Protocol of the Session on December 11, 2008

Nach Auffassung des Ordoliberalismus soll der Staat nicht nur die notwendigen Voraussetzungen für eine freiheitliche und marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung mit Wettbewerb schaffen, sondern diesen auch erhalten. Der Erhaltung und Sicherung des freien Wettbewerbs dient im Ordoliberalismus die Schaffung eines rechtlichen Rahmens durch den Staat. Dieser ordnungspolitische Rahmen stellt die freie wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen und Haushalten sicher und soll die Entstehung von Marktmacht (zum Bei- spiel durch Kartell- oder Monopolbildung) verhindern. Die staatliche Wirtschaftspolitik als Ordnungspolitik ist deshalb darauf ausgerichtet, die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu sichern und gleichzeitig die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu verbessern.“

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Lieber Kollege Neugebauer, die Väter der sozialen Marktwirtschaft, Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard, waren Ordoliberale und sind mitnichten und sicherlich keine Turbokapitalisten.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Niclas Herbst [CDU])

Es täte manchmal ganz gut, wenn Sie sich, wenn Sie solchen Kampfbegriffen um sich werfen, einfach einmal darüber informieren, was Sie da in den Mund nehmen, mit welchen Begriffen Sie um sich werfen. Ich weiß, was Sie meinen. Aber Sie treffen genau -

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Neoliberalismus hat einen Bedeu- tungswandel erfahren!)

- Ach, Frau Birk. Darauf habe ich gewartet, dass Sie hier dazwischenrufen.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Neoliberalismus war vor 30 Jahren et- was anderes als heute!)

Herr Neugebauer, Neoliberale sind genau das Gegenteil derer, sie Sie eigentlich beschimpfen wollen. Das wollte ich Ihnen von dieser Stelle aus einfach einmal deutlich machen.

(Günter Neugebauer [SPD]: Nein, nein!)

Herr Dr. Garg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

(Zuruf des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Matthiessen, der Herr Abgeordnete Dr. Stegner hat jetzt das Wort.

Selbstverständlich.

Lieber Kollege Garg, vielen Dank für die Lesestunde. Ich möchte Sie fragen, ob Sie wissen und dann auch so nett wären, das dem Hohen Haus zu verraten, von wem die Einschätzung im Deutschen Bundestag stammt, dass der Versuch, die Finanzmärkte durch den Staat zu kontrollieren, das gleiche sei wie DDR ohne Zäune. Wären Sie so nett, das zu sagen? Kennen Sie das Zitat, und wissen Sie, von es stammt?

- Lieber Herr Kollege Stegner, da Sie ständig irgendwelche FDP-Politiker hier zitieren, um Ihr breit gefächert angelesenes Wissen zu verbreiten, kann ich Ihnen nur sagen: Erstens. Ja, mir ist das bekannt. Zweitens haben Sie ganz offensichtlich den tieferen Sinn meines vorweihnachtlichen Mitbringsels für Sie überhaupt nicht verstanden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Deswegen kann ich nur bedauernd sagen: Hören Sie doch einfach einmal weiter zu. Dass Sie es nicht verstanden haben, zeigt auch Ihr gestriger Zwischenruf, als Sie auf das Investitionspaket, das wir Ihnen vorschlagen, mal eben „Keynes“ gerufen haben. Es ist schön, dass Sie einen Nachfragetheoretiker kennen, allerdings basiert unser Investitionspaket auf der Weiterentwicklung nachfragetheoretischer Ansätze, und zwar auf der

(Zuruf des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

(Dr. Heiner Garg)

- lieber Kollege Eichstädt - sogenannten kaldorianischen Verteilungstheorie

(Peter Eichstädt [SPD]: Das sagte ich gerade zu meinem Nachbarn!)

Sie können selbstverständlich die Einschätzungen sämtlicher ökonomischer Institute ignorieren. Das können Sie machen. Sie können ignorieren, dass die Weltbank vor der schwersten Rezession seit den 30er-Jahren warnt. Sie können ignorieren, dass das RWI Essen in seiner Prognose das BIP für 2009 senkt und eine tiefe Rezession erwartet. Man kann das alles schönreden, man kann sich das auch alles wegdenken. Das Problem ist nur, dass es nicht hilft, die Augen zu verschließen, es hilft nicht, es schönzureden.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was raten Sie uns denn nun?)

- Das können Sie doch dem Antrag entnehmen. Warten Sie doch einfach, Frau Birk, was ich Ihnen vorschlage. Ich wundere mich, dass Sie hier die Frage stellen, was ich Ihnen vorstellen will, wenn wir genau zu diesem Tagesordnungspunkt einen Antrag gestellt haben. Also irgendwie sind Sie manchmal ein bisschen merkwürdig.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] - Lachen bei der CDU)

Was hier auf Schleswig-Holstein zuläuft, lässt sich mit Sicherheit durch Aussitzen nicht abwenden. Die Situation ist dramatisch, und wir müssen aus unserer Sicht dort, wo wir es können, zielgerichtet öffentliche Investitionen vorziehen, um die Krise und die Auswirkungen der Krise wenigstens teilweise abzuschwächen.

Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Es helfen keine partiellen Steuergeschenke, die nicht verkonsumiert werden, sondern aufs Sparbuch wandern. Es helfen auch nicht irgendwelche Weihnachtsgeschenke in Form von wie auch immer gearteten Konsumgutscheinen. Stellen Sie sich vor, es werden Konsumgutscheine ausgegeben, und damit werden dann italienische Markenschuhe oder chinesisches Billigspielzeug gekauft. Davon wird die deutsche Wirtschaft mit Sicherheit nicht stabilisiert.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP] und Lars Harms [SSW])

Was wir brauchen, sind öffentliche Investitionen, und zwar zügig umgesetzt, zielgenau eingesetzt und zeitlich befristet.

Genau aus diesem Grund, liebe Frau Kollegin Birk, hat der böse ordoliberale Garg Ihnen heute den

Vorschlag gemacht, ein Investitions- und Wachstumspaket zu beschließen - zur Belebung der Wirtschaftskraft in Schleswig-Holstein. Zur Abfederung der negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Beschäftigung und auch die Steuereinnahmen sollen öffentliche Investitionen vorgezogen werden und als Sofortmaßnahme ein entsprechendes landeseigenes Investitionsprogramm aufgelegt werden. Diese öffentlichen Investitionen sollen für den Abbau des Sanierungsstaus und die Instandhaltung der Straßeninfrastruktur von Kommunalund Landesstraßen eingesetzt werden, zur Unterstützung der Kommunen bei dringend notwendigen Maßnahmen zur Schulsanierung und zum Schulneubau. Das können Sie problemlos auch auf Kindertageseinrichtungen oder beispielsweise Krankenhäuser ausdehnen, wo es auch einen erheblichen Investitionsstau gibt.

Des Weiteren wollen wir ein Programm zur energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude und zur Ausstattung des ländlichen Raumes mit Breitband-Internetkabel auflegen. In allen vier Feldern sehen wir für Schleswig-Holstein einen erheblichen Nachholbedarf. Der vorhandene Sanierungsstau kann mit einem solchen Investitionspaket - zum Teil jedenfalls - abgearbeitet werden.

Durch eine entsprechende Ausschreibung in kleinen Teillosen kann dafür gesorgt werden, dass die Aufträge zum großen Teil in der Region bleiben, und durch den Abbau von bürokratischen Schranken könnte - wenn man wollte und alle an einem Strang zögen - eine zügige Auftragsvergabe erfolgen. Dann kommen die Investitionen genau dort an, wo sie tatsächlich etwas bringen. Die Aufträge würden dem heimischen Handwerk und der Bauwirtschaft helfen. Der Arbeitsmarkt würde stabilisiert, und damit könnte Beschäftigung gesichert werden.

Das würde sich in der Krise positiv auf Steuereinnahmen und auf die zu zahlenden Sozialabgaben auswirken.

Der große Vorteil dieses Infrastrukturprogramms, wie wir es Ihnen heute vorlegen, ist, dass eine doppelte Dividende erzielt werden könnte. Zum einen stimuliert es durch erhebliche Investitionen kurzfristige Nachfrageimpulse, und zugleich verbessern wir langfristig unsere Wachstumsbedingungen in Schleswig-Holstein, weil wir Sanierungsstau abbauen.

(Beifall bei der FDP)

Mit Investitionen in die Verkehrswege würden wir dafür sorgen, dass Schleswig-Holstein weniger dramatisch von internationalen Warenströmen abge

(Dr. Heiner Garg)

koppelt wird. Mit Investitionen in den Schulbau und in die Schulsanierung investieren wir in die Zukunft dieses Landes.

Mit der Förderung energetischer Sanierung der öffentlichen Gebäude wird ein Beitrag zum Umweltschutz und zur Reduzierung der CO2-Emissionen geleistet, und wir werten gleichzeitig diese Gebäude auf. Und schließlich sorgen wir mit dem Ausbau des Breitbandinternets im ländlichen Raum für eine sofortige Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft, indem wir ihr die Möglichkeit geben, am weltweiten Datenaustausch teilzuhaben.

Eigentlich müssten wir diese Debatte heute gar nicht so führen, wie wir sie führen. Denn in den vergangenen Tagen ist mehr als deutlich geworden, dass eine breite Mehrheit für unseren Antrag vorhanden sein müsste. Überall um uns herum werden Investitionspakete geschnürt oder zumindest massiv gefordert. Es kann doch nicht ernsthaft sein, dass die Bundeskanzlerin sich darüber freut, dass das Bundesverfassungsgericht ihre Regierungspolitik zur Pendlerpauschale als verfassungswidrig anprangert, den alten Zustand wiederherstellt und sie dann sagt, dass sie das sehr begrüße und dass es ein Konjunkturprogramm für Deutschland sei. Das finde ich schon mehr als merkswürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Rund um uns herum werden Investitionspakete geschnürt, die CDU-Fraktion in Hessen will mit 100 Millionen € zusätzlich das Landesstraßennetz sanieren. Die CDU-Bildungsministerin Annette Schavan fordert die Länder auf, den Kommunen mehr Gelder für ein umfassendes Sanierungsprogramm der Schulen bereitzustellen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Oettinger will zeitnah ein Infrastrukturprogramm auflegen. Die SPDFraktion in Niedersachsen fordert in ihren Haushaltsanträgen ein 427 Millionen € schweres Investitionspaket, der Kanzlerkandidat der SPD, FrankWalter Steinmeier, fordert einen umfassenden kommunalen Investitionspakt, um die lahmende Konjunktur auf Trab zu bringen. Und selbst SchleswigHolsteins Wirtschaftsminister Marnette sagte am 18. Oktober im „sh:z“, dass er mit Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur verhindern will, dass Schleswig-Holstein in den Strudel der Rezession gerät.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Guter Mann!)

Am 31. Oktober sagte der Ministerpräsident in seiner Rede auf dem CDU-Parteitag:

„Die CDU ist die Partei, die auch in der Krise für Verantwortung und Verlässlichkeit steht.“

Und weiter:

„Mit pragmatischen Lösungen zum Wohle unseres Landes werden wir gemeinsam auch die noch vor uns liegenden Herausforderungen meistern.“

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wohlan, Herr Peter Harry Carstensen! Der Vorschlag der FDP-Fraktion für einen Investitions- und Wachstumspakt ist genau die pragmatische Lösung, die Sie Ihren Parteimitgliedern angekündigt und versprochen haben. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie für unseren Vorschlag stimmen, um genau das einzulösen, was Sie den Menschen im Land versprochen haben.