Protocol of the Session on August 28, 2003

Deshalb schließen wir uns der Forderung der FDP nach einer wissenschaftlichen Beurteilung und Bewertung von Studienreferendaren und Lehramtsanwärtern gern an. Ebenso unterstützen wir auch unter Kostengesichtspunkten den Vergleich mit dem neuen Modell.

Am Ende wird die Zukunft der Lehrerbildung in Schleswig-Holstein allerdings nicht von Wissenschaftlern, sondern von der Politik entschieden. Deshalb sollte uns die Bildungsministerin drei Fragen beantworten:

Erstens. Warum ändern Sie die Referendariatsausbildung in Schleswig-Holstein? Wo gibt es den empirischen Nachweis, dass die jetzige Lehramtsanwärterausbildung schlecht ist? Wie bei jeder der zahlreichen Reformen muss derjenige, der etwas ändern will, doch zunächst einmal nachweisen, dass der jetzige Zustand schlecht und der angestrebte Zustand besser als der alte ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zweitens. Was ist das eigentliche Leitmotiv und was ist die tragende Philosophie Ihrer Reform des Referendariats? Die angeführte Praxisnähe kann es nicht sein, weil die derzeitige Referendariatsausbildung bereits praxisnah ist. Sie geschieht an den Schulen durch Studienleiter, die selbst lange Jahre lang Praktiker waren oder es neben ihrer Tätigkeit als Studienleiter auch weiterhin noch sind.

Drittens. Warum fügen Sie nicht einige sinnvolle Änderungen hinzu, wenn Sie schon an die Referendariatsausbildung herangehen?

Ein Punkt, der veränderungsbedürftig ist, an den Sie aber nicht herangehen, ist die bessere Verzahnung der ersten und zweiten Phase der Lehrerausbildung, sprich: eine bessere inhaltliche wie personelle Verzahnung des Studiums mit dem Referendariat. Bislang sind das Studium und das Referendariat für den Lehramtsanwärter zwei fast voneinander getrennte Welten mit unterschiedlichen Erfahrungen und oftmals auch mit kaum kompatiblen Lerninhalten. Hier gibt es aus unserer Sicht tatsächlich ein Feld für Verbesserung, das von Ihnen allerdings im Moment nicht beackert wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun noch einige Anmerkungen zu dem neuen Konzept für die Referendarausbildung. Ich komme erstens auf die Ausbildungsschulen zu sprechen. Wir haben in der CDUFraktion die große Sorge, dass es durch die Konzentration auf eine bestimmte Zahl von Ausbildungsschulen zu einer mindestens sehr starken Belastung, wenn nicht sogar zu einer Überlastung durch den Ausbildungsbetrieb kommt. Es muss sichergestellt sein, dass der normale Schulbetrieb nicht darunter leidet, dass die Schule eine Ausbildungsschule ist, genauso wie gewährleistet sein muss, dass die Ausbildung der Referendare nicht dadurch leidet, dass sich zu viele an eine Schule drängen. Inwieweit die zwei Entlastungsstunden pro Referendar den Mentoren ausreichen, wird noch abzuwarten sein.

Zweitens die kleinen Fächer! Nach den Rückmeldungen, die wir in der CDU-Fraktion haben, ist es durchaus möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass insbesondere die Lehrerbildung in den kleinen Fächern durch das Prinzip der Ausbildungsschulen in Schwierigkeiten gerät. Sehr wenige Fachlehrer müssten dann die Referendare betreuen. In Mangelfächern würde es auch nicht möglich sein, die durch die Ausbildung gebundene Zeit der Lehrkräfte mit Hilfe anderer Lehrkräfte auszugleichen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Drittens zum Thema der Vergleichbarkeit! Die Dezentralisierung der Referendariatsausbildung läuft Gefahr, die Vergleichbarkeit der Ausbildungsleistung und die Standards infrage zu stellen, vielleicht sogar zu unterlaufen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

In diesen Zusammenhang gehört auch ein ganz großes Fragezeichen, nämlich ob es dauerhaft gelingen kann, die Mentoren an den Ausbildungsschulen tatsächlich kontinuierlich auf den neuesten Stand der Didaktik zu bringen und auf diesem Stand zu halten, wie es in den Landesseminaren bisher jedenfalls der Fall gewesen ist.

(Uwe Greve)

Viertens schließlich zum Thema der Lerngruppen! Wir sind aus grundsätzlichen Erwägungen dagegen, dass die Lerngruppen an den Seminaren aufgelöst werden. Wir sind der Überzeugung, dass diese Lerngruppen sehr wohl zum Bildungsprozess der Lehrerausbildung beitragen. Wir sind uns sicher, dass ein solcher Austausch von Referendaren unterschiedlicher Schulen und der Studienleiter den Theorie- beziehungsweise den Praxisbezug stärkt und der Ausbildung gut tut.

Schon an diesen wenigen Anmerkungen ist zu erkennen, dass das neue Konzept nicht besser ist als das alte. Deshalb werden wir diese Reform nicht unterstützen. Es sollte in der Politik das Gesetz gelten: Reformen haben nur einen Sinn, wenn das Neue wirklich besser ist als das Alte.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir lehnen den FDP-Antrag ab. Herr Dr. Klug, zu Beginn der Reformdiskussion hat eine Berechnung der unterschiedlichen Modelle der Lehrerbildung durch das Ministerium stattgefunden. Das Ministerium hat dazu eine Expertise in Auftrag gegeben. Wir haben ausführliche Papiere zu diesem Thema erhalten und auch eine ausführliche Diskussion geführt, die auch im Bildungsserver dokumentiert war. Wir können also nicht sagen, dass diese Reform über Nacht gekommen ist oder dass ihr keine Zahlen zugrunde liegen. Man könnte natürlich sagen, dass über das, was jetzt neu kommt, im Bildungsausschuss vor der Einführung gründlicher hätte diskutiert werden sollen. Das ist ein anderes Kapitel. Jetzt aber durch erneute Zahlenspielereien Veränderungen vornehmen zu wollen, Herr Dr. Klug, ist ein Holzweg.

Wir begrüßen, dass aufgrund der Neuordnung des Referendariats endlich ein neues Prinzip gilt. Ich formuliere es einmal so: Der Coach ist nicht der Chef. Wir haben in der Vergangenheit durch die Mentoren und auch durch die Seminarleiterinnen und Seminarleiter eine sehr große Nähe zu dem Lernprozess der Referendarinnen und Referendare gehabt, die weit über das hinausgeht, was man als übliches LehrerSchüler-Verhältnis bezeichnen kann. Wenn man jemanden wirklich gut beraten will, wie Unterricht zu gestalten ist, muss man nach heutigen modernen

Lernmethoden auch Dinge besprechen, die die Persönlichkeit des zukünftigen Lehrers betreffen. Man muss dabei auch auf bei der späteren Notenerteilung nicht geeignete Dinge zu sprechen kommen. Ich formuliere es einmal so vorsichtig, weil dieser Prozess auch leicht ins Lächerliche gezogen werden kann. Es gibt nicht wenige gute Pädagoginnen und Pädagogen, die sagen: Das Referendariat war das Traumatischste, was ich während meiner Berufslaufbahn erlebt habe.

Tatsächlich für ein modernes Lernen zu sorgen ist der Auftrag, den sich das Bildungsministerium gestellt hat. Wir brauchen jetzt allerdings eine Offensive unter dem Motto „Train the trainer“, damit die zukünftigen Referendarinnen und Referendare nicht vom Regen in die Traufe geraten und damit die Praxisbewährung nicht so formuliert wird, dass das, was immer gut war, auch für die nächste Generation gut ist. Wir müssen tatsächlich gewährleisten, dass die Referendarinnen und Referendare nicht einfach das weiter vollziehen, was sich irgendwo - vielleicht auch als Trott - in irgendeiner Schule eingeschlichen hat. Wir müssen vielmehr tatsächlich zu den neuesten Lernmethoden kommen und es muss eine Verbindung zwischen der Praxis und den Hochschulen geben.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei unserem Besuch in Finnland hat uns jedenfalls sehr beeindruckt, dass dort die jungen Studierenden schon von Anfang an, mit Beginn der ersten Phase gemeinsam mit ihren Professorinnen und Professoren an so genannte Ausbildungsschulen gehen und gemeinsam mit den dortigen Praktikern, die später Mentorinnen und Mentoren sind, festlegen, welchen Aufgaben sie sich widmen wollen, etwa der Unterrichtsbeobachtung, der internen Schulentwicklung und in diesem Rahmen auch dem Lernen für die zukünftigen Fachkräfte. Das ist innovativ. Das ist auch der Grund, weswegen wir als Zielperspektive immer noch an einer einphasigen Lehrerbildung festhalten.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir hoffen nun, dass wir uns diesem Ziel mit dem neuen Schwung und der neuen Leitung, die das IQSH hat, nähern können. Wir sagen dies auch ganz bewusst vor dem Hintergrund der Debatte, die wir in der nächsten Sitzung über die Zukunft des ersten Teils der Lehrerbildung in Kiel und Flensburg führen werden. Auch wir haben noch eine gewisse Portion Skepsis gegenüber dem neuen Konzept. Wir haben noch eine Reihe von Fragen. Wir erwarten selbstverständlich die angekündigte Evaluation und auch die angekündigte ständige Berichterstattung des Ministeriums

(Angelika Birk)

gegenüber dem Parlament, um - falls sich tatsächlich herausstellt, dass sich bestimmte Prinzipien nicht bewähren - nachsteuern zu können.

Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen zum Thema des eigenverantwortlichen Unterrichts machen. Dieser umfasst in Schleswig-Holstein mehr Stunden als anderswo. Darüber haben wir von den Referendarinnen und Referendaren allerdings keine Klagen gehört. Klagen hören wir hingegen nach wie vor über die geringe Bezahlung in dieser Ausbildungsphase. Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass wir in Schleswig-Holstein besonders viel eigenverantwortlichen Unterricht leisten lassen. Hier haben wir - darin sind sich alle Bildungspolitiker in diesem Hause einig - auch angesichts unseres schwierigen Haushaltes noch viele dicke Bretter zu bohren. Ich möchte hier noch einmal in Erinnerung rufen: Wenn wir gute Leistungen verlangen, müssen wir es den Referendarinnen und Referendaren auch ermöglichen, dass sie sich während ihrer Ausbildung nicht an das Sozialamt wenden müssen.

Wir setzen darauf, dass sich die Zusammenarbeit zwischen erster und zweiter Lehrerbildungsphase verbessert. Wir werden jedenfalls die Neuordnung des Studiums und des Referendariats an diesem Maßstab messen und hoffen auf eine angeregte Debatte im Bildungsausschuss. Es sollte dann allerdings keine neuen Zahlenspielereien geben, sondern es sollte über die Ziele und über die praktikablen Wege, diese Ziele zu erreichen, gesprochen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt seiner Sprecherin, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während Punkt 1 des vorliegenden FDP-Antrages noch als ergebnisoffen verstanden werden kann, wird in den Punkten 2 und 3, wie ich meine, eindeutig eine Richtung vorgegeben. Ich wage zu behaupten, dass es dem Kollegen Klug mehr um den Erhalt der Regionalseminare als um die zweite Phase der Lehrerbildung geht. Das ist, wie ich finde, ganz legitim. Ich hätte mir aber gewünscht, dass dies, wenn dem so ist, im Antrag auch klarer zum Ausdruck gekommen wäre. Stattdessen werden Behauptungen aufgestellt, die es in sich haben. Ich zitiere aus dem Antrag:

„Die mit einer Verlagerung der Referendarausbildung an die Schulen verbundene Atomisierung der Ausbildung und die Vereinzelung der Lehramtsanwärter und Referendare im Ausbildungsprozess bergen damit in sich das Risiko einer Entprofessionalisierung, das heißt einer Verschlechterung der Lehrerbildung.“

Wieso eigentlich? - So könnte man hier fragen.

Hinzu kommt, dass der Kollege Klug von vornherein davon ausgeht, dass die von der Landesregierung gewollte Reform erhebliche Kosten nach sich ziehen beziehungsweise eine große Zahl von Lehrerstellen in Anspruch nehmen würde. Damit meine ich nicht, dass es keine relevante Frage ist, nach den Kosten der Reform zu fragen. Im Gegenteil, die Frage ist wichtig, weil keiner von uns mit Strukturänderungen zufrieden sein kann, die nur auf dem Papier funktionieren.

Die Reform der Lehrerbildung ist ein Projekt, das nunmehr seit zwei Jahren weiterentwickelt wird. Ein Blick ins „Lernnetz Schleswig-Holstein“ belegt, wie viele daran mitgewirkt haben, wie offen die Diskussionen dazu gewesen sind.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das war wie eine Springprozession: Mal vor, mal zurück!)

Das haben wir in früheren Debatten zum Thema Lehrerbildung auch schon begrüßt, weil es ganz einfach auch nicht möglich sein wird, eine Änderung herbeizuführen, wenn diese nicht akzeptiert wird, wenn sie keine Akzeptanz findet.

Seit Februar dieses Jahres gibt es nun das neue Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen, SchleswigHolstein. Damit sind jetzt die Weichen für die zweite Phase der Lehrerbildung gestellt worden.

Aus einer Pressemitteilung der Bildungsministerin vom 22. August geht dann auch noch einmal in aller Kürze hervor, was die Inhalte dieser Reform sind. Daher sage ich: Aus der Sicht des SSW macht es Sinn, dass die Ausbildung von Lehrkräften künftig an den Hochschulen und an den Schulen stattfinden soll. Nur so werden wir eine bessere Verzahnung von Theorie und Praxis hinbekommen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Das heißt nicht, dass die Regionalseminare keine gute Arbeit geleistet hätten. Darum geht es nun wirklich nicht. Wenn wir aber davon ausgehen, dass sich die Anforderungen an unsere Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren verändert haben - alle PISA

(Anke Spoorendonk)

Debatten im Landtag haben dies parteiübergreifend bestätigt -, dann muss auch die Lehrerbildung geändert und modernisiert werden. Daran geht wirklich kein Weg vorbei.

Das IQSH soll künftig für die Qualitätsentwicklung der Schulen zuständig sein. Daher ist es folgerichtig zu sagen, dass ein wesentlicher Aspekt darin besteht, die Ausbilder für ihre Aufgaben zu qualifizieren, und dass somit die Schule selbst stärker zum Ort der Ausbildung wird. So kriegt man auch insgesamt Qualitätsentwicklung besser hin.

Durch die wirksamere Integration der Referendare in den Schulen wird sich die Lehrerbildung konsequent an der Schulpraxis orientieren. Richtig ist unserer Meinung nach auch, dass das IQSH verstärkt die fachspezifischen und die laufbahnbezogenen Teile der Lehrerbildung übernimmt. Dadurch - wenn ich das richtig verstanden habe - wird sichergestellt, dass die kleinen Fächer nicht hinten herunterfallen.

Dabei denke ich natürlich in erster Linie an den Unterricht in den Minderheitensprachen Friesisch und Dänisch, der aus unserer Sicht weiter gestärkt werden muss.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Joachim Behm [FDP])

Das ist für uns ein wichtiger Punkt. Wir haben das auch kontrovers diskutiert. Der Kollege Harms wird sich der Stimme enthalten, weil er nicht ganz so davon überzeugt ist, dass die Fächer gestärkt werden.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Sehr gut! Gu- ter Mann!)