Protocol of the Session on March 26, 2009

Frau Abgeordnete, ihre Zeit!

Ich werde zum Schluss kommen, Frau Präsidentin. - Ich möchte nur noch einmal sagen, um es auch ganz deutlich zu machen: Angesichts der schicksalhaften Bedeutung dieser Frage wäre es nun wirklich fehl am Platz, das eigene Gewissen der Rücksicht auf den Koalitionspartner unterzuordnen. Die Zukunft unseres Bundeslandes und die Handlungsfähigkeit unseres Landesparlamentes sind allemal wichtiger als die Fortführung einer angezählten Großen Koalition, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die CDU-Fraktion erhält der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Johann Wadephul.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will den Satz von Frau Kollegin Spoorendonk ernst nehmen. Die Bedeutung ist so groß, dass man in der Tat das sagen sollte, was die Fraktion dazu meint, und nicht Rücksicht nehmen darf auf das, was andere Fraktionen dazu meinen, auch was der Koalitionspartner dazu meint. Dass der Kollege Dr. Stegner und ich an dieser Stelle eine unterschiedliche Sachauffassung haben, ist bekannt. Die wird gleich auch deutlich werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der zweite Teil der Föderalismusreform sollte sich mit einer grundlegenden Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern beschäftigen. Man muss ehrlich einräumen: Der Versuch ist weitge

hend gescheitert. Das einzige Kind, welches diese Kommission hervorbrachte, ist die sogenannte Schuldenbremse. Ärgerlich daran ist für mich schon, dass man gar nicht mehr von einem Schuldenverbot, sondern nur noch von einer Schuldenbremse redet.

Die CDU-Fraktion ist mit allen anderen Fraktionen und Gruppierungen dieses Hauses - Frau Kollegin Spoorendonk, das eint uns -, darin einig, dass ein derartiges Verbot nicht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland für die Länder und damit auch für das Land Schleswig-Holstein normiert werden kann. Landtagspräsident Martin Kayenburg hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Föderalismuskommission verabsäumt wurde - das war meine Klage über Mängel in dieser Kommission -, den Ländern eigene steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Können die Landtage jedoch bei den Einnahmen nichts bewirken, dann kann der Bund uns auf der Ausgabeseite auch keine restriktiven Vorgaben machen.

(Beifall)

Alles andere liefe - um noch einmal Heribert Prantl zu zitieren, Frau Spoorendonk - auf eine Kastration der Landtage hinaus. Das machen wir definitiv

(Zuruf von der SPD)

- insbesondere im politischen Sinne, Herr Umweltpolitiker - nicht mit. Die CDU-Fraktion geht davon aus - das darf ich an der Stelle sagen -, dass die Landesregierung diese einhellige Meinungsbildung im Schleswig-Holsteinischen Landtag zur Kenntnis nimmt und sich im Bundesrat entsprechend verhalten wird.

Damit ist aber in der Sache noch nichts gesagt; denn wir alle müssen erkennen, dass die bisherigen verfassungsrechtlichen Hürden, das Schuldenmachen einzugrenzen, vollends gescheitert sind.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die in den 60er-Jahren aufgekommene Vorstellung, wer mehr investiere, als er Schulden mache, der werde in guten Zeiten die Schulden wieder zurückführen, ging an der politischen Wirklichkeit unter der Verantwortung aller Parteien, meine sehr verehrten Damen und Herren, völlig vorbei.

(Beifall bei CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen sage ich: Eine derartige Politik des Schuldenmachens darf nicht fortgeführt werden. Sie ist gegenüber unseren Kindern und Enkelkin

(Anke Spoorendonk)

dern völlig unverantwortlich. Wir hinterließen einen überschuldeten und bewegungsunfähigen Staat. Das ist keine nachhaltige Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Spoorendonk, bei der Frage geht es ja nicht darum, bei voller Fahrt auf die Bremse zu treten. Es geht vielmehr darum, eine Schuldenbremse zu vereinbaren, die ab 2020 gelten soll. Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Man kann ja unterschiedliche landespolitische Schwerpunkte setzen, nur, wer sich jetzt, zehn Jahre vorher, nicht zutraut, im Jahre 2020 ohne neue Schulden auszukommen, der kapituliert landespolitisch, und der hat jeden Gestaltungsanspruch in diesem Land verloren, noch Politik zu gestalten.

(Beifall bei der CDU)

Wer es in zehn Jahren nicht schafft, der wird es nie schaffen. Deswegen sind wir der Auffassung, dass eine Schuldenbremse in der Landesverfassung, im höchsten Gesetz unseres Landes, richtig ist. Wenn wir unsere Verfassung ernst nehmen, wie wir es in Sonntagsreden immer wieder sagen, wie wir es bei der Einführung des Landesverfassungsgerichts in Schleswig-Holstein mit besonderer Betonung und mit besonderer Ehrfurcht wieder gesagt haben, dann muss unsere Landesverfassung genau der rechtliche Ort sein, um eine der wichtigsten politischen Zukunftsfragen zu beantworten.

Um es ganz offen zu sagen, Herr Kollege Stegner: Ihre Formulierung, das wäre rituelle Selbstfesselung, halte ich für völlig verfehlt. Bisher gibt es keinen eingeübten Ritus von Schuldenvermeidung, sondern eher das Gegenteil, und außerdem bin ich der Meinung, das diskreditiert Verfassungsnormen. Wenn wir uns so etwas vornehmen, nämlich keine Schulden zu machen, dann ist das politisch, moralisch und ethisch eine tolle Sache. Das gehört in die Landesverfassung. Dann sollte man das nicht mit zweifelhaften Formulierungen lächerlich machen oder dem Spott anderer preisgeben.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss offen sagen: Die Formulierung finde ich an der Stelle falsch.

Abschließende Bemerkung, Frau Präsidentin, damit wir Biedermann und Brandstifter nicht verwechseln: Nicht derjenige, der das Schuldenmachen verbieten will, zündelt an den Grundfesten unseres Staates, sondern derjenige, der ohne Rücksicht auf das, was nach ihm kommt, weiter Geld ausgeben will, das er schlichtweg nicht hat.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich danke dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Wadephul und erteile das Wort für die SPDFraktion dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Ralf Stegner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der eben schon mehrmals zitierte Heribert Prantl hat in seinem Kommentar heute geschrieben:

„Im ersten Teil hat die Föderalismusreform den Landtagen viele umstrittene Kompetenzen gegeben. Im zweiten Teil versagt sie ihnen die finanziellen Mittel dafür.“

Genau so ist es. Das ist keine vernünftige Regelung der Föderalismuskommission, und es wäre unpatriotisch, dem zuzustimmen, um das klar zu sagen. Die Interessen des Landes gehen vor.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin sehr wohl dafür, dass wir Schuldenbegrenzung einführen. Ich bin sehr wohl dafür, dass wir sparen und unseren Kindern und Enkeln nicht nur Schulden hinterlassen. Es gibt übrigens auch Beispiele dafür, dass wir Vorschläge gemacht haben, wie das gehen kann. Zum Beispiel bei der Verwaltungsreform. Wir haben auch kritische Anmerkungen bei der einzelbetrieblichen Förderung und bei anderen Dingen zu machen; alles völlig richtig. Aber hinzugehen bei einem strukturellen Defizit von 500 Millionen €, das wir haben, und zu sagen, wir haben einen Staatskommissar, der uns nicht ab 2020, Herr Kollege Wadephul, sondern ab 2011 sagt, ihr kriegt die Leistungen von 65 Millionen € netto nur, wenn ihr zum Beispiel nicht die beitragsfreie Kita macht, wenn ihr eure Polizisten schlechter bezahlt, wenn ihr weniger Bildung habt, wenn ihr weniger Kinderbetreuung habt, das ist ein Verarmungsprogramm für Schleswig-Holstein. Dann sage ich: Dies kann man nicht mitmachen, das ist nicht verantwortbar, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich finde, es ist eine spannende Frage, der Bevölkerung zu erzählen: Das ist ja prima, wir schreiben das in die Verfassung, und wir dürfen das dann nicht. Wir sagen übrigens den Abgeordneten im Jahre 2020 -

(Dr. Johann Wadephul)

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Verehrter Herr Kubicki, wissen Sie, es ist so: Wenn man ganz ruhig atmet, dann gelangt die Blutzirkulation auch ins Gehirn, nicht nur bis zum Kehlkopf. Dann ist das viel, viel besser.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Für Sie gilt das sowieso, Herr Garg. Dann kommt Besseres dabei heraus, wenn man das macht.

Um das noch einmal klar zu sagen: Ich glaube, dass ein Parlamentarier des Jahres 2009 nicht den Kollegen im Jahre 2020 sagen darf, was sie dürfen und was sie nicht dürfen, und Richter entscheiden darüber. Ich nenne das rituelle Selbstfesselung. Ich bleibe dabei, das ist nicht vernünftig.

(Beifall bei der SPD)

Nebenbei bemerkt: Das ausgerechnet von der Abgeordnetengeneration so zu formulieren, die die Schulden gemacht hat, finde ich besonders makaber.

(Zurufe von der CDU)

Nochmals: Jeder Bürger wünscht sich, dass er sein Auto bar bezahlen kann. Jeder Bürger wünscht sich, dass er sein Haus ohne Kredite bezahlen kann. Jeder Bürger weiß, dass sein eigener Betrieb den Arbeitsplatz nicht sichern könnte, wenn er nicht Kredite aufnehmen dürfte. Und dieser Staat, der für innere Sicherheit, der für Bildung, der für soziale Infrastruktur zuständig ist, der soll das nicht dürfen?

Nebenbei bemerkt, meine sehr verehrten Damen und Herren: Es gibt ja Felder wie zum Beispiel Bildung, da wissen wir ganz genau, dass das rentierliche Kredite sind. Jeder Euro Kredit, den wir für die Bildung aufnehmen, verzinst sich und spart uns andere Ausgaben an anderer Stelle. Da gilt der alte Satz von John F. Kennedy: Das Einzige, was teurer ist als Bildung, ist keine Bildung. Also, insofern ist das alles daneben.

Zu glauben, es sei letztlich die Justiz, die das besser könnte als demokratische Politik - was ist das für ein Bild von Parlamentarismus? Sie schaffen es übrigens auch nicht, mich in die Ecke zu stellen zu dem, der sagt, Schulden seien prima, und wir wollten keine Begrenzung. Das ist nicht meine Position. Aber wo sind Sie denn, wenn wir eine Kreisgebietsreform machen wollen, Herr Kollege? Wo sind Sie dann? Dann sind Sie hinter dem Busch, weil Sie vor Ihren Funktionären Angst haben. Das schreckt Sie.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Wo sind Sie denn, wenn wir massiven Lobbyinteressen widersprechen? Dann haben Sie Angst.

Ich will ein Drittes sagen.