Protocol of the Session on June 19, 2009

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden über das Hochschulzulassungsgesetz. Der Minister hat schon dargestellt, dass es da in der Tat Vieles gibt, was eher verwaltungstechnischer Natur ist. Deshalb ist es vielleicht ganz gut, wenn wir einmal von denjenigen reden, an die sich das Gesetz wendet. Auch bei der Ausschussberatung ist mir im Nachhinein aufgefallen, dass wir von denen relativ wenig geredet haben. Das sind ja nicht die Hochschulen, es sind auch nicht die Hoch

(Minister Dr. Jörn Biel)

schulpolitiker, es ist nicht das Ministerium, sondern es sind die Hochschulzulassungsberechtigten, also diejenigen, die davon betroffen sind. Das sind nicht nur Schüler, nicht nur Fachabiturientinnen und Fachabiturienten, aber sie vor allem. Wenn man sich mit Schülergruppen unterhält, wird sehr deutlich, dass die sich fast unisono einen Weg wünschen weg von der starren Zulassung nach Abiturnoten. Deshalb wird das dauerhaft nicht der letzte Schritt zu einem flexiblen Auswahlrecht sein.

Aber es ist auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er logischerweise nicht die bundesweit zulassungsbeschränkten Fächer, die ZVS-Fächer, umfassen kann. Auch da gibt es möglicherweise Handlungsbedarf, aber das gehört nicht an diese Stelle. Ich wollte es aber trotzdem erwähnt haben.

Durch das Gesetz wird die Eigenverantwortung gestärkt. Den Weg hat der Minister aufgezeigt. Komplizierte und langwierige Auswahlverfahren werden vereinfacht. Die Hochschulen können - wie Sie gehört haben - weitere Auswahlmaßstäbe ansetzen. Hoffentlich tun sie es auch in der Praxis! Wir haben zwar schon damals bei der Beratung über das Hochschulgesetz darüber diskutiert, ob zwei Kriterien kombiniert werden müssen. Das ist nicht der Fall. Meine persönliche Meinung ist allerdings: Ich wünsche mir, dass die Auswahlmöglichkeiten wirklich genutzt werden, auch wenn wir das gesetzlich nicht vorschreiben.

Das Ganze hat übrigens nichts mit einer Auslese zu tun, wie man vielleicht auf den ersten Blick vermuten könnte, sondern es geht natürlich auch um den Schutz von Studierenden und darum, dass die richtigen Studenten das Richtige studieren; Verlegenheitslösungen werden sich langfristig nie auszahlen.

Ich möchte weiter meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass die Auslastungszahlen, wie der Minister dargestellt hat, in Schleswig-Holstein bei den zulassungsbeschränkten Studiengängen gut sind. Nichtsdestotrotz baut auch hier das Gesetz möglichen Fehlentwicklungen vor.

Das Bandbreitenmodell, das der Minister dargestellt hat, weg von den Curricularnormwerten, wird von den Hochschulen eindeutig begrüßt. Damit sind wir bundesweit mit unserer Gesetzgebung an der Spitze. Durch eigene Festsetzung können gerade in den Fächerkombinationen Schwerpunkte durch die Hochschulen gesetzt werden. Das ist ein richtiger Weg.

Vor dem Hintergrund des Punktes, den wir heute nicht besprechen, der beim letzten Tagesordnungs

punkt eine Rolle gespielt hat, dem Hochschulpakt, will ich auch sagen: Das ganze Gesetz ist natürlich kein Instrument, um Studienplätze zugunsten einer besseren Betreuungsrelation abzubauen. So ist es nicht gemeint.

Wir haben darüber hinaus einige wenige Änderungen vorgenommen, unter anderem einstimmig im Bildungsausschuss die Höchstgrenze von 45 - wie ursprünglich vorgesehen - auf 55 Jahre bei der Zulassung von zulassungsbeschränkten Studiengängen hochgesetzt. Das können Sie als Zeichen für unsere Wertschätzung des lebenslangen Lernens deuten. Natürlich ist es auch so, dass bei knappem Studienangebot diejenigen, die noch eine lange Lebensdauer - zumindest statistisch gesehen - und einen langen Berufsweg vor sich haben, eine besondere Wertschätzung haben müssen.

Ich bin froh, dass wir das Gesetz heute beraten und beschließen können. Das gibt den Hochschulen Zeit, sich darauf vorzubereiten, und es gibt dem Ministerium gemeinsam mit den Hochschulen Zeit, die wichtige dazugehörige Verordnung zu beraten. Dann wird das Ganze rund. Ich freue mich darüber. Die CDU-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Niclas Herbst und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten Jürgen Weber das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen: Wir werden dem Hochschulzulassungsgesetz heute zustimmen mit den Änderungen, die der Bildungsausschuss beschlossen hat. Damit haben wir ein akzeptables Zulassungsgesetz.

Ich will allerdings noch einmal betonen: Das ist und bleibt für uns nur die zweitbeste Lösung. Unsere Auffassung ist unverändert: Hochschulzugang und Hochschulabschlüsse müssen bundeseinheitlich, besser noch bundesgesetzlich geregelt werden. Das ist derzeit durch die Rahmensetzung nicht möglich, die Absurditäten eines überbordenden Bildungsföderalismus verhindern das leider zurzeit. Deswegen möchte ich diesen Gedanken gar nicht weiter ausführen, sondern kurz konkret zum Gesetz kommen.

(Niclas Herbst)

Die Eckwerte, denen wir zustimmen, sind: Die bisherigen konkreten Curricularnormwerte werden durch ein Bandbreitenmodell flexibilisiert. Das ist vernünftig. Die Studienplätze werden so kontingentiert, dass wir 20 % nach der „Bestenauslese“ über die schulischen Abschlussnoten verteilen, 30 % nach Wartezeiten und sozialen Kategorien und 50 % in die Auswahlmöglichkeit für die Hochschulen geben. Das ist sicherlich ein ganz ordentlicher Kompromiss, weil die Auswahlkriterien, die den Hochschulen an die Hand gegeben werden, unseres Erachtens im Großen und Ganzen vertretbar sind und nicht dazu führen, dass Hochschulen ungeachtet der eigentlichen Wünsche von Studierenden Rosinenpickerei betreiben können.

Die Kriterien Gesamtqualifikation, Qualifikation nach Art der beruflichen Ausbildung oder Tätigkeit, die gewichteten Qualifikationen hinsichtlich einer fachspezifischen Eignung und auch die Möglichkeit, das in einer Kombination zu machen, halten wir für akzeptabel, wenn ich auch noch einmal deutlich sage: Wir halten für das objektivste und sinnvollste Kriterium nach wie vor die schulischen Abschlussnoten beziehungsweise die beruflichen Qualifikationen und die Eignung nach beruflicher Ausbildung und beruflicher Praxis. Das sollten unseres Erachtens nach wie vor die Eckpfeiler eines Hochschulzugangs sein.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gewährleistet auch, dass wir breitestmöglich und unter Ausschluss von sozialen Ausschlusskriterien die Möglichkeit des Hochschulzugangs erhalten.

Die Altersgrenze - der Kollege Herbst hat es schon gesagt - wollen wir wieder auf den ursprünglichen Stand von 55 Jahren anheben. Das ist im Parlament auch nicht umstritten. Wir berücksichtigen dabei, dass wir heutzutage durchaus veränderte Bildungsbiographien haben, und das Stück Flexibilität sollten wir uns leisten.

Ich will nicht in weitere Details gehen, wir haben das im Ausschuss beraten. Wenn das Gesetz von der Mehrheit des Landtags verabschiedet wird, kommt es darauf an - häufig liegen die Probleme ja im Detail -, wie die Ausführungsverordnung konkret aussieht. Ich kündige hier an, dass wir auf ein hohes Maß an Transparenz und Studierendenfreundlichkeit bei der Ausgestaltung der Verordnung achten werden, das im Auge behalten werden und gegebenenfalls im Ausschuss darüber zu sprechen haben.

Ich bitte um Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf mit den Änderungen des Ausschusses.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Weber und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von Herrn Minister Biel hier angekündigte Erweiterung der Hochschulautonomie im Rahmen des neuen Hochschulzulassungsgesetzes ist etwas, was an den Hochschulen nur mit Schmunzeln wahrgenommen wird. Ich zitiere einmal aus der Stellungnahme der Fachhochschule Flensburg:

„Eine gestärkte Autonomie und Eigenverantwortung der Hochschule kann im Hinblick auf den § 11 (Zuständigkeiten und Ermächti- gungen) nicht erkannt werden! Dort heißt es im Absatz 1, dass das Ministerium ermächtigt wird, die Einzelheiten des Kapazitätsermittlungs-, Auswahl- und Vergabeverfahrens und der dabei anzuwendenden inhaltlichen Kriterien durch Verordnung zu regeln.“

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Das heißt letztlich nichts anderes, als dass den Hochschulen durch das Ministerium per Verordnung alles Wesentliche vorgeschrieben wird.

(Beifall bei FDP, SSW und der Abgeordne- ten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Der vertrauliche Entwurf für die Verordnung ist uns bereits zugegangen; 24 eng beschriebene Seiten sind nicht gerade wenig. Ich möchte in der gebotenen Kürze aber noch auf einige inhaltliche Punkte eingehen.

Erstens. Im Ausschuss war die Ermittlung der Aufnahmekapazität ein Streitpunkt; er ist einer der Gründe, weshalb wir dem Antrag nicht zustimmen können. Die Landesregierung will eine Orientierung an bestimmten Beispielstudiengängen; das ist allerdings sehr vage gehalten. Wir folgen einem Vorschlag, der in der Ausschussanhörung vorgebracht wurde. Danach ist die Berechnung der Aufnahmekapazität an den im Akkreditierungsverfahren als notwendig anerkannten Ausbildungsaufwand für die jeweiligen Studiengänge auszurichten.

(Jürgen Weber)

Zur Erläuterung für Nichthochschulpolitiker: Im Akkreditierungsverfahren werden bestimmte qualitative und quantitative Kriterien für die Studienmodule, das Prüfungsverfahren und so weiter festgelegt. Wenn man die Lehrkapazität - also die Zahl der verfügbaren Stellen - kennt, kann man daraus auch Konsequenzen für die Aufnahmekapazität ableiten. Es ist schon eigenartig, dass der Leiter der Hochschulabteilung im Wissenschaftsministerium als „Bologna-Papst“ im Rahmen der KMK das Hohelied des Akkreditierungsverfahrens singt, qualitative Maßstäbe, die aus dem Akkreditierungsverfahren abzuleiten sind, aber nicht bei der Berechnung der Aufnahmekapazität berücksichtigen will.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zweitens. Wir nehmen die Kritik aus den Hochschulen an der Einführung eines zweistufigen Aufnahmeauswahlverfahrens für örtlich gebundene Studiengänge ernst. Diese orientieren sich an dem bisherigen ZVS-Zulassungsverfahren. Die Universität Lübeck hat aber darauf hingewiesen, dass es ein solches zweistufiges Verfahren nur noch in zwei Bundesländern gibt; alle anderen greifen mittlerweile auf ein einfacheres einstufiges Verfahren zurück.

Die Universität Lübeck hat in ihrer Stellungnahme sehr überzeugend dargelegt, dass es bei den auf dem freien Markt verfügbaren Studienplätzen an verschiedenen Universitäten - anders als bei den Verfahren der ZVS - nicht nur eine Bewerbung, sondern viele Parallelbewerbungen gibt. Das führt in der Praxis dazu, dass diejenigen, die von mehreren Universitäten Zusagen bekommen haben, auch mehrere Absagen erteilen. Die Folge ist, dass die vorgesehene Quotenregelung bei dem zweistufigen Verfahren nicht greifen kann, da es auch nach den Einschreibungen noch eine sehr hohe Fluktuation der Bewerber zwischen den einzelnen Hochschulen und Studiengängen gibt. Deshalb wird sich das jetzt vorgesehene Auswahlverfahren in der Praxis nicht realisieren lassen.

Drittens. Wir halten es für sinnvoll, für die weiterführenden Studiengänge ein hochschuleigenes Auswahlverfahren, über das die Hochschulen durch Satzung selbst bestimmen, einzuführen. Bachelor ist nicht gleich Bachelor; dieses Thema haben wir auf die nächste Tagung verschoben. Eine Hochschule, die gute Leute für ihre Masterstudiengänge gewinnen will, muss durch die Festsetzung eigener Kriterien dafür sorgen können, dass die wirklich geeigneten Bewerber bei der Vergabe der

Plätze zum Zuge kommen und es nicht einfach nur nach der Bachelorabschlussnotenhierarchie geht.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Viertens. Wir haben im Ausschuss einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem wir das Ministerium auf eine Verordnungspraxis verpflichten wollten, die dem Grundsatz der Verwaltungsvereinfachung Rechnung trägt und auf Anregungen der Hochschulen eingeht. Dieser Antrag war nicht konsensfähig. Auch aus diesem Grund lehnen wir den Gesetzentwurf der Landesregierung in der vorliegenden Fassung ab.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus Protest gegen ein Paukstudium und aus Angst, durch scharfe NC vom Studium oder Weiterstudium ausgeschlossen zu werden, gehen in diesen Tagen auch in Schleswig-Holstein viele junge Leute auf die Straße. In Hamburg waren es 11.000, in Flensburg 1.400, in Lübeck 1.000 und in Berlin 27.000 Schüler und Studierende. Das ist nur die Bilanz der letzten zwei Tage. Aber das scheint Sie offensichtlich nicht anzufechten.

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf soll für Schleswig-Holstein im Grundsatz geregelt werden, wie viele Studierende nach welchen Kriterien zum Bachelor-Studium zugelassen werden oder die nächste Hürde zum Master nehmen können. Es ist ein wichtiges Gesetz. Wir lehnen sowohl das bisherige Gesetzgebungsverfahren als auch das Gesetz selbst ab.

Zum Verfahren: Nach einstündiger Sitzung des Bildungsausschusses gestern sollen wir heute sehr übereilt ein Gesetz durchwinken, das schon im Sommer in Kraft tritt, obwohl es erst zum Wintersemester 2010/2011 umgesetzt werden soll. Ich habe nichts gegen vorausschauendes Handeln, aber wir hätten uns vielleicht noch einen Monat mehr Zeit lassen können.

(Dr. Ekkehard Klug)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Dann wären vielleicht auch die Argumente der Opposition besser gehört worden.

Wir halten das Gesetz auch für inhaltlich nicht vorausschauend. Das derzeitige aufwendige und für die Hochschulen kaum steuerbare Einschreibungsverfahren bei lokalen NC-Studiengängen und die Unklarheit darüber, wer künftig das Recht hat, zum Masterstudium zugelassen zu werden, werden durch dieses Gesetz nicht beseitigt. Diesbezüglich erforderliche Veränderungen sollen erst durch eine Verordnung vorgenommen werden, für deren Erlass der Gesetzentwurf eine großzügige Ermächtigung erteilt; Herr Dr. Klug hat bereits darauf hingewiesen.