Wird das Wort zur Begründung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden, Dr. Wadephul, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vergangene Sitzung des Koalitionsausschusses liegt keine vier Wochen zurück. Doch wenn man die Landespolitik in Schleswig-Holstein beobachtet, dann haben wir zwischenzeitlich schon wieder Ereignisse – Krümmel wird am Freitag diskutiert – oder auch jüngste Diskussionen, dass man denkt, es liegt eine halbe Ewigkeit zurück.
Ich glaube, das haben dieser Koalitionsausschuss, die Ergebnisse und die Grundlagen dieses Antrags nicht verdient. Denn es sind wichtige Dinge für die Zukunft des Landes beraten worden. Kaum jemals zuvor wurde das Prinzip der Nachhaltigkeit so sehr in den Mittelpunkt gerückt wie bei diesen Beschlüssen.
Wir kennen seit 1992, seit der UNO-Umweltkonferenz in Rio, dieses Wort. Es wurde von den Grünen – Kollege Kubicki von der FDP hat in der Tat ein bisschen Nachholbedarf in dem Bereich – in der Umweltdebatte in den 90er-Jahren eingeführt. Mittlerweile verwenden aber alle politischen Parteien diesen Begriff und verknüpfen damit ein bestimmtes Prinzip politischen Handelns.
Ganz allgemein habe ich folgende Definition gefunden: Das Konzept der Nachhaltigkeit beschreibt die Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen
Das ist eine sehr allgemeine Definition, die mittlerweile auch völlig zu Recht nicht nur auf ökologische Fragen definiert und beschränkt wird, sondern umfassender, insbesondere auch auf Fragen der Finanzpolitik. Denn so richtig es war und bleibt, auf die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen zu achten, so richtig und so notwendig ist es, dass bei der Bewahrung unseres sozialen Staatswesens die Erhaltung der Finanzkraft des Staates mehr und mehr in den Fokus politischen Handelns geraten muss.
Ein Staat kann nur dann lebensfähig bleiben, wenn er stets mit ausreichenden finanziellen Ressourcen ausgestattet ist.
Bei einem Schuldenvolumen von sage und schreibe 24 Milliarden € - ich erlaube mir, in diesen Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise zu runden – und einer Zinsbelastung von nahezu 1 Milliarde € pro Jahr geht es schon heute nicht mehr um sogenannte Kernbereiche, sondern es geht um den Kern unseres Bundeslandes Schleswig-Holstein. Deswegen muss es für alle politisch Handelnden ein Alarmzeichen gewesen sein, dass wir selbst im Jahr 2008, als wir die höchsten Steuereinnahmen in Schleswig-Holstein erzielt haben, die es je in diesem Bundesland gab, keinen ausgeglichenen Haushalt im Abschluss erreicht haben. Soviel erreicht wurde – Finanzminister Wiegard gilt dafür der Dank der CDU-Fraktion –,
müssen wir festhalten: Selbst in diesem Jahr haben wir keinen ausgeglichenen Haushalt erreicht. Wer hiervor die Augen verschließt, versündigt sich an nachfolgenden Generationen. Er wird sich möglicherweise wie unsere Eltern- und Großelterngeneration wegen ganz anderer historischer Fragestellungen recht bald den Fragen der heutigen Kinder und Enkelkinder ausgesetzt sehen: Was hast du damals eigentlich dagegen getan?
Diese Frage, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir schon heute vor Augen haben, wenn wir die aktuelle politische Agenda miteinander gestalten.
Deshalb beginne ich mit diesen eher allgemeinen und vielleicht theoretischen Überlegungen, weil ich und die CDU-Fraktion der Auffassung sind, dass sich die gesamte Perspektive der Landespolitik wird ändern müssen. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel. Es darf nicht mehr zuallererst darauf geblickt werden, was wünschenswert ist und von den jeweiligen Wählerklientel gefordert wird – verantwortbare Politik verspricht und führt nur das in der Realität aus, was bezahlbar ist, was also Nachhaltigkeit gewährleistet.
Unser Haushalt muss, um in der Nachhaltigkeitsdefinition zu bleiben, regenerierbar bleiben. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass wir irgendwann anfangen müssen, nicht nur keine neuen Schulden zu machen, sondern auch die von uns selbst zum Teil aufgetürmten Schulden wieder zurückzuzahlen.
Dieser neue Blickwinkel war es, der Politiker dazu gebracht hat, eine Schuldenbremse zu diskutieren und verfassungsrechtlich zu verankern. Das ist unter maßgeblicher Mitwirkung nicht nur von Christdemokraten, sondern auch von Politikern anderer Parteien geschehen. In Schleswig-Holstein gerät manchmal ein bisschen aus dem Blickwinkel, dass auch führende Sozialdemokraten dafür gewesen sind, diese Schuldenbremse zu verankern. Peter Struck hat hier eine führende Rolle eingenommen. Ich finde es schade, dass durch die sozialdemokratische Debatte in diesem Land das wenig beachtet worden ist.
Wir sind froh und glücklich, dass die Schuldenbremse und das Personalstrukturkonzept, das unsere Finanzpolitiker schon vor drei Jahren vorgelegt haben, in die Vereinbarung dieser Koalition eingeflossen sind. Sie sind noch nicht die Lösung aller Probleme, aber sie sind allemal ein guter Anfang, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir werden in der kommenden Debatte noch etwas mehr über die Schuldenbremse sagen. So viel nur an dieser Stelle.
Wer gegen dieses Instrument polemisiert und es als ritualisierte Selbstfesselung bezeichnet, versagt gegenüber seiner Verantwortung vor kommenden Generationen.
Wer eine Schuldenbremse, die immerhin erst 2020 gelten soll, heute schon Verarmungsprogramm nennt, der traut sich schlicht nicht zu, die notwendi
gen politischen Leitentscheidungen zu treffen und sie auch gegen öffentlichen Widerstand durchzusetzen. Wer so etwas sagt, leistet im Grund einen politischen Offenbarungseid.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf Bundesebene ist verabredet worden, dass wir 80 Millionen € Hilfen bekommen. Das ist wenig, möglicherweise im Vergleich zu anderen Bundesländern zu wenig, aber es ist ein Beitrag, auf den wir nicht verzichten können. Eine fatalistische Sichtweise, dieser Betrag sei nicht ausreichend, und daher käme es auf einen Sparkurs ohnehin nicht mehr an, wird eine CDU-Fraktion in diesem Landtag niemals mittragen.
Ich will auf die einzelnen Verabredungen, die insbesondere im Personalpaket gemacht worden sind, nicht im Einzelnen eingehen. Sie sind umfassend dargestellt und hier im Haus - glaube ich - gut bekannt. Wir vertreten sie. Aber wir erwarten natürlich in dieser Situation auch, dass sie von allen vertreten werden. „Alle“ sind diejenigen, die sie miteinander abgemacht haben. Deshalb erinnere ich die sozialdemokratische Seite ausdrücklich daran, dass wir diese Abmachungen gemeinsam miteinander getroffen haben und dass wir sie auch gemeinsam miteinander vertreten müssen, Herr Kollege Stegner. Niemand - um das klar zu sagen -, auch niemand in der CDU, hat je verlangt, dass Polizeivollzugsbeamte aus dem operativen Dienst abgezogen werden sollen.
Es hat auch niemand verlangt, dass Lehrer aus der Unterrichtsverpflichtung entbunden werden sollen, dass es eine einzige Stunde weniger Unterricht geben soll.
Wenn Sie dann an den Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, schreiben, es sei eine bodenlose Unverschämtheit, dass behauptet werde, die SPD habe Stellenkürzungen bei der Polizei gefordert, dann ist das richtig. Das ist aber leider deshalb richtig, weil Sie gar keinen einzigen Vorschlag in diesem Bereich gemacht haben. Die Vorschläge zum Personalkonzept kamen ausschließlich von der CDU. Wir haben sie zum Glück fast zu 100 % durchsetzen können. Das ist das Ergebnis dieser Debatte gewesen.
Deshalb sage ich hier in aller Ernsthaftigkeit: Diese CDU-Fraktion - ich darf das, glaube ich, auch insgesamt für diesen Teil der Regierung sagen - hat sich stets zu dieser Koalition bekannt. Aber wir können keine Politik miteinander machen, dass wir Koalitionsbeschlüsse fassen, und dann sind am Schluss die einen die bösen Sparer und die anderen die guten Sparer. Entweder sparen wir gemeinsam oder gar nicht.
Herr Kollege Stegner, ich halte nicht von jeder Mitteilung des Twittermediums besonders viel, aber wir haben heute schon mit gewisser Verwunderung gelesen, dass Sie geschrieben haben - das stammt offensichtlich aus Ihrer Feder, sonst darf das auch gern klargestellt werden -:
„Medien zeigen Retro allenthalben: Politik und Publizistik im Stil vom SH der 70er-, 80er-Jahre, bevor Björn Engholm aufgeklärt hat!“
Herr Kollege Stegner, ich muss schon - nicht im Sinne der Publizistik; die weiß sich selber zu wehren - angesichts der Debatten, die wir auch in der Koalition miteinander hatten, und der Dispute, die es gerade in den letzten Stunden und Tagen mit dem Ministerpräsidenten gegeben hat - die kennen wir alle -, fragen: Wen haben Sie damit gemeint? Nennen Sie Ross und Reiter! Meinen Sie den Ministerpräsidenten, meinen Sie die CDU-Fraktion? Die Sache muss klargestellt werden.
Ich möchte eine abschließende Bemerkung zur Finanzlage machen, weil das die Überschrift dieses Antrags gewesen ist. Sparen werden wir weiterhin müssen, auch unangenehme Beschlüsse bekannt geben müssen. Aber dieses Land nach vorn bringen werden wir nur, wenn es wieder Wachstum gibt, wenn wir die Menschen wieder ermutigen, insbesondere die Unternehmerinnen und Unternehmer ermutigen, neue Arbeitsplätze zu schaffen, wenn es wieder Zuversicht gibt. Wenn es Vertrauen in die Wirtschaft gibt, dann hat Schleswig-Holstein eine gute Zukunft. Lassen Sie uns dafür arbeiten.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner.