Protocol of the Session on December 11, 2008

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2373

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die EU zu den Agrarsubventionen Ende November beschlossen hat, ist zwar formell ein Kompromiss, aber politisch ist es mehr: Es ist ein Schritt hin zu einer mehr der Nachhaltigkeit verpflichteten Landwirtschaft und vor allem ein Schritt weg von der Einzelförderung hin zur Strukturförderung. Wir als SSW begrüßen diesen Schritt sehr, zeigt er doch, dass die EU hier weiter ist als zum Beispiel die bundesdeutsche Politik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Während man hier noch auf Besitzstandswahrung setzte, hat man in Brüssel den ersten konkreten Schritt hin zu einer Umstrukturierung der Landwirtschaftspolitik gewagt.

Das Ganze geschieht dabei durchaus unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, in der der einzelne Landwirt stecken mag. Direkthilfen unter 5.000 € werden laut EU-Kompromiss nicht angetastet. Das heißt, die Kleinen werden geschont, und die Kürzung der Subventionen trifft nur die, die es verkraften können. Bekommt ein Landwirt oder auch ein Industrieunternehmen - schließlich haben auch diese landwirtschaftlich genutzte Flächen - mehr als 5.000 €, werden die Subventionen um 5 % gekürzt. Das heißt, auch hier bleiben 95 % bei den jeweiligen Betrieben und Unternehmen. Nur wenn ein Unternehmen mehr als 300.000 € Subventionen im Jahr erhält, sollen weitere 4 %, also insgesamt 9 %, gekürzt werden.

Betrachtet man dieses Modell, so kann man sagen, dass ein Großteil der Subventionen erhalten bleibt und somit die marktwirtschaftlichen Herausforderungen für die Landwirtschaft erst einmal nur begrenzt sind. Somit bleibt die Planungssicherheit bestehen, aber gleichzeitig werden in SchleswigHolstein 16 Millionen bis 17 Millionen € Agrarsubventionen freigesetzt, die jetzt anderweitig genutzt werden können und müssen.

(Minister Uwe Döring)

Die EU hat eindeutig das Ziel ausgerufen, dass die Subventionen für die Landwirtschaft, die eingespart werden, auch wieder dem Land zur Verfügung gestellt werden, aus dem sie entzogen wurden. Allerdings können diese nur abgerufen werden, wenn sie entsprechend kofinanziert werden. Diese Mittel müssen nun bereitgestellt werden, damit im ländlichen Raum investiert werden kann. Diese Investitionen können wichtige Impulse geben, die in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession nicht unterschätzt werden sollten. Die EU geht hier jedenfalls den richtigen Weg, indem mit dem EU-Geld zusätzliche Investitionen ausgelöst werden sollen, anstatt bestehende Strukturen nur zu subventionieren. Jeder Marktwirtschaftler sollte daher von dieser Idee angetan sein.

Ziel der Brüsseler Umverteilung ist es, Projekte zum Klima- und Naturschutz anzuschieben oder zur Entwicklung neuer Wirtschaftszweige im ländlichen Raum beizutragen. Hier bestehen insbesondere Chancen für Schleswig-Holstein. Bei der Regionalentwicklung sehen wir Chancen im Bereich der Breitbandversorgung im ländlichen Raum, die für neue Unternehmen sorgen könnte. Auch der Tourismus bietet im ländlichen Raum Möglichkeiten, eine Region weiterzuentwickeln. Wenn man bedenkt, dass die Gesamtförderung des Tourismus im unseren Land rund 2 Millionen bis 3 Millionen € jährlich beträgt - was die institutionelle Bezuschussung der Tourismusorganisation angeht -, ist die Gesamtsumme von 16 Millionen €, die zu vergeben ist, immens.

Auch die Agrar-Umweltmaßnahmen könnten besser gefördert werden. Würde man dies tun, würde man neue Einnahmemöglichkeiten für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum schaffen. Hier denke ich insbesondere an die Grünlandförderung und an die Extensivierung von Flächen. Schließlich ist in Schleswig-Holstein seit 2003 bundesweit am meisten Grünland umgebrochen worden, mit den entsprechenden nachteiligen Auswirkungen für den Naturhaushalt.

Welche Feststellungen können wir also treffen? Wir können erstens feststellen, dass der EU-Agrarkompromiss vom November nicht die Kleinbauern trifft, sondern eher die Großen der Branche und große Industriebetriebe. Zweitens können wir feststellen, dass die Kürzungen der Subventionen nicht so groß sind, als dass man von einer gravierenden Änderung sprechen müsste, die die Landwirtschaft in den Ruin treibt. Es bleibt somit die Planungssicherheit für die Betriebe bestehen. Drittens sind die

Mittel nicht verloren, sondern können für sinnvollere Maßnahmen als Subventionen genutzt werden.

Das alles ist ein kleiner Kompromiss mit einem deutlichen Fingerzeig, in welche Richtung die EUPolitik in dieser Frage gehen will, und das alles begrüßen wir.

Aufgabe des Landes ist es nun, hier möglichst viel daraus zu machen. Das setzt voraus, dass Programme umgestaltet werden und Geld in die Hand genommen wird, damit wir unsere ländlichen Räume mit dem frei werdenden Geld unterstützen können.

Dabei gilt es, mindestens die 16 Millionen bis 17 Millionen € wieder ins Land zu holen, die in Schleswig-Holstein bei den Subventionen rechnerisch gestrichen worden sind, und möglicherweise sogar nicht abgerufene Mittel anderer Länder für unser Land zu sichern. Hier erwarten wir im Ausschuss konkrete Angaben dazu, wie die Landesregierung genau dies umsetzen will.

(Beifall beim SSW)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Agrarsubventionen ist höchst undurchsichtig. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben kaum eine Chance, zu verstehen, was da in Brüssel vor sich geht, und das hat auch noch System.

Da ist von einer ersten und zweiten Säule die Rede, von „Modulation“ und „Cross Compliance“. Wer soll da noch durchblicken? - Die Menschen haben allerdings ein Anrecht darauf, zu verstehen, was mit ihren Steuergeldern passiert. Aber dies haben die Regierungsfraktionen ja schon einmal abgelehnt, als sie unseren Antrag zu mehr Transparenz bei der Vergabe von Subventionen abgebügelt haben.

EU-Agrarsubventionen sind unserer Auffassung nach kein Bauerngeld, sondern Steuergelder, die allen Menschen wieder zugute kommen sollen.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wir sind also gegen Direktzahlungen der sogenannten ersten Säule, wenn sie ohne wirksame so

(Lars Harms)

ziale und ökologische Qualifizierung verteilt werden.

(Günther Hildebrand [FDP]: Die haben wir doch!)

Durch die derzeitige Verteilung sind die Betriebe im Wettbewerb benachteiligt, die mehr Arbeitplätze zur Verfügung stellen oder besondere Produktqualitäten erzeugen.

Wir sind vielmehr dafür, dass solche Betriebe besonders gefördert werden, die nicht auf Masse, sondern auf Klasse setzen. Wir wollen insbesondere solche Betriebe fördern, die etwas für mehr Artenund Rassevielfalt tun, die sich um eine klimafreundliche und umweltfreundliche Produktion bemühen und die etwas für die Entwicklung der ländlichen Räume tun. Wir wollen also, dass mehr und mehr Geld in die zweite Säule fließt, die die Auszahlung wiederum an Bedingungen knüpft.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Meine Damen und Herren, die EU-Agrarförderung muss grüner werden. Die EU hat dies erkannt und beginnt - immerhin in kleinen Schritten -, diesen Weg zu gehen. Dabei hat sie die vier gesellschaftlichen Herauforderungen - Biodiversität, Klima, Wasser und regenerative Energien - zumal verbal in den Vordergrund gestellt. Als echte Reform will ich das nicht bezeichnen, aber es ist immerhin ein „Reförmchen“. Die Mittel sollen von heute 5 % auf 10 % im Jahr 2012 steigen und als Direktzahlungen in Richtung Förderung der ländlichen Räume fließen.

Schleswig-Holstein steht nun in der Pflicht, im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes geeignete Programme zu entwickeln, mit denen Klimaschutz, Artenerhalt und Wassermanagement in der Landwirtschaft besser verankert werden können. Die Gelder dürfen auf keinen Fall für einen Ausbau der auflagenlosen Investitionsförderung oder einer Beschleunigung der Industrialisierung der Landwirtschaft eingesetzt werden.

Wie schon im Bundesrat ist Landwirtschaftsministerin Aigner auch in Brüssel mit ihren Vorstellungen zur Milchpolitik weitgehend gescheitert. Denn die Erhöhung der Milchquote um jährlich 1 % bis 2015 konnte sie nicht aufhalten.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung war wichtiger Motor dieses Scheiterns. Sie war erfolgreich gegen die Interessen der ländlichen Wirtschaftsentwicklung in unserem Land. Dies wird die

Situation der bäuerlichen Milcherzeuger in Europa, aber auch weltweit deutlich verschärfen. Schon jetzt ist weit über Bedarf Milch auf dem Markt, organisiert durch eine gezielt zu hoch angesetzte Liefermenge. Das führt zu ruinösen Erzeugerpreisen und wird zur Existenzbedrohung für viele Betriebe auch in Schleswig-Holstein.

Die beschlossene Überprüfung der Marktlage in 2010 und 2012 ist da nur ein kleiner Hoffnungsschimmer und wird hoffentlich zu einer reellen Einschätzung der Situation genutzt. Als Trostpflaster wurde der Bundesregierung ein Milchfonds bewilligt, den die meisten Milchbauern allerdings so gar nicht wollen und der die Verluste aus der Mengenfreigabe nicht im Mindesten auffangen kann. Er ist nicht finanziert, und zudem darf er mit den Mitteln aus der zusätzlichen Modulation gespeist werden.

Das ist mehr als bitter. Denn hier werden Gelder, die dringend für die Herausforderungen der biologischen Vielfalt, den Klimaschutz, den Wasserhaushalt und erneuerbare Energien benötigt werden, für eine verfehlte Milchmengenpolitik geopfert.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Milchbauern und Umweltentwicklung werden gegeneinander ausgespielt. Wir fordern die Landesregierung auf, die von der EU für die zweite Säule zur Verfügung gestellten Mittel anzunehmen und kozufinanzieren. Die Verwendung der Gelder aus dieser zweiten Säule ist im Kern Ländersache. Wir appellieren daher an Sie, das Geld sinnvoll und verantwortungsbewusst zu investieren. Ein Milchfonds gehört aus unserer Sicht nicht dazu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU hat Herr Abgeordneter Claus Ehlers das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor kurzer Zeit hat die Europäische Union erneut die Agrarförderung verändert. Nach langen Diskussionen wissen wir nun, dass unsere schleswig-holsteinische Landwirtschaft über 17 Millionen € verlieren wird. Diese Mittel werden von der ersten in die zweite Säule umgeschichtet und fehlen auf den Höfen.

(Thomas Stritzl [CDU]: Hört, hört!)

(Detlef Matthiessen)

Angesichts der jüngsten negativen Entwicklung der Preise auf dem Getreidesektor und auf dem Milchsektor ist dies eine mehr als bedenkliche Entwicklung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Selbstverständlich muss uns daran gelegen sein, die dem Land zufließenden Modulationsmittel zu binden und sinnvoll einzusetzen. Die dafür erforderlichen Kofinanzierungsmittel müssen bereitgestellt werden. Für die zusätzlichen Modulationsmittel müssen dank der neuen Bundeslandwirtschaftsministerin nicht die üblichen 50 %, sondern nur 25 % kofinanziert werden.

Bemerkenswert ist für mich, dass die Reduzierung der Direktbeihilfen für manche Parteien offensichtlich überhaupt kein Problem darstellt und zugleich jeder Cent, um den der Milchpreis fällt, den regierungstragenden Parteien in Bund und Land angekreidet wird.

Fallende Milchpreise sind für viele Betriebe ein schwerwiegendes Problem, aber sinkende Direktbeihilfen sind es auch. Wer vorgibt, sich für unsere Landwirtschaft einzusetzen, macht sich mit einer selektiven Betrachtungsweise höchst unglaubwürdig. Auch hier gilt: Der Zweck heiligt die Mittel eben nicht.

So manche Entscheidung der Europäischen Union ist in Deutschland nicht auf viel Gegenliebe gestoßen. Oft genug wurde das, was als zuverlässig galt, umgestoßen. Die neue Prämienregelung, die in wenigen Jahren greift, muss längerfristig Bestand haben, um den Höfen verlässliche Plandaten zu bieten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das ständige Hin und Her der Agrarpolitik führt auf den Höfen zu Entscheidungen, die nur für den Moment gültig sind und viel Flexibilität erfordern. Das belastet insbesondere junge Betriebsleiter, die Zukunftsinvestitionen planen. Wenn es gelingt, die neuen Modulationsmittel zu binden - und davon gehe ich aus -, dann müssen sie für eine planbare und nachhaltige Landwirtschaft eingesetzt werden. Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit ist auch von der Politik abhängig. Das zu leisten, sind wir aufgerufen. Ich beantrage daher die Überweisung der beiden Anträge an den Umwelt- und Agrarausschuss.