Liebe Frau Kollegin Birk, diese Unterstellungen bringen uns insgesamt überhaupt keinen Schritt voran. Ich würde mir von Ihnen in der Tat wünschen, dass Sie das Thema Lohnabstandsgebot in allen Debatten über das Thema Hartz IV aufnehmen. Auch das würde zum sozialen Frieden in Deutschland beitragen.
Zu den ARGEn ist es mir wichtig darzustellen, dass wir ganz klar gesagt haben: Wir wollen die Kompetenz auf der kommunalen Ebene behalten, weil wir glauben, dass sie dort richtig angelegt ist. In dem Streit, der zurzeit geführt wird - er bereitet uns wirklich Sorge -, besteht die Gefahr, dass die Kompetenzen von den Kommunen wieder auf die Agenturen für Arbeit zurückübertragen werden. Das halten wir für hochproblematisch. Das will ich an diese Stelle deutlich machen. Das wäre ein Rückschritt für die Arbeitsuchenden vor Ort. Wir glauben, dass die kommunale Ebene viel zielgerichteter fordern und fördern kann.
Ich glaube, zur Ehrlichkeit in der Debatte gehört auch, etwas zu den Optionskommunen zu sagen, für die wir uns als Union immer wieder aussprechen.
Frau Birk, zur Ehrlichkeit gehört aber auch, sich im Lande Schleswig-Holstein umzuschauen und die Frage zu stellen, welche Kommune und welcher Landkreis im Moment bereit wären, sich in diesem Bereich zusätzlich zu engagieren. Wenn Sie sich umschauen, stellen Sie fest, dass es über die beiden Kreise hinaus, um die es zurzeit geht, keinen weiteren aktuellen Bedarf gibt. Aus diesem Grunde wünschen wir uns möglichst schnell eine Lösung. Diese Lösung sollte bis März getroffen werden. Die Auseinandersetzung müssen wir mit den eigenen Arbeitsministern führen. Das weiß ich. Es ist aber wichtig, dass wir zu dieser Lösung kommen, damit die Kompetenzen nicht wieder an die Agentur für Arbeit zurückfallen. Dort werden sie nämlich nicht so optimal wahrgenommen wie beispielsweise auf der kommunalen Ebene. Das ist ein konkreter Punkt. An diesem Punkt müssen wir arbeiten.
Ich danke Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts. Für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Wolfgang Baasch das Wort.
Wir sollen hier ja reden und nicht singen. Das Singen ist bei mir schrecklicher als das Reden. Dann ist es besser, wenn ich eine Rede halte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben der Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitssuchende, die das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung und den Ländern mit auf den Weg gegeben hat, ist sicherlich die Weiterentwicklung der Arbeitsmarktreformen eines der Hauptthemen im arbeits- und sozialpolitischen Bereich. Die Überlegungen zur Weiterentwicklung der Arbeitsmarktreformen, also von Hartz IV, stehen im Mittelpunkt aller Aufgaben. Sie sind aus meiner Sicht auch notwendig, denn sie müssen am Ende dazu führen, dass es dabei bleibt, eine einzige und kompetente Anlaufstelle für die Menschen zu haben, die einen Unterstützungs- und Hilfebedarf haben. Das heißt, die Betreuung und die Gewährung von Hilfen und Leistungen muss auch weiterhin aus einer Hand erfolgen.
Die Hartz-IV-Reformen müssen aber ebenfalls weiterentwickelt beziehungsweise bei Ihnen muss nachgebessert werden - je nach Sprachgebrauch. Auf jeden Fall hat der Arbeits- und Justizminister Uwe Döring recht - ein Justizminister sollte auch immer recht haben -, wenn er anmerkt, dass die weiter ansteigende Zahl von Klagen vor den Sozialgerichten gegen Hartz-IV-Bescheide nicht mehr zu akzeptieren ist.
Weit über 100.000 neue Klagen vor den Sozialgerichten im letzten Jahr begegnet man nicht mit dem ständigen Einstellen von neuen Sozialrichterinnen und Sozialrichtern, sondern mit der konsequenten Überarbeitung der Gesetzgebung. So wäre es sinnvoll, wenn endlich bundesweit einheitlich festgelegt
Auch die Lebenssituation von Menschen, die trotz Berufstätigkeit auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, gilt es zu überprüfen. Der größte Teil dieser sogenannten Aufstocker arbeitet in Teilzeit, weil das größte Hemmnis, sich eine Vollzeitstelle zu suchen, die Anrechnungssummen für Geringverdiener bei gleichzeitigem ALG-II-Bezug sind. Der Grundfreibetrag liegt bei 100 €. Von jedem zusätzlich verdienten Euro bleiben nur 20 % bei den Menschen, die arbeiten. Ab 800 € sind es sogar nur noch 10 %. Dies motiviert nicht. Diese Regelung bedarf ebenfalls der Überarbeitung. Am besten wäre ein gesetzlicher Mindestlohn, denn dieser würde an dieser Stelle für die größte soziale Gerechtigkeit sorgen.
Wer ist überhaupt hilfebedürftig? Wie definiert sich eine Bedarfsgemeinschaft? Ist die Wohnung zu teuer oder unangemessen groß? Ist eine Sanktion gegen Leistungsbezieher rechtens, die sich nicht an Meldeauflagen gehalten haben oder die sich nicht ausreichend um einen Arbeitsplatz bemüht haben? Dies ist nur eine Auswahl von Stichworten, die zu Klagen vor den Sozialgerichten führen. Über diese Klagen muss oft im Eilverfahren entschieden werden. Es eilt fast in jedem Fall, denn wer vor das Sozialgericht geht, hat im Regelfall keine finanziellen Rücklagen. Wenn jeder dritte Kläger Recht bekommt, bleibt auch festzuhalten, dass fehlerhafte oder schlampige Bescheide ebenfalls zur Antragsflut bei den Sozialgerichten beitragen.
All dies wird von einer Arbeitsgruppe der Justizminister aufgearbeitet und hoffentlich werden praktikable, einfache und nachvollziehbare Lösungsansätze gefunden, sodass Arbeitssuchende weiterhin nicht nur Leistungen aus einer Hand erhalten, sondern auch von kompetenten und möglichst fehlerfrei arbeitenden Ansprechpartnern betreut werden, die sich auf eindeutige, klare Regelungen stützen können.
Aus meiner Sicht gilt es nun, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Justizminister nicht nur abzuwarten, sondern auch sehr genau zu überprüfen, was uns vorgeschlagen wird. Ich finde im Übrigen, dass es nicht schadet, wenn wir uns auch selber ein paar Gedanken machen. Warum sollten wir uns im Sozialausschuss - ich gehe davon aus, dass der So
zialausschuss nach der Überweisung für diesen Antrag zuständig sein wird - nicht einmal mit dem Präsidenten des Landessozialgerichtes, Herrn Stoll, oder auch einmal mit der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten, Frau Wille-Handels, zusammensetzen? Wir könnten dann darüber sprechen, welche Gesetze im Detail zu ändern wären. Ich glaube, dass es - wie im Antrag der Grünen vorgesehen - mit der Abschaffung einer Bedarfsgemeinschaft schlicht und einfach nicht getan ist, weil die Problemlage aus meiner Sicht dann noch größer wird. Nur deshalb, weil es eine Bedarfsgemeinschaft nicht gibt, muss der Bescheid schließlich nicht fehlerfrei sein. Wir müssen dies umfassender sehen. In diesem Sinne sollten wir im Sozialausschuss weiter über den Antrag beraten. Ich plädiere für Überweisung.
Ich danke Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch. Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vielen Dank für die Regieanweisung. Liebe Frau Birk, mir ist nicht ganz klar geworden, wo eigentlich die konkrete Zielrichtung Ihres Antrags liegt. Eindämmung der Klageflut, Abschaffung der Bedarfsgemeinschaften, Erhaltung individueller Ansprüche - allen Zielrichtungen, die Sie hier vorgetragen haben, wird Ihr Antrag meines Erachtens nicht gerecht.
Erstens. Das SGB II kennt keinen Anspruch einer Bedarfsgemeinschaft, denn auch nach dem SGB II hat jeder Mensch ein eigenständiges Anrecht auf die Sicherung des persönlichen Lebensunterhalts. Das bedeutet nichts anderes, als dass in einer Bedarfsgemeinschaft jede Person als hilfsbedürftig gilt, wenn - ich zitiere - „nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist“. Das Problem ist doch, dass die Leistungsbescheide der Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen deutlich machen müssen, welche Leistungsbeträge auf die jeweiligen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfallen. Das eigentliche Problem ist, dass dies bis heute nicht deutlich wird.
Zweitens. Ein individueller Bedarf führt doch nicht zwangsläufig zu weniger Klagen. Die derzeitige Praxis zeigt aber, dass die uneinheitliche Hand
habung der individuellen Bedarfe durch Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen zur Klageflut mit beigetragen hat.
Was ist das eigentliche Problem? Aus unserer Sicht ist das Problem, dass viele Klagen vor Gericht verhandelt werden, denen im Vorwege viel einfacher durch die Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen selbst hätte abgeholfen werden können und abgeholfen werden müssen. Stattdessen werden die Betroffenen mit einem Bescheid voller Zahlen konfrontiert, den sie oft nicht verstehen und der ihnen auch nicht ausreichend erläutert wird. Es geht um Anrechnungsfragen, Bedarfsfragen, Sanktionsfragen, Rückzahlungen und Vermögensberechnungen. Wie diese Berechnungen zustande gekommen sind, bleibt den Betroffenen häufig verschlossen.
Ein weiterer Grund für viele Klagen ist, dass in den Bescheiden bereits von den Sozialgerichten geklärte Rechtsfragen nur zum Teil oder gar nicht berücksichtigt werden. Ich will Ihnen ein konkretes Beispiel aus Kiel nennen. Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass mehrtägige Klassenfahrten als Sonderbedarf anerkannt sind und die Kosten komplett übernommen werden müssen. Dennoch wurde in einigen Fällen vom Jobcenter Kiel lediglich ein Zuschuss zu Klassenfahrten bewilligt oder nur ein Teilbetrag gewährt. Die betroffenen Eltern waren gezwungen, Widerspruch einzulegen und entsprechende Klage zu erheben, um ihre Rechte einzufordern. Damit werden Gerichte zu einer Korrekturinstanz bei Fragen, die sich eigentlich gar nicht mehr stellen dürften.
Man darf sich dann weder über die Klageflut noch darüber wundern, dass viele Klagen erfolgreich sind.
Ich habe die Forderung von Minister Döring nach weiteren Gesetzesänderungen so verstanden, dass vieles noch zu umständlich, zu wenig praxisgerecht und immer noch nicht einheitlich geregelt ist. Diese Ansicht teile ich ausdrücklich.
Eine bundeseinheitlich geltende Verordnung, die die Angemessenheit von Wohnraum definiert, würde zu mehr Rechtssicherheit beitragen, ganz besonders in Ballungsgebieten, in denen unter Verweis auf die gängige Praxis aus Kostengründen immer wieder versucht wird -
- Herr Kollege Feddersen, ich finde, das ist nun wirklich grenzwertig. Wenn Sie sich unterhalten wollen, ist das okay. Ich kann auch mit dem Gemurmel leben. Wenn Sie sich mit mir unterhalten wollen, tun wir das besser draußen.
Eine bundeseinheitlich geltende Verordnung, die die Angemessenheit von Wohnraum definiert, würde zu mehr Rechtssicherheit beitragen - ganz besonders in Ballungsgebieten, in denen unter Verweis auf die gängige Praxis aus Kostengründen immer wieder versucht wird, die zulässige Wohnungsgröße abzusenken.
Dazu gehört auch eine Klarstellung, was den durch das SGB II neu eingeführten Begriff der Bedarfsgemeinschaft ausmacht und wie in der Praxis damit umgegangen werden soll. Nicht verschwiegen werden darf in diesem Zusammenhang auch, dass die letzte Gesetzesänderung der Großen Koalition zur Bedarfsgemeinschaft neue Rechtsunsicherheiten geschaffen hat, anstatt diese zu beseitigen.
Die Zuordnung erwachsener Arbeitsloser unter 25 Jahren zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern ist genau so ein Fall.