Protocol of the Session on May 6, 2009

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls. - Das Wort für die FDP hat nun Herr Abgeordneter Günther Hildebrand.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer auf der Stelle hüpft, bewegt sich zwar auch; er kommt dabei aber keinen Schritt voran. Anders formuliert: Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur innerkommunalen Funktionalreform wird aus der Sicht der FDP-Fraktion seinem Anspruch in weiten Teilen nicht gerecht. Er ist geprägt von der immer wieder sichtbaren Geringschätzung der Landesregierung über die Arbeit und Struktur der kommunalen, insbesondere der ländlichen Gemeindenund Ämterstrukturen. So ist es nicht verwunderlich, dass insbesondere der Gemeindetag von dem vorgelegten Gesetzentwurf - genauso wie meine Fraktion - enttäuscht ist.

Die Landesregierung traut den Ämtern und Gemeinden die Entwicklung sinnvoller Kooperationen im ländlichen Raum offenbar nicht zu. Insgesamt gestaltet sich der Gesetzentwurf zu restriktiv und behindert eine sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen den kommunalen Verwaltungen. So, wie der Gesetzentwurf verfasst ist, wird er kaum zu Fortschritten in der innerkommunalen Funktionalreform beitragen. In erster Linie sollten aus unserer Sicht bei einer innerkommunalen Funktionalreform folgende Kriterien erfüllt sein:

Erstens. Sie darf nicht unwirtschaftlicher sein als die bestehende Aufgabenverteilung.

Zweitens. Sie muss qualitativ mindestens gleichwertig sein.

Drittens. Sie muss zu mehr Bürgernähe beitragen.

(Beifall bei der FDP)

Der vorgelegte Gesetzentwurf erfüllt diese Kriterien nicht oder nur zum Teil. Dabei finden sich die entscheidenden Stolpersteine des Gesetzes bereits im ersten Artikel. Zum einen ist es problematisch, dass die zu übertragenden Aufgaben nur auf Verwaltungseinheiten mit mindestens 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern verlagert werden dürfen. Die Landesregierung wird erklären müssen, warum sie diese starre Grenze gewählt hat. Aus der Sicht meiner Fraktion muss hier eine flexible Handhabung möglich sein.

(Beifall bei der FDP)

Auch bei Gemeinden oder Verwaltungseinheiten mit etwas weniger oder etwas mehr als 20.000 Einwohnern wird sich kein großer Unterschied deutlich machen, der es in dem einen Fall erlaubt, die Aufgaben zu übernehmen, aber in dem anderen Fall nicht.

Wenn also eine kleinere Verwaltung eine effizientere Aufgabenerledigung möglich machen kann, dann sollte sie auch in den Genuss dieser Möglichkeit kommen und nicht durch den Gesetzentwurf daran gehindert werden.

Meine Damen und Herren, angesichts dieses Gesetzentwurfs stellt sich allerdings auch die Frage, ob die in den letzten Jahren durchgeführte Verwaltungsstrukturreform mit einer Mindestgröße von 8.000 Einwohnern pro Verwaltungseinheit aus der Sichtweise der Regierung nicht zu kurz gesprungen war,

(Beifall bei der FDP)

wenn jetzt bei der Funktionalreform mindestens 20.000 Einwohner gefordert werden. Um diese Größe zu erreichen, sollen Kooperationen vorgenommen werden. So werden wir wieder genau die Diskussion erleben, die wir schon vor zwei oder drei Jahren geführt haben - wer mit wem und ob überhaupt.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Problematisch im Gesetzentwurf ist auch das sogenannte „Einer-macht-alles“-Prinzip. So soll bei Kooperationen mehrerer Verwaltungen festgeschrieben werden, dass bei Übertragung mehrerer Aufgaben nur eine einzige Verwaltung mit der Durchführung betraut sein darf. Worin besteht dann noch die Kooperation? Unter Kooperation verstehe ich ein Geben und Nehmen und keine völlig einseitige Übertragung auf eine Verwaltungseinheit. Zu Recht bezieht der Gemeindetag hierzu wie folgt Stellung:

,,Das ist völlig unnötig, denn die betroffenen Aufgabenbereiche aus den drei Blöcken Bauaufsicht, untere Naturschutzbehörde und Verkehrsaufsicht stehen in keinem engen Zusammenhang und sind - abgesehen von der Bauaufsicht - nicht mit wesentlichem Publikumsverkehr verbunden. Mit dieser Vorgabe ignoriert die Regierung, dass in vielen Amtsund Gemeindeverwaltungen bereits Fachkenntnisse auf den zu übertragenden Aufgabengebieten vorhanden sind, an die angeknüpft werden kann. Eine faire und sinnvolle

Aufgabenteilung unter den beteiligten Partnern einer Kooperation von vornherein auszuschließen, kann im Ergebnis in vielen Fällen dazu führen, dass solche Kooperationen gar nicht erst zustande kommen.“

So der Gemeindetag. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der FDP)

Schließlich wird zu diskutieren sein, ob der in Artikel 1 § 2 aufgeführte Aufgabenkatalog abschließend sein muss oder ob er nicht weitere Aufgaben aufnehmen kann.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Fraktion ist für die größtmögliche Flexibilität, um der Situation vor Ort immer gerecht werden zu können.

Meine Damen und Herren, auf die anderen Aspekte kann ich in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr eingehen. Wir werden sie sicherlich im Ausschuss eingehend diskutieren, und in der Anhörung wird noch einmal deutlich werden, wie sich die kommunalen Landesverbände im Einzelnen dazu stellen.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand. - Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Herr Abgeordnete Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es toll, dass ein Minister dieser Koalition überhaupt noch weiterregiert. Allein die Tatsache, dass sich Lothar Hay an die Funktionalreform herantraut, ist lobenswert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir haben in der Fraktion keine abschließende Meinung zu diesem Gesetzentwurf.

(Lachen des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Ich möchte auf einige Aspekte eingehen, die mir wichtig erscheinen.

Zunächst begrüße ich die Konstruktion der sogenannten Großen kreisangehörigen Stadt. Sie zielt auf Städte über 60.000 Einwohner, also zunächst auf Norderstedt, im nächsten Schritt aber auch auf Neumünster und Flensburg.

Unbefriedigend ist jedoch, dass damit immer noch keine Lösung für Rendsburg gefunden wurde, die ich für unbedingt notwendig halte. Unbefriedigend ist auch, dass für eine Kreisreform, die Kiel und Lübeck einbezieht, wie sie mittlerweile auch innerhalb der SPD diskutiert wird, kein Angebot gemacht wird.

Interessant ist, dass die Verlagerung von Aufgaben von der Kreisebene auf die Ämter und Gemeinden, die mindestens 20.000 Einwohner haben, vorgesehen ist. Die Zahl von 20.000 Einwohnern finde ich hoch spannend. Sie stammt schließlich aus einem Papier über die kommunale Verwaltungsreform, das wir vor einigen Jahren vorgestellt haben. Damals sind wir sehr beschimpft worden. Heute greift das Ministerium dies auf. Das kann ich natürlich nur begrüßen. Es ist aber klar - Herr Kollege Hildebrand hat darauf hingewiesen -, dass damit das Problem der mangelnden demokratischen Legitimation der Ämter noch weiter verschärft wird. Die Landesregierung liefert damit weitere Argumente für unsere Verfassungsklage. Das ist wahrscheinlich als Hinterlist des Ministers auch so vorgesehen.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, ob der CDU das bewusst ist. Ich begrüße es jedenfalls, dass wir diese Auseinandersetzung weiter führen, und ich habe deswegen diesen Entwurf auch gleich unserem Rechtsanwaltsbüro zugeleitet.

(Lachen und Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Gar nicht akzeptieren können wir allerdings, dass Ämter und Gemeinden so gezwungen werden, noch mehr Verwaltungsgemeinschaften zu bilden, denn noch mehr Verwaltungsgemeinschaften, wenn die notwendige Größe nicht erreicht ist, bedeutet, wie Herr Hildebrand dies beschrieben hat, noch weniger Transparenz und demokratische Kontrolle. Damit wird der Demokratie ein Bärendienst erwiesen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Der Städteverband hat den Aufgabenkatalog und die Tatsache der Freiwilligkeit der Maßnahmen scharf kritisiert. Insbesondere die Tatsache, dass es ein Einstimmigkeitsprinzip geben soll, ist kritisiert

(Günther Hildebrand)

worden. Der Städteverband sagt, im Grunde werde sich damit nichts bewegen. Wir werden es sehen.

Hinsichtlich der einzelnen Kompetenzen, die übertragen werden sollen, haben wir Bedenken. Wir begrüßen die Übertragung der Bauverwaltung. Das haben wir schon mehrfach vorgeschlagen.

Beim Thema Umwelt sind wir ausgesprochen kritisch. Wir haben uns immer für regionale Umweltämter eingesetzt. Denn ähnlich wie bei den Polizeiaufgaben - das kann man vergleichen - braucht man bei der Umweltverwaltung eine gewisse Distanz zu den örtlichen Konflikten und Interessenstrukturen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In anderen Bereichen stellt sich allerdings die Frage: Warum so zögerlich? Das gilt für den gesamten Bereich des Sozialen und für den Jugendbereich, wo lokal Verantwortliche bürgernäher sind und ein schnelleres Handeln ermöglichen. Insoweit hätten wir uns mehr Mut gewünscht.

Das gilt auch für die Straßenbauverwaltung. Seit Langem fordern wir statt der heutigen Vierstufigkeit eine zweistufige Zuständigkeit, also eine für Kreis- und Gemeindestraßen und eine für Landesund Bundesstraßen. Nur die Autobahnen würden dann beim Bund bleiben. Das würde die Straßenbauverwaltung wesentlich vereinfachen. Ich glaube, auch in dieser Frage könnte man sich noch deutlich bewegen.

Ebenso vermisse ich eine klare Regelung für die Schulträgerschaft. Das wurde schon im Schulgesetz angestrebt und ist dann am Widerstand der CDU gescheitert. Ich denke, es wäre ausgesprochen wichtig, dass wir im Bereich der Schulträgerschaften zu klaren Regelungen kommen, damit sich die demokratisch gewählten Ämter in Übereinstimmung mit den Schulträgerverbänden befinden, sodass wir nicht immer wieder Strukturen neben den Strukturen haben.

Ganz kritisch sehe ich die Änderungen im Finanzausgleichsgesetz, mit denen die freiwilligen Gebietsänderungen der Kreise angestoßen werden sollen. Auch von Gutachtern ist mehrfach gesagt worden, dass jeder, der eine solche Kreisreform durchführt, wissen muss, dass diese innerhalb von 30 Jahren nicht mehr wiederholt werden kann. Wenn wir jetzt also halbe Sachen machen, die keine vernünftige Lösung und keine vernünftige Struktur darstellen, dann blockieren wir damit weitere Entwicklungen für die Zukunft.

Ohne ein Konzept der Landesregierung, das sagt, wohin wir wollen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem gesagt wird: Nun macht mal und probiert mal, finde ich ausgesprochen daneben. Ich halte das für ausgesprochen schlecht.

Herr Kollege, die Zeit! - Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka?