister der Regierung Simonis 2004/2005 ein umfangreiches Haushaltskonsolidierungskonzept vorgelegt, das die Instrumente Einsparungen, Einnahmeverbesserungen und Zukunftsinvestitionen in ein nachhaltiges und soziales Verhältnis brachte.
Ein Altschuldenfonds und eine langfristige Investitionsfolgebetrachtung gehörten damals dazu. Natürlich findet sich dies auch an prominenter Stelle in unserem Koalitionsvertrag.
Eines ist jedoch durch die größte Wirtschafts- und Finanzkrise in unserer Geschichte, aber auch in der Grundgesetzänderung deutlicher geworden als je zuvor, nämlich die Notwendigkeit antizyklischen Handelns. Es gibt einen Unterschied zwischen dem konjunkturellen und strukturellen Defizit. Das strukturelle Defizit muss tendenziell abgebaut werden, auch wenn ich der Meinung bin, dass für eine bestimmte Art von Investitionen Kredite auch weiterhin richtig gewesen wären. Wer beispielsweise bei Kinderbetreuung und Bildung sowie Klimaschutz investiert, der spart bei Jugendhilfe, bei Sozialtransfers und Reparaturkosten.
Wer hier spart, den kommt das teuer zu stehen. Ganz anders ist das bei Bürokratie und bei vielen einzelgewerblichen Förderprogrammen. In dieser
Konjunkturelle Defizite sind notwendig, um die Folgen konjunktureller Schwankungen abzufedern. Sie finden dies übrigens auch in der Begründung zu dem jetzt vorliegenden Nachtragshaushalt. Wenn wir dadurch Arbeitslosigkeit verhindern, die Nachfrage stützen und zukunftsfähige Strukturen erhalten können, ist dies in Zeiten der Krise ein sinnvolles Defizit, da es nicht nur persönliches Leid mildert und unsere Startposition für den Aufschwung verbessert, sondern vor allen Dingen auch eine weitergehende Abwärtsspirale verhindert. Insofern handelt es sich bei den jährlichen zehnprozentigen Einsparungen um eine konjunkturabhängige Durchschnittsgröße.
Am besten - auch für öffentliche Haushalte - ist es, wenn Arbeitnehmer gute Jobs und Mindestlöhne haben beziehungsweise - noch besser - gut verdienen und Steuern und Beiträge bezahlen, statt Sozialtransfers im Berufsleben und im Alter noch einmal zu bekommen.
Deswegen ist es auch uns und den Menschen in Schleswig-Holstein bei dem Pakt für Beschäftigung, Qualifizierung und Wachstum um dieses wichtigste Thema gegangen, das bereits umgesetzt wird. Leider hat es in der Öffentlichkeit weniger Beachtung gefunden, obwohl es die Menschen viel mehr interessiert als Stellenkürzungszahlen der nächsten zwei Legislaturperioden.
Auch wenn wir mit den im Koalitionsausschuss und Ihnen jetzt vorliegenden strukturellen Einsparvorstellungen über künftige Einsparvorhaben reden, die wir in der heutigen Zusammensetzung nicht umzusetzen haben, ist es dennoch wichtig, sie jetzt vorzubereiten, zu planen und sich auch zu ihnen zu bekennen. Das kann die Umsetzung erleichtern. Wir müssen sparen. Da gibt es übrigens keine zwei Meinungen, weder im Koalitionsausschuss noch hier. Der Unterschied war nicht, die einen wollten sparen und die anderen nicht, sondern der Unterschied lag allenfalls darin, wo gespart werden soll. Dabei setzen unterschiedliche Parteien und Fraktionen unterschiedliche Prioritäten. Das Wesen von Koalitionsregierungen ist aber der tragfähige Kompromiss, und zu diesem steht die SPD-Fraktion ohne Wenn und Aber.
Im Koalitionsausschuss wurde vereinbart, das strukturelle Defizit im Landeshaushalt bis 2020 um jährlich 10 % zurückzufahren, um bis dahin zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen zu können.
Ein Schwerpunkt der Ausgaben eines Landes liegt bei den Personalkosten. Deshalb ist es natürlich, bei den personalintensiven Ressorts anzusetzen. Wir dürfen dort aber nicht stehen bleiben. Die Einsparungen bei millionenschweren Investitions- und Förderprogrammen in den anderen Ressorts werden in einem zweiten Schritt konkretisiert werden müssen. Auch das hat sich geändert: Jede Ausgabe muss auf dem Prüfstand stehen, angefangen bei der einzelbetrieblichen Förderung bis hin zu einzelnen Prestigeobjekten, auch wenn sie uns noch so wichtig sind. Endlich können wir Investitionen in Beton oder Asphalt mit denen in Bildung sozusagen gleichberechtigt gegeneinander abwägen. Dabei sollte es selbstverständlich sein, konkrete Zahlen, die einem an einem Abend vorgelegt werden, auch überprüfen zu dürfen.
Für die Prüfung der Berechnungen des Innenministeriums zur Verwaltungsstrukturreform hat es damals drei Gutachter gebraucht - übrigens mit dem Ergebnis, dass die Rechnungen korrekt waren. Wir brauchten drei Tage. Das ist eine solide Leistung. Ich möchte Uwe Döring ausdrücklich dafür danken, da er dabei die Hauptarbeit geleistet hat. Wir mussten klären, welche Berechnungsgrundlagen es gab und ob die Anzahl der Abgänge hoch genug sein wird, um auch im Verwaltungsbereich betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.
Es reicht übrigens nicht, Herr Kollege Wadephul, öffentlich zu sagen, man wolle dies oder das im Justizvollzug, bei der Unterrichtsversorgung oder im Bereich der Polizei nicht. Nein, man muss das auch sicherstellen. Das ist der Punkt, um den es der Sozialdemokratie in diesem Zusammenhang ging.
Auf der Grundlage dieser Prüfung haben wir über die ursprünglichen Einsparvorstellungen der Union verhandelt. Es ist uns unter den gegebenen Einsparzwängen gemeinsam gelungen, die geplanten Einsparungen im Personalbereich auf ein vernünftiges und verantwortbares Maß festzulegen. In den nächsten zehn Jahren sollen rund 4.800 Stellen aus Altersabgängen in den Verwaltungsbereichen des Landes eingespart werden.
Die vereinbarten Personalkürzungen im Bildungsbereich werden in der Schulverwaltung und eben nicht durch Unterrichtskürzungen erfolgen. Die
Personalkürzungen bei Polizei und Justiz werden eben nicht im Vollzug erfolgen. Die innere Sicherheit wird nicht herabgesetzt. Die Unterrichtsversorgung und die Qualität des Unterrichts müssen sogar gesteigert werden.
Obwohl ein großer Teil der 4.800 Stellenstreichungen bereits vor zwei Jahren im Zusammenhang mit dem Bildungspakt verabredet worden ist, wird die Umsetzung der avisierten 15 % in den allgemeinen Verwaltungen und der spezifischen Einsparvorgaben in den anderen Bereichen sehr schwer werden, zumal wir im Bereich der Polizei noch keine Antwort auf die Frage haben, wie wir mit den extrem hohen Überstunden umzugehen haben. Hier geht es uns auch um Ehrlichkeit gegenüber den Beschäftigten, die ihre Gesundheit und ihr Leben für die Allgemeinheit einsetzen.
Strukturelle Veränderungen in der Verwaltung, Aufgabenabbau und ein Höchstmaß an Mitwirkung der Beschäftigten werden für die Umsetzung nötig sein. Es ist nötig, auch darauf hinzuweisen, dass die Beschäftigten, die eine Arbeitsverdichtung haben, nicht Verlierer bei der Konsolidierung werden. Sie haben mit Arbeitszeitverlängerung, Arbeitsverdichtung, Lohnzurückhaltung und Kürzung beim Weihnachtsgeld schon viel geleistet und sind wirklich nicht für Managementversagen und Bankenkrise verantwortlich.
Wir Sozialdemokraten haben ausdrücklich Festlegungen mit der Union vereinbart: Es gibt keine betriebsbedingten Kündigungen. Es gibt keine Einschränkungen bei der Mitbestimmung. Es gibt keine Einschränkungen bei der Gleichstellung. In den letzten Tagen haben Demonstrationen der Erzieherinnen und Erzieher, deren Forderungen ich weitgehend unterstütze, gezeigt, dass Entlastung der Kommunen nicht heißen darf, dass die Standards in den Kitas herabgesetzt werden. Das war für die Sozialdemokratie außerordentlich wichtig.
Pacta sunt servanda. Das gilt für den Kompromiss und für die Ergebnisse der Koalitionsvereinbarung. Wir stehen zu den vereinbarten harten Einsparungen, denn auch eine SPD-geführte Regierung wird nach 2010 gravierende Einschnitte vornehmen müssen, um die finanzielle Handlungsfähigkeit des Landes nicht zu verlieren. Es geht um Handlungsfähigkeit für Zukunftsinvestitionen in Bildung, Kinderbetreuung und Klimaschutz. Es wird schwer werden. Die Lage ist ernst, und an der Gesetzeslage gibt es nichts zu deuteln. Klar ist aber auch, dass
die Personaleinsparungen nur ein Drittel des strukturellen Defizits ausmachen. Umso wichtiger ist es, über weitere Einsparmöglichkeiten und auch über Einnahmeverbesserungen nachzudenken. Es ist übrigens - das möchte ich an dieser Stelle anmerken - Sache des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber, bestimmte Dinge auszuschließen.
Wir werden in der neuen Legislaturperiode über all dieses hinaus einen neuen und beherzten Anlauf zu einer konsequenten Verwaltungsstrukturreform unternehmen müssen. Wir brauchen Investitionen und Rahmenbedingungen für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze. Wir brauchen eine klare Absage an Steuersenkungspläne in zweistelligen Milliardenbereichen, die auch Gutverdienern nützen, während die Beseitigung der hohen Kita-Gebühren bildungspolitisch geboten ist, viel weniger kostet und Familien gezielt entlastet.
Das sind die Aufgaben in der nächsten Legislaturperiode. Heute gilt: Echte Verantwortung gibt es nur da, wo es wirkliche Antworten gibt. Die SPDFraktion ist zur Verantwortung bereit. Deshalb haben wir mit diesem Antrag konkrete Antworten gegeben. Wir bitten um Ihre Zustimmung - und ich meine wirklich Zustimmung - zum gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Stegner. - Für die FDP-Fraktion hat nun deren Vorsitzender, der Oppositionsführer Wolfgang Kubicki, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nachzurechnen versucht, was für einen Stundenlohn Herr Nonnenmacher bei 2,9 Millionen € in Relation zu dem bekommt, was die Sozialdemokraten als Mindestlohn fordern.
Ich möchte vorweg bemerken, dass die Rede des Kollegen Stegner noch schlechter war, als der Antrag ist. Es ist auch schwierig, zehn Minuten über etwas so Substanzloses zu reden wie über den Antrag von CDU und SPD. Er beinhaltet eine Aneinanderreihung von Maßnahmen und Allgemeinplätzen, die allerdings keinerlei Auswirkungen auf das tatsächliche Handeln der Landesregierung haben.
Wenn man sich in Erinnerung ruft, wie es zu diesem Antrag kam, dann ist dies möglicherweise sogar verständlich. Trotzdem ist es ein Armutszeugnis. Lassen Sie mich die Entstehungsgeschichte dieses Antrags kurz schildern. Am Mittwoch, dem 17. Juni, kam der Koalitionsausschuss zusammen. Der Ministerpräsident präsentierte ein knallhartes Sparkonzept, doch SPD-Chef Stegner lehnte es ab. Der Ministerpräsident drohte daraufhin offen mit Koalitionsbruch. Das wird ja nun regelmäßig, wöchentlich einmal, aufgeführt.
Nachts um ein Uhr vertagte sich das Gremium auf Sonntag, den 22. Juni. Man wollte in Ruhe noch einmal über alles nachdenken und sich gegenseitig annähern. An den darauffolgenden Tagen fielen dann aber die beiden SPD-Minister Döring und Hay ihrem Fraktions- und Parteivorsitzenden Dr. Stegner in den Rücken - auch dies geschieht ja wöchentlich - und erklärten öffentlich, auch die SPD käme nicht um Sparmaßnahmen herum. Eine völlig neue Ersterkenntnis! Am Sonntagabend steckten die Koalitionäre also erneut ihre Köpfe zusammen, offenbar so lange, bis weißer Rauch aufstieg. Noch am Abend trat die Koalition dann vor die Presse, und Finanzminister Wiegard erklärte, man habe Regelungen zur Schuldenbremse gefunden und einen Personalabbau und umfassende Haushaltsstrukturmaßnahmen beschlossen, die sich alle auch im 2. Nachtragshaushalt wiederfinden würden. So die Erklärung von Finanzminister Wiegard.