Protocol of the Session on May 7, 2009

Lieber Herr Kollege Kubicki, ist Ihnen der Unterschied bekannt zwischen Forschung an einer bestimmten Technologie und der Lagerung? Frage Nummer 1. Frage Nummer 2: Tritt die FDP dafür ein, dass solche Abscheidungen aus anderen Bundesländern nach Schleswig-Holstein gebracht werden? Ist das die Position der FDP? Zu beiden Fragen wäre ich an Ihrer Antwort sehr interessiert.

- Die erste Frage habe ich nicht richtig verstanden. Der Unterschied zwischen Forschung und Lagerung ist mir bekannt. Aber ich habe den Zusammenhang nicht verstanden.

Zur zweiten Frage kann ich sagen: Selbstverständlich verweigern wir uns nicht - wenn es bei uns entsprechende Lagerstätten gibt, die dazu geeignet sind - zu sagen, wir nehmen das auf. Wir machen das anders als Sie, wir sagen nicht „beggar my neighbour“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf für die FDP sagen: Wir kämpfen mit den Sozialdemokraten in diesem Punkt Seite an Seite. Es gibt noch vernünftige Sozialdemokraten, auch auf Bundesebene, die das genauso sehen. Auch darauf komme ich gleich noch einmal zurück.

Das gilt gerade vor dem Hintergrund des Beschlusses meiner Landespartei, die den Ausstieg aus dem Atomstrom im Wege des Atomkompromisses ausdrücklich mitträgt.

Um die Energieversorgung sicherzustellen und gleichzeitig die von der EU im Dezember letzten Jahres gesetzten Klimaziele zu erreichen, wird auch Strom aus Kohle einen Anteil am Energiemix einnehmen müssen. Vernünftigerweise kann Kohlestrom nach Auffassung der EU-Kommission aber nur dann zur Versorgungssicherheit und zu den Klimaschutzzielen einen Beitrag leisten, wenn es gelingt, die Abspaltung und die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid marktgängig zu machen.

(Wolfgang Kubicki)

Mein Kollege Dr. Garg hat in diesem Zusammenhang schon in früheren Reden die Studien aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zitiert - übrigens SPD-geführt; Herr Kollege Gabriel ist SPD-Minister, wenn ich das richtig sehe -, die besagen, dass CCS zumindest im Sinne einer Brückenfunktion einen befristeten, aber wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

Wir können dann, wie die Sozialdemokraten auch, nicht gegen die Suche nach etwaigen Endlagern sein - auch nicht, wenn sie in unserem Bundesland vorgefunden werden; auch nicht, wenn dies in Nordfriesland der Fall wäre; auch nicht, wenn das in Strande - ich wohne dort - der Fall wäre. Wenn die Lagerstätte geeignet wäre, wären wir doch verdammt noch einmal verpflichtet, auch hier unseren Beitrag zur Energieversorgung zu leisten. Alles andere wäre inkonsequent.

(Beifall bei der CDU)

Letztlich geht es also nicht um das Ob, sondern um des Wo bei der Suche nach geeigneten Lagerstätten. Die Antwort auf diese Frage kann sich nicht nach politischer Opportunität, sondern nur nach seismologischen Kriterien richten.

Ob diese Voraussetzungen in Nordfriesland vorliegen - und hierfür scheint viel zu sprechen -, das genau soll nun untersucht werden. Wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung für Probebohrungen gegeben sind, dann muss sie erteilt werden.

Dennoch sind wir natürlich daran interessiert, dass das Wirtschaftsministerium auch dem Landtag über das weitere Verfahren berichtet. Wir sind daher mit einer Überweisung des Antrags an den Ausschuss einverstanden und erwarten eine Erklärung zu den weiteren Entwicklungen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir unterstützen den SSW-Antrag. Nordfriesland darf nicht zur Klimagas-Müllkippe der Nation werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

In Schleswig-Holstein hat RWE Dea im März 2008 auf Antrag eine Erlaubnis nach § 7 Bundesberggesetz erhalten, die Möglichkeiten der Speicherung von CO2 zu untersuchen. Der Antrag wurde vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie genehmigt, das übrigens für Schleswig-Holstein in Niedersachsen sitzt.

RWE Dea untersucht drei Gebiete: Nordfriesland, Ostholstein und die küstennahe Nordsee außerhalb der 12-Seemeilen-Zone.

Die Untersuchungen erfolgen seismisch, Probebohrungen soll es frühestens im Sommer 2010 geben. Es liegt aber noch kein Antrag vor, in SchleswigHolstein CO2 geologisch zu speichern. Aber das ist natürlich das Ziel der Untersuchungen. Soweit zur Sache.

Das Konzept CCS - Carbon Capture and Storage oder Coal Carbon Sequestration - ist eine große Hoffnung der Industriekonzerne, trotz der vollständigen Versteigerung der CO2-Zertifikate ab 2013 neue Kohlekraftwerke wirtschaftlich betreiben zu können. Voraussetzung ist dabei aus ökonomischer Sicht, Herr Kubicki, dass CCS-Technik kostengünstiger ist als der Erwerb von Zertifikaten beziehungsweise der Handelswert der Zertifikate.

Die Abtrennung des CO2, der Transport des verflüssigten CO2 und der Endlagerung in alten Lagerstätten von Erdöl und Erdgas sowie in sogenannten tiefen salinen Aquiferen - dass sind poröse Gesteinsschichten in 1.000 m Tiefe, die wir hier in Schleswig-Holstein vermuten und untersuchen wollen -, das alles klingt nicht gerade billig. Völlig unklar ist, was CCS kosten wird und ob die CO2-Endlager dauerhaft - also mindesten 10.000 Jahre - dicht sein werden.

Ich erwähne die Salzstöcke, die für die Endlagerung von Atommüll vorgesehen sind. Zum Beispiel zeigt sich in Asse II jetzt in aller Dramatik, dass das Forschungsatommülllager schon nach 25 Jahren abgängig ist. Es sollte doch angeblich über 100.000 Jahre sicher sein.

Hans Peter Villis, Vorstandsvorsitzender der EnBW, hat in den „Energiewirtschaftlichen Tagesfragen“ vom November 2008 erklärt: CCS ist für uns derzeit nicht wirtschaftlich nutzbar. Wir produzieren CO2 dort, wo keine Speichermöglichkeiten sind. Das neue EnBW-Steinkohlekraftwerk in Karlsruhe werde zwar mit der nötigen CCS-Abscheidetechnologie ausgerüstet. Das nennt sich

(Wolfgang Kubicki)

Capture-Ready-Bauen. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass das Grundstück so groß ist, dass man vielleicht einmal eines Tages, wenn man die Hälfte der vorhandenen Anlage abreißt, eine CCS-Abscheidung dazu bauen kann. Das ist auch so ein Märchen zur Legitimation neu gebauter Kohlekraftwerke wie die ganze CCS-Technik.

Er sagt jedenfalls, dass in Karlsruhe diese Abscheidetechnologie eingerichtet werde. Er ist weit davon entfernt. Es beutet nur ein größeres Grundstück. Der Transport von mehreren 100.000 t CO2 zu verfügbaren Speichern - beispielsweise in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein - werde kaum finanzierbar oder durchsetzbar sein.

Es gibt eine McKinsey-Studie „Carbon Capture and Storage: Assessing the Economics“. Da geht es um Wirtschaftlichkeitsfragen. Die Studie geht davon aus, dass die CO2-Abscheidung und Speicherung ab 2030 wirtschaftlich sein kann. Der Vorstandsvorsitzende von RWE Dea, Dr. Schöning, rechnet mit einem wirtschaftlichen Einsatz zwischen 2010 und 2025.

Im Landeshaushalt sind beim Umweltministerium für das „Projekt zur Modellierung und Parametrierung von CO2-Speicherung in salinen Formationen“ 171.400 € für 2009 und 153.900 € für 2010 eingestellt. Die grüne Landtagsfraktion hatte beantragt, die Mittel zu streichen - leider erfolglos. Es handelt sich hier um nichts anderes als eine Subventionierung der Kohleindustrie.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Die EU-Kommission hat eine Richtlinie für CCS beschlossen. Eine wichtige Voraussetzung für die zukünftige Genehmigung von Kraftwerken mit einer elektrischen Leistung von mehr als 300 MW ist der Nachweis über verfügbare geeignete Speicherstätten. Das kann zurzeit kein einziger Kraftwerksbetreiber.

Seit dem 1. April 2009 liegt ein Gesetzesentwurf zur Umsetzung der CCS-Richtlinie vor, ein Gesetz über Anlagen zur Abscheidung, zum Transport und zur Speicherung von CO2, das sogenannte Kohlendioxid-Anlagengesetz.

Meine Damen und Herren, CCS - ich sagte es schon - ist eine Legitimationsstrategie für den Bau neuer großer Kohlekraftwerke.

Herr Kollege, die Zeit!

Herr Bernstein sagte, es solle CO2 aus der Luft geholt werden - weit entfernt davon! Es soll neue Kohle aus der Erde genommen werden und ein Teil davon soll mit CCS-Technik weggespeichert werden. Ein Teil davon - aber ein großer Teil in der Größenordnung von etwa 25 % - hören Sie zu, Herr Bernstein; davon können Sie etwas lernen - wird eben nicht weggespeichert, meine Damen und Herren!

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die Zeit! Herr Kollege, es kommt noch die Ausschussüberweisung!

Und der deutsche Einfluss ist so gering nicht. Zum Beispiel sind weltweit die meisten gebauten Kraftwerke Windkraftwerke. Das ist deutscher Einfluss. Sie sagten, es spielt keine Rolle, was wir hier machen. Es spielt sehr wohl eine Rolle.

Herr Kollege, bitte!

Wir sind Exportweltmeister. Wir stimmen dem SSW-Antrag zu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort hat der Wirtschaftminister, Herr Dr. Jörn Biel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag hat mich erstaunt. Wir sind uns alle einig, dass wir alle gemeinsam dringend etwas gegen den fortschreitenden Klimawandel und dessen Folgen tun müssen.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

(Detlef Matthiessen)

Die Förderung regenerativer Energien sowie verstärkte Anstrengungen zur Energieeinsparung sind wichtige Beiträge um dieses Ziel zu erreichen.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen alle!)

Sie allein reichen aber nicht aus. Sie wissen, wenn es bei dem beschlossenen Atomausstieg bleibt, können wir in den nächsten Jahren auf Kohlekraftwerke für die Grundsicherung der Stromversorgung nicht verzichten.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Abge- ordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch wenn das Gegenteil immer wieder leichtfertig behauptet wird.

Die Abscheidung und dauerhafte Speicherung von CO2 unter der Erde wird deshalb voraussichtlich für die nächsten Jahre oder sogar Jahrzehnte ein wesentlicher Baustein für eine auf heimischen Energieträgern beruhende Energieversorgung einerseits, aber andererseits auch ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung, aber auch der gesamten Europäischen Union sein.