Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister! Mit der Zustimmung zu unserem Antrag, dass Schleswig-Holstein wieder dem europäischen Bündnis „Gentechnikfreier Regionen“ beitritt
- haben wir die große Chance, genau das zu tun, was die Menschen draußen im Land von uns erwarten. Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine gentechnikfreie Landwirtschaft und gentechnikfreie Lebensmittel, denn die ökologischen und gesundheitlichen Risiken sind längst nicht ausgeleuchtet. In Umfragen sprechen sich mehr als drei Viertel der Bürger gegen genmanipulierte Lebensmittel aus. An der Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ würden sich beim Einkauf 73 % der Verbraucherinnen und Verbraucher orientieren und eher Produkte kaufen, die diesen Hinweis tragen. Lediglich ein Viertel der Bundesbürger würde eine solche Kennzeichnung bei der Kaufentscheidung eher nicht beeinflussen. Dies sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage, die der BUND, der Bund für Umwelt und Na
turschutz Deutschland, im vergangenen Monat beim Meinungsforschungsinstitut forsa bei 1.002 Bundesbürgern durchführen ließ.
Das Argument, dass es vor 2005, als SchleswigHolstein noch Teil des Bündnisses war, an mehreren Stellen im Land Saatversuche mit gentechnisch verändertem Raps beziehungsweise mit gentechnisch verändertem Mais gab und es heute, wo wir nicht mehr im Bündnis sind, diese Versuche nicht mehr gibt, geht an der Sache vorbei. Nicht Landesbehörden genehmigen Sortenversuche, sondern Bundesbehörden.
Trotzdem ist der Beitritt zu diesem Bündnis mehr als ein bloßer Papiertiger. Es ist ein wichtiges psychologisches Signal für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Landwirtschaft und nicht zuletzt auch für die abnehmende Hand im nachgelagerten Sektor der Lebensmittelproduktion.
Diese sind verunsichert: Einerseits verbietet die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Anbau der Genmais-Sorte Monsanto 810 und begründet das sehr richtig mit zu befürchtenden Gesundheitsgefahren. Wenige Tage später genehmigt die gleiche Frau Aigner den Anbau der Genkartoffel Amflora. BASF hat in diesen Tagen mit dem Anbau in Mecklenburg-Vorpommern begonnen.
Wie richtig die Entscheidung von Frau Aigner in Sachen Genmais war, zeigt die heutige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig, das den Eilantrag der Firma Monsanto ablehnte, die das Anbauverbot von Monsanto 810 aufgehoben haben wollte. Heute hat somit erstmals ein deutsches Gericht in einem Eilverfahren die Rechtmäßigkeit eines Genmais-Verbots bestätigt.
In der Begründung hoben die Richter hervor, dass nach vorläufiger Prüfung eine „Gefahrenlage“ bestehe, wie sie das Gentechnikgesetz für ein solches Verbot verlange. Aus neuen oder zusätzlichen Informationen ergäben sich „Anhaltspunkte“ dafür, dass Menschen oder Tiere geschädigt werden könnten - so das Gericht.
In Mecklenburg-Vorpommern mehrt sich der Protest besorgter Anwohner und Umweltschützer. Zwar wird Amflora nicht für den Verzehr angebaut, sondern für den industriellen Gewinn von Stärke für die Klebstoffindustrie und dergleichen. Die gentechnisch veränderte Kartoffel enthält allerdings ein Antibiotika-Resistenz-Gen. Die Verbreitung sol
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie unserem Antrag zu. Lebensmittel aus SchleswigHolstein genießen einen guten Ruf. Die Verbraucher wollen sicher sein, dass der Kauf und der Verzehr von landwirtschaftlichen Produkten aus unserem Land sicher und gesund ist, insbesondere wenn diese aus ökologischem Anbau stammen. Diese Sicherheit würde ihnen mit dem Anbau von Genfood genommen. Denn ein Nebeneinander von gentechnisch veränderten Organismen, den sogenannten GVO, und „normalen“ Pflanzen funktioniert nicht; es kommt zu Durchmischungen.
Dies zeigt sich auch bei den Imkern, deren Bienen gentechnisch veränderte Pollen mitbringen. Dies zeigt sich aber auch bei den kanadischen Biobauern, deren Existenz durch Gentechnikanbau von herbizidresistentem Raps durch die Firma Monsanto in der Nachbarschaft vernichtet wurde.
„Gentechnikfreie Region“ ist auch ein Begriff, mit dem wir für unser Urlaubsland zwischen den Meeren werben können. Klare Luft, sauberes Wasser und vielerorts sichtbar erneuerbare Energie, guter Geschmack und hohe Lebensmittelsicherheit: Dazu gehört auch gentechnikfrei!
Meine Damen und Herren, wir haben Verantwortung für unsere Verbraucherinnen und Verbraucher, genauso aber auch für unsere Landwirtinnen und Landwirte, die oft - auch ohne Gentechnik in der Landwirtschaft - wirtschaftlich schwer zu kämpfen haben. Bitte, stimmen Sie zu, dass Schleswig-Holstein eine von dann 189 deutschen Regionen und Initiativen im Bündnis gentechnikfreier Regionen werden kann.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen und erteile das Wort für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Axel Bernstein.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Biotechnologie ist eine wichtige Zukunftsbranche für Forschung und Wirtschaft. Sie verspricht grundlegende Innovationen bei der Herstellung von
Nahrungspflanzen und pflanzlichen Rohstoffen wir sprechen dann von grüner Biotechnologie - sowie bei Arzneimitteln, der roten Biotechnologie. Durch ihre Anwendung sollen Industrieprozesse unter anderem sauberer und nachhaltiger gestaltet sowie Umweltprobleme gelöst werden. Im Rahmen der Biotechnologie wird auch die Gentechnik eingesetzt.
„Bei der Anwendung gentechnisch veränderter Organismen kann ein Spannungsverhältnis zwischen Innovation, Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz entstehen. Wir halten es daher für sinnvoll, diese Technologien mit Augenmaß weiter voranzubringen. So können Chancen für Forschung, Wirtschaft, Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie für Verbraucherinnen und Verbraucher genutzt werden.“
Meine Damen und Herren, diese Aussagen sind gut und richtig. Trotzdem sind sie nicht von mir, sondern sie stammen aus dem Umweltbericht 2006 von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.
Auch für die CDU-Landtagsfraktion kann ich feststellen, dass wir eine verantwortungsvolle gentechnische Forschung und Nutzung befürworten.
Wir werden den Beitrag, den Gentechnik insbesondere in der Landwirtschaft leisten kann, um die Nahrungsmittelproduktion zu sichern, die Anpassung an klimatische Veränderungen zu meistern und das Grundwasser zu schützen, nicht leichtfertig außer Acht lassen. Wir nehmen aber auch diejenigen Landwirte und Verbraucher ernst, welche der Gentechnik mit Sorge begegnen oder sie rundweg ablehnen.
Allerdings: Die Richtschnur in der Europäischen Union, die eine Koexistenz von Gentechnik nutzender Landwirtschaft und Gentechnik nicht nutzender Landwirtschaft vorsieht, gilt.
Man kann nun trefflich darüber streiten, ob die Maßnahmen, zum Beispiel Mindestabstände, geeignet sind, um die Ausbreitung von Pollen gentechnisch veränderter Pflanzen zu unterbinden. Die Frage, welche Bedeutung das tatsächlich hat, ist eine zweite. Es wäre aber Augenwischerei, so zu tun, als ob eine gentechnikfreie Region diesen Konflikt in irgendeiner Art und Weise entschärfen würde. Das ist ein rein politisches Statement ohne jede Rechtsverbindlichkeit und damit auch ohne jede praktische Auswirkung.
Am Ende kommt man auf die einfache Grundsatzfrage zurück, die für viele moderne Technologien gilt: Überwiegen in unserer Wahrnehmung die Risiken, oder überwiegen die Chancen? Für die CDU sage ich ganz klar: Wir nehmen Risiken ernst. Aber wer sich so auf potenzielle Risiken versteift, dass er Chancen nicht mehr wahrnehmen kann, wird der Zukunft nicht gerecht.
Glauben wir denn wirklich, in der globalisierten Welt des Jahres 2009 mit weit über 125 Millionen ha Anbaufläche gentechnisch veränderter Nutzpflanzen weltweit, dass diese Welt auf die Grünen wartet, auf Schleswig-Holstein wartet, auf Deutschland oder auf Europa wartet? Ich denke, es gilt: Wer mitbestimmen will, sollte nicht außen vor stehen, wenn er gehört und beachtet werden will.
Auch wenn es viele spannende Termine in näherer Zukunft gibt, will ich einmal versuchen, den Zeithorizont auf 100 oder 200 Jahre auszudehnen. Vielleicht ist die Erde dann mithilfe der Gentechnik ein Ort mit besserer Ernährungslage und intakterer Umwelt geworden. Wenn das so käme - und wir wollen daran mitwirken -, wäre dieser Antrag einer von vielen falschen Wegweisern in eine historische Sackgasse.
Aber selbst wenn ich die Risiken in den Vordergrund schiebe und in der Zukunft unkontrollierbare Gefahren, die aus der Gentechnik herrühren könnten, befürchte: Glauben wir denn wirklich etwas Gutes zu tun, wenn wir Forschung, Entwicklung und Anwendung anderen überlassen, die im Zweifelsfall weniger hohe Standards und weniger hohe ethische Normen haben?
Für die CDU ist es wichtig, dass unsere Interessen, unsere Sorgen und unsere ethischen Maßstäbe Gehör finden. Genau deshalb war es auch richtig, die Sympathiebekundungen der alten Landesregierung für das Netzwerk „Gentechnikfreie Regionen“ zurückzunehmen.
Wir sind gerne bereit, im Ausschuss nochmals über den Antrag der Grünen zu diskutieren, auch wenn wir fest davon überzeugt sind, dass er in die falsche Richtung weist.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Bernstein und erteile das Wort für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es auch für die Tribüne klarzumachen: Es gibt in der Großen Koalition keine gemeinsame Politik im Hinblick auf die grüne Gentechnik. Das sei an dieser Stelle deutlich festgehalten. Folglich gibt es auch keine gemeinsame Linie, die wir hier vertreten wollen. Die SPD hat bei vielerlei Gelegenheiten hier zur grünen Gentechnik Stellung genommen und immer darauf hingewiesen, dass wir dieses Land im Hinblick auf den Anbau von gentechnikfreien und gentechnisch veränderten Pflanzen, im Hinblick auf die sogenannte Koexistenzregelung für ungeeignet halten.
Wenn man Erkenntnisse hat, dass eine gentechnisch veränderte Pflanzensorte schädlich ist, dann hat das mit Behinderung von Forschung gar nichts zu tun,
Meine Damen und Herren, nach Österreich, Ungarn, Frankreich, Griechenland und Luxemburg ist Deutschland nunmehr das sechste Land, das den Anbau der Genpflanzensorte MON810 verboten hat. Wir sind auch etwas erstaunt darüber, dass dieselbe Ministerin, Frau Ilse Aigner, die dieses Verbot ausgesprochen hat, umgekehrt den Anbau der BASF-Kartoffel Amflora zugelassen hat. Dieser Kurs ist für uns schwer nachvollziehbar. Es wird ja auch schon heftig spekuliert, welche Gründe hierfür vorlagen.
Statt sich in Einzelfragen zu verlieren, ist in der grünen Gentechnik unserer Auffassung nach ein klarer Kurs notwendig. Wir als SPD bedauern sehr, dass Schleswig-Holstein durch einen Brief des Landwirtschaftsministeriums 2005 aus dem europäischen Netzwerk „Gentechnikfreie Regionen“ ausgetreten ist, und setzen uns dafür ein, dass dieser Schritt rückgängig gemacht wird.