die im Lande vielleicht auch nicht ohne ihr Zutun entstandene negative Stimmung gegen die Europäische Richtlinie und gegen den Naturschutz im Allgemeinen zu schüren und anzuheizen.
Es ist das gleiche Spiel, Frau Kollegin Todsen-Reese, wie bei den früheren Tranchen zu NATURA 2000, wie beim Landschaftsprogramm oder wie beim Nationalparkgesetz.
Trotz aller Lippenbekenntnisse zum europäischen Netz NATURA 2000 muss festgestellt werden, dass sich die CDU nach wie vor eher von Einzelinteressen als von der gesamteuropäischen Verpflichtung zum Arten-, Biotop- und Naturschutz - leiten lässt.
Einen Moment, Herr Abgeordneter! - Frau Abgeordnete Todsen-Reese, Zwischenrufe sind guter parlamentarischer Brauch, Zwischenreden nicht.
Sie kosten vor allem meine Redezeit. - Seit Ende der 80er-Jahre trieb der damalige Umweltminister Klaus Töpfer mit Billigung der schwarz-gelben Bundesregierung unter Helmut Kohl angesichts des europaweit anhaltenden Artenrückgangs die europäische Einigung auf ein kohärentes Naturschutznetz voran. Nachdem die Vogelschutzrichtlinie bereits 1979 verabschiedet wurde, gilt die 1992 im Jahre der RioKonferenz und von der Agenda 21 von allen Mitgliedstaaten der EU einstimmig verabschiedete Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume so
wie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - Flora-, Fauna-, Habitatrichtlinie: auch und vor allem Töpfers Werk - und auch die CDU-geführte Regierung und die deutschen Bundesländer stimmten der FFHRichtlinie zu. Seitdem, aber zumindest seit der nach jahrelangem Verzögern im Frühjahr 1998 durch die damalige Umweltministerin Merkel endlich erfolgten Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes sind die Regelungen und Verfahren der europäischen Naturschutzrichtlinie bekannt und müssen auch Ihnen bekannt sein, Frau Todsen-Reese. Sie sind in zahlreichen Workshops und Parlamentsdebatten ausdiskutiert und von vielen europäischen Gerichten auch juristisch nach allen Seiten abgeklopft worden. Die CDU hätte also genug Zeit gehabt, sich umfassend zu informieren. Statt aber die in das neue Landesnaturschutzgesetz übernommenen bundeseinheitlichen Regelungen über die Meldung der FFH-Gebiete zur Kenntnis zu nehmen, werden Nebelkerzen geworfen und negative Stimmungen angeheizt.
Was den Deich und das Gewerbegebiet in Lauenburg angeht, Frau Kollegin, hätten Sie das Protokoll zu Ende lesen sollen, das Ihnen vorliegt. Staatssekretär Knitsch hat deutlich gemacht, dass es in der Frage Lauenburg um Hochwasserschutz geht und nicht um ein FFH-Gebiet. Ich denke, der Minister wird darauf noch etwas erwidern.
Die Schaffung des Biotop-Verbundsystems NATURA 2000 ist die wichtigste Maßnahme des beginnenden 21. Jahrhunderts, um unser bedrohtes europäisches Naturerbe, die natürlichen Lebensräume und die gefährdeten wildlebenden Tiere und Pflanzen dauerhaft zu schützen und weiterzuentwickeln. Die FFH-Richtlinie sieht dazu vor allem die Einrichtung von Schutzgebieten vor, die mit den nach der Vogelschutzrichtlinie auszuweisenden Vogelschutzgebieten das zusammenhängende kohärente ökologische Netz NATURA 2000 bilden. Alle Mitgliedsländer der EU haben sich verpflichtet, dazu Beiträge zu leisten. In der Bundesrepublik Deutschland sind dafür die Länder zuständig.
Die SPD-Landtagsfraktion bekennt sich zur Verantwortung, das europäische Naturerbe in SchleswigHolstein durch die Meldung von NATURA 2000Gebieten zu schützen. Wir fordern die Landesregierung auf, für eine vollständige und abschließende Meldung von FFH- und Vogelschutzgebieten zu sorgen.
Die Kriterien für die Auswahl der Gebiete ergeben sich rechtlich bindend aus dem Anhang 3 der FFHRichtlinie. Für bestimmte Lebensraumtypen müssen etwa die Gebiete ausgewählt werden, die besonders charakteristisch ausgeprägt sind. Im Bereich des Artenschutzes soll durch die Gebietsauswahl zum Beispiel einer weiteren Verinselung der Bestände wildlebender Arten vorgebeugt werden. Weder die Verfahren, Frau Kollegin Todsen-Reese, noch die naturschutzfachlichen Kriterien für die Auswahl der Gebiete wurden von der rot-grünen Landesregierung, sondern von der Regierung Kohl auf europäischer Ebene mit ausgehandelt.
Dabei ist seinerzeit - das müssen Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben - kein formales Beteiligungsverfahren festgelegt worden. Dennoch führt die Landesregierung im Sinne eines breit angelegten gesellschaftlichen Konsenses auf freiwilliger Basis seit der zweiten Tranche ein Informations- und Beteiligungsverfahren durch. Dafür herzlichen Dank, Herr Minister.
Neben der Verbändebeteiligung können alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes die Vorschläge, vorkommende Lebensraumtypen und Arten sowie Abgrenzung einzelner Flächen einsehen und eigene fachliche Vorschläge für neue Gebiete einreichen.
Der Europäische Gerichtshof hat im September 2001 die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Meldungen von FFH-Vorschlagsgebieten verurteilt und erhebliche Vertragsstrafen angedroht. In dem Urteil wird deutlich, dass die Länder lediglich im Naturschutzfachlichen einen Ermessensspielraum haben. Dieser Ermessensspielraum wird in Schleswig-Holstein so ausgenutzt, dass nicht alle Vorkommen von Lebensraumtypen oder -arten gemeldet werden sollen, sondern ein besonders repräsentativer Anteil. Ein entsprechendes naturschutzfachliches Ermessen liegt der jetzt vorliegenden Auswahl zur Nachmeldung der dritten Tranche zugrunde. Natürlich wurden dabei die Gebiete besonders berücksichtigt, die sich im Landes- und Kommunalbesitz sowie im Besitz der Stiftung Naturschutz befinden. Mit über 10.300 ha Fläche gehört mehr als die Hälfte des Stiftungslandes, genau 53 %, zu den gemeldeten FFHGebieten.
Bis zum Jahre 2000 wurden der EU-Kommission von Schleswig-Holstein 123 Gebiete über das Bundesumweltministerium vorgeschlagen. Die fachliche
Bewertung dieser Gebietsmeldungen erfolgte im Auftrag der EU-Kommission durch das European Topic Center on Nature Protection and Biodiversity (ETC). Das wissenschaftliche Seminar im Juni 2002 für die atlantische biogeografische Region stufte von 64 bewerteten Lebensraumtypen lediglich für 29, also weniger als die Hälfte, die bislang gemeldeten Gebiete als ausreichend ein. Von 50 bewerteten Arten wurden lediglich für 15 die bislang gemeldeten Gebiete als ausreichend angesehen.
- Nein, Herr Kollege, das stimmt nicht, es geht um die atlantische biogeografische Region, und Bayern gehört dazu beispielsweise nicht.
Ähnliche Ergebnisse wurden auch für die zweite uns betreffende Region, die kontinentale biogeografische Region, ermittelt. Die Seminarergebnisse insgesamt führen dazu, dass die Bundesrepublik insgesamt - auch NRW - zu erheblichen Nachmeldungen aufgefordert wurde. Über NRW geistert immer durch die Welt, dass man dort besonders gut sei. Die sind nur besonders spät dran.
Um einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof mit erheblichen Zwangsgeldzahlungen und dem damit verbundenen Ausfall von EU-Fördermitteln vorzubeugen, hat die Landesregierung in einer dritten Tranche insgesamt 240 Gebiete zur Nachmeldung ausgewiesen. Was ein Zwangsgeld von 700.000 € pro Tag für die Bundesrepublik auf Schleswig-Holstein umgerechnet bedeutet, können Sie ausrechnen. Im Gegenzug hat die Kommission versprochen, das laufende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland zunächst auszusetzen. Das Umweltministerium hat durch Zuleitung umfangreicher Unterlagen an alle Abgeordneten, durch eine vorbildliche Internetpräsenz sowie durch umfassende Informationen im Umweltausschuss die Inhalte der dritten Tranche und das weitere Verfahren im Bereich FFH erläutert. Wir begrüßen, dass die Anhörungsfrist im öffentlichen Informationsverfahren bis zum 31. Oktober verlängert worden ist.
Die Gebietsvorschläge in der Größenordnung von zirka 51.000 ha wurden auf der Grundlage einer vom Bundesamt für Naturschutz erarbeiteten und in allen Ländern der Bundesrepublik angewendeten Methodik erarbeitet. Dies hat zur Folge, dass der Anteil der FFH-Gebiete an der Landesfläche um 3,2 % auf zirka
7 % erhöht wird. Zugleich laufen die Vorbereitungen für die Nachmeldung weiterer Gebiete, die die fachlichen Voraussetzungen der Vogelschutzrichtlinien erfüllen, für die die EU ebenfalls weitere Gebietsvorschläge angemahnt hat. Im LANU werden die von der Kommission direkt benannten Gebiete wissenschaftlich bewertet. Ferner werden naturschutzfachlich begründete Abgrenzungsvorschläge erarbeitet. Dieses Vorgehen wurde im Übrigen von einer Delegation des Umweltministeriums mit der EU-Kommission abgestimmt.
Mit diesen Nachmeldungen korrigiert die Landesregierung die Versäumnisse früherer Jahre, als Warnungen von Naturschutzfachleuten über Abweichungen von den von der EU verlangten Kriterien nicht genügend Gehör fanden. Das ist aber nicht allein ein schleswig-holsteinisches Problem; alle Länder der Bundesrepublik sind davon gleichermaßen betroffen.
Wir wissen, dass für die NATURA 2000-Gebiete ein Verschlechterungsverbot gelten wird. Dies beinhaltet, dass sich die Situation der zu schützenden Lebensräume und Arten nicht verschlechtern darf. Zugleich gilt aber, dass die bisherigen ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen, wirtschaftlichen, touristischen und sportlichen Aktivitäten - einschließlich des Küstenschutzes - weiterhin ausgeübt werden dürfen. Frau Kollegin, das versuchen Sie zu vernebeln.
In Städten und Gemeinden genießen alle Planungen aufgrund rechtskräftiger Bebauungspläne Bestandsschutz.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kayenburg, irgendwann müssen Sie doch mal begreifen!)
Die Gebiete, die von der EU in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen werden, sind innerhalb von sechs Jahren - und nicht wie Sie, Frau Todsen-Reese, immer behaupten, bis zum Jahre 2004 - dauerhaft zu sichern. Dies kann durch Maßnahmen wie Schutzgebietsausweisung oder Vertragsnaturschutz geschehen. Wenn Schutzgebiete ausgewiesen werden, dann ist es völlig klar, dass in jedem Einzelfall die nach Landesrecht vorgesehenen Beteiligungsverfahren durchgeführt werden.
- Ich komme zum Schluss. - Dabei kann es natürlich sein, dass für nicht mehr durchzuführende Nutzungen Entschädigungsansprüche entstehen. Es handelt sich bei diesem Vorgehen also keineswegs um eine kalte Enteignung, wie Sie versuchen, es im Lande zu behaupten.
Wir fordern die Landesregierung mit unserem Antrag auf, dass auch der Vertragsnaturschutz anerkannt wird.
Sie sehen, der CDU-Antrag ist in mancher Hinsicht heiße Luft. In anderer Hinsicht ist er eher geeignet, Sachverhalte zu verbiegen, statt sie aufzuklären. Ich hoffe, die heutige Debatte trägt dazu bei, die Debatte wieder zu versachlichen. Wir sind nicht nur in unseren Wahlkreisen, sondern auch im ganzen Land aufgefordert, an dieser Versachlichung mitzuwirken, und so Schleswig-Holstein auch in diesem Bereich vorbildlich und vor allem für die Zukunft unserer Kinder sicher und schön zu machen.