Wer 16- und 17-Jährigen das Landtagswahlrecht einräumt, gibt ihnen zugleich auch das Stimmrecht bei Volksentscheiden sowie das Recht, sich an Volksinitiativen und Volksbegehren auf Landesebene zu beteiligen. Politisch halte ich es für geboten, dass eine solche Entscheidung - das betone ich ausdrücklich - in einem breiten politischen Konsens getroffen wird, denn es geht auch darum, dass sich in dieser Entscheidung auch eine Akzeptanz in der Bevölkerung widerspiegeln sollte.
Aus wahlrechtlicher Sicht ist zumindest kein Grund erkennbar, bei der Festlegung der Altersgrenze für das Wahlrecht zwischen Kommunalwahlen und Landtagswahlen zu differenzieren. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht sich nicht nur auf die Stimmabgabe am Wahlsonntag auswirkt. Sie ist beispielsweise ebenfalls entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob jemand berechtigt ist, als Parteimitglied an der Wahl der Delegierten sowie an der Aufstellung der Bewerberinnen und Bewerber zur Landtagswahl stimmberechtigt teilzunehmen. Viele Parteisatzungen lassen inzwischen die Mitgliedschaft von 16- und 17-jährigen Jugendlichen zu.
Wahlrechtlich sind die einzelnen Anwendungsbereiche des aktiven Wahlrechts mit Blick auf die demokratische Legitimation der Gewählten immer als eine Einheit angesehen worden. Wie Sie alle wissen, sind die Vorbereitungen auf die Landtagswahlen im Jahr 2010 - am 9. Mai 2010; noch einmal zur Erinnerung für Herrn Harms - schon weitestgehend abgeschlossen. Insofern dürfte sich eine Gesetzesänderung mit Auswirkungen auf die Landtagswahl 2010 nicht mehr realisieren lassen.
Es ist die übliche Praxis der Landesregierung, bei originären und exklusiven Rechten des Parlamentes - um ein solches handelt es sich hierbei - selbst nicht initiativ zu werden. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den zuständigen Ausschüssen des Landtages, Herr Kollege Astrup, wie auch in der Vergangenheit konstruktiv begleiten.
Ich danke dem Herrn Innenminister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/2607 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so abstimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile erneut Herrn Innenminister Lothar Hay das Wort.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem die Mindestgröße für Verwaltungen der Ämter und amtsfreien Gemeinden auf 8.000 Einwohnerinnen und Einwohner angehoben wurde, hat sich die Zahl der Verwaltungen von 222 vor der Jahrtausendwende, vor dem Jahr 2000, auf heute noch 145 verkleinert.
Allerdings muss man natürlich deutlich sagen, mit größeren Verwaltungen allein ist das Ziel der Verwaltungsstrukturreform aus unserer Sicht noch nicht erreicht, denn es fehlte bislang noch die Möglichkeit, Aufgaben vom Kreis auf die Gemeindeebene zu übertragen. Der Gesetzentwurf zur innerkommunal Funktionalreform macht das künftig möglich. Er setzt den Rahmen und setzt dafür auch die Voraussetzungen. Vorgesehen ist, die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörden sowie weitere Aufgaben aus dem Bereich der Verkehrsaufsicht und des Naturschutzes auf die kreisangehörigen Verwaltungen zu übertragen.
Zu den Voraussetzungen gehört, dass alle Ämter und amtsfreien Gemeinden eines Kreises die Übertragung wenigstens einer der in Betracht kommenden Aufgaben beantragen, damit es im Kreis nicht zu einer Zersplitterung bei der Aufgabenerledigung kommt, und die zu übertragenden Aufgaben müssen jeweils für mindestens 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner durch eine Verwaltung wahrgenommen werden. Außerdem muss es ein Einvernehmen über Personalübergang und den Kostenausgleich
Ein weiterer Baustein der innerkommunalen Funktionalreform - das wird vor allen Dingen die Abgeordneten aus dem Kreis Segeberg interessieren, sicherlich aber auch darüber hinaus - ist die Einführung des Sonderstatus „Große kreisangehörige Stadt“. Danach können Städte mit mehr als 60.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zusätzliche Kreisaufgaben erhalten und für ihr Gebiet eigenverantwortlich wahrnehmen. Damit soll das bisherige Modellvorhaben der Stadt Norderstedt dauerhaft in das Kommunalverfassungsrecht aufgenommen werden. Die Regelung kommt auch für solche Städte in Betracht - man soll als Politiker ja auch nach wie vor Visionen haben -, die bisher kreisfrei sind und sich im weiteren Prozess der Verwaltungsstrukturreform für eine Eingliederung in einen Kreis entscheiden wollen. Über die Kostenregelung treffen die Große kreisangehörige Stadt und der Kreis eine Vereinbarung.
Neben den Regelungen zur innerkommunalen Funktionalreform enthält der Gesetzentwurf Änderungen des Finanzausgleichsgesetzes sowie des Gesetzes über die Errichtung allgemeiner unterer Landesbehörden - auf die ich jetzt im Detail nicht eingehen möchte -, die sich durch das gerade eben Vorgetragene ergeben.
Durch die Verwaltungskooperation und Zusammenschlüsse sollen diese von mir genannten Dinge zusätzlich unterstützt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Verwaltungen - das war immer ein Ziel der Landesregierung - näher an die Bürger herangeholt werden. Entscheidungen können häufiger dort getroffen werden, wo die sachliche Nähe zu den Themen unmittelbar vorhanden ist. Er stärkt damit unsere Gemeinden, weil Verantwortung nach unten abgegeben wird. Ich bin sicher, dass der Gesetzentwurf zur innerkommunalen Funktionalreform den Prozess zur Bildung größerer, kostengünstiger und leistungsstärkerer Verwaltungen in Gang halten wird.
Ich danke dem Herrn Innenminister. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Werner Kalinka.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich folgerichtig, nach der Zusammenlegung von Verwaltungen im kreisangehörigen Bereich auch die Möglichkeit zu schaffen, mehr Aufgaben wahrzunehmen. Es gibt auch eine gewisse Erwartungshaltung in der kommunalen Familie.
Ohnehin ist es grundsätzlich richtig, Aufgaben so ortsnah wie möglich zu erledigen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung zur innerkommunalen Funktionalreform ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Der Herr Innenminister hat die einzelnen Aufgabenbereiche genannt. Es ist richtig, dass eine Aufgabenübertragung nur erfolgen kann, wenn dies in jedem Kreis flächendeckend geschieht, sonst bestünde die Gefahr uneinheitlichen Verwaltungshandelns, was zudem mit Sicherheit nicht kostengünstiger wäre. Ein Flickenteppich wäre also nicht die richtige Antwort auf die Situation.
Erörterungsbedarf wird es aber über die Frage geben, ob Aufgaben nur übertragen werden können, wenn diese für mindestens 20.000 Einwohner je Verwaltungseinheit wahrgenommen werden. Die Kritik aus der kommunalen Familie an der starren Grenze ist nachvollziehbar, sodass man auch erörtern könnte, ob eine andere als die 20.000-Einwohnergrenze als Richtgröße angemessener sein könnte.
Bemerkenswert ist, dass in der Begründung zum Gesetzentwurf die Landesregierung auch davon spricht, dass die 20.000-Grenze „in der Regel“ gegeben sein sollte. In dem Zusammenhang zitiere ich, was uns der Gemeindetag dazu geschrieben hat: Warum sollte eine Amtsverwaltung mit 18.000 Einwohnern weniger zur Aufgabenübernahme in der Lage sein als eine mit 22.000 Einwohnern? Ich glaube, darüber muss man noch einmal diskutieren.
Zudem soll festgeschrieben werden, dass bei einer Kooperation der Verwaltungen ein einziger der kooperierenden Partner alle übertragenen Aufgaben übernehmen muss. Auch dazu werden wir nach der Anhörung die Argumente noch einmal gewichten müssen. Kritischen Stellungnahmen liegen schon vor.
Aber die Kritiker sagen auch zweierlei: Erstens. Die Ortsnähe, die Nutzung der Ortskenntnisse ist ein Vorteil. Zweitens. Kürzere Wege für Bürger oder Antragsteller sind gleichfalls ein Vorteil. Auch dies ist durchgehend bei denen, die Kritik äußern,
Die Einführung des Sonderstatus „Große kreisangehörige Stadt“ ist ein weiterer wichtiger Punkt. Auch dies ist vom Minister vorgetragen worden. Die großartige Arbeit in Norderstedt hat hier Vorbild gestanden.
Gestatten Sie mir, da Papier geduldig ist, auch darauf hinzuweisen, dass vom Städteverband jüngst eine sehr kritische Stellungnahme gekommen ist. Darin stellt der Vorstand fest, dass der Gesetzentwurf keine ausreichenden Verlagerungen zusätzlicher Aufgaben von den Kreisen auf Städte dieser Größenordnung enthält. Er übt noch weitere Kritik. Ich will dies hier nur vorgetragen haben, damit es im Parlament genannt ist, ohne dass ich mir deswegen jeden Punkt zu eigen mache.
Aufmerksamkeit verdient in dem Gesetzentwurf Sie haben das am Ende etwas übergangen, Herr Minister; ich will deutlicher darauf hinweisen -, dass Unterstützungen für freiwillige Fusionen von Kreisen gesetzlich verankert wurden. Wer dies bis Ende 2011 beschließt und bis zur Kommunalwahl 2013 vollzieht, kann mit finanzieller Förderung rechnen. Der Landtagspräsident hat das heute bereits „Hochzeitsprämie“ genannt.
- Ja, mein Freund, bei uns handeln wir; bei euch schnackt ihr. Das ist der Unterschied bei der ganzen Sache.
Für die Anpassung der Kreisumlagesätze - auch dies will ich hervorheben, weil es ein wichtiger Punkt jeder Argumentation ist - ist ein Anpassungszeitraum von zehn Jahren vorgesehen. Wer also sagt, Kreisumlagesätze seien nicht kompatibel zu machen, wird bei Durchsicht dieses Gesetzentwurfs etwas genauer darüber diskutieren müssen.
Die Landesregierung hat es durch den Herrn Innenminister wie folgt formuliert: Kreise und kreisfreie Städte erhalten durch eine geförderte Freiwilligkeitsphase einen Anreiz und zugleich die Chance, die notwendigen Veränderungen selbst entscheidend mitzugestalten. - Dieser Satz, Herr Minister, kann gar nicht häufig genug betont werden. Er hebt sich wohltuend von dem ab, was Ihr Vorgänger einst für richtig ansah, wenn es in seine Richtung ging. Das, was hier formuliert ist, ist in der Tat die Haltung, die wir gemeinsam tragen und die man auch als Chance für Weichenstellungen verstehen sollte, über die zumindest zu diskutieren ist.
Wer dieses, wenn ich das abschließend so sagen darf, als Gesamtbewertung der Diskussion sieht, muss doch auch feststellen, dass sich im kooperierenden und in sonstigen Bereichen derzeit nicht mehr allzu viel tut und dass es zu den erklärten Absichten gehört, durch Kooperationen und freiwillige Fusionen zu Effizienzrenditen zu kommen. Deswegen sollte die kommunale Familie in dieser Diskussion nicht zu passiv werden, sondern in gebotener Notwendigkeit die offensive Erörterung wählen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Klaus-Peter Puls.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem die Entbürokratisierung auf Landesebene und die geplante Verlagerung von Landesaufgaben auf die Kreisebene durchweg am Beharrungsvermögen der Ministerialbürokratie selbst gescheitert sind, ist es überaus erfreulich, dass die Verwaltungsreform im kreisangehörigen Raum konsequent fortgesetzt wird.
Dass Große kreisangehörige Städte mit mehr als 60.000 Einwohnern Kreisaufgaben genauso professionell wahrnehmen können wie Kreise und kreisfreie Städte, hat das Modellvorhaben der Stadt Norderstedt überzeugend belegt. Dass Städte und Ämter mit über 20.000 Einwohnern für ihren eigenen oder künftig auch einen kooperierenden gemeinsamen Zuständigkeitsbereich Bauaufsichts-, Verkehrsaufsichts- und sicherlich auch Naturschutzaufgaben genauso effektiv erledigen können wie die Kreise selbst, zeigt ebenfalls die jahrelange Praxis in der Bau- und Verkehrsaufsicht, zum Beispiel in Reinbek.
Es ist allemal bürgerfreundlicher und mit Sicherheit kostengünstiger, wenn auch die antragstellenden Menschen aus kleineren Gemeinden zum Beispiel mit ihren Bauanträgen künftig nicht mehr in die ferne Kreisstadt reisen müssen, sondern in ihrer Amtsverwaltung oder in der nächsten größeren Nachbargemeinde vorstellig werden können.
kommen sind, hat Kollege Kalinka schon hingewiesen. Kritik wird im Wesentlichen an der starren 20.000er-Einwohnergrenze und auch an dem vom Gemeindetag sogenannten „Einer-macht-alles“Prinzip geäußert, das heißt, einer soll alle Aufgaben übernehmen, wenn von der kreislichen Ebene übertragen wird.
Auch der Städteverband hat noch in einem Schreiben vom 5. Mai 2009 Kritik und Bedenken angemeldet. Der Städteverband begrüßt zwar das Vorhaben, gesetzliche Regelungen zur Umsetzung der innerkommunalen Funktionalreform und der Verankerung des Status „Große kreisangehörige Stadt“ zu schaffen; er stellt aber für den Bereich der Funktionalreform im kreisangehörigen Raum in einer Vorstandsentschließung fest, dass der Gesetzentwurf aus der Sicht der Städte - keine ausreichenden Verlagerungen von zusätzlichen Aufgaben von den Kreisen auf die Einheiten über 20.000 Einwohnerinnen und Einwohner enthält. Dies gelte insbesondere für den Bereich der unteren Naturschutzbehörde.
Der Städteverband fordert außerdem bei Vorliegen der Voraussetzungen einen gesetzlichen Aufgabenübergang von den Kreisen auf den kreisangehörigen Bereich und hält die Übertragung von Aufgaben durch Verordnung der Kreise nicht für sinnvoll.
Ich will einen dritten Punkt nennen. Für den Bereich der Großen kreisangehörigen Stadt lehnt der Städteverband das Regelungskonzept des Gesetzentwurfs ab, weil es weder aufgabenbezogene noch finanzwirtschaftliche Anreize setze. Zu den finanzwirtschaftlichen Anreizen hat soeben Kollege Kalinka schon etwas geäußert. Auch die Festlegung der Einwohnergrenze von 60.000 wird vom Städteverband aus strukturellen Gründen kritisiert.
Es gibt hier und da andere Gesichtspunkte, Kritikpunkte, Anregungen und Bedenken. Wir werden uns diese in den Ausschussberatungen im Einzelnen vornehmen, sorgfältig prüfen, Verbesserungsvorschläge gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden in Anhörungen erörtern und gegebenenfalls Änderungsvorschläge für die zweite Lesung des Gesetzentwurfs hier im Landtag unterbreiten.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls. - Das Wort für die FDP hat nun Herr Abgeordneter Günther Hildebrand.