Protocol of the Session on September 28, 2005

Wie Sie allerdings dem Bericht der Ministerin entnehmen konnten, war der Zeitpunkt nicht besonders glücklich gewählt, da aktuelle politische Entscheidungen der Kreise die Sozialstaffeln betreffen und die endgültigen Abrechnungen mit den Trägern, wie sollte es auch anders sein, erst am Ende des Jahres stattfinden. Statt dieses Berichtsantrages wäre es daher gescheiter gewesen, die Ministerin vielleicht einmal in einer Ausschusssitzung zu fragen, wann denn mit einem entsprechenden Bericht zu rechnen ist. Dann würden wir heute nicht über Eier diskutieren - entschuldigen Sie bitte den Vergleich -, auf denen die Hennen im Augenblick noch brüten.

(Heiterkeit bei der FDP - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ein Gesetz!)

Das entspricht in keiner Weise der Wichtigkeit dieses Themas.

Eines ist jedenfalls festzustellen: Nach wie vor ist es möglich, von Kindergartenbeiträgen befreit zu werden. Das gilt für Familien mit kleinem Einkommen. Meine Nachfragen haben ähnlich wie die der Ministerin ergeben, dass die Kreise sehr verantwortungsbewusst mit der Gestaltung der Sozialstaffel umgegangen sind und versucht haben, die Sozialstaffeln unter den Kreisen zu koordinieren und so für einigermaßen gleiche Verhältnisse zu sorgen.

Um die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geforderte Prüfung der Entwicklung der Inanspruchnahme von

(Heike Franzen)

Kindertagesstätten wirklich aussagekräftig vollziehen zu können, müssten eigentlich alle Eltern mit Kindern im Kindergartenalter gefragt werden. Für die Entscheidung zur An- und Abmeldung an den Einrichtungen können die unterschiedlichsten Gründe ausschlaggebend sein. Neben dem ohnehin notwendigen Grund des Übergangs in die Grundschule gibt es viele weitere Faktoren wie Umzug, den Wunsch, die Kinder so lange wie möglich im Elternhaus zu erziehen, unzureichende Öffnungszeiten und damit verbunden der Rückgriff auf eine Alternative oder aber auch Arbeitslosigkeit und die Steigerung von Elternbeiträgen, die für oder gegen die Inanspruchnahme einer Kindertagesstätte sprechen. Die letzten beiden Punkte scheinen sich im Augenblick auf diese Entscheidung auszuwirken. Das kann natürlich nicht Ziel einer Politik für ein familienfreundliches Land sein. Umso wichtiger wäre es gewesen, einen umfassenden Bericht der Landesregierung zu bekommen, um nicht nur Tendenzen erkennen zu können.

Ich gehe davon aus, dass wir uns alle darüber einig sind, dass die Kindertagesstätten Plätze vorhalten müssen, die für alle Familien in unserem Lande finanzierbar sind und die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherstellen.

Vor diesem Hintergrund des heutigen Standes mutet es sehr seltsam an, dass die grüne Landtagsfraktion in der letzten Woche mehrfach in der Presse das kostenfreie und verpflichtende letzte Kindergartenjahr forderte. Sollten sich die von der Ministerin zu Recht mit Sorge getragenen Entwicklungen bestätigen, dann rückt diese Forderung allein aus finanztechnischen Entwicklungen in den Bereich der Wunschträume und weckt unerfüllbare Hoffnungen.

Ihre letzte Forderung in ihrem Antrag, die Landesregierung möchte die Ergebnisse der Teilbereiche beurteilen und die Konsequenzen dieser Beurteilungen vorstellen, müssen aufgrund der bereits zu Anfang meiner Rede erläuterten Sachverhalte zum zeitlichen Ablauf dieses Berichtes entfallen. Die CDU-Fraktion hätte gern auf einer gesicherten Grundlage, dem Gesetz entsprechend, auch der Wichtigkeit der Kindertagesstätten entsprechend diskutiert. Das war heute nicht möglich, und daher empfehlen wir, den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke der Kollegin Heike Franzen und erteile nunmehr für die Fraktion der SPD der Kollegin Astrid Höfs das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank, Frau Ministerin, für den, wie ich so meine, ausführlichen Bericht bezüglich der neuesten Ergebnisse über die Sozialstaffelregelungen im Kindertagesstättenbereich - so wie er zurzeit möglich war.

Die Kreise und kreisfreien Städte sahen im letzten Jahr unzumutbare Mehrbelastungen durch das neue pauschalierte Verfahren bei der Berechnung der Grundsicherung auf sich zukommen. Das Landesausführungsgesetz zum SGB II sollte Kreise und kreisfreie Städte vor diesen unzumutbaren Mehrbelastungen bewahren.

In diesem Zusammenhang hatten zwei Kreise für erhebliche Diskussionen gesorgt - ich weiß, auch mein eigener Kreis -, weil ihre Sozialstaffeln zu erheblichen Mehrbelastungen einkommensschwacher Familien führten. Gut, dass diese Kreise ihre Sozialstaffeln inzwischen geändert haben, wobei ich hoffe, dass diese Änderungen auch für die nächsten Kindergartenjahre gültig sind. Die Kindergartenjahre verlaufen ja bekanntlich nicht parallel zum Kalenderjahr und so wurden die Ermäßigungsbescheide bis zum Ende der Kindergartenjahre befristet ausgestellt. Es ist daher bedauerlich, dass eine präzise Überprüfung dieser Auswirkungen der 85-%-Regelung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Es wird eben deutlich, dass mit Statistik nicht alles geklärt und bewiesen werden kann.

Es wäre schon interessant zu erfahren und auch von Bedeutung, ob insbesondere Familien mit geringem Einkommen ihre Kinder aus der Kindertagesstätte abgemeldet haben oder ob das bloße Vermutung geblieben ist. Aber Vermutungen, wissen wir, gehen nicht in die Statistik ein. Es war jedenfalls vor Monaten von Abmeldungen in Kindertagesstätten im Zusammenhang mit der neuen Regelung die Rede. Vielleicht ist aber auch die geänderte Regelung der beiden Kreise für einige Familien zu spät gekommen.

Die finanzielle Situation vieler Familien, so wissen wir, ist schon angespannt, und die betroffenen Kinder besuchen vielleicht keine Kindertagesstätte mehr. Wir kennen aber auch die Haushalte der Kreise und kreisfreien Städte. Wir kommen alle aus einem ländlichen Kreis. Auch die kreisfreien Städte hatten ihre Probleme. Für das Jahr 2005 wird eine Steigerung gegenüber 2004 für die Sozialstaffel erwartet.

Einerseits ist es schon erfreulich, so finde ich, dass die Kreise und kreisfreien Städte so erhebliche Mittel für die Arbeit in den Kindertagesstätten bereitstellen. Auch das Land stellt einen erheblichen Betrag von

(Astrid Höfs)

60 Millionen € jährlich zur Verfügung. Bedauerlicherweise ist es aber auch so, dass viele Eltern von Beitragserhöhungen betroffen sind. Beitragserhöhungen sind im Moment eher schädlich. Zurzeit diskutieren wir den Bildungsauftrag in Kindertagesstätten. Dieses qualitative Angebot sollte jedem Kind zugute kommen, damit die Schulzeit mit einem guten Start beginnt. Spätestens seit PISA wissen wir, dass in Kindertagesstätten und Grundschulen die Weichen für den zukünftigen Bildungsweg gestellt werden. Wir müssen also weiterhin unsere ganze Aufmerksamkeit auf den Bereich der Kindertagesstätten konzentrieren, damit es für die Kinder nicht zu Verwerfungen kommt.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke der Kollegin Astrid Höfs und erteile nunmehr das Wort für die Fraktion der FDP dem Kollegen Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich stelle zunächst einmal trotz oder gerade aufgrund der Rede der Kollegin Franzen fest, der gesetzlich verankerten Verpflichtung, dem Landtag einen Bericht über das Ergebnis der Überprüfung vorzulegen, ist die Landesregierung bis heute nicht nachgekommen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kollegin Franzen, in aller Ehre, wie Sie sich hier vor die Bildungsministerin geschmissen haben, aber Parlamentarier entscheiden immer noch selbst, wann sie davon Gebrauch machen, wann ein solcher Bericht vorgelegt werden soll oder muss, und sind nicht davon abhängig, ob es der großen Koalition in den Kram passen mag.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kann natürlich sein, dass uns der Bericht noch nicht vorgelegt wurde, weil die große Koalition nach fast drei Monaten immer noch mit der umfassenden Auswertung des Materials beschäftigt ist. Insofern dürfen wir einen ausgewogenen zweiten Bericht erwarten. Es kann allerdings auch sein, Frau Kollegin Franzen - ich will das nur als Frage in den Raum stellen -, dass der Kultusministerin, der Landesregierung, die Ergebnisse, die anstehen, vielleicht schlicht und ergreifend nicht passen und deshalb der Berichtsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Unzeit gekommen ist.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

So oder so hat aus meiner Sicht die Kollegin Heinold Recht, wenn sie einen zweiten Bericht fordert. Denn worum geht es? Welche Auswirkungen hat die Änderung im Kindertagesstättengesetz für Hartz-IVEmpfänger? Welche Mehr- oder Minderbelastungen ergeben sich daraus für die Kommunen? Das sind die Fragen, die wir uns als Gesetzgeber regelmäßig stellen müssen, wenn wir den Kommunen vor Ort Vorgaben machen, gerade dann, wenn von Anfang an erkennbar war, dass Hartz IV in seiner praktischen Umsetzung zu erheblichen finanziellen Verwerfungen in den Kommunen führen wird und letztlich auch geführt hat.

Umso wichtiger ist deshalb zu wissen, wo es in der praktischen Ausgestaltung bis heute hakt, damit man dann rechtzeitig nachsteuern kann, zumal die finanziellen Auswirkungen der so genannten Hartz-IVReform in den Kommunen immer noch nicht absehbar sind, wie in der letzten Woche der Landesrechnungshof festgestellt hat.

Zu Beginn des Jahres war bereits festzustellen: Es sind weit weniger echte Leistungsempfänger als in den Jahren davor in den Genuss der Sozialstaffelregelungen gekommen. Die Leistungsempfänger standen plötzlich vor der unlösbaren Aufgabe, aus ihrer pauschalierten Leistung auch noch Elternbeiträge leisten zu müssen, die für sie bislang nicht angefallen waren. Auch das ist ein guter Grund dafür, den Berichtsantrag hier und heute zu stellen und nicht irgendwann, wenn es der großen Koalition vielleicht einmal in den Kram passt.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir alle haben noch die verschiedenen Meldungen vor Augen, in denen sozial Schwache, Alleinerziehende und neue Hartz-IV-Empfänger ihre Kinder aus Kindertagesstätten abgemeldet haben - sie wurden abgemeldet, Frau Kollegin Franzen, in welchem Umfang auch immer; ich wüsste gern genauer, in welchem Umfang das passiert ist -, da sie sich eine Kinderbetreuung nicht mehr leisten konnten. Gerade die für diesen Personenkreis notwendigen Sozialstaffeln griffen nicht mehr.

Viele Kommunen haben daraufhin ihre Sozialstaffeln in der ersten Jahreshälfte geändert und angepasst. Die spannende Frage ist doch: Sind diese Änderungen bei den Bedürftigen tatsächlich angekommen oder hat es eben noch nicht ausgereicht? Zweifel bestehen da

(Dr. Heiner Garg)

schon, dass es nicht ausgereicht hat, dass die Änderung bei den Betroffenen nicht angekommen ist.

(Zuruf)

- Deswegen hätte ich mir von Ihnen als Parlamentarierin eigentlich Unterstützung darin erwartet, dass unser Informationsbedürfnis gestillt wird und wir hier nicht mit einem allgemeinen „Ich-habe-keine-weiteren-Daten“-Gepuste abgespeist werden.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landeszuschuss zu den Personalkosten wird auf 60 Millionen € gedeckelt und die Anforderungen an die Arbeit in den Kindertagesstätten sind gestiegen und werden weiter steigen. Es kommen erhebliche zusätzliche Belastungen auf die Kindertagesstätten und deren Träger zu. Da wird für unsere Kindertagesstätten ein ganzheitlicher Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsauftrag vonseiten des Landes eingefordert. - Gut so! Kinder sollen nicht etwa für einige Stunden aufbewahrt, sondern für ihr Leben bereits früh fit gemacht werden. - Auch gut so!

Dieses Mehr an Bildungsleistung soll in den Kindertagesstätten im Rahmen der bisherigen Arbeitszeiten erwirtschaftet werden. Es grenzt geradezu an Zauberei, wenn dies durch einfaches Umdenken bei der pädagogischen Arbeit erfolgen soll, wie Bildungsstaatssekretär Meyer-Hesemann glauben machen will. Die Realität sieht aus unserer Sicht anders aus. Die Kommunen stehen als Träger der Kindertageseinrichtungen in dem Dilemma, die Mehrkosten, die allein schon aus Tariferhöhungen des Personals entstehen, erwirtschaften zu müssen. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn am Personal gekürzt wird, Gruppen vergrößert werden und Kindergartenbeiträge landesweit bei durchschnittlich mittlerweile 170 € pro Kind und Monat liegen. Zum Vergleich: In BadenWürttemberg liegen die durchschnittlichen Kosten bei rund 80 € pro Kind und Monat.

Liebe Frau Kollegin Franzen, die zentrale Frage ist doch: Welche Strukturen werden geschaffen, die gerade Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern ausgrenzen, oder können Sozialstaffeln hier einen entsprechenden Ausgleich schaffen?

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sind aufgrund der Kostensituation die Kommunen überhaupt noch dazu in der Lage? Diese Fragen sollten wir hier nicht abschließend einfach zur Kenntnis nehmen, sondern im Ausschuss intensiv diskutieren.

Vielleicht gestatten Sie mir zum Abschluss noch eine Bitte: Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kann ich ja nachvollziehen, dass es sehr elegant ist, bei allem, was unbequem ist, zu sagen: Wir machen das schon irgendwann einmal. Ich glaube aber nicht, dass es der Diskussionskultur, dem Informationsbedürfnis und der Gesprächskultur entspricht, immer nur so tun, als ob die Regierung schon irgendwie mit irgendetwas beschäftigt sei und die Oppositionsabgeordneten den Mund zu halten hätten.

Liebe Kollegin von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ich bedanke mich für Ihren Antrag.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Gruppe der Abgeordneten des SSW erteile ich dem Kollegen Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch das Gesetzgebungsverfahren für die Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für Schleswig-Holstein, beschlossen im November 2004, hat die vielfältigen Probleme bei der Umsetzung von Hartz IV vor Ort wieder einmal bestätigt. Zum einen sollte das damalige Landesausführungsgesetz die Umsetzung von Hartz IV in Schleswig-Holstein sichern, und zwar so, dass die Kommunen und die Kreise auch wirklich ihren Anteil der vom Bund versprochenen Entlastung von bundesweit 2,5 Milliarden € bekommen - wir alle wissen, dass diese Entlastung nicht kommen wird; das werden wir ja auch noch in der Debatte über die Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes diskutieren können -, zum anderen hatte der SSW damals große Probleme mit einer anderen Folge dieses Gesetzes, nämlich mit der Kürzung der Sozialstaffelung im Kita-Bereich auf 85 %.

Auf den ersten Blick schien der von der Landesregierung vorgeschlagene Weg zwar akzeptabel, da sich der Regelsatz für Sozialhilfeempfänger zum 1. Januar 2005 von 296 € auf 345 € erhöht hat, denn die Kürzung der Sozialstaffel auf 85 % bedeutete, dass die Sozialstaffel ab der Einkommensgrenze von 293 € Euro gilt, also in etwa auf gleichem Niveau wie bisher. Das Problem liegt aber darin, dass die Regelsätze seinerzeit angehoben worden sind, weil man in Zukunft nicht damit rechnen kann, dass es noch Hilfe zum Lebensunterhalt als individuell zu beantragende Einzelhilfe für definierte Leistungssituationen geben wird. Also werden die Sozialhilfeempfänger durch Hartz IV am Ende nicht besser gestellt sein und des

(Lars Harms)