Protocol of the Session on December 12, 2008

(Thomas Stritzl [CDU]: Die haben alle kei- nen Führerschein?)

- Ich habe mich auch persönlich von der Überfüllung der Hochschulsäle überzeugt. Ich kann Ihnen nur raten: Schauen Sie sich das am Anfang eines Semesters an. Dann werden Sie staunen.

Deshalb hat der Landtag in seinem Antrag zu den Zielvereinbarungen zu Recht großen Wert auf die Verbesserung der Lehre gelegt. Dieser Antrag ist auf unsere Anregung hin zustande gekommen. Ebenso haben wir vor gut fünf Jahren, Herr Weber, das Thema Zielvereinbarungen in der rot-grünen Koalition ins Parlament gezogen, obwohl das der SPD am Anfang gar nicht so recht war. Im Gegensatz zum damaligen Ministerium - da gebe ich Ihnen recht - haben jetzt die Häuser von Austermann und Marnette die Controllingberichte über die vergangenen Zielvereinbarungen und auch die jetzigen Zielvereinbarungen dem Bildungsausschuss vorgelegt. Insofern kann ich Ihnen zustimmen. Aber alles, was Sie darüber hinaus zur informationellen Beratung gesagt haben, fällt offensichtlich auf das Konto der Großen Koalition. Diesbezüglich hatten Herr Dr. Klug, Frau Spoorendonk und ich nicht das Vergnügen dieses Privatissimums.

Wir wollen eigentlich noch viel mehr regeln. Immerhin wurden einige Vorschläge unseres Antrags von der Koalition übernommen. Dies gilt zwar nicht für unsere Veränderungswünsche zur Kapazitätsverordnung - hier müsste man größere Würfe wagen und Bündnispartner in den Bundesländern finden -, aber einiges ist zum Thema Lehre festgehalten. Die Kapazitätsverordnung ist übrigens genau das Dokument, das den Grad der Überfüllung in den Hörsälen und Seminaren regelt.

Wir werden die Zielvereinbarungen trotzdem ablehnen. Denn sie erfüllen die Anforderungen, die der

Landtag mit der Großen Koalition formuliert hat, nicht. Das heißt, wir können in den nächsten fünf Jahren in Schleswig-Holstein weiterhin kein ordnungsgemäßes Studium garantieren.

Weder sind in diesen Zielvereinbarungen die Abstimmungen der Hochschullandschaft für ein gemeinsamen Profil zu erkennen, noch sind die Details zielgenau geregelt. Zwar gibt es glücklicherweise eine Reihe von Formulierungen zu Didaktik und Weiterbildung - und auch das, was der Kollege Weber zum Thema Gleichstellung vorgetragen hat, kann ich nur positiv unterstreichen; ich will ja nicht alles schlechtreden -, in der Summe muss ich allerdings sagen, dass die Bilanz nicht stimmt. Es finden sich - um beim obigen Beispiel zu bleiben - zwar einige Zahlen in diesen Zielvereinbarungen, eine Halbierung der hohen Durchfallquoten in den genannten Fächern durch eine Verbesserung der Lehre wird aber nicht gefordert. Es findet sich kein Indikator wieder, der das wirklich operationalisierbar macht.

Die meisten Studierenden müssen heute für den Lebensunterhalt in erheblichem Umfang jobben und haben Familie. Deshalb sind die Regelstudienzeiten eigentlich durch die Bachelor/Master-Regelung abgelöst. Sie sind überflüssig, obsolet. Faktisch studieren die meisten in Teilzeit und brauchen daher eine längere Zeit als die Regelstudienzeit, die auf Vollzeit berechnet ist. Dem trägt die Organisation der Lehre in keinster Weise Rechnung. Im Gegenteil: In Kombination von Bachelor, Master und Regelstudienzeit wurde ein enges Zeitkorsett geschnürt. Nur in ganz wenigen Stellen der Zielvereinbarungen finden sich Passagen dazu, dass einzelne Studiengänge auch in Teilzeit einzurichten sind.

Zu den Mittelzuweisungen! Es gibt die berühmte Relation zwischen Ausstattungskosten, Leistungsvergleich und Drittmittelvereinbarung. Im Hinblick auf die Erfüllung von Zielen müssen sich die Hochschulen durchaus in Ausstattungs- und Leistungsvergleichen mit anderen Hochschulen - dazu gibt es auch Rankings - messen. Vor dem Hintergrund dessen, was das Land den Hochschulen an Mitteln zuweist, wird allerdings nicht der Vergleich mit anderen norddeutschen Hochschulen gezogen; dazu verpflichtet sich das Land nicht. Hier wird also mit zweierlei Maß gemessen.

Deshalb haben wir auch Haushaltsanträge zur Situation der Hochschule eingebracht. Wir haben insbesondere einen Innovationsfonds für die Lehre gefordert. Dies wurde abgelehnt. Ebenso wurde unser Antrag, mit 1 Million € der Universität Flens

burg wenigstens eine ordnungsgemäße Verwaltung und Bibliothek zu sichern, abgelehnt. Dies gewährleistet zwar noch nicht das ordnungsgemäße Studium in allen Fächern, aber es ist verhindert, dass Studierende das Rechenzentrum unterhalten müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Diese Universität hat auch nach eigener Aussage eine Reihe von Mängeln. Das ist ja auch kein Wunder, da man diese Universität schlechter fährt, als viele Pädagogischen Hochschulen, die es noch in Deutschland gibt, ausgestattet sind. Herr Henning Höppner, der immer fit mit Zahlen ist, hat, als er einen Blick auf die Musikhochschule und die Uni Flensburg geworfen hat, erstaunt festgestellt: Tja, da ist ja jede Berufsschule besser ausgestattet.

(Beifall beim SSW)

Das müssen wir uns klarmachen: Wenn man eine Universität so schlecht ausstattet, dann braucht man sich auch nicht zu wundern, dass es schwierig ist, gute Leute zu gewinnen, dass es schwierig ist, Streit zu vermeiden. In einer solchen Situation findet Neid nämlich fruchtbaren Boden.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben, wie tapfer sich diese Universität trotzdem schlägt, und das, was sie in der Zusammenarbeit mit Dänemark auf die Beine gestellt hat, sucht seinesgleichen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das wird von Kiel und Lübeck aus natürlich überhaupt nicht so gesehen. Man hat sich auch nicht angeschaut, dass wir hier einen der besten Fachleute im Bereich Klimaschutz haben. Professor Hohmeyer könnte längst woanders Forschung und Lehre betreiben. Er bleibt hier, und er bildet hier den Nachwuchs in Energietechnik und Wirtschaftsmanagement aus. Dafür sollten wir der Universität und solchen Leuten dankbar sein. Sie bleiben nicht wegen des Geldes. Sie bleiben, weil sie hier eine Aufgabe für die Region und für dieses Land sehen. Sie holen Wissenschaftler aus der ganzen Welt hierher. Sie hätten mal sehen sollen, welche Fachleute aus dem UNO-Klimarat aufgrund der Initiative der Uni Flensburg hier bei uns in Schleswig-Holstein zu Gast waren! Leider habe ich keinen Kollegen dort angetroffen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Werner Kalinka [CDU]: Waren Sie denn da?)

(Angelika Birk)

Deswegen müssen wir erstens etwas für die Lehrerbildung in Flensburg tun. Es muss ein Zentrum für Unterrichtsforschung werden. Es muss ein Leuchtstern für die Lehrerqualifikation der Zukunft werden.

Zweitens müssen wir die Wirtschaftswissenschaft und Energietechnik in ihrer hervorragenden Verbindung zu Dänemark unterstützen. Wir dürfen nicht sagen, dass sich diese Hochschule ausschließlich auf Lehrerbildung zu beschränken hat.

Ein kurzer Satz noch zu Ihnen, Herr Marnette. Das Thema Hochschulpakt ist heute nicht dran. Aber ich kann Ihnen versichern: Die hohe Mittelzuweisung von über 37 Millionen € von Bund und Land wir haben davon über 18 Millionen € zu tragen soll bis 2010 fließen. Wir werden diesen Mittelabfluss sehr aufmerksam beobachten. Wir erfahren zunehmend aus Hochschulen, dass die Mittel - jedenfalls bisher - keineswegs geflossen sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 2000 gibt es Zielvereinbarungen zwischen der Landesregierung und den Hochschulen unseres Landes. Als neues Steuerungsinstrument gestalten sie die Autonomie und die Flexibilität der Hochschulen im Einvernehmen mit dem Land. Nach übergeordneter Betrachtung müssen Hochschulen und Land dabei an einem Strang ziehen, um mit der Formulierung von Zielen die finanzielle Situation der Bildungsinstitutionen zu verändern und für eine angemessene Anerkennung und Unterstützung der Lehre und Forschung zu sorgen. Diese Anforderungen sind in den Zielvereinbarungen, die die Landesregierung mit den Hochschulen bis zum 17. Dezember abschließen möchte, aus Sicht des SSW nicht erfüllt.

Die Landesregierung möchte mit den aktuellen Zielvereinbarungen die Profilbildung der Hochschulen sowie Themenfelder wie die Internationalisierung, die Mobilität, die wissenschaftliche Weiterbildung und auch die Gleichstellung stärken. Die aktuellen Probleme wie die Unterfinanzierung des gesamten Hochschulsystems oder die Reform der

Lehrerausbildung in Schleswig-Holstein werden dabei völlig außer Acht gelassen. Die Hochschulen sollen Zielvereinbarungen unterschreiben, in denen bereits Ziele stehen, die sie nicht erreichen können. Es werden Ziele formuliert, deren finanzielle Umsetzung wird jedoch ignoriert.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der SSW plädiert für eine ausgewogene Entwicklung der Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein. Nur so wird es unseres Erachtens überhaupt möglich sein, die hehren hochschulpolitischen Ziele umzusetzen, die das Wissenschaftsministerium selbst zum Gegenstand der Verhandlungen mit den Hochschulen gemacht hat. Die Hochschulen des nördlichen Landesteils liegen uns dabei natürlich besonders am Herzen.

Die Fachhochschule Flensburg fällt hier besonders positiv durch ihre Schwerpunkte in den regenerativen Energien und maritimen Technologien auf. Außerdem begrüßt der SSW die regionale Verankerung sowie die Kooperation mit anderen Hochschulen, in erster Linie natürlich mit der Universität Flensburg. Auch die Förderung des Kompetenzzentrums CEwind durch das Land und der Ausbau der Nautik mit zwei weiteren W2-Stellen freuen uns sehr. Wie allerdings die ehrgeizigen Ziele vor allem im Bereich der Qualitätssicherung und der Einrichtung neuer Master-Studiengänge erreicht werden sollen, während die vorgesehenen Landeszuschüsse im Jahr 2009 um über 1 Million € und bis Ende 2013 um bis zu knapp 4 Millionen € gekürzt werden sollen, bleibt ein Geheimnis.

(Beifall beim SSW)

Trotz jahrelanger Unterfinanzierung hat es die Universität Flensburg geschafft, die Schwerpunkte der Vermittlungs- und Erziehungswissenschaften sowie der Wirtschafts- und Kulturwissenschaften zu erhalten. Mit derzeit 4.200 Studierenden und 6.000 Bewerberinnen und Bewerbern auf gerade einmal 1.000 Studienplätze im Wintersemester 2009/2010 wurde eindrucksvoll bewiesen, dass die Universität ein nachgefragtes Studienprofil aufweist.

Das Alleinstellungsmerkmal für die Universität Flensburg sind hier die grenzüberschreitenden Studiengänge mit der Syddansk Universitet und die intensive Zusammenarbeit mit dem Campus Sønderborg. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wird von allen Parteien als positiv angesehen, auch das ist heute noch einmal zum Ausdruck gebracht worden. Aus unserer Sicht reicht es jedoch nicht aus, diese nur zu fordern. Die Zusammenar

(Angelika Birk)

beit muss weiterentwickelt und vor allem auch finanziell abgesichert werden. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es reicht nicht aus, Leuchtturmprojekte wie das Collegium Mare Balticum zu fordern und dann die finanzielle Unterstützung zu verweigern. Wenn die Landesregierung behauptet, dass die Syddansk Universitet das Projekt zum Scheitern gebracht hätte, dann ist dies schlichtweg falsch. Auch hier steckt der Teufel wieder im Detail. Doktorandenstellen kosten nördlich der Grenze ein Vielfaches mehr als in Deutschland. Trotzdem hat die dänische Universität ihren Teil der Kofinanzierung zugesichert. Dass das Leuchtturmprojekt trotzdem gescheitert ist, lag einzig und allein daran, dass das Wissenschaftsministerium die Nachhaltigkeit des Projekts nicht finanziell absicherte.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Flensburg liegt die relativ am schlechtesten ausgestattete Universität Norddeutschlands. Das ist in den Ausschussberatungen und in den vorangegangenen Debatten immer wieder angemerkt worden. Dass die Akkreditierung der Vermittlungswissenschaften aufgrund der fehlenden Mindestausstattung in vielen Fächern für 18 Monate ausgesetzt wurde, ist hier nur ein weiteres Zeichen dafür, dass die festgestellten Mängel an dieser Hochschule dringend behoben werden müssen. So gibt es in den Fächern Philosophie sowie Haushalts- und Sachunterricht noch nicht einmal Professuren, und in der Musik werden die Zulassungszahlen kontinuierlich gesenkt, um weitere Mittel zu sparen.

Spätestens bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses und bei der Neustrukturierung der Studiengänge wurde noch einmal deutlich, was schon lange bekannt ist: Von einem Wissenschaftsraum Schleswig-Holstein, der auch die Universität Flensburg einbezieht, können wir bei dem bisherigen Einsatz der Landesregierung noch lange träumen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ende November wurde im Bildungsausschuss zum wiederholten Male über die Situation der Universität Flensburg debattiert. Kritisch wurde dort von einigen Kolleginnen und Kollegen vor allem die Schwierigkeit der Hochschule angemerkt, die Zielvereinbarungen zu unterschreiben. Aus Sicht des SSW sind diese Schwierigkeiten aber durchaus verständlich. Erst mit den Ergebnissen der Strukturkommission und der dringend notwendigen Zuschusserhöhung wird es nämlich möglich sein, Zielvereinbarungen zu entwickeln, die auch umgesetzt

werden können. Dass der Senat der Universität Flensburg Bauchschmerzen beim Absegnen von Zielvereinbarungen bekommt, die noch nicht einmal die Akkreditierung der Vermittlungswissenschaften sichert, spricht hier für den gesunden Menschenverstand der Vertreterinnen und Vertreter der Universität.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass eine Mehrheit des Landtags nicht gewillt war, dem SSW dahin gehend zuzustimmen, dass mehr Mittel für das nichtwissenschaftliche Personal zur Verfügung gestellt werden müssten, zeigt, vor welchen Schwierigkeiten wir weiterhin stehen.

(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Außerdem wird die Profilbildung in der Forschung - - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich dachte, es könnte mir nie geschehen, den Faden zu verlieren. - Jetzt habe ich den Faden wiedergefunden. Ich denke, das macht deutlich, vor welchen Schwierigkeiten wir in Flensburg stehen. Spätestens bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses und der bei Neustrukturierung der Studiengänge wurde noch einmal deutlich, was schon lange bekannt ist: Von einem Wissenschaftsraum Schleswig-Holstein, der die Universität Flensburg einbezieht, können wir noch lange träumen.

Wenn wir uns die Situation der Universität Kiel angucken, dann stellen wir fest, es ist richtig, dass wir uns mit dieser einzigen Volluniversität des Landes auf die nächste Runde der Exzellenzinitiative vorbereiten. Der SSW begrüßt diesen besonders wichtigen Baustein in den Zielvereinbarungen zur Spitzenforschung in Schleswig-Holstein. Außerdem wird die Profilbildung in der Forschung weiter ausgebaut, das ist dem Bericht der Landesregierung zu entnehmen. Neben den zwei bisherigen Schwerpunkten werden unter anderem in Zukunft kulturelle Räume das Studienangebot markieren. Das ist gut so. Aus Sicht des SSW ist hier aber eine Abstimmung mit den kulturellen Studienangeboten der Universität Flensburg mehr als notwendig. Ein Blick nach Flensburg lohnt sich auch in Bezug auf E-Learning-Netze als Plattform zur Unterstützung der Lehre sowie in Bezug auf EDV-basiertes Studienfeedback. Die Universität Kiel muss hier - um es salopp zu formulieren - noch ein bisschen nachsitzen, denn in Flensburg gehört all dies längst zum Alltag des Hochschulbetriebs.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Anke Spoorendonk)

Günther Radtke, Schriftsteller und Mitbegründer des „Stern“, sagte einmal: Der Mensch ist ein zielstrebiges Wesen, aber meistens strebt es zu viel und zielt zu wenig.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)